Eine Frau auf der Suche nach dem, was sie wirklich will
Der Roman „Frühlingserwachen“ erzählt von dem Alter Ego gleichen Namens der Autorin Isabelle Lehn. Mit dem Erwachen des Frühlings assoziiere ich den Beginn des jährlichen Aufblühens der Natur. Für die ...
Der Roman „Frühlingserwachen“ erzählt von dem Alter Ego gleichen Namens der Autorin Isabelle Lehn. Mit dem Erwachen des Frühlings assoziiere ich den Beginn des jährlichen Aufblühens der Natur. Für die Protagonistin Isabelle Lehn, 36 Jahre alt, Schriftstellerin, geschieden und in einer Beziehung, ist es kein neuer Anfang. Eher sieht sie „rot“ und ist wütend auf sich selbst, wenn sie auf das schaut, was sie bisher im Leben erreicht hat, symbolisiert auch durch die Farbgestaltung des Covers. Die junge Frau, die dort abgebildet ist, scheint sich lieber in ihrer Kleidung verstecken zu wollen, doch ihr Blick richtet sich offen und erwartungsvoll auf den Lesenden. Wendet man das Buch, stellt sich die Abbildung förmlich auf den Kopf und auch die Hauptfigur sinnt darüber nach, ob sie durch verschiedene Entscheidungen ihre Zukunft gründlich verändern könnte.
Isabelle wünscht sich ein Kind, ist sich aber nicht schlüssig darüber, ob es ihr in der Folge gelingen wird, die Maßstäbe tatsächlich zu erreichen, die sie sich für eine Erziehung setzt. Seit vielen Jahren arbeitet sie an ihrem Roman und hofft natürlich darauf, dass er veröffentlicht wird. Sie ist unzufrieden aufgrund des Nichterreichten beziehungsweise nicht genug Erreichten und stagniert in einer depressiven Phase. Die verordneten Tabletten wirken gegen ihre Unruhe, vermindern aber auch ihren Antrieb. Wie bei vielen Dingen in ihrem Leben, weiß sie nicht, welchem Umstand sie mehr Bedeutung beimessen soll. Ihrer Meinung nach befindet sie sich in einem Alter in dem ihre Entscheidungen wichtige Auswirkungen für den Rest ihres Lebens haben werden. Isabelle fragt sich, ob es immer nur zwei Seiten einer Medaille gibt, schwarz oder weiß, hell und dunkel oder lohnt sich es sich auch mit Alternativen und Kompromissen zu leben?
Isabelle Lehn schreibt einen Text bei dem an keiner Stelle klar wird, wie autobiographisch er ist. Doch die Frage bleibt stets im Hintergrund und forderte mich von Beginn an dazu auf, mehr über die Autorin im Internet zu erfahren. Neben der eigentlichen Handlung, in der der Schreibprozess eines Romans geschildert wird, ebenso wie die Kinderwunschbehandlung der Protagonistin und die Psychotherapiestunden gegen die Depressionserkrankung, konnte ich mehr über die Gefühlswelt der Hauptfigur erfahren, die in der Ich-Form erzählt. Ohne Hemmungen schreibt sie über ihre Beziehungen zu Männern, ihr feinsinniges Verhältnis zu ihren Freundinnen und ihrer ungebrochenen Bindung zu Familienangehörigen. Begleitet wird der Text immer wieder mit Ausflügen in die Literatur, die auf vielfache Weise in den Alltag von Isabelle einfließt und einwirkt.
Auf ihre ganz eigene Weise ist die Protagonistin des Romans „Frühlingserwachen“ bestrebt, einen Weg zu finden, sich selbst zu verwirklichen. Sie sucht dabei nach einem geeigneten Maßstab, an dem man seine Zufriedenheit messen kann, um sich letztlich der Ironie des Schicksals hinzugeben. Ausdrucksstark erzeugt die Autorin Bilder im Kopf, die gerade durch die Möglichkeit der Nähe zur Realität authentisch wirken. Gerne empfehle ich den Roman weiter.