Profilbild von lizlemon

lizlemon

Lesejury Star
offline

lizlemon ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit lizlemon über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.09.2019

Die etwas andere Krankengeschichte

Wir von der anderen Seite
0

In ihrem Debutroman erzählt Anika Decker pointiert und kurzweilig eine Krankengeschichte. Ihre Ich-Erzählerin Rahel wacht aus dem Koma auf, kann sich aber nicht an die Ereignisse erinnern, die sie ins ...

In ihrem Debutroman erzählt Anika Decker pointiert und kurzweilig eine Krankengeschichte. Ihre Ich-Erzählerin Rahel wacht aus dem Koma auf, kann sich aber nicht an die Ereignisse erinnern, die sie ins Krankenhaus gebracht haben. Das Buch erzählt von ihrem langsamen und kräftezehrenden Genesungsprozess, dem Kampf um die Erinnerungen und den sich verändernden Verhältnissen zu ihrer Familie und ihrem Freund Olli.
Rahel arbeitet eigentlich als Drehbuchautorin, sie schreibt Komödien, ist eine etwas neurotische Person mit einem skurrilen Sinn für Humor, der selbst in den schwierigsten Situationen immer wieder zum Vorschein kommt. Im Kontrast dazu wirken die dramatischen Momente, die immer wieder plötzlich passieren und die Rahel überfordern, umso eindringlicher.
„Wir von der anderen Seite“ ist keine Selbstmitleidsgeschichte, aber auch kein überdrehter Quatsch – Anika Decker hat hier eine wunderbare Balance zwischen Humor und einfühlsamem Erzählen gefunden. Die Handlung ist eigentlich ziemlich überschaubar: Rahels Genesung steht im Mittelpunkt. Aber wie die Autorin die Gefühle der Protagonistin und die kleinen Alltäglichkeiten erzählt, ist wirklich beeindruckend und macht den Roman zu einer positiven, lebensbejahenden Geschichte.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Bizarres kleines Buch

Töte mich
0

Was für eine bizarre Geschichte… Eine Wahrsagerin prophezeit Graf Henri Neville ungefragt, dass er bei seinem demnächst stattfindenden Fest einen seiner Gäste töten wird. Seine depressive 17-jährige Tochter ...

Was für eine bizarre Geschichte… Eine Wahrsagerin prophezeit Graf Henri Neville ungefragt, dass er bei seinem demnächst stattfindenden Fest einen seiner Gäste töten wird. Seine depressive 17-jährige Tochter Sérieuse hört davon. Sie möchte sterben und sagt ihrem Vater: „Töte mich“. Die Protagonisten gehören einer adligen Familie an, weshalb die absurde Handlung vor einer skurrilen Kulisse spielt. Die Autorin Amélie Nothomb spiegelt die dekadente Lebensweise gekonnt in ihrem Schreibstil wider. Vor allem Henri klingt oft besonders affektiert.

Die Charaktere sind mir durch die Bank weg unsympathisch. Henri scheint sich mehr über die Prophezeiung zu grämen statt über den schockierenden Vorschlag seiner Tochter. Seine deutlich jüngere Frau ist umwerfend schön, aber langweilt sich schnell und wirkt dabei sehr herablassend. Die anderen zwei Kinder sind auch keine Sympathieträger. Dazu kommt: Familie Neville nimmt das Sprichwort „Adel verpflichtet“ deutlich zu ernst und lässt selbst die eigenen Kinder hungern, um Geld zu sparen. Dieses Geld wird wiederum dafür aufgewendet, nach außen hin den hohen Lebensstandard aufrechterhalten und die adligen Verpflichtungen erfüllen zu können. Mehr Schein als Sein. Dazu zählt vor allem der monatliche Empfang auf dem Familienschloss, die sogenannte Garden Party. In der aktuellen Generation steht die Familie nun vor dem Ruin – sie ist bankrott und muss ihr Schloss demnächst verkaufen. Eine letzte Garden Party ist geplant, bei der eben dieser ominöse Mord stattfinden soll.

Trotz der dekadenten, unsympathischen Charaktere und der abstrusen Handlung fesselt das Buch. Ich habe es in einem Zug durchgelesen (was bei mageren 111 Seiten allerdings nicht schwer war) und das absurde Geschehen hat mich auf schockierende Weise unterhalten.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Generationsübergreifender Familienroman voller tiefer Gefühle

June
0

Miranda Beverly-Whittemore spielt in ihrem Roman „June“ meisterhaft mit großen Emotionen: Sie bringt dem Leser Liebe, Eifersucht, Leidenschaft, Depressionen und Trauer nahe. Die Geschichte spielt auf zwei ...

Miranda Beverly-Whittemore spielt in ihrem Roman „June“ meisterhaft mit großen Emotionen: Sie bringt dem Leser Liebe, Eifersucht, Leidenschaft, Depressionen und Trauer nahe. Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen, die immer wieder clever miteinander verstrickt werden.

Es geht um die junge June, die im Jahr 1955 kurz vor ihrer Trauung steht. June will ihren Verlobten Artie nicht aus Liebe, sondern eher aus Pflichtgefühl heiraten. Die Ehe wurde mehr oder weniger arrangiert und June fügt sich ihrem Schicksal mit Stolz. Doch als ihre Heimatstadt St. Jude als Drehort für den Hollywoodfilm „Erie Canal“ auserwählt wird, trifft June den Filmstar Jack Montgomery. Beide fühlen sich sofort zueinander hingezogen, jedoch ist June verlobt und Jack mit seiner Filmpartnerin liiert.

Der zweite Handlungsstrang spielt im Jahr 2015. Im Mittelpunkt steht Cassie. Die junge Künstlerin hat gerade ihre Großmutter June verloren und ist von New York nach St. Jude in Junes altes Haus gezogen. Das ehemals eindrucksvolle Herrenhaus Two Oaks steht kurz vor dem Verfall, doch der trauernden Cassie fehlen Geld und Energie, um sich um die Renovierung zu kümmern. Mitten in ihre depressive Phase platzt Nick, der als Assistent für die berühmte Schauspielerin Tate Montgomery arbeitet. Sie ist die Tochter von Jack. Nick eröffnet Cassie, dass der gerade verstorbene Jack ihr sein gesamtes Vermögen vererbt hat. Tate fordert nun einen Gentest. Cassies ganze Welt steht plötzlich Kopf: Sie wusste nichts über die Verbindung ihrer Familie zu Hollywood und hatte nie angezweifelt, dass sie die Enkelin von June und Artie ist. Hatte ihre so bodenständig wirkende Oma in ihrer Jugend wirklich eine Affäre mit dem Filmstar? Was ist damals tatsächlich passiert?

Die Autorin springt immer wieder zwischen beiden Erzählebenen hin und her, wobei sie die Wahrheit nach und nach enthüllt. Geheime Gefühle, Erpressungen, Bedrohungen und viel mehr kommen ans Tageslicht. Passend zum Filmaspekt ist die Handlung schön dramatisch und mitreißend gestaltet. Die Familiengeschichte entwickelt einen starken Sog und ist äußerst spannend. Immer wieder treten überraschende Wendungen auf. Zudem liest sich das Buch ungemein flüssig. Der bildhafte Stil hat mich gefesselt, weshalb die Lektüre wirklich Spaß gemacht hat.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Neuauflage eines alten Krimis mit zeitgemäßem Thema

Es klingelte an der Tür
0

"Es klingelte an der Tür" ist ein kurzweiliger Krimi mit hohem Unterhaltungswert. Es handelt sich um den 41. Fall des Privatdetektivs Nero Wolfe aus New York City, der mit bisher kein Begriff war. Das ...

"Es klingelte an der Tür" ist ein kurzweiliger Krimi mit hohem Unterhaltungswert. Es handelt sich um den 41. Fall des Privatdetektivs Nero Wolfe aus New York City, der mit bisher kein Begriff war. Das hat mich bei der Lektüre aber nicht gestört: Die Handlung ist in sich abgeschlossen und macht auch Sinn, wenn man die vorherigen 40 Geschichten nicht kennt.

Es geht um die reiche und exzentrische Mrs. Bruner, die dem FBI kritisch gegenübersteht und nun von der Behörde überwacht wird. Sie hofft, dass Wolfe die Überwachung stoppen kann und gibt ihm neben einem großen Scheck viel Freiraum bei der Ausführung des Auftrags. Wolfe und sein Assistent Archie Goodwin stellen dem FBI eine clevere Falle...

Das FBI wird in diesem Buch vor allem für illegale Abhöraktionen kritisiert. Obwohl der Krimi bereits 1965 veröffentlicht wurde, erhält er durch dieses Thema eine aktuelle Dimension.

Die beiden Protagonisten Nero Wolfe und Archie Goodwin sind ziemlich verschrobene und nicht unbedingt durchgehend sympathische Charaktere. Das macht die Geschichte aber zusätzlich interessant. Der übergewichtige Detektiv Wolfe verlässt so gut wie nie das Haus und züchtet mit großer Hingabe Orchideen. Er ist zwar ziemlich intelligent, reagiert aber oft knurrig und arrogant. Archie, Wolfes Assistent mit einer Vorliebe für Milch, berichtet aus der Ich-Perspektive.

Die nicht voraussehbaren Wendungen, das aktuelle Thema und die interessanten Charaktere machen "Es klingelte an der Tür" zu einer sehr unterhaltsamen Lektüre.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Teil 3 der Totenfrau-Trilogie

Totenrausch
0

"Totenrausch" ist der dritte Teil der Totenfrau-Triologie von Bernhard Aichner. Ich habe die ersten beiden Bücher nicht gelesen und hatte trotzdem kein Problem, der Handlung zu folgen. Am Anfang wird das ...

"Totenrausch" ist der dritte Teil der Totenfrau-Triologie von Bernhard Aichner. Ich habe die ersten beiden Bücher nicht gelesen und hatte trotzdem kein Problem, der Handlung zu folgen. Am Anfang wird das wichtigste aus den ersten eiden Teilen kurz zusammengefasst, so dass man direkt in Brünhilde Blums dramatisches neues Leben in Hamburg einsteigen kann.

Ich vermute allerdings, dass die Leser von Teil 1 und 2 bereits mehr Sympathie für die Protagonistin entwickeln konnten. Mir fiel es teilweise etwas schwer, mit dieser Antiheldin mitzufühlen. Sie ist natürlich in einer sehr schwierigen Situation und versucht alles zu tun, um ihre Kinder zu schützen. Ohne zu viel von der Handlung verraten zu wollen: Dabei geht sie nicht gerade zimperlich vor und scheint manchmal eine leicht sadistische Neigung auszuleben, wenn jemand ihr Unrecht tut (beispielsweise der Richter). Das geht zum Teil deutlich über reine Notwehr hinaus. Als Charakter macht das Blum interessanter, als wenn sie nur das unschuldige Mädchen wäre, das ohne Eigenverschulden in diese Situationen gerät.

Sehr gut gefiel mir Aichners Schreibstil, der sehr karg und reduziert ist. Er bringt kein überflüssiges Wort zu Papier und beschreibt die Situation sehr knapp. Dadurch entstand sehr viel Spannung und ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen.