Wie auch bei Volker Dützers Titel „Jenseits der Nacht“ handelt es sich um einen Thriller aus regionalen Gefilden. Diesmal spielt er in Koblenz und im Allgäu.
Klappentext:
Sie träumen von Unsterblichkeit – und sind bereit, dafür über Leichen zu gehen
Auf der einen Seite: ein Mord in Koblenz. Eine Schönheitsklinik in den Alpen. Und eine Gruppe sehr reicher, sehr mächtiger Männer, die bereit ist, andere sterben zu lassen, um selbst am Leben zu bleiben. Auf der anderen Seite: die junge Laborantin Jule Rahn und der zwangsversetzte Kommissar Lucas Prinz. Beide fest entschlossen herauszufinden, was sich hinter den Machenschaften dieser Männer verbirgt. Gemeinsam kommen die beiden einem Verbrechen auf die Spur, dessen Ausmaß sie fassungslos macht. Und dessen Drahtzieher haben nicht vor, die beiden am Leben zu lassen …
Es ist gar nicht so einfach eine Rezension zu einem Roman zu erstellen, ohne viel vom Inhalt zu verraten. „Das Ambrosia-Experiment“ hat es mir echt angetan und ich habe es innerhalb weniger Tage durchgelesen. Es muss nicht immer ein Roman aus den Federn eines amerikanischen oder englischen Autors sein. Auch deutsche Autoren verstehen es tolle und mitreißende Romane zu schreiben. Klar ist Volker Dützer nicht so bekannt wie Sebastian Fitzek, aber der Inhalt seines neuen Werkes kann sich sehen bzw. lesen lassen.
Der Roman spielt, wie schon Anfangs erwähnt, in Koblenz und im Allgäu. Ich habe mich oftmals dabei erwischt, als ich mir in Google Maps die Karte von Koblenz aufgerufen habe. Klar findet man nicht alle beschriebenen Örtlichkeiten aus dem Buch, aber der grobe Rahmen stimmt und selbst die Eisenbahnbrücke über dem Rhein ist vorhanden. Der der Autor in der Nähe von Koblenz lebt, konnte er die Stadt auch gut in den Roman einbauen. Die dunkle Jahreszeit passt in die düstere Geschichte wie die „Faust aufs Auge“ und birgt gerade in den Allgäu Szenen noch mal eine andere Gefahr für die Protagonisten.
Wo wir schon einmal bei den Protagonisten sind. Zwei Charaktere stehen im Mittelpunkt des Romans von Volker Dützer. Da wäre zu einen der Kommissar Lucas Prinz und die Laborantin Jule Rahn. Beide haben mit ihrer Vergangenheit zu kämpfen.
So wird Lucas Prinz nach Koblenz zwangsversetzt, nachdem er Kollegen „angeschwärzt“ hat. Oder wie Prinz selber sagt „Ich hab ins eigene Wohnzimmer gepinkelt. Das hat ein paar Leuten nicht gefallen.“ Er versprüht den Flair eines Horst Schimanski oder eines Max Ballauf. Aber auch wie diese genannten Kommissare hat Lucas Prinz einen weichen, einfühlsamen Kern. Vielleicht findet der ein oder andere noch einen anderen Vergleich. Mit diesen Kommissaren bin ich jedoch groß geworden und daher kommen sie mir in den Sinn. Vor Jahren von seiner Frau sitzengelassen zieht er zu seiner neuen Wirkungsstätte und steckt wieder mitten in einem neuen Fall und lernt dabei Jule Rahn kennen.
Jule Rahn ist eine junge Frau, die unter einer Zwangsneurose leidet. Wie schreibt Wikipedia dazu so treffend:
Bei einer Zwangsneurose kommt es zu dem Zwang, bestimmte, nicht sinnvolle Handlungen ständig zu wiederholen (Zwangshandlung) oder bestimmte, mit Angst besetzte Gedanken drängen sich der betroffenen Person immer wieder auf (Besessenheit).
- Zweifel (Unsicherheit, Handlungen nicht zufriedenstellend abgeschlossen, etwas falsch verstanden, getan oder unterlassen zu haben)
- Zählzwang (Arithmomanie) (bestimmte Dinge, die im Alltag auftauchen, werden gezählt)
- Wiederholungen (bestimmte Gedanken müssen ritualisiert wiederholt werden)
Es gibt noch weitere Zwangsneurosen, aber die drei Punkte beschrieben den Charakter von Jule am besten. Sie möchte nicht auffallen und zeigt dies auch durch ihre unauffällige, einfache Bekleidung. Während des Romans erfährt der Leser immer mehr aus Jules Leben und darf gespannt auf Ihre Entwicklung sein.
Volker Dützer schafft es mit seinem Schreibstil den Leser schnell an die Charaktere zu binden und in die Geschichte abtauchen zu lassen. Die Sprache ist ausdrucksstark, präzise, mitreissend, packend und umschreibt viele Dinge mit einfachen, aber passenden Worten. Dazu findet sich zum Beispiel folgender Satz: „Auf der freien, ebenen Fläche würde ihr Verfolger sie so deutlich erkennen wie einen Blutfleck auf einer weißen Tischdecke.“ Gleichzeitig ist sie aber auch ehrlich und nicht geschönt. Das Beispiel mit „…ins eigene Wohnzimmer gepinkelt.“ spricht da für sich.
Die Story läßt sich ein wenig vom Titel ableiten „Das Ambrosia Experiment“. Ambrosia, oder auch beifußblättriges Traubenkraut gehört nicht zu den heimischen Pflanzenarten. Bei Homer kommt es in der Ilias und in der Odyssee als unsterblich machende Speise der Götter regelmäßig vor. Den gewöhnlichen Menschen wird es vorenthalten, wie man aus der Kirke-Episode der Odyssee sehen kann. (Quelle: Wikipedia)
Und wie damals bei den Göttern geht es auch in diesem Roman um die „Unsterblichkeit“. Nur statt den Göttern ist es hier Menschen vorenthalten, die Geld und Macht besitzen. Die Motive „Geld“ und „Macht“ bilden in vielen Romanen die Grundlage für das Handeln der „Bösewichte“. Hier kommt aber noch die „Unsterblichkeit“ hinzu und so ist es nicht verwunderlich, das diese Menschen sprichwörtlich „über Leichen gehen“, um ihre Ziele zu erreichen.
Die Geschichte beinhaltet viele reale Bezugspunkte und wirkt dadurch noch erschreckender, wie z.B. Rezeptdatenklau und -vermarktung, Gen-Manipulation und politische Seilschaften. Aber auch gesellschaftspolitische Themen wie die Ausgrenzung von alten Leuten aus der Gesellschaft lassen sich kritisch hinterfragen.
Alles in allem ist es ein gelungenes Werk von Volker Dützer. Wie die Zahnräder eines Schweitzer Uhrwerks greifen die Handlungsstränge und Charaktere ineinander über. Zwischen den einzelnen Kapiteln gibt es „Cliffhanger“, welche mich als Leser zum Weiterlesen verführt haben, auch wenn ich eigentlich das Licht ausmachen und Schlafen wollte.
Zum Schluss noch einer meiner Lieblingssätze aus dem Buch:
„Sie sind eine ausgesprochen hübsche und liebenswerte junge Frau, aber so verängstigt wie ein Hund, den man jahrelang geschlagen hat. Ich will endlich wissen, was Ihnen widerfahren ist … und wer dafür verantwortlich ist, dass Sie sind … wie Sie sind.“
Ich hoffe, ich konnte ihnen mit meiner Rezension einen ersten Eindruck zu dem Buch vermitteln. Volker Dützer hat auf seiner Homepage noch ein wenig mehr zur Entstehungsgeschichte zu „Das Ambrosis-Experiment“ veröffentlicht. Falls ich ihr Interesse wecken konnte, finden sie dort ein paar mehr Informationen