Gut recherchiert, aber holprig erzählt
Das Unglück schreitet schnellJohannes fand seine Großmutter irgendwie anders, als andere Großmütter. Sie hatte ihre Eigenarten, die sie unnahbar und schroff erscheinen ließen. Doch wer war sie wirklich ? Was hat sie zu der Frau gemacht, ...
Johannes fand seine Großmutter irgendwie anders, als andere Großmütter. Sie hatte ihre Eigenarten, die sie unnahbar und schroff erscheinen ließen. Doch wer war sie wirklich ? Was hat sie zu der Frau gemacht, die Johannes als Enkel kennt ?
Erst lange nach ihrem Tod gelingt es Johannes, hinter die Fassade zu blicken, denn er liest die Liebesbriefe von Hermann Bartens, dem ersten Mann seiner Oma, aus dem Krieg und beginnt so eine Reise zurück in eine Zeit, die man sich heute kaum vorzustellen vermag…
"Das Unglück schreitet schnell" lässt mich sehr zwiegespalten zurück.
Auf der einen Seite muss ich Johannes Böhme meinen ganzen Respekt zollen, denn er hat hier tief in der Familiengeschichte gegraben und mit viel Herzblut alle Informationen, die er bei seiner Recherche herausgefunden hat, zu einer bewegenden und berührenden Geschichte zusammengefasst und für die Nachwelt festgehalten. Hierbei spürt man, dass dem Autor die Geschichte sehr am Herzen liegt, weil es um seine eigene Großmutter und somit um seine Familiengeschichte geht. Die Einblicke in das Leben von damals geben einen ungeschönten Blick auf die dunkelste Zeit Deutschlands frei und versetzt den Leser ebenfalls in Angst und Schrecken. Diese Szenen bestechen durch ihre Authentizität und lassen viele Fragen aufkommen, die mich beschäftigen. Wie würde ich mit dem Geschehenen umgehen, wenn ich wüsste, dass meine Familie Schuld auf sich geladen hat ? Schwindet dann die Liebe für meine Angehörigen auch im Nachhinein, wenn ich ihre Geheimnisse von damals kenne ?? Die Frage nach der Moral darf man hier wohl nicht stellen, wenn man nicht selbst eine solche grenzwertige Erfahrung durchgemacht hat.
So viel zu den Dingen, die belegbar sind.
Auf der anderen Seite gibt es aber einige Kritikpunkte, die ich ansprechen muss, denn wenn Wahrheit und Fiktion aufeinandertreffen, sollte eigentlich die Grenze derart verschwimmen, dass man es als Leser kaum merkt und so in einer fesselnden Zeitreise gefangen ist.
Hier allerdings erkennt man genau, dass der Autor vieles nach seinen eigenen Vorstellungen interpretiert und ergänzt hat und das will einfach nicht ganz in das vorherige Bild passen. Es wirkt weniger strukturiert , wirkt wie einfach in die gut recherchierte Geschichte eingeworfen und lässt so den Aufbau des Romans chaotisch und zusammenhanglos erscheinen.
Das zerstört das Gesamtbild der ansonsten gut präsentierten Erzählung. Schade, denn so viel Engagement und Herzblut verdient eigentlich mehr Anerkennung, aber so kann ich leider nur 3 Sternchen vergeben.
Herzlichen Dank an den Verlag, der mir dieses Leseexemplar kostenfrei zur Verfügung gestellt hat. Diese Tatsache hat jedoch nicht meine ehrliche Lesermeinung beeinflusst.