Schräges, scharfzüngiges Märchen unserer Zeit
PrettyWorum geht's?
Willow holte tief und bebend Luft. „Alles begann vor ungefähr einem Monat. Krista. Jemand hat Krista etwas gegeben."
„Was hat man Krista gegeben?"
Wie sollte sie ihm das nur erklären?
„Chaos. ...
Worum geht's?
Willow holte tief und bebend Luft. „Alles begann vor ungefähr einem Monat. Krista. Jemand hat Krista etwas gegeben."
„Was hat man Krista gegeben?"
Wie sollte sie ihm das nur erklären?
„Chaos. Schönheit. Die Wahrheit." (S. 483)
Evie hat ihre Prinzipien und ihre Ambitionen, aber beides kommt bei ihrem Job als Korrektorin für ein niveauloses Klatschmagazin ziemlich kurz.
Willow ist in die High Society hineingeboren, doch trotz aller guten Voraussetzungen finden ihre Fotografien kein großes Publikum und ihre Angst, es zu ernst werden zu lassen, schadet ihrer Beziehung zu ihrem Freund Mark.
Krista ist klug, aber unglaublich unzuverlässig und flatterhaft. Wie soll sie es so schaffen, jemals ihre Schulden abzubezahlen?
Als sich den Freundinnen die Möglichkeit bietet, durch einen mysteriösen Trank namens „Pretty" ein perfektes Äußeres zu bekommen, werden ihre Leben ganz schön durcheinandergewirbelt.
Hat man es wirklich leichter, wenn man in den Augen der Welt wunderschön ist? Und kann man hinter einer perfekten Fassade noch man selbst sein?
Was mich neugierig gemacht hat:
Auf das Buch bin ich erst durch den Newsletter des Verlags aufmerksam geworden und es hat spontan sofort mein Interesse geweckt. Erwartungen, die die (Medien-)Gesellschaft heute an junge Frauen stellt zu hinterfragen, finde ich wichtig und war gespannt, wie Georgia Clark das in ihrem Roman tut.
Rein vom ersten Eindruck ohne Inhaltstext her hätte ich wahrscheinlich nicht unbedingt zugegriffen. Das Motiv ist nicht schlecht, aber mir gefällt dieser Rosaton, der das Cover dominiert, nicht wirklich (im Gegensatz zur Abbildung in den Onlineshops wirkt er in live eher schweinchenfarben) und der weiße Rahmen wirkt ein bisschen wie ein vergessener Beschnittrand. Außerdem ist, vermutlich aufgrund des großen Seitenumfangs, sehr dünnes Papier gewählt worden. Eine etwas höherwertige Ausstattung hätte ich für das Buch passender gefunden.
Wie es mir gefallen hat:
Die Beschreibung als verrücktes, feministisch angehauchtes modernes Märchen trifft „Pretty" wirklich gut. Als solches funktioniert es im Gesamtbild definitiv, auch wenn es vielleicht hier und da noch etwas hätte geschliffen werden können.
Die Perspektive wechselt personal zwischen den drei Protagonistinnen, wobei Evie jedoch den größten Raum bekommt. Diese Aufteilung hat mir insgesamt gefallen; gerade Willow hätte aber noch etwas stärker mit in den Fokus genommen werden dürfen, da sie in meinen Augen die stärksten und interessantesten Konflikte mitbringt. Während ich zu Evie ein zwiespältiges Verhältnis entwickelt habe, hat sie mich am neugierigsten gemacht und mit den meisten Fragen zurückgelassen. Krista dagegen nimmt die Rolle der Figur ein, die für Lacher sorgen soll - teils gelingt das auch, doch besonders bei ihr gleitet es passagenweise nah an den Rand zum Nervigen und ist mitunter übertrieben vulgär.
Die Entwicklung der drei jungen Frauen ist in jedem Fall sehr gekonnt umgesetzt: Alle drei sammeln durch das „Pretty" Erfahrungen, die jeweils zu einer Lektion fürs Leben werden.
Das Grundthema wird überzeugend entfaltet. Mit einer mutigen Portion Kritik und Bissigkeit wird das Buch zu einem Plädoyer gegen jeden Schönheitswahn und ruft dazu auf, sich niemals auf das reduzieren zu lassen, was Fremde an einem beim ersten Eindruck wahrnehmen könnten oder sich selbst in dem zu verlieren, was die Welt gerade für angesagt hält.
Ich habe bemerkt, dass ich nicht das Bedürfnis hatte, ständig zum Buch zu greifen, aber wenn ich es einmal zur Hand genommen hatte, faszinierte mich der Grundkonflikt doch immer wieder so sehr, dass ich mehrere Kapitel am Stück lesen musste. Zu beobachten, wie die drei Protagonistinnen mit den Veränderungen umgehen, ist faszinierend.
Bei über 500 Seiten plätschert die Handlung dennoch bisweilen scheinbar ein wenig ziellos dahin.
Obwohl das große Ganze unterhaltsam ist, hätte es der Geschichte sicher nicht geschadet, an den richtigen Stellen noch etwas gekürzt oder geradliniger gemacht zu werden.
Leider bleibt auch das Geheimnis um den Trank selbst ein wenig nebulös - der Handlungsstrang um dessen Herkunft wird nicht ganz klar zuende geführt.
(Für wen) Lohnt es sich?
Das Buch eignet sich für junge Erwachsene ab 16 Jahren, die dem Thema, was Schönheit eigentlich bedeutet, mal anders verpackt, mit Humor, aber auch dem nötigen Ernst, begegnen wollen.
In einem Satz:
„Pretty" ist schräg, unterhaltsam, scharfzüngig, gesellschaftskritisch und hat eine spannende Herangehensweise an den Umgang mit Schönheitsidealen und Selbstverwirklichung, hätte aber handlungstechnisch hier und da ein wenig gestrafft werden können und ist teils unnötig obszön.