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Veröffentlicht am 17.04.2019

Londons erste medizinische Hochschule für Frauen

Wohin dein Herz mich ruft
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Julia Barney ist für 1881 eine sehr selbstbewusste, zielstrebige und mutige Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht. Sie wuchs gemeinsam mit ihren beiden Schwestern in einem Waisenhaus auf. Ihr großer ...

Julia Barney ist für 1881 eine sehr selbstbewusste, zielstrebige und mutige Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht. Sie wuchs gemeinsam mit ihren beiden Schwestern in einem Waisenhaus auf. Ihr großer Wunsch als Ärztin und Missionarin in Afrika den Menschen zu helfen, steht jedoch seit kurzer Zeit auf wackeligen Füßen. Graf von Westerbridge versucht alles Mögliche, um die einzige medizinische Hochschule, die vor nicht allzu langer Zeit auch für Frauen zugelassen ist, zu schließen. In einem Prozess gegen eine Lehrkraft versucht er sein Ziel zu erreichen. Julia bereitet sich unterdessen auf die Aufnahmeprüfung zum Medizinstudium vor. Auf den Weg zu einer Vorlesung nimmt sie die U-Bahn, die damals noch mit einer Dampfmaschine betrieben wurde. Es kommt es zu einem folgenschweren Unfall. Der junge und attraktive Anwalt Michael Stephenson wird dabei schwer verletzt und Julia rettet ihm das Leben. Doch Michael ist einer der Anwälte des Prozesses gegen die Medizinerin und hat es nur durch harte Arbeit geschafft, den Ruf seiner Familie wieder herzustellen. Nichts kann ihn davon abbringen. Nun hat er genau eine dieser Frauen vor sich, deren Zukunft er damit zerstört, wenn er den Prozess gewinnt. Und Julia fordert von ihm seine Hilfe - als Tausch für die Rettung seines Lebens....

Ich wusste nicht, dass es sich hier bereits um den 2. Band der Reihe "Liebe in London" (ich finde den deutschen Titel furchtbar und halte mich eher an das Original, das "London Beginnings" heißt) handelt. Protaginisten sind die drei Barney Schwestern Rosalyn, Julia und Cara. Band Eins "Die Tochter des Kapitäns" kannte ich noch nicht, hatte aber keinerlei Schwierigkeiten in "Wohin dein Herz mich ruft" einzusteigen, denn jeder Schwester ist ein Band gewidmet.

Zu Beginn hatte ich ein bisschen zu kämpfen um in die Geschichte hineinzufinden. Für meine Begriffe war mir der Roman anfangs etwas zu ruhig und unspektakulär. Das eher nette vikorianisch-züchtige Geplänkel zwischen Julia und Michael plätscherte etwas vor sich hin....doch dies änderte sich bald. Jennifer Delamere legt neben der aufkeimenden Liebesgeschichte, die doch eher am Rand spielt, ihren Fokus auf den Kampf der Zulassung von Frauen zum Medizinstudium und den damit verbundenen Prozess, gesellschaftlichen Konventionen und hebt zusätzlich den Unterschied zwischen Arm und Reich hervor. Da es sich um einen christlichen Roman handelt, steht auch der Glaube des öfteren im Fokus.

Julias offenes und gewinnendes Wesen und ihr Glaube an Gott überraschen Michael, der bis jetzt nur Frauen aus seiner Gesellschaftsschicht kennt, die eher durch Koketterie auffallen und keinerlei Ambitionen haben einen Beruf zu ergreifen. Julia ist jedoch ehrgeizig und verfolgt ihre Ziele systematisch. Doch darin kommt kein Mann vor.... Und Michaels Schwester Corinna versucht alles Mögliche, um ihren Bruder bestens zu verheiraten und die gute gesellschaftliche Stellung zu halten, wenn nicht zu verbessern. Dies zieht einige Komplikationen nach sich....

Julias jüngere Schwester Cara, die im nächsten Band die Hauptprotagonistin sein wird, hat auch in diesem Buch einen Auftritt. Ihre Figur hat mich bereits neugierig auf den Folgeband gemacht, denn Cara ist eine sehr aufgeweckte und doch verträumte Person, die nur das Gute im Menschen sieht.

Schreibstil:
Der Schreibstil von Jennifer Delamere hat mir sehr gut gefallen. Ich konnte mir alle Figuren sehr plastisch und bildhaft vorstellen. Die Charaktere sind wunderbar ausgearbeitet. Die Sprache passt zur Zeit des Romans und ich hatte das viktorianische London stets vor Augen.


Fazit:
Ein unterhaltsamer historischer Roman, der die gesellschaftlichen Konventionen und die langsam aufkommende Emanzipation der Frauen im viktorianischen London zum Thema hat. Nach anfänglich kleinen Schwierigkeiten konnte ich das Buch danach kaum aus der Hand legen.

Veröffentlicht am 07.04.2019

Frederikas persönlichster Fall

Sündengräber
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Sehr gespannt war ich auf den sechsten Band rund um die Reihe von Fredrika Bergman und Alex Recht, nachdem ich alle Vorgängerbände gelesen habe. Im Gegensatz zur Dilogie der Autorin um "Schwesterherz" ...

Sehr gespannt war ich auf den sechsten Band rund um die Reihe von Fredrika Bergman und Alex Recht, nachdem ich alle Vorgängerbände gelesen habe. Im Gegensatz zur Dilogie der Autorin um "Schwesterherz" und "Bruderlüge", die ich furchtbar fand (Band 2 habe ich gar nicht mehr gelesen), sind mir Fredrika und Alex mittlerweile richtig ans Herz gewachsen.

Der erste Mann schreibt mit der Gewissheit, dass er bald sterben muss sein Testament und gesteht eine verjährte Tat. Der zweite Mann mietet ein Haus für eine Familie, das zur Festung wird. Niemand kommt rein und niemand kommt raus. Der dritte Mann fühlt sich verloren und beschließt die Welt auf seine Art besser zu machen.
So beginnen die ersten Kapitel des voraussichtlich letzten Teils dieser Reihe, die anfangs ganz schön verwirrend sind und dem Leser völlig zusammenhanglos vorkommen. Lange versucht man die Verbindungen der Handlungsstränge zu finden, doch dies dauert und ist auch gewollt. Einzig den ersten Mann hatte ich bald entlarvt.... Danach wird es aber richtig spannend und der erste Mord lässt auch gar nicht lange auf sich warten. Und mitten drinnen Fredrika und Alex, deren letzter großer Fall der Salomon-Gemeinde ihnen noch in den Knochen sitzt. Nun sind sie am Schauplatz eines neuen Mordes, der wie eine Hinrichtung wirkt. Seltsamerweise hat das Mordopfer den Ehering seiner toten Tochter am Finger. Soll dies ein Hinweis sein? Und was will der Täter damit sagen?
Dies ist erst der Beginn einer Mordserie, bei der die Ernittler allerdings keine Gemeinsamkeiten erkennen können. Lange Zeit tappen sie im Dunkeln und der Täter ist ihnen immer um eine Nasenlänge voraus. Nur langsam ist das Motiv ersichtlich, welches jedoch nicht zum Täter führt....bis es fast zum spät ist und Fredrika und Alex den Mörder überführen können.

Auch dieser Thriller der Autorin ist wieder äußerst komplex aufgebaut. Dadurch ist man zwar von Anfang an gespannt, was sich hinter all den Handlungssträngen verbirgt, jedoch ist es zu Beginn etwas verwirrend. Bald war ich jedoch gefangen von der Story und dem langsam aufkommenden furchtbaren Verdacht, der sich Gott sei Dank als falsch herausgestellt hat und den ich auch immer wieder in die Ecke meiner Gedanken stellen wollte.
Die Atnosphäre ist diesmal ziemlich düster. Gefallen hat mir die abwechselnde Sicht auf die zukünftigen Opfer oder wie sich langsam ein Puzzleteilchen ums andere zusammensetzt. Mehr möchte ich diesmal zum Inhalt gar nicht verraten.....

Die persönlichen Probleme, vorallem von Fredrika, sind auch im voraussichtlich letzten Band der Reihe wieder ein zentrales Thema neben der Ermittlungsarbeit. Und diesmal hat es die Ermittlerin wirklich nicht leicht.
Den Spannungsbogen fand ich durchgehend hoch und ich hatte das Buch wirklich schnell durchgesuchtet. Trotzdem ist es für mich nicht das Beste der Reihe. Mein Lieblingsbuch bleibt "Himmelschlüssel", aber ich denke jeder Leser der Reihe hat seinen eigenen Lieblingsband.

Ich finde es schade, dass wir uns von diesem Ermittlerung nun tatsächlich verabschieden müssen...

Fazit:
Der voraussichtlich letzte Band der Reihe rund um Fredrika Bergman und Alex recht ist ziemlich düster und sehr komplex. Anfangs etwas verwirrend entwickelt er sich zu einer spannenden Story, die so einige Überraschungen bereit hält. Obwohl es nicht der beste Band der Reihe ist, finde ich es schade, dass

Veröffentlicht am 30.03.2019

Heirat oder Beruf?

Wir nannten es Freiheit
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Die Autorin ist mir nicht unbekannt, jedoch kenne ich sie von Romanen, die in der Gegenwart spielen. "Sie nannten es Freiheit" ist ihr erster historischer Roman. Als historischer Vielleser bemerkte ich ...

Die Autorin ist mir nicht unbekannt, jedoch kenne ich sie von Romanen, die in der Gegenwart spielen. "Sie nannten es Freiheit" ist ihr erster historischer Roman. Als historischer Vielleser bemerkte ich das leider schon im ersten Leseabschnitt. Ich kann es aber nur gefühlsmäßig wiedergeben, dass ich dies so empfunden habe und mit den weiteren Seiten, die ich las, änderte sich dieses Gefühl zum Positiven.

Lene kommt aus einfachen Verhältnissen, ist jedoch eine wissbegierig und fleißige Schülerin. Nach ihrem Pflichtschulabschluss bekommt sie von den adeligen Arbeitgebern ihrer Mutter die Chance ein Lehrerinnenseminar zu besuchen. Dies war schon immer ihr Traum. Nach Abschluss ihrer Ausbildung erhält sie an einer Mädchenschule in Schöneberg, Berlin, die Stelle einer Vertretungslehrerin. Es ist 1916 und wir befinden uns mitten im ersten Weltkrieg. Immer mehr Lehrer werden eingezogen oder kommen nicht mehr aus dem Krieg zurück. Auch Paul, Lenes Verlobter, erhält die Einberufung für den Frontdienst. Lene, die überglücklich ist, als Lehrerin arbeiten zu dürfen, denkt jedoch mit gemischten Gefühlen an ihre Zukunft. Nach ihrer Heirat mit Paul dürfte sie nach dem Lehrerinnen-Zölibat nicht mehr unterrichten. Muss sie sich zwischen Paul und ihrem Beruf entscheiden, wenn der Krieg vorüber ist?
Das Schicksal schlägt zu und Paul kehrt verwundet aus Frankreich zurück. Ihm quält nicht nur sein steifes Bein, sondern auch Alpträume. Jede Nacht wecken ihn die Erinnerungen an die Zeit in den Schützengräben. Die Beziehung wird zu einer großen Belastungsprobe und die beiden entfernen sich immer mehr voneinander....

Die Autorin zeigt in ihrem Roman, wie schwer es die einfache Bevölkerung während des Krieges hat. Der Schwarzmarkt blüht. Auch Lene versucht auf diese Weise Medikamente für ihre kranke Mutter einzutauschen, zu der sie eine liebevolle Beziehung hat. Die Wäscherin und Alleinerzieherin kann trotz zwei Arbeitsstellen und dem Lohn von Lene kaum die kleine Mietwohnung bezahlen. Gleichzeitig zeigt sie aber durch Ferdinand von dem Hofe, dem Sohn des adeligen Arbeitgebers ihrer Mutter, der seit Kindesbeinen mit Lene befreundet ist, das Leben der wohlhabenden Adeligen auf, die sich in Clubs amüsieren und kaum Hunger leiden müssen. Doch auch Ferdinand quälen Ängste...

Silke Schütze hat sich in ihrem ersten historischen Roman vorallem dem Thema des Lehrerinnenzölibats gewidmet. Vor nur wenig mehr als 100 Jahren sind Frauen von den Entscheidungen ihrer Ehemänner oder Väter abhängig. Ihnen wurde keinerlei Recht zugesprochen. 1916 gibt es für Frauen nur zwei Möglichkeiten: Heirat, Ehe und Kinder oder alleinstehend und berufstätig. Der engstirnige und selbstgefällige Schulleiter Frambosius macht es den Lehrerinnen an seiner Schule alles andere als leicht. Für ihn sind Frauen Menschen zweiter Klasse und er ist ein typischer Vertreter seiner Generation. Lene und ihre Kolleginnen fragen sich, wer all die im Krieg gefallenen Lehrer ersetzen soll, wenn verheirate Lehrerinnen vom Schuldienst ausgeschlossen werden? Sie starten eine gemeinsame Petition an den Oberbürgermeister...

Die Charaktere sind detailiert und lebendig ausgearbeitet. Sie sind individuell, haben Ecken und Kanten. Lene ist eine selbstbewusste junge Frau, die mit beiden Beinen fest im Leben steht. Sie kümmert sich liebevoll um ihre kranke Mutter und wünscht sich für die Mädchen an ihrer Schule mehr Freiheit und Schulbildung. Sie wehrt sich gegen Ungerechtigkeit. Paul ist ein netter junger Mann, der jedoch nach seiner Kriegsverletzung in schwere Depressionen fällt. Lenes Lehrerkolleginnen sind großteils patente Frauen, die ihren Beruf mit genauso großer Liebe und Hingabe ausführen, wie Lene.
Einige Wendungen sind leider etwas vorhersehbar und ein Handlungsstrang verlief gänzlich im Sand und wurde nicht beantwortet.

Dass Lehrerinnen früher nicht heiraten durften, war mir bekannt. Ich muss aber gestehen, dass ich es zeitlich viel früher angesiedelt hätte. Es ist nämlich erschreckend zu lesen, dass zum Beispiel in Deutschland erst 1950 das Lehrerinnnenzölibat gänzlich abgeschafft wurde! Da waren wir in Österreich ausnahmsweise einmal fortschrittlicher. In meinem Bundesland wurde es bereits 1923 abgeschafft, jedoch dauerte es auch bis 1949 bis in allen neun Bundesländern Lehrerinnen heiraten und unterrichten durften.

Fazit:
Eine interessante Geschichte über die Stellung der Frau vor hundert Jahren und dem Lehrerinnenzölibat. Silke Schütze hat in ihrem ersten historischen Roman ein sehr interessantes Thema aufgegriffen und ein Stück Zeitgeschichte eingefangen. Einige Handlungen waren mir zu vorhersehbar und anfangs fehlte es mir noch an der richtigen Atmosphäre zu dieser Zeit. Insgesamt aber eine liebevoller und informativer Roman, der mir schöne Lesestunden bescherte.

Veröffentlicht am 24.03.2019

Neue Familiensaga um ein Weingut in der Toskana

Die Frauen der Villa Fiore 1
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Mit ihrem neuersten Roman reist Constanze Wilken diesmal nicht nach Wales, sondern in die sonnige Toskana. "Die Frauen der Villa Fiore - Guilias Geschichte" ist der Auftakt einer Reihe rund um die Schwestern ...

Mit ihrem neuersten Roman reist Constanze Wilken diesmal nicht nach Wales, sondern in die sonnige Toskana. "Die Frauen der Villa Fiore - Guilias Geschichte" ist der Auftakt einer Reihe rund um die Schwestern Massinelli. Im ersten Band dreht sich alles um die älteste Tochter Giulia, die seit Jahren in den USA lebt. Nach einem beruflichen und privaten Schicksalschlag kehrt sie in den Schoß der Familie zurück. Die Beziehung zu ihrem Vater Lorenzo ist und war immer schon schwierig. Er macht es Giulia auch alles andere als leicht, denn er verstand nie, warum seine älteste Tochter nichts für das Weingut übrig hatte und lieber Wirtschaftsprüferin wurde.
Doch auch Giulia muss erst ihre Wunden lecken, bevor sie sich über ihre weitere Zukunft den Kopf zerbrechen kann. Das passiert jedoch schneller als geplant, denn jemand will dem Weingut, das sich auf biologischen Anbau spezialisiert hat, schaden. Es häufen sich Unfälle und Fehler. Als Frau vom Fach bemerkt sie schnell, dass die finanzielle Lage ebenfalls allles andere als rosig ist. Gemeinsam mit dem amerikanischen Önologen Paul Reed versuchen die Massinellis besten Wein zu produzieren und dem Saboteur auf die Schliche zu kommen....

Constanze Wilken hat sich enormes Wissen über den biologischen Weinbau für diesen Roman zugelegt und perfekt recherchiert. Als Leser erfährt man sehr viel über die Herstellung und den Anbau von Wein. Die Autorin lässt dieses Wissen verständlich und nebenbei miteinfließen, sodass man selbst als Laie keinerlei Probleme hat. Als Leser lernt man auch die Aufgaben eines Önologen und Flying Winemakers kennen. Obwohl ich nur unweit einer Weinregion wohne, war mir dieser Beruf unbekannt. In einem kleinen Nebenstrang erfährt man mehr über Paul, der nicht nur als Önologe arbeitet, sondern selbst ein kleines Weingut in Kalifornien besitzt.

Besonders gelungen ist die landschaftliche Beschreibung der Toskana. Mit dem wunderbaren Cover im Kopf träumt man sich in die hügelige Weinlandschaft und spürt die warmen Sonnenstrahlen auf der Haut. Mit dem Nebenstrang zu Pauls Geschichte spazieren wir als Leser auch durch das kalifornische Nappa Valley, wo Paul seinen eigenen Wein herstellt und dessen Weingut von seinem Großvater Noah betrieben wird.
Etwas Spannung bringen auch die Sabotageakte und ein Familiengeheimnis in die Geschichte. Und die Liebe kommt ebenfalls nicht zu kurz. Trotzdem zieht der Roman erst nach der zweiten Hälfte so richtig an, mit der Folge, dass ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte. Die erste Hälfte fand ich hingegen noch zum eingwöhnen in die Geschichte. Hier fehlte es mir noch ein bisschen am gewissen Etwas.

Die Charaktere sind wunderbar gezeichnet. Bei Giulia brauchte ich ein bisschen und musste mich erst an sie "gewöhnen". Doch bald verstand ich ihren Zwiespalt und ihr Problem den Platz in ihrer Familie wiederzufinden. Die Streitereien mit ihrem Vater und die oftmaligen Zurückweisungen von seiner Seite aus, taten mir im Herzen weh. Beide Figuren sind aber auch ziemlich stur...
Hingegen sind mir Paul und Noah sehr schnell ans Herz gewachsen. Paul ist ein besonnener und ehrlicher Typ, der für seinen Beruf lebt. Bianca und Milena, Giulias Schwestern, bleiben noch etwas blass. Ihnen wird aber jeweils ein weitere Band rund um die Familie Massinelli gewidmet, deswegen denke ich, dass dies gewollt ist. Trotzdem erkennt man schon, wofür die beiden Schwestern brennen: für gute Küche und Pferde.
Was ich ein bisschen vermisste war das für mich typisch italienische Flair und das Temperament der Italiener. Man hatte zwar wunderbare bildhafte Beschreibungen der italienischen Landschaft, aber bei den Figuren hätte ich mir noch ein bisschen mehr Power gewünscht. Einzig Nonna Teresa hatte mehr als genug davon ;)

Das Ende bleibt ein bisschen offen, wobei es schon den Wink mit dem Zaunpfahl gibt, dass dieser Roman nicht alleinstehend sein wird. Ich freue mich schon auf Biancas Geschichte!

Schreibstil:
Der Schreibstil ist sehr bildhaft, blumig und lässt sich sehr gut lesen. Nochmals besonders hervorheben muss ich die bildgewaltige Darstellung der Location. Die Kapitel sind eher kurz gehalten.

Fazit:
Ein netter Auftakt einer dreiteiligen Familiensaga in der sonnigen Toskana, der sich für mich erst ab der Hälfte so richtig entfalten konnte. Wunderbare bildhafte Beschreibungen der Landschaft und authentische Charaktere runden die Geschichte um den Weinanbau und die Herstellung des kostbaren Tropfen ab. Kleine Spannungselemente und eine (vorhersehbare) Liebesgeschichte sind noch das Topping des Ganzen.

Veröffentlicht am 12.03.2019

Wichtiger Roman

Das Verschwinden des Josef Mengele
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Dieses Buch behandelt das Leben des "Todesengels" von Ausschwitz, Josef Mengele, nach seiner Flucht 1948 über die "Rattenlinie" nach Südamerika. Mit einem neuen Namen und der Gewissheit in Argentinien ...

Dieses Buch behandelt das Leben des "Todesengels" von Ausschwitz, Josef Mengele, nach seiner Flucht 1948 über die "Rattenlinie" nach Südamerika. Mit einem neuen Namen und der Gewissheit in Argentinien unter Diktator Péron ein neues Leben beginnen zu können, nahm er nach seiner Ankunft in Buenos Aires 1949 die Verbindung zum wohlorganisierten Netzwerk aus Unterstützern auf. Der Kontakt zu seiner reichen Günzburger Familie, die einen Landmaschinenhandel betrieb und sogar über Mengele nach Südamerika lieferte, blieb immer bestehen. Kindheitsfreund Hans Sedlmeier und ein weitverzweigtes Netz von Nazi-Seilschaften in Südamerika, sowie in Deutschland, ließen ihn in Argentinien ein angenehmes Leben führen. Erst nach dem Sturz Pérons, den Aktivitäten des deutschen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer sowie der Verurteilung und Hinrichtung Eichmanns beginnt sein gut geführtes Leben zu bröckeln. Im Laufe der Jahre wechselt Mengele öfters seinen Namen und den Wohnort. Nach einer langen Zeit in Argentinien lebt er anschließend in Paraguay und später in, wo er erst 1979 beim Baden im Meer ertrinkt. Seine Verbrechen blieben ungesühnt.

Für mich war es unvorstellbar, dass es der Justiz nicht gelang Mengele aufzuspüren bzw. wie lange es dauerte bis überhaupt nach den geflohenen Naziverbrechern gesucht wurde.
Wie das Nachkriegsdeutschland, aber auch der Rest der Welt, das Thema lange Zeit ausschließt und nicht aufarbeitet, lässt mich verständnislos den Kopf schütteln. Erst in den späten 1970er Jahren beginnt man die Verbrechen aufzuarbeiten und startet mit der Suche, die vorallem von Israel und dem Mossad, angeführt wurde. Diese Suche wikt zu Beginn noch sehr unstrukturiert und mangelhaft und führt im Laufe der Jahre dazu, dass viele Naziverbrecher nicht aufgespürt wurden.

Der Roman oder die Biografie liest sich sehr emotionslos und kühl. Das Buch lässt sich generell schlecht einordnen, denn als Roman ist es zu dokumentarisch angelegt. Es gibt kaum Dialoge, es ist sehr sachlich gehalten und an einigen Stellen zeitraffend. Die dreißig Jahre, die Mengele nach dem Verlassen Europas in Südamerika lebt, werden rasch abgehandelt.
Der Autor zeigt Mengele als aufbrausenden und lamentierenden Mann, der oft im Selbstmitleid versinkt und keinerlei Reue oder Einsicht zeigt. Er versteht nicht, warum ein Mann von seinem Ruf, sowie seiner Hingabe für Führer und Vaterland, immer seine Flucht vor Augen haben muss und nicht anerkannt wird. Mengele ist oft ein ängstlicher einsamer Mann, jedoch bevor man als Leser "Mitleid" mit ihm haben könnte, springt der Autor zurück in die Vergangenheit und erzählt über die Gräueltaten des damaligen Arztes. Selbst als untergetauchter Mann, der auf das Wohl seiner Freunde angewiesen ist, Familien, die ihm unbekannter Weise beherbergen, führt er sich zeitweise wie ein Despot auf. Immer wieder versucht er die Menschen in seinem Umkreis zu manipulieren und seine Überlegenheit auszuspielen.

Die Recherchearbeit des Autors ist bemerkenswert. Die Geschichte selbst ist nicht wirklich spannend geschrieben, sondern wirkt kühl und eher wie ein Sachbuch.

"Immer nach zwei oder drei Generationen, wenn das Gedächtnis verkümmert und die letzten Zeugen der vorherigen Massaker sterben, erlöscht die Vernunft, und die Menschen säen wieder das Böse. (S. 214)"

Diesen Satz möchte ich am Ende so stehen lassen, denn ich denke, dass er nicht weit hergeholt ist und leider ein sehr ungutes Gefühl im Magen verursacht.

Cover:

von links nach rechts:
Am ersten Cover im französischen Original sieht man ein Foto des Autors, danach folgt die italienische Ausgabe, die französische, die niederländische und die spanische.

Fazit:
Das Buch ist schwer einzuordenen. Es ist sachlich, und eher dokumentarisch mit kaum Dialogen. Auf jeden Fall ist es ein sehr wichtiges Buch, das aufzeigt, wie rücksichtslos und unbelehrbar Mengele und seine Nazifreunde waren. Lektüren wie diese sollten uns immer wieder aufzeigen, wie grausam der Mensch sein kann und dass diese Gräueltaten auch in Zukunft passieren können. #gegendasvergessen