Profilbild von Nabura

Nabura

Lesejury Star
offline

Nabura ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Nabura über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.04.2019

Die Menschheit als rückständige Spezies im All

Unter uns die Nacht
0

Vor Jahrzehnten haben die Menschen die Erde verlassen und leben seither auf den Schiffen der Exodus-Flotte. Von den anderen Spezies der Galaktischen Union werden sie als rückständig wahrgenommen und bleiben ...

Vor Jahrzehnten haben die Menschen die Erde verlassen und leben seither auf den Schiffen der Exodus-Flotte. Von den anderen Spezies der Galaktischen Union werden sie als rückständig wahrgenommen und bleiben in der Flotte unter sich. Doch immer mehr zieht es hinaus zu Planeten und Abenteuern. Wie viele andere beschäftigen sich Kip, Tessa, Eyas, Isabel und Sawyer mit der Frage, was das Leben auf einem Siedlerschiff ihnen bieten kann.

Die ersten beiden Romane von Becky Chambers aus dem Wayfarer-Universum haben mir sehr gut gefallen, weshalb ich unbedingt auch das dritte Buch lesen wollte. Nachdem man als Leser in den ersten beiden Büchern auf zahlreiche unterschiedliche Spezies gestoßen ist, verbringt man nun die meiste Zeit mit Menschen. Denn diese haben auf den Siedlerschiffen der Exodus-Flotte eine neue Heimat gefunden. Viele von ihnen leben wie ihre Vorfahren noch immer dort und folgen denselben Prinzipien und Regeln, während vor allem die jüngere Generation zunehmend zu neuen Ufern aufbricht.

Die Kapitel sind abwechselnd aus der Sicht der fünf Protagonisten geschrieben. Kip steht kurz vor dem Abschluss und muss sich entscheiden, was er danach tun will. Tessa sortiert Teile in der Frachtstation und kümmert sich um ihre beiden Kinder, während deren Vater die meiste Zeit im All unterwegs ist. Eyas ist eine Hüterin, die sich um das würdevolle Kompostieren der Toten kümmert und der die Menschen auch im Privaten mit einer Mischung aus Respekt und Unbehagen begegnen. Isabel arbeitet im Archiv und bekommt Besuch von einer Harmagianerin, deren Spezies zu den fortschrittlichsten gehört. Und Sawyer ist nach dem Verlust seines Jobs aus dem Zentralraum zur Flotte gekommen, um dort etwas Neues auszuprobieren.

Alle fünf Charaktere lernt man im Laufe des Buches genauer kennen und erhält Einblicke, was sie in positivem und negativem Sinne bewegt. Ich erfuhr so einiges darüber, wie das Leben auf den Schiffen organisiert ist und mit welchen Maßnahmen dafür gesorgt wird, dass es auch noch lange so weitergehen kann. Dabei schlägt das Buch eine philosophische Richtung ein und thematisiert Aspekte wie Heimat, Gemeinschaftsgefühl und Ausgrenzung, Bewahren des Alten und Durst nach Neuem. Ich wurde ins Nachdenken gebracht und war neugierig, welche Entscheidungen die Protagonisten bezüglich ihrer eigenen Zukunft treffen werden.

Mir fehlte in diesem Band jedoch eindeutig das Tempo. Gleich zu Anfang des Buches kommt es zu einem größeren Zwischenfall, nach welchem die Geschichte aber gleich vier Standards in die Zukunft springt. Danach wird in ruhigem Ton das Leben der Protagonisten erzählt, wobei große Überraschungen und spannende Momente ausbleiben. Man erfährt ausführlich, wie die menschliche Gesellschaft sich auf den Schiffen organisiert hat. Schade fand ich, dass man bis auf Isabels Besucherin leider keine Außerirdischen trifft. Erst spät im Buch kommen größere Dinge in Bewegung, doch auch hier werden Momente der Ungewissheit schnell aufgelöst. Deshalb ist „Unter uns die Nacht“ für mich der bislang schwächste Wayfarer-Roman und eher für Leser interessant ist, die Interesse an philosophischer Fantasy haben.

Veröffentlicht am 09.04.2019

Eintauchen in die Vergangenheit in Italien

Bella Ciao
0

Im Jahr 1946 kehrt Mrs. Giulia Masca für einen Besuch nach Borgo Di Dentro zurück. In diesem kleinen italienischen Städtchen ist sie aufgewachsen, bevor sie vor fünfundvierzig Jahren heimlich und mit einem ...

Im Jahr 1946 kehrt Mrs. Giulia Masca für einen Besuch nach Borgo Di Dentro zurück. In diesem kleinen italienischen Städtchen ist sie aufgewachsen, bevor sie vor fünfundvierzig Jahren heimlich und mit einem Kind im Bauch über Genua nach Amerika fuhr. Inzwischen ist sie eine gemachte Frau, die sich nun mit den Erinnerungen ihrer Kindheit und Jugend konfrontiert sieht. Was ist wohl aus ihrer Mutter geworden, die auf ihre Briefe nie geantwortet hat? Und was hat ihre ehemals beste Freundin Anita erlebt, von der Giulia damals im Stich gelassen und hintergangen wurde?

Zu Beginn des Buches trifft Giulia im italienischen Städchen Borgo Di Dentro ein. Gemeinsam mit ihrem Sohn Michael ist sie aus geschäftlichen Gründen von Amerika nach Europa gekommen, ihr Heimatdorf ist ein kurzer Zwischenstopp. Beim Anblick ihres Geburtshauses kommen zahlreiche Erinnerungen an die Oberfläche. Der Leser wird mitgenommen ins Jahr 1900, wo Giulia wie ihre Mutter Assunta und ihre beste Freundin Anita in einer Spinnerei arbeitet. Der Lohn reicht gerade so für das allernötigste, weshalb ein Streik begonnen wurde. Doch während die Arbeiterinnen sich davon vieles erhoffen, müssen sie erst einmal die Zeit ganz ohne Einkommen durchstehen.

Giulia wächst in ärmlichen Verhältnissen auf, hat sich mit ihrem Leben aber arrangiert. Deshalb war ich gespannt, was sie dazu bewegen wird, alles hinter sich zu lassen. Bald erahnt man den Grund und ich konnte ihren Entschluss schließlich nachvollziehen. Ich hoffte und bangte mit ihr, dass sie in Amerika nicht in die falschen Hände gerät. Die Entwicklungen in New York laufen verhältnismäßig schnell ab. Gleichzeitig wird die Situation in Italien aus unterschiedlichen Perspektiven ausführlich weiter erzählt.

Der Roman nimmt den Leser in ruhigem Tempo mit durch all die Jahre bis zu Giulias Rückkehr. Dabei muss man konzentriert lesen, um bei den häufigen und nicht explizit gekennzeichneten Sprüngen durch Raum und Zeit nicht den Faden zu verlieren. In Italien erlebt Anita und ihre Familie den ersten Weltkrieg, das entschlossene Agieren der Kommunisten gegen die Unterdrückung und schließlich das Erstarken der Faschisten. Giulia in Amerika muss sich mit ihrem Status als Einwanderin arrangieren und erlebt mit, wie ihr Sohn deshalb immer wieder ausgegrenzt wird.

Insgesamt liegt der Schwerpunkt der Handlung auf den Ereignissen in Italien und fokussiert sich im letzten Drittel vor allem darauf, was in Borgo Di Dentro während des zweiten Weltkriegs geschieht. Ich fand es schade, dass die Handlung in Amerika eher zweitrangig ist. Hier hätte ich gern mehr erfahren, während mit die Kriegsjahre in Italien zu ausführlich beschrieben waren. Giulias Rückkehr nach Italien bildet nur den Rahmen, um in die Vergangenheit einzutauchen. Auch davon hatte ich mir mehr erhofft. Lange Gespräche such man vergeblich, die Autorin lässt die Charaktere vor allem durch ihre Handlungen sprechen. Ich erhielt Einblicke in die Gedanken- und Gefühlwelt der Erzählenden, große Emotionen wurden bei mir jedoch nicht geweckt.

In „Bella Ciao“ wird eine komplexe Familiengeschichte erzählt, in der die Charaktere sich aller Rückschläge zum Trotz nicht unterkriegen lassen. Mir haben die starken Frauenfiguren gefallen und ich erhielt interessante Einblicke ins Italien während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Insbesondere die Beschreibung der Kriegsjahre zog sich für mich jedoch in die Länge und ich hätte mir ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen den Geschichten von Giulia und Anita gewünscht. Ein Buch für alle Leser von Familiengeschichten, die sich für Einblicke in die italienische Geschichte von 1900 bis 1946 interessieren.

Veröffentlicht am 08.03.2019

Von Anchorage hinaus in die unbekannte, gefährliche Welt

Mortal Engines - Der Grüne Sturm
0

Die 15-jährige Wren lebt schon ihr ganzes Leben in der ehemaligen Traktionsstadt Anchorage, was sie schrecklich langweilig findet. Viel lieber würde sie die Welt erkunden und Abenteuer erleben wie einst ...

Die 15-jährige Wren lebt schon ihr ganzes Leben in der ehemaligen Traktionsstadt Anchorage, was sie schrecklich langweilig findet. Viel lieber würde sie die Welt erkunden und Abenteuer erleben wie einst ihre Eltern Hester und Tom. Als ein U-Boot mit Verlorenen Jungs auftaucht, die sie um einen Gefallen bitten, ist sie mächtig aufgeregt. Doch was ein kleiner Diebstahl werden sollte endet im Fiasko, und plötzlich ist Wren als Geisel unterwegs in eine Welt, in der sich die Traktionsstädte und der Grüne Sturm einen erbitterten Kampf liefern…

Der dritte Teil des Mortal Engines Quartetts beginnt fünfzehn Jahre nach den Ereignissen von „Jagd durchs Eis“. Hester und Tom haben sich genau wie ganz Anchorage zur Ruhe gesetzt und einen sicheren Ort gefunden, an dem sie bleiben können. Doch ihre Tochter Wren ist fasziniert von den alten Abenteuergeschichten, die im Kontrast zu ihrem ereignislosen Leben stehen. Die Ruhe der letzten Jahre währt nicht mehr lang, als die Verlorenen Jungs auftauchen und Wren zu einem Diebstahl bewegen wollen. Schon nach wenigen Seiten wird die Situation brenzlig und plötzlich ist Wren als Geisel auf dem Weg ins Unbekannte.

Während Hester und Tom sich auf den Weg machen, um ihre Tochter zu befreien, trifft diese auf gefährliche Halsabschneider, alte Bekannte ihrer Eltern und neue Charaktere, deren Motive im Dunkeln bleiben. Was ich schade fand ist, dass sich die Handlung hauptsächlich an einem Ort abspielt. Nachdem Wren Anchorage verlassen hat, hätte ich gern mehr von der Welt fünfzehn Jahre nach dem letzten Abenteuer gesehen. Ihr Handlungsspielraum ist durch ihre Lage eingeschränkt, sodass sie mehr schauen und staunen als wirklich ins Geschehen eingreifen kann. Sie lernt im Laufe der Zeit dazu, bleibt aber eher das naive Mädchen, das gerettet werden muss.

Der Preis für meinen liebsten weiblichen Charakter in diesem Buch geht klar an Dr. Zero. Durch sie erfährt man mehr über die Aktivitäten des Grünen Sturms. An der Spitze der Kämpfer gegen die Traktionsstädte steht Stalker Fang, mit dem man ja schon im zweiten Band Bekanntschaft machen durfte. Dank Dr. Zero taucht auch Strike wieder auf der Bildfläche auf, wie schon das Buchcover verrät. Doch warum war es Dr. Zero so wichtig, ihn wiederzuerwecken? In diesem Teil der Story gab es so manche Überraschungen und Wendungen, die mich begeistern konnten.

Das Buch schlägt ein gemächliches Tempo an und nimmt erst am Ende so richtig an Fahrt auf. Es gibt ein großes Aufeinandertreffen verschiedener Charaktere und Fronten, bei dem ich im Hinblick auf dessen Ausgang mitfiebern konnte. Wirklich packen konnten mich aber auch hier hauptsächlich die Ereignisse rund um den Grünen Sturm. Die Geschichte rund um Wren kommt an die Abenteuer ihrer Eltern einfach nicht heran. Auf den letzten Seiten gibt es schließlich eine folgenschwere Enthüllung, die neugierig auf den vierten und letzten Band macht!

Veröffentlicht am 06.03.2019

Ein erschreckendes Szenario

Liebes Kind
0

In einer abgelegenen Hütte im Wald hält ein Mann eine Frau und zwei Kinder gefangen. Ihr Tagesablauf ist komplett von ihm abhängig und sie müssen jede seiner Regeln befolgen, um nicht bestraft zu werden. ...

In einer abgelegenen Hütte im Wald hält ein Mann eine Frau und zwei Kinder gefangen. Ihr Tagesablauf ist komplett von ihm abhängig und sie müssen jede seiner Regeln befolgen, um nicht bestraft zu werden. Doch dann gelingt der Frau die Flucht. Sie stolpert auf die Straße, wird angefahren. Gemeinsam mit ihrer Tochter wird sie ins Krankenhaus gebracht. Das Mädchen gibt an, dass ihre Mama Lena heißt. Handelt es sich etwa um Lena Beck, die vor über dreizehn Jahren spurlos verschwand. Voll banger Hoffnung machen sich Lenas Eltern auf ins Krankenhaus. Was sie dort finden, wirft jedoch mehr Fragen auf, als es beantwortet…

In der Beschreibung dieses Buches wird die jahrelange Gefangenschaft einer Frau in einer Hütte im Wald angedeutet. Damit wird das Thema angedeutet, ich hatte aber dennoch nur eine geringe Vorstellung, was mich genau erwarten wird. Beschreibungen dieses jahrelangen Schreckens? Insofern wurde ich überrascht, als das Buch nicht in der Hütte beginnt, sondern im Krankenhaus. Die Gefangene ist nämlich geflohen. Weil sie von einem Auto erfasst wurde, ist sie noch nicht ansprechbar, und ihre Tochter Hannah redet in Rätseln. Was ist wirklich vorgefallen?

Die einzelnen Informationsstücke, die man als Leser zu Beginn erhält, wollen nicht so recht zusammenpassen, weshalb meine Neugier geweckt war, mehr darüber herauszufinden, was vorgefallen war. Immer wieder denkt Hannah an das Leben in der Hütte und die klaren Regeln zurück, zum Beispiel, dass sie immer ihre leeren Hände zeigen muss, wenn ihr Papa kommt und man alles tun muss, was ein Erwachsener sagt. Sie scheint all diese Regeln tief verinnerlicht zu haben und ihre Lebensweise ist so selbstverständlich für sie, dass sie nur wenig Lust hat, die neugierigen Fragen im Krankenhaus zu beantworten. Ihre Sicht auf die Welt ist so verdreht, dass es sie mir beim Lesen leid tat und es gleichzeitig gruselig war, ihre Gedanken zu lesen.

Neben Hannah kommen im weiten Verlauf ihre Mama und ihr Großvater zu Wort. Beide stehen vor einer völlig veränderten Situation, müssen das erlebte verarbeiten und versuchen, sich neu zu arrangieren. Ein Prozess, der mit ganz unterschiedlichen Gefühlen verbunden ist: Angst und Wut spielen eine große Rolle, aber auch Hilflosigkeit und Schuldgefühle. Das packte mich beim Lesen emotional. Zwischendurch gibt es auch immer wieder Rückblicke in das Leben in der Hütte. Hier findet die Autorin einen guten Weg, um die erschreckende Gefangenschaft zu schildern, dabei aber nicht in Effekthascherei abzudriften.

Das Erzähltempo des Thrillers ist ruhig. Neue Informationen und Erkenntnisse, auf die ich wartete, kamen nur tröpfchenweise. Gleichzeitig verhalten sich die Protagonisten aufgrund ihrer seelischen Verfassung immer wieder irrational und verhindern damit ein Vorankommen der Aufklärung. Die Geschichte geriet dadurch ins Stocken und mich störte vor allem ein Logikfehler rund um die Spurensicherung, durch den die Geschichte überhaupt in der Form funktioniert. Ein weiterer großer Twist zeichnet sich ab einem gewissen Zeitpunkt ab, die Umsetzung kommt aber für meinen Geschmack zu spät und kann das Potenzial nicht ganz nutzen.

In „Liebes Kind“ wird ein erschreckendes Szenario beschreiben, das für die verschiedenen Protagonisten unterschiedliche Konsequenzen hat. Der Leser begleitet sie beim Versuch, ihr Leben neu zu ordnen, während ihre Gedanken immer wieder in die Vergangenheit zurückkehren. Die emotionalen Szenen ließen mich nicht unberührt. Den Handlungsverlauf fand ich jedoch nicht ganz rund. Ein solides Thriller-Debüt für Leser von emotionaler Geschichten, die ihre düsteren Geheimnisse langsam Preis geben.

Veröffentlicht am 02.03.2019

Ein Buch, das mich hin- und hergerissen zurücklässt

Cows
0

Tara ist Anfang vierzig und versucht, ihre Rollen als erfolgreiche Dokumentarfilmerin und alleinerziehende Mutter unter einen Hut zu bekommen. Dabei merkt sie an ihrem männerdominierten Arbeitsplatz und ...

Tara ist Anfang vierzig und versucht, ihre Rollen als erfolgreiche Dokumentarfilmerin und alleinerziehende Mutter unter einen Hut zu bekommen. Dabei merkt sie an ihrem männerdominierten Arbeitsplatz und dem Warten am Schultor immer wieder, wie schwer es ist, den Erwartungen der anderen gerecht zu werden. Dass man auf die Meinung der anderen jedoch nicht viel geben sollte propagiert die Mittdreißigerin Cam auf ihrem populären Blog. Cam lebt allein, will keine Kinder und hat gelegentlich Sex mit einem jüngeren Mann – ein Lebenswandel, an dem sie ihre Leser teilhaben lässt und der bei ihrer Mutter und ihren Schwestern seit Jahren auf Unverständnis stößt. Stella, Ende zwanzig, spürt beim Lesen von Cams Artikeln vor allem Wut. Sie hat das Brustkrebsgen und die Rückmeldung der Ärzte für sich so interpretiert, dass sie sofort schwanger werden muss oder es zu spät ist. Doch ihr Freund reagiert zurückhaltend auf ihren Wunsch. Schließlich gerät Tara in eine pikante Situation, die sie über Nacht zum Gespött der Nation macht. Ihr Leben scheint zerstört, und in den Medien gibt es nur eine Person, die zu ihr hält: Cam.

Zu Beginn des Buches lernt der Leser die drei Protagonistinnen kennen. Sie stehen mitten im Leben, müssen aber mit ganz unterschiedlichen Herausforderungen kämpfen: Tara arbeitet mit Männern zusammen, deren Verhalten man nur als frauenfeindlich bezeichnen kann. Obwohl sie früher als alle anderen anfängt erntet sie missbilligende Blicke, wenn sie zeitig geht, um ihre Tochter von der Schule abzuholen, nur um dort als Alleinerziehende ähnlichen Blicken der anderen Mütter ausgesetzt zu sein. Cams Lebenswandel stößt hingegen bei vielen ihrer Leserinnen auf positive Resonanz, nur ihre Mutter und ihre Schwestern wollen ihr Bekenntnis zur Kinderlosigkeit nicht verstehen. Und Stella fühlt sich wie eine tickende Zeitbombe, nachdem ihre Zwillingsschwester und ihre Mutter an Krebs gestorben sind und auch sie das Brustkrebsgen trägt. Obwohl es verschiedene Optionen für sie gibt kommt bei ihr nur eines an: Sie muss sich einer Operation unterziehen und davor schnellstmöglich ein Kind bekommen.

Die drei Frauen haben sich nie gesehen, das verbindende Element ist zu Beginn nur die Tatsache, dass Tara und Stella den Blog von Cam lesen. Die Perspektive wechselte jeweils nach wenigen Seiten und so tauchte ich schnell in die drei gänzlich unterschiedlichen Leben ein. Ich wurde ins Nachdenken gebracht darüber, dass eine Frau zwar die Wahl hat, was sie mit ihrem Leben anstellen will, aber es immer jemanden gibt, der mehr oder weniger explizit und lautstark andere Erwartungen an sie heranträgt.

Schließlich kommt es in Taras Leben zu einer katastrophalen Entwicklung. Sie ist über Nacht mit einer pikanten Story in allen Medien vertreten. Kann sie sich überhaupt noch in die Öffentlichkeit wagen? Was denken nun alle anderen über sie? Wie soll sie reagieren? Sie ist gänzlich mit der Situation überfordert, ihr Leben ist völlig aus den Fugen geraten. Auch Cam und Stella bekommen die ganze Geschichte mit und reagieren jeweils auf ihre spezielle Weise. Mit diesem ungewöhnlichen, provokativen Twist stieg mein Neugier auf den weiteren Handlungsverlauf zunächst an. Doch im Laufe des Romans wird das Thema so lang und breit diskutiert, dass es für mich irgendwann seinen Reiz verloren hatte, Tara beim Aufarbeiten des Geschehens zu begleiten.

Auch in Cams Abschnitten hatte ich irgendwann das Gefühl, dass die Diskussion rund um ihre bewusste Entscheidung zur Kinderlosigkeit sich im Kreis dreht und zu wenig Neues geschah. Tara und Cam blieben mir trotzdem weiterhin sympathisch, ganz im Gegensatz zu Stella. Ihre Geschichte ist wirklich traurig und hart, doch ihre Entscheidungen entsetzten mich ab einem gewissen Punkt nur noch und sie hätte meiner Meinung nach dringend psychologische Betreuung gebraucht, um ihre Situation aufzuarbeiten. Die Reaktionen ihres Umfelds hingegen… nun ja. Zum Ende hin kommt schließlich rasant Bewegung ins Geschehen. Ich fand die Entwicklungen dabei zu überzogen und den Abschluss irgendwie erzwungen.

„Cows. Folge nicht der Herde“ vermittelt die wichtige Nachricht, dass es völlig okay ist, als Frau mit dem eigenen Leben zu machen, was man will, dafür aber nicht immer Applaus erhalten wird. Der Autorin gelingt es gut, drei verschiedene Lebensentwürfe und Lebensgefühle darzustellen und verschiedene Reaktionen des Umfelds darauf. Das Buch lässt mich hin- und hergerissen zurück, denn trotz vieler guter Appelle hatte ich irgendwann das Gefühl, dass manche Themen zu sehr ausgewalzt wurden und die Handlung zunehmend effekthascherisch wurde. Was der Geschichte auf jeden Fall gelingt ist, Redebedarf zu erzeugen. Lest den Roman am besten selbst, um euch ein Bild zu machen.