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Veröffentlicht am 22.03.2019

Eine Frau und ihr Motorrad

Sag dem Abenteuer, ich komme
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Man könnte sagen, dass Lea Rieck ganz spontan auf die Idee einer Weltreise gekommen ist. Eine Nichtigkeit im Büroalltag gab den Ausschlag ihrem Leben eine radikale Wendung zu geben. Sie kündigt ihre Stelle ...

Man könnte sagen, dass Lea Rieck ganz spontan auf die Idee einer Weltreise gekommen ist. Eine Nichtigkeit im Büroalltag gab den Ausschlag ihrem Leben eine radikale Wendung zu geben. Sie kündigt ihre Stelle und plant ganz kurzentschlossen eine Motorradreise. Wobei mich schon hier ihr Mut überraschte, da sie noch nicht allzu viel Erfahrung mit ihrer schweren Maschine hatte und sie bei einem Sturz ohne fremde Hilfe nicht einmal selbst das Motorrad wieder aufrichten konnte.
Der Bericht dieser Reise mehr als eine Abenteuergeschichte, es ist ein Reise zu sich selbst und ich fühlte mich von Anfang an mitgenommen. Natürlich gibt es abenteuerliche und gefährliche Ereignisse unterwegs, die Lea immer wieder vor neue Herausforderungen stellen und ihr viel abverlangen. Aber es gibt auch immer wieder wunderbare Begegnungen mit Menschen vieler unterschiedlicher Kulturen und Lea nimmt viel mit von diesen Gesprächen.
Dabei ist sie nicht immer nur die mutige und taffe Frau auf dem Motorrad. Sie gerät in beängstigende Situationen, fühlt sich mal überfordert, mal einsam und nicht nur einmal das Gefühl, dass ihr alles über den Kopf wächst. Aber gerade daran wächst sie. „ Ich bin noch dieselbe, aber mein Blick hat sich geändert. Das Fremde ist zum Vertrauten geworden – und auf das Vertraute habe ich einen neuen Blick gewonnen“, dieses Zitat beschreibt genau, wie ihre Persönlichkeit auf dieser Reise reifte.
Obwohl ich keine Motorradfahrerin bin und nicht mal als Sozia Erfahrung damit habe, hat mich dieses Buch gefesselt. Ich habe mit Lea gelitten und mich mit auf Abenteuer eingelassen. Ich konnte mit ihr fremde Menschen und Länder kennenlernen.
Viele Fotos machen den Reisebericht farbig und lebendig und runden dieses Buch ab. Die Abenteuerreise konnte ich nicht selber machen, aber Lea Rieck hat mich mitgenommen.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Die Kunst der Kartoffel

Mr. Doubler und die Kunst der Kartoffel
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Mr. Doubler lebt von und für die Kartoffel. Seit 10 Jahren hat er seine Farm auf dem Hügel nicht mehr verlassen, er gilt als verschrobener Einzelgänger. Seine einzige Verbindung zur Welt ist seine Haushälterin ...

Mr. Doubler lebt von und für die Kartoffel. Seit 10 Jahren hat er seine Farm auf dem Hügel nicht mehr verlassen, er gilt als verschrobener Einzelgänger. Seine einzige Verbindung zur Welt ist seine Haushälterin Mrs. Millwood, die mit seinem kauzigen Wesen umzugehen weiß. Doch als sie schwer erkrankt und nicht mehr zu ihm kommen kann, ist er gezwungen seine enge Welt zu verlassen.
Das ist von der Geschichte her eigentlich ein ganz einfacher Roman, aber aus jeder Zeile spricht viel Weisheit und Lebenserfahrung. Wie Mrs. Millwood aus dem Krankenhaus heraus Doubler warmherzig zur Seite steht und ihn auf die Welt vorbereitet, hat mich tief berührt. Allmählich merkt der Farmer, dass er nicht allein ist und dass es ihm gelingt, neue Verbindungen einzugehen und dass seine Obsession für die perfekte Kartoffel vielleicht nicht sein einziger Lebenszweck sein muss.
Der Mann, der kaum etwas um sich herum wahr nahm, der Welt, die sich immer schneller dreht mit tiefempfundenen Misstrauen gegenüber steht, gewinnt neue Freunde und kann mit seiner Lebenserfahrung auch anderen zur Seite stehen, ganz wie es Mrs Millwood auch bei ihm tat.
Mir hat dieser Roman viele, ganz besondere Lesestunden geschenkt und über manche Sätze und Ereignisse habe ich mich köstlich amüsiert, andere haben mich tief berührt und manchmal auch traurig gemacht. Wie Mr. Doubler seine Einsamkeit und seine innere Verletzungen allmählich überwindet und auch wieder einen neuen Zugang zu seinen Kindern findet, gefiel mir gut. Auch wenn es bedeutet, dass er erkennen muss, dass sein Sohn einfach nur ein Sch…kerl ist, der die Farm lieber heute als morgen zu Geld machen würde. Aber es gibt auch Enkelkinder und wer weiß, vielleicht hat eins seine Liebe zum Land geerbt.
Ein Roman, den man langsam lesen sollte, weil man immer wieder inne halten kann um über Sätze nachzudenken, in denen viel Weisheit und Lebensphilosophie steckt. Es war mir ein großes Vergnügen Mr. Doubler kennenzulernen und kann nur jedem Leser die Bekanntschaft mit ihm empfehlen.

Veröffentlicht am 14.03.2019

Rundum gelungen !

Ein perfider Plan
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Im Prolog dieses unterhaltsamen Kriminalromans erfahren wir, dass Diana Cowper, eine begüterte Dame der Gesellschaft, just an dem Abend erdrosselt wird als sie ihre eigene Beerdigung geplant und in Auftrag ...

Im Prolog dieses unterhaltsamen Kriminalromans erfahren wir, dass Diana Cowper, eine begüterte Dame der Gesellschaft, just an dem Abend erdrosselt wird als sie ihre eigene Beerdigung geplant und in Auftrag gegeben hat.

Hawthorne, ein etwas geheimnisvoller Ex-Polizist, der inzwischen als Berater für Filmfirmen und auch für seine frühere Dienststelle arbeitet, wurde zur Klärung herangezogen. Er wendet sich an Anthony Horowitz, den Krimiautor, den er von verschiedenen Filmproduktionen kennt, um den Fall literarisch zu begleiten und anschließend ein Buch zu veröffentlichen.

Horowitz, der reale Autor ist auch der Ich-Erzähler des Buches und was er über sich und seine Werke schreibt – die Jugendbuchserie um Alex Rider, die Sherlock Holmes Adaption „Das weiße Band“ sind echte Veröffentlichen, und so wird der Leser zum Begleiter eines Buches im Buch, eine Meta-Ebene, wie der Fachausdruck dafür lautet.
Wie Sherlock Holmes und sein Adlatus Watson gestalten sich auch die beiden Figuren in diesem Roman, wobei Horowitz die undankbare Rolle des Watson erhält. Hawthorne ist ihm immer einen Schritt voraus, erklärt nur selten woher er seine Informationen bezieht und lässt den Autor immer wieder ziemlich dumm aussehen. Regelmäßig zerpflückt Hawthorne seine Entwürfe und regelmäßig möchte Horowitz die ganze Sache einfach abblasen. Aber seine Neugierde ist geweckt und so schluckt er seinen Ärger immer wieder hinunter. Was ihm nicht leicht fällt, den er ist ein wenig eitel und schnell gekränkt.

Derweil gestalten sich die Ermittlungen im Tod der Diana Cowper sehr interessant, die Zeugen scheinen alle die Wahrheit nach ihren Wünschen zu drehen, es gibt Ungereimtheiten in der so makellos erscheinenden Vergangenheit der Dame und der Leser wird ziemlich lange an der Nase herumgeführt.

Es macht Spaß sich auf diese literarische Schnitzeljagd einzulassen, denn mit seiner stilvollen Sprache und seinem eleganten Schreibstil hat mich der Autor und Ich-Erzähler von Anfang an überzeugt. Es ist ein „typisch englischer“ Krimi, mit viel hintergründigem Humor und Sprachwitz. Die Figuren sind sehr vielschichtig gestaltet und bieten Raum für eigene Spekulationen.

Es ist mein zweiter Krimi des Autors, den ich wirklich als Kriminalroman-Klassiker bezeichnen möchte, weil er nach meinem Empfinden ganz in der Linie von Michael Innes und anderer klassischer englischer Krimiautoren steht.

Besonders schön finde ich auch die Ausstattung: ein eleganter roter Leineneinband mit weiß geprägter Schrift und einem Lesebändchen. Hier gehen Inhalt und Gestaltung eine gelungene Verbindung ein.

Eine unbedingte Leseempfehlung für alle Liebhaber des typischen englischen Kriminalromans!


Veröffentlicht am 05.03.2019

Adel verpflichtet

Der Totenversteher
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Hartung Siegward Graf von Quermaten zu Oytinghausen, kurz nur Hasi genannt, ist von liebenswerter Naivität. Leider gehört er zum armen Teil der adligen Verwandtschaft, aber er wird reihum gern zu Gast ...

Hartung Siegward Graf von Quermaten zu Oytinghausen, kurz nur Hasi genannt, ist von liebenswerter Naivität. Leider gehört er zum armen Teil der adligen Verwandtschaft, aber er wird reihum gern zu Gast aufgenommen und genauso gern wieder weitergereicht. Doch dann hat er im Souterrain des Hauses der Tante eine Wohnung gefunden und nicht nur das, nach ihrem Ableben ist er ihr Erbe. Plötzlich reich! Das veranlasst seinen Cousin das Vermögen für Hasi anzulegen, aber leider bei einem Betrüger und Hasi steht mal wieder ohne einen Pfennig Geld da. Außerdem ist er noch ins Fadenkreuz eines Killers geraten. Gut das Tante Pudel ihm auch aus dem Jenseits mit Ratschlägen zur Seite steht.
Das ist ein humorvoller Krimi, der mir rundum Spaß gemacht hat. Der Spleen der adligen Quermatens, alle mit kuriosen Spitznamen zu bedenken, ist witzig. Tante Pudel, Cousin Brezel und Hasi tragen ihre Namen mit Stolz. Sie halten auch zusammen, denn die Familie geht über alles, was dann auch schon mal zu kuriosen Begebenheiten führt.
Hasi ist durch und durch liebenswert, naiv und höflich, er ist hilfsbereit und gäbe ohne Bedenken auch sein letztes Hemd. Aber gerade durch seine Naivität meistert er jede Situation, wenn er die Kunst des Small Talks bis zur Vollendung zelebriert, bleibt kein Auge trocken.
Ein kleiner Krimi, aber große Unterhaltung mit viel Situationskomik und Tempo.

Veröffentlicht am 02.03.2019

Rive Gauche

An den Ufern der Seine
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Die Dekade von 1940 – 1950 betitelt die Autorin Agnès Poirier als die „magischen Jahre“ von Paris. Warum magisch? Nach der Lektüre dieses faszinierenden Sachbuchs kann ich es für mich beantworten. Paris ...

Die Dekade von 1940 – 1950 betitelt die Autorin Agnès Poirier als die „magischen Jahre“ von Paris. Warum magisch? Nach der Lektüre dieses faszinierenden Sachbuchs kann ich es für mich beantworten. Paris war schon in den 20iger und 30iger Jahren Treffpunkt von Intellektuellen und Künstlern, hier wurden neue Kunstströmungen geboren und das vergangene Jahrhundert endgültig abgestreift.
Aber unter dem Druck der Besatzung, der Kriegsjahre und der Nachkriegszeit entstand noch etwas anderes. Neue Lebensentwürfe wurden erprobt, Philosophen im Diskurs mit Lebenskünstlern und Intellektuellen, man entwickelte Theorien, das alles in vielen Facetten und Strömungen.
Besonders beeindruckend war für mich, wie die Agnès Poirier diese Atmosphäre, dieses Flair der Stadt einfängt und lebendig werden lässt. Wie ein spannender Roman liest sich diese Kulturgeschichte. Es ist ein Who is Who der Intellektuellen, die bis heute Kunst und Literatur prägen.
Während in anderen europäischen Metropolen durch die Kriegsjahre quasi ein geistiges Vakuum herrschte, versammelten sich Paris die Geistesgrößen dieser Zeit. Hier zeigt die Autorin die Verbindungen, die Freundschaften und Leidenschaften, die Paris zu einem intellektuellen Hot Spot werden ließ.
Auch wenn sich das Buch wie spannend und faszinierend wie ein Roman liest, lädt ein ausführliches Personenregister, eine detaillierte Chronologie und viele Anmerkungen und Literaturhinweise zu einer weiterführende Beschäftigung mit diesem Jahrzehnt ein.
Die Ausstattung des Bandes ist gelungen, ein Lesebändchen in den Farben der „Grande Nation“ und einige historische Fotos runden das Bild ab.
Bei mir hat die Autorin viel Interesse geweckt und einige Biografien aus den Anmerkungen stehen schon auf meiner Leseliste.