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Veröffentlicht am 16.03.2019

Ein starker Thriller!

Alexandra
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Selten hat mich eine Protagonistin derart abgestoßen und trotzdem unglaublich fasziniert wie Alexandra. Sie ist taff, wirkt unmoralisch, arrogant, ziemlich crazy und würde über Leichen gehen, um an ihr ...

Selten hat mich eine Protagonistin derart abgestoßen und trotzdem unglaublich fasziniert wie Alexandra. Sie ist taff, wirkt unmoralisch, arrogant, ziemlich crazy und würde über Leichen gehen, um an ihr Ziel zu gelangen. Dennoch - oder gerade deswegen - strahlt sie Authentizität und Selbstbewusstsein aus. Natasha Bell schafft es mühelos, den ambivalenten Charakter ihrer Schlüsselfigur darzustellen. Und zwar so realistisch, dass man trotz der Aversion ihr gegenüber eine Verbindung herstellen kann. Das lässt den Leser zwar nicht gänzlich hinter die Fassade blicken, vermittelt jedoch ein gutes Bild darüber, wie die innere Haltung eines Menschen sein kann - die in diesem Fall wahrscheinlich nicht mit der eigenen konform geht. Es ist die Faszination des Bösen, die an das Buch fesselt, und sicherlich auch die Bedeutung von Wahnsinn. Denn das ist Alexandra meiner Meinung nach: wahnsinnig.

Im starken Kontrast dazu bekommt der Leser es mit ihrem Ehemann Marc zu tun, der sich allein um die Kinder und den Haushalt kümmern muss, nachdem Alexandra spurlos verschwunden ist. Ich konnte die gewaltigen Emotionen nachempfinden, denen man erlegen ist, wenn man nicht weiß, ob die eigene Frau noch lebt oder längst tot ist. Diese quälende Ungewissheit raubt Marc den Verstand. Zeitgleich bemüht er sich, die Hoffnung aufrecht zu erhalten, dass Alexandra eines Tages wohlbehalten zurückkommt. Selbst dann, als die Polizei den Fall ad acta legt. Doch je mehr Marc versucht, eine Spur zu finden und das Puzzle zusammenzusetzen, desto mehr wird ihm auch klar, dass er seine Frau womöglich gar nicht so gut kennt, wie er dachte.

"Der skeptische Teil seines Ichs löste sich von ihm und schwebte unsichtbar unter der Zimmerdecke, blickte auf ihn herab und verspottete seine armselige, hoffnungsvolle Ernsthaftigkeit." (Zitat Seite 23/24)

"Jemand hat sie gesehen, mit ihr gesprochen oder sie mitgenommen. Mir ist egal, was Sie getan haben, ich will meine Frau einfach nur zurück." (Zitat Seite 117)

Das Netz aus Lügen und Geheimnissen ist so fein gestrickt, dass man der Autorin immer wieder in die Falle tritt und nur über Irrwege zum Ziel gelangt. An einigen Stellen wirkt es so, als würde Natasha Bell abdriften, zu weit ausholen, aber manche Dinge brauchen etwas mehr Zeit, um zu reifen. Letztendlich wurde der Raum geschaffen, der nötig ist, damit die unterschiedlichen Eindrücke und Wahrnehmungen sich gänzlich entfalten können, denn diese machen den Plot im Wesentlichen aus. Der Thriller punktet primär mit psychologischen und emotionalen Aspekten und verzichtet dabei auf genre-typisches Blutvergießen und Brutalität.

"Er hielt mich am Boden fest, drückte mir das Knie in den Magen. Ich konnte seinen süßen und wohlbekannten Schweiß riechen. [...] Er wollte, dass ich seine ganze Kraft fühlte, mir meines Rangs bewusst wurde." (Zitat Seite 126)

Kaum zu glauben, dass es sich hierbei um das Debüt der Autorin handelt. Vor allem das Ende hat mich innerlich völlig zerrissen. Ich war wütend, fassungslos, nachdenklich, durcheinander.

Persönliches Fazit: Ein beeindruckender Thriller mit überraschenden Wendungen, einer ungewöhnlichen Protagonistin und psychologisch raffinierten Handlungssträngen. Bestens geeignet für Leserinnen und Leser, die auf Nervenkitzel und temporeiche Spannung setzen.


© Rezension, 2019, Recensio Online

Veröffentlicht am 30.01.2019

Starker Spionage-Thriller!

Niemand kennt deinen Namen
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Mit „Niemand kennt deinen Namen“ von Matthew Richardson habe ich meinen ersten Spionage-Thriller gelesen und war positiv überrascht.

Der Klappentext liest sich zunächst spannend und wenn man wie ich Neuling ...

Mit „Niemand kennt deinen Namen“ von Matthew Richardson habe ich meinen ersten Spionage-Thriller gelesen und war positiv überrascht.

Der Klappentext liest sich zunächst spannend und wenn man wie ich Neuling in diesem Genre ist, ist man besonders neugierig.

Das Buch, das Ende 2018 im Rowohlt Verlag erschienen ist, hat 55 Kapitel und ist in 5 Teile gegliedert. Die Kapitel sind relativ kurz gehalten, somit überschaubar und sehr angenehm zu lesen. Aufgrund des spannenden Schreibstils ist man geneigt, immer noch ein weiteres Kapitel zu inhalieren.

In dem Roman begleitet der Leser den Hauptcharakter Solomon Vine, einen studierten Mathematiker, der ein schier unglaubliches Wissen besitzt. Aufgrund einer ungerechtfertigten Suspendierung wegen versuchten Mordes, stellt er auf eigene Faust Ermittlungen an, um seine Widersacher zu entlarven.

Vine kämpft um die Wahrheit, ist immer kurz davor, diese endlich aufzudecken und wird dann von bestimmten Ereignissen wieder zurückgeworfen. Trauen kann er niemandem mehr, er wird stetig ruheloser und fühlt er sich zudem ständig beobachtet:

„Draußen vor der Tür blickte er die Straße hinab und prägte sich rasch die Fahrzeuge ein, die er dort sah, ehe er sich auf den Heimweg machte. Wurde er noch beschattet? … Er kannte die Tricks. Man konnte nie paranoid genug sein: Je harmloser sie wirkten, desto gefährlicher waren sie möglicherweise.“ S. 171

Mich persönlich hat fasziniert, wie zielstrebig Vine versucht, die Wahrheit ans Licht zu bringen und seine Unschuld zu beweisen. Dadurch und auch durch seine Taktik, dem Geheimdienst auf die Schliche zu kommen, wird das Buch umso spannender. Seine Versuche, sich selbst zu retten, sind riskant und spektakulär:

"Wer sind Sie?“ Vince nahm die Hände aus den Taschen. Er wusste, dass Amory ihn jetzt jeden Moment melden konnte. Es war purer Leichtsinn, dass er hergekommen war. Aber die Zeit arbeitete gegen ihn. „Ich bin der Mann, den Sie hinter Gitter bringen wollen“, antwortete er schließlich.“ S. 315

Das Spannungsbarometer steigt in diesem Buch schnell und hält sich konstant auf einem hohen Level. Alleine der Gedanke, sich in die Haut von Vine zu versetzen, ist schier unerträglich. So vielen Menschen schenkt er Vertrauen, nur um dann entweder bitter enttäuscht zu werden oder um seine wahren Freunde „zufällig“ zu verlieren. Immer wieder erlebt er Situationen, in denen man ihm etwas anhängen will, doch es gelingt ihm stets, diesen zu entkommen. Das hat das Buch für mich absolut lesenswert gemacht.

Der Schluss ist gut gelungen und hat die nötige Spannung, um dem Leser keine Atempause zu gönnen und ihn das Buch zufrieden zuklappen zu lassen.

Persönliches Fazit: Insgesamt ein starker Spionage-Thriller mit einem mutigen Hauptcharakter, dem man während des Lesens immer wieder gerne helfend zur Seite stehen möchte. Man fiebert mit, hofft das Beste und wird immer wieder überrascht. Die Spannung bleibt stets auf einem hohen Niveau und durch die relativ kurzen Kapitel ist ein flüssiges Lesen möglich. Für mich als Einsteigerin in diesem Genre eine klare Leseempfehlung!

© Rezension, 2019, Sabrina, Recensio Online

Veröffentlicht am 30.01.2019

Sehr gelungen!

Unruhe
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Im ersten Moment wehrte sich alles in mir gegen einen erneut psychisch labilen Ermittler, der seine Ehe in den Sand gesetzt hat und nur einen bedingt vorbildlichen Vater abgibt. Trotzdem wurde mir Steen ...

Im ersten Moment wehrte sich alles in mir gegen einen erneut psychisch labilen Ermittler, der seine Ehe in den Sand gesetzt hat und nur einen bedingt vorbildlichen Vater abgibt. Trotzdem wurde mir Steen im Laufe des Buches, inmitten seiner persönlichen Unruhen und auch der Unruhen, die in der Stadt herrschen, zusehends sympathischer.

Es handelt sich hier nicht um einen Mord aus Leidenschaft oder eines psychopathischen Massenmörders wie in den meisten Plots heutiger Zeit. Vielmehr ermittelt der Leser gemeinsam mit Steen in alle erdenklichen Richtungen, durchleuchtet den Background des Opfers, deckt diverse Verstrickungen auf. Dadurch bleibt die Geschichte abwechslungsreich. Einziger Wermutstropfen sind einzelne, kleine Längen, die sich eingeschlichen haben.

Der Schreibstil ist im Großen und Ganzen flüssig. Da der Roman mit dem Mord beginnt, ist es schwierig, den Spannungsbogen von Anfang bis Ende auf hohem Niveau zu halten. Dies ist aber größtenteils geglückt.

Das Cover ist einfach gehalten – bestiefelte Beine in unheimlichem Blau auf schwarzem Hintergrund. Die Schrift ist beige, mit blau durchzogen und bei genauer Betrachtung lässt sich hier die Andeutung von Stein erkennen. Dies kann mehrfach gedeutet werden, sowohl auf den Namen des Autors, der Hauptfigur oder auch die Friedhofsmauer, den Fundort der Leiche.

Persönliches Fazit: Der absolut gelungene Auftakt zu einer sehr vielversprechenden Reihe. Von mir gibt es daher eine klare Leseempfehlung für diesen Thriller.

© Rezension, 2019, Claudia, Recensio Online

Veröffentlicht am 30.01.2019

Fesselnd!

Scherbenmädchen
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Das Cover zeigt sich sehr ausdrucksstark in Grau und Schwarz und mit einem Mädchen darauf. Irgendwie wirkt es geheimnisvoll, was eine gute Beschreibung für den Inhalt des Buches ist. Den Klappentext fand ...

Das Cover zeigt sich sehr ausdrucksstark in Grau und Schwarz und mit einem Mädchen darauf. Irgendwie wirkt es geheimnisvoll, was eine gute Beschreibung für den Inhalt des Buches ist. Den Klappentext fand ich sehr interessant und war gespannt, was hinter Angies Amnesie stecken würde.

Zu Beginn kommt Angie nach Hause, weiß aber selbst nicht mehr, dass sie drei Jahre lang weg war. Ohne jede Spur verschwand sie damals aus ihrem Zeltlager. Plötzlich steht sie wieder in ihrem Elternhaus und es wird klar, dass sie sich an nichts erinnern kann.

"Angie, wo … wo bist du gewesen?" "Das weißt du doch". Wieder zog sich ihr Magen schmerzhaft zusammen. "Zelten?" Die Art, wie ihre Eltern sie anstarrten, machte ihr das Atmen schwer. "Zelten", sagte sie noch einmal entschlossen. Dad kam die Treppe herunter. "Zelten", wiederholte er. "Zelten?". Seine Stimme wurde schrill. "Drei Jahre lang?" S. 16

Es ist schwer, etwas über den Inhalt des Buches und die eigentliche Thematik zu sagen, ohne zu spoilern. Das Tempo der Erzählungen ist schnell, der Spannungsbogen hoch, wobei ich einräumen muss, dass es sich nicht um einen Thriller handelt, sondern eher um einen psychologischen Spannungsroman. Zwar klärt sich die Frage, was mit Angie passiert ist, relativ schnell auf, dadurch steigt die Spannung aber nur noch weiter. Ich habe das Buch an einem Tag gelesen, weil ich so neugierig auf die Auflösung war. Wie ist es möglich, drei Jahre seines Lebens komplett zu vergessen? Was ist mit Angie passiert? Wo war sie? Wie geht sie in der Realität mit der neuen Situation um, in der sie plötzlich drei Jahre älter ist, als sie sich fühlt?

Angies Gedanken und Empfindungen werden treffend und tiefgründig beschrieben, so dass ich schnell mit ihr mitgefühlt habe und sie mir sympathisch wurde. Die anderen Charaktere, Angies Eltern und ihre Therapeutin, mit deren Hilfe sie mit der Vergangenheit aufräumen möchte, sind auch gut gezeichnet, jedoch lange nicht so tiefgehend. Es war mir aber niemand unsympathisch, im Gegenteil, die Charaktere ergänzen sich und passen gut zusammen. So waren zum Beispiel die Wut und Hilflosigkeit von Angies Vater, der seiner tot geglaubten Tochter skeptisch gegenübersteht, für mich deutlich spürbar und nachvollziehbar. Auch das Thema Liebe hat im Buch seinen Raum, denn Angie entdeckt ihre ersten Gefühle und setzt sich damit auseinander.

Persönliches Fazit: Insgesamt hat mich „Scherbenmädchen“ von Liz Coley sehr berührt, gefesselt und mein Wissen über eine Thematik vergrößert, die ich hier noch nicht verraten möchte, damit jeder Leser die Spannung selbst erleben kann. Eine klare Leseempfehlung für Leser psychologischer Spannungsromane ohne viel Blut und Gewalt.

© Rezension, 2019, Eva, Recensio Online

Veröffentlicht am 30.01.2019

Total spannend!

Kutná Hora
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Ich habe noch nicht viele Horror-Bücher gelesen, da mir die Filme in diesem Genre oft mit zu unrealistischen und übertriebenen Handlungen daherkamen und die wenigen Romane, die ich dahingehend las, meine ...

Ich habe noch nicht viele Horror-Bücher gelesen, da mir die Filme in diesem Genre oft mit zu unrealistischen und übertriebenen Handlungen daherkamen und die wenigen Romane, die ich dahingehend las, meine Meinung bestätigten. Jedoch wurde meine Aufmerksamkeit in letzter Zeit immer wieder auf den Redrum Verlag gelenkt. Es ist nahezu unmöglich, nicht auf ihn zu stoßen. Hypes schrecken mich ab, machen mich zugleich aber auch sehr neugierig. Da ich den Autor bereits aufgrund seiner Michael-Jesko-Reihe (Ostfrieslandkrimis) kenne, interessierte mich, was er wohl in seinen Horror-Geschichten zu erzählen hat.

Als Handlungsort hat André Wegmann einen alten Jahrmarkt in der Nähe der tschechischen Stadt Kutná Hora gewählt. Sie liegt östlich von Prag und ist unter anderem für das Sedletz-Ossarium, eine mit menschlichen Knochen verzierte Kapelle, bekannt. Diese findet auch im Buch ihren Platz.

Den Beginn des Plots überlässt der Autor seinen beiden Hauptfiguren: Randy und Torrie. Ein junges Liebespaar aus England, das für ein verlängertes Wochenende nach Prag gereist war, um sich ein wenig zu erholen. Statt der geplanten Moldau-Bootsfahrt entschieden sie sich wetterbedingt für ein Picknick in der freien Natur. Hier sparte André Wegmann nicht an Beschreibungen. Eine Fähigkeit, die ihm sicher aufgrund seines Jobs als Texter zugute kommt. So zeichnete er mit seinen Worten Bilder vor meinem inneren Auge, zeigte mir die grüne Wiese, auf der das Liebespaar liegt, ließ mich die warmen Sonnenstrahlen spüren und den Duft von Blumen und Kräutern einatmen. Ein rundum gelungenes Szenario. Die Sexszene danach passte wunderbar ins Bild. Sie war weder zu romantisch - passt meiner Meinung nach nicht in eine Horror-Geschichte - noch zu reißerisch und betont auffällig.

Auch die Darstellung der Charaktere gefiel mir. Randy wirkte auf mich äußerst souverän und willensstark. Als jemand, der Befindlichkeiten und Stimmungen bei anderen Menschen sehr schnell spürt, übernahm er gern den Part des Beschützers seiner Freundin. Im späteren Verlauf, als Torrie plötzlich spurlos verschwand, wurden diese Eigenschaften auf eine harte Probe gestellt. Es faszinierte mich, wie weit er ging und was er auf sich nahm ... für ein bisschen Hoffnung.

Torrie gilt als Everybody's Darling. Sie ist beliebt, freundlich, hilfsbereit. Tatsächlich fand ich das etwas langweilig. Ich konnte zu ihr auch keine so enge Verbindung aufbauen wie zu Randy. Das mag womöglich daran liegen, dass ich als Leserin primär seinem Handlungsstrang folgte auf der Suche nach ihr.

Dieser führte mich weg von der Wiese, hinein in den nahegelegenen Wald und schließlich auf das Gelände des alten Jahrmarktes. Schon als Kind konnten mich die unzähligen Fahrgestelle und Schaubuden ködern. Unter anderen Umständen wäre dieser Ort ein Highlight für mich gewesen. Vor allem liebte ich (und liebe noch heute) die Grusel-Attraktionen.

"Graf Dracula stand neben einem riesigen behaarten Werwolf mit messerscharfen langen Zähnen. Dahinter erblickte Randy eine mindestens genauso große Predator-Figur in einer Rüstung aus Metall. Rechts befand sich ein Wesen mit einer Maske, die es wie Marilyn Manson aussehen ließ, daneben stand ein Clown mit weißgeschminktem Gesicht, einer roten Nase und roten Haaren, der den Mund weit aufgerissen hatte und verfaulte Zähne entblößte." Zitat Seite 41

Ziemlich überrascht und beeindruckt war ich von dem Wissen, welches mir im Buch vermittelt wurde. Angefangen bei den Hintergrundinformationen bezüglich Kutná Hora bis hin zu den verschiedensten Folterinstrumenten vergangener Zeiten.

"Eine Schautafel dahinter erklärte, dass es sich um eine Garotte handelte. Ein Hinrichtungsinstrument, durch das dem Opfer, nach Drehung eines Hebels, eine kräftige Schraube in den Hals gedreht wurde, die zwischen zwei Halswirbel eintrat und das Rückenmark durchtrennte. Noch bis 1974 wurden so in Spanien Menschen hingerichtet." Zitat Seite 51

Dass ich solche wissenswerte Details in einem Horror-Buch lesen würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Zugegebenermaßen hatte ich deshalb bis circa zur Mitte des Buches die Befürchtung, dass eben diese geschichtlichen Einwürfe dem Plot das Grusel-Feeling nehmen könnten. Dann kam die überraschende Wendung.

"Auf dem Bauch des Mannes saß eine Ratte, über die ein kleiner Käfig aus Eisen gestülpt war. Oben auf dem Käfig befand sich ein Behältnis, in dem ein großes Stück glühende Kohle lag. Die dadurch in Todesangst versetzte Ratte war panisch dabei, sich einen Weg nach unten zu fressen, um der bedrohlichen Hitze zu entkommen." Zitat Seite 56

Die Spannung blieb bis zuletzt erhalten, fesselte mich, zog mich mit und ließ mich erst wieder von den Ketten, als ich die letzte Seite las. An dieser Stelle weiß ich nicht, ob ich "Gott sei Dank" oder "Oh, schade" sagen soll in Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei dem Buch mit 129 Seiten um ein Redrum Cut handelt. Ich war dem Nervenkitzel hilflos ausgesetzt. Ich habe so oft die Luft angehalten, dass es zu einem Sauerstoffmangel und de facto in meinem Hirn zu einem Dopaminschub kam. Ähnlich wie bei einem Drogenrausch.

Der Schreibstil passte hervorragend. André Wegmann hat bewusst auf Verschnörkelungen und Ausschmückungen verzichtet an Stellen, wo diese unnötig gewesen wären. Stattdessen wählte er Formulierungen, die den Lesefluss förderten und mich vorantrieben. Einzig die Defizite im Lektorat lege ich diesem Buch zur Last. Wortwiederholungen, fehlerhafter Satzbau, falsche Schreibungen ... das ist bei einem solch dünnen Werk etwas ärgerlich.

Davon abgesehen bin ich stolz auf mich, dass ich mich erneut an das Horror-Genre herangetraut habe. André Wegmann schreibt demnach nicht nur gute Kriminalromane, sondern ist ebenfalls als Horror-Autor eine Empfehlung wert.

Persönliches Fazit: Kutná Hora eignet sich als Lektüre für alle, die mit dem Horror-Genre vertraut sind oder erste Versuche mit diesem wagen möchten. Meine Empfehlung außerdem an Leser, deren Patronus kein Angsthase ist!

© Rezension, 2019, Julie