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Veröffentlicht am 18.03.2019

Was ist Realität, was Fantasie?

Der Brief
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Die Prämisse des Romans "Der Brief" hat mich begeistert: Die freie Journalistin Marie wird überraschend aus ihrem Alltag gerissen, als sie einen Brief ihrer alten Schulfreundin Christine erhält. Er ist ...

Die Prämisse des Romans "Der Brief" hat mich begeistert: Die freie Journalistin Marie wird überraschend aus ihrem Alltag gerissen, als sie einen Brief ihrer alten Schulfreundin Christine erhält. Er ist an Marie adressiert, jedoch steht darauf eine Pariser Adresse, obwohl Marie in Hamburg lebt. Der Inhalt ist ähnlich mysteriös: Laut dem Brief ist Marie mit einem Mann namens Victor liiert, obwohl sie in Wahrheit eine glückliche Beziehung mit ihrer Freundin Johanna führt. Zudem schreibt Christine über eine angebliche Krankheit Maries - doch die ist kerngesund. Kurz darauf erhält Christine einen ähnlich verwirrenden Brief mit falschen Behauptungen, der angeblich von Marie geschrieben wurde. Beide verdächtigen sich zunächst gegenseitig, doch dann begibt sich Marie auf Spurensuche, die sie unter anderem nach Paris, Berlin und in ihren Heimatort führt.

Die zentrale Idee gefällt mir sehr gut. Die beiden Frauen erhalten mehrere Briefe, die immer verwirrender werden. Es gibt verschiedene Erklärungsansätze, doch keiner scheint besonders wahrscheinlich. Dadurch fiebert der Leser mit.

Gleichzeitig handelt es sich bei dem Buch um einen Roman und nicht um einen Thriller. Daher entsteht keine atemlose Spannung. Neben den Briefen und den Untersuchungen zu deren Ursprung widmet sich die Autorin zudem intensiv Maries Beziehung zu ihrer Freundin, zu mehreren Freunden und zu ihren Eltern. Dadurch zeichnet sie ein sehr komplexes und interessantes Bild von Marie und ihrem Umfeld. Allerdings fällt dabei immer wieder die Spannung ab, da zwischen den einzelnen Briefen und dem Fortgang dieses Handlungsstrangs teils große Lücken klaffen. Manchmal wirken die Alltags-Themen neben dem faszinierenden Brief-Mysterium etwas belanglos.

Der Roman hat mich gut unterhalten und ich habe ihn relativ schnell an drei Nachmittagen ausgelesen. Leider ist weder emotional noch intellektuell viel hängen geblieben. Ich habe die Lektüre durchaus genossen, aber sie hat mich nicht besonders tief berührt.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Clever und interessant, aber kein Actionthriller

Das Einstein Enigma
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Als ich diesen Wälzer ausgepackt habe, war ich zunächst ziemlich erschrocken. Mit reichlich 600 eng bedruckten Seiten hat "Das Einstein Enigma" einen ziemlich großen Umfang. Letztendlich habe ich den Roman ...

Als ich diesen Wälzer ausgepackt habe, war ich zunächst ziemlich erschrocken. Mit reichlich 600 eng bedruckten Seiten hat "Das Einstein Enigma" einen ziemlich großen Umfang. Letztendlich habe ich den Roman jedoch schneller durchgelesen als erwartet. Es handelt sich um ein sehr ambitioniertes und respektables Projekt. Man merkt, wie intensiv der Autor J.R. Dos Santos recherchiert hat und mit welcher Liebe zum Detail er seine Story aus den vielen wissenschaftlichen Fakten und spirituellen Theorien zusammengepuzzelt hat.

Prinzipiell handelt es sich um ein vielversprechendes Konzept, das der Autor teilweise sehr spannend umsetzt. Sein Protagonist, der portugiesische Kryptanalyst Tomás Noronha, wird als unfreiwilliger Doppelagent für den Iran und die CIA in eine dramatische Entschlüsslung eines Geheimdokuments von Albert Einstein verwickelt.

Die Handlung an sich ist ziemlich überschaubar, denn ein Großteil der Seiten wird mit Theorien rund um Einsteins Gottesformel gefüllt. Tomás reist zwischen Portugal, dem Iran und Tibet hin und her, um das Rätsel zu lösen. Dabei trifft er viele Charaktere, die anscheinend gerne Vorträge halten. Sie erklären Tomás (und damit gleichzeitig dem Leser) viele spannende Themen, die von der Relativitätstheorie über die Stringtheorie bis hin zum Buddhismus reichen. J.R. Dos Santos gelingt es in den meisten Fällen, diesen theoretischen Teil interessant zu erzählen und organisch in die Handlung einzufügen. Er besitzt das Talent, selbst komplexe Theorien leicht verständlich aufzubereiten.

Gleichzeitig entsteht bei diesem theorielastigem Ansatz ein Problem, für das ich einen Stern abziehe: Während der seitenlangen Diskurse reduziert sich das Erzähltempo extrem. Die eigentliche Handlung lässt sich ziemlich kurz zusammenfassen, selbst dramatische Ereignisse wie Tomás' Gefängnisaufenthalt im Iran werden ziemlich schnell abgehandelt, ohne das dramatische Potential voll auszuschöpfen. Auch die Liebesbeziehung zwischen Tomás und der Iranerin Ariana wirkte auf mich erzwungen, zu knapp abgehandelt und wenig authentisch.

Sobald der Protagonist eine neue Person trift, geht dasselbe Spiel von vorne los: Tomás stellt eine Frage und sein Gesprächspartner erklärt eine wissenschaftliche Theorie. Die Handlung kommt dadurch mehrfach fast zum Stillstand, was bei so einem langen Buch anstrengend sein kann. Meist fängt sich der Autor relativ schnell wieder oder schafft es, die Theorien so lebendig wiederzugeben, dass man trotzdem weiterliest.

Im Laufe des Romans muss Tomás zwei Rätsel entschlüsseln. Das erste, ein Gedicht, löst er relativ schnell. Nur die zweite Chiffre bereitet ihm Probleme. Die Lösung findet er nach einigen Umwegen ganz am Ende des Buches. Nach all den Theorien, die darauf hinlaufen, fand ich des Rätsels Lösung allerdings etwas einfach und damit antiklimatisch.

Dazu kommt, dass der Autor immer wieder ungelenke und umständliche Formulierungen verwendet. Beispiel: "Die Melodie, die aus seiner Hosentasche klang, kündete von einem Anruf auf seinem Handy." (S.39) oder "Vögel zirpten niedlich in den Zweigen, flatternd und sorglos,..." (S.410). Dass Tomás mit Ariana teilweise ziemlich herablassend redet ("Braves Mädchen.", S.133), gefiel mir ebenfalls nicht. Es bleibt letztendlich unklar, ob diese merkwürdigen Formulierungen an der Übersetzung oder der Unerfahrenheit des Autors liegt.

"Das Einstein Enigma" ist ein Mammutwerk. Wer trotz des reißerischen Klappentexts keinen spannungsgeladenen Actionthriller erwartet und sich für komplexe wissenschaftliche Ideen interessiert, ist mit dem Roman gut beraten. Das Buch ist unterhaltsam und gleichzeitig clever.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Verdient jeder eine zweite Chance?

Perfect Girl
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Zoe wird aus dem Jugendarrest entlassen und versucht zusammen mit ihrer Mutter sowie ihrem neuen Stiefvater und Stiefbruder ein neues Leben aufzubauen. Sie will ihre zweite Chance nutzen. Die Musik gibt ...

Zoe wird aus dem Jugendarrest entlassen und versucht zusammen mit ihrer Mutter sowie ihrem neuen Stiefvater und Stiefbruder ein neues Leben aufzubauen. Sie will ihre zweite Chance nutzen. Die Musik gibt dem Teenager Halt, denn Zoe ist eine begabte Pianistin. Doch kurz nachdem ihr erster Auftritt nach der Gefängniszeit unterbrochen wird, stirbt ihre Mutter Maria. Zoes Leben gerät erneut aus den Fugen und nach und nach kommen immer mehr Geheimnisse ans Licht.

Autorin Gilly Macmillan erzählt die fesselnde Geschichte aus den Perspektiven von Zoe, ihrer Tante Tessa, ihrem Anwalt Sam und ihrem Onkel Richard. Zwischendurch werden wiederholt Ausschnitte aus einem Drehbuch eingefügt, das Zoes Stiefbruder Lucas über seine verstorbene Mutter geschrieben hat.

Die kurzen Kapitel des Thrillers erzählen die Geschichte zunächst nicht chronologisch, sondern springen zwischen dem Abend des Konzer, dem nächsten Morgen sowie Episoden aus der Vergangenheit hin und her. Dadurch wird geschickt Spannung aufgebaut, da sich die Ereignisse der Vergangenheit und ihre Auswirkungen auf die verschiedenen Familienmitglieder erst nach und nach enthüllen. Nach etwa einem Drittel fand ich das Hin-und-Her-Hüpfen etwas ermüdend, jedoch stieg die Spannung bald wieder an. Nach und nach wird enthüllt, was tatsächlich in der Vergangenheit von Zoe und Lucas passiert ist und wer Maria letztendlich getötet hat. Der Verdacht fällt im Laufe der Geschichte auf verschiedene Personen. Im Stil von Gone Girl und Girl on a Train gibt es allerdings am Ende eine überraschende Enthüllung.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Ansprechender Debutroman

Sweetgirl
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Die Handlung von "Sweetgirl" klingt zunächst wie geschaffen für einen spannenden Thriller: Percy, ein 16-jähriges Mädchen, sucht ihre drogenabhängige Mutter und findet dabei im Haus des Dealers Shelton ...

Die Handlung von "Sweetgirl" klingt zunächst wie geschaffen für einen spannenden Thriller: Percy, ein 16-jähriges Mädchen, sucht ihre drogenabhängige Mutter und findet dabei im Haus des Dealers Shelton ein schreiendes, vernachlässigtes Baby. Sie nimmt es mit, um es in ein Krankenhaus zu bringen. Das ist leichter gesagt als getan, da ein Schneesturm über Michigan fegt. Percys Auto steckt in einer Schneewehe fest und sie macht sich zu Fuß auf den Weg zu Portis, dem Ex-Freund ihrer Mutter. Als Shelton bemerkt, dass das Baby seiner Freundin verschwunden ist, begibt er sich auf die Suche und setzt auch einige seiner kriminellen Freunde auf das Baby an.

Die Verfolgungsjagd ist jedoch gar nicht so dramatisch, wie sie klingt. Erst in der zweiten Hälfte des Buches kommen die Verfolger Percy und dem Baby gefährlich nah. Schließlich handelt es sich bei "Sweetgirl" um einen Roman, nicht um einen Thriller. Daher legt der Autor mehr Wert auf die Charaktere, die sehr detailliert geschildert werden. Obwohl die Situation natürlich dramatisch ist, hat sich für mich nie richtig die extreme Spannung aufgebaut, die ein Krimi oder Thriller erzeugen könnte. Allerdings fand ich die Protagonisten sehr stark. Percy als Heldin und Portis als Antihelden steht Shelton als Antagonist, der gleichzeitig seine eigenen Probleme und Unsicherheiten vor der Außenwelt versteckt, gegenüber. Das Drogenmilieu wird hier zudem sehr genau unter die Lupe genommen. Für einen Roman gibt es allerdings ganz schön viele Leichen...

Der düsteren Handlung setzt Travis Mulhauser zum Teil einen sehr schwarzhumorigen Schreibstil gegenüber. Das hat mit gut gefallen, vor allem bei den inneren Monologen von Shelton. Etwas nervig fand ich nach einer Weile hingegen das "humorvolle" Geplänkel zwischen Percy und Portis. Nach einer Weile las sich das einfach etwas angestrengt und wirkte zu bemüht.


Ich würde "Sweetgirl" als Roman mit Thriller-Elementen und einer überschaubaren Handlung beschreiben. Travis Mulhauser hat ein interessantes Debut vorgelegt, das sich leicht lesen ließ und das mich gut unterhalten hat.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Irisch werden

How To Be Irish
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Wie hat das Rauchverbot die Pubszene verändert? Wer ist ein Plastic Paddy? Was verstehen Iren unter "cool aussehen"? Warum tragen sie ihre Straßenschuhe auch im Haus? Der Anthropologe David Slattery hat ...

Wie hat das Rauchverbot die Pubszene verändert? Wer ist ein Plastic Paddy? Was verstehen Iren unter "cool aussehen"? Warum tragen sie ihre Straßenschuhe auch im Haus? Der Anthropologe David Slattery hat in seinem Buch "How to be Irish" viele lustige, skurrile, ungewöhnliche und interessante Fakten über die grüne Insel und ihre Bewohner zusammengetragen. In zehn Kapiteln beschäftigt er sich mit so verschiedenen Themen wie Weihnachten, Beerdigung oder Politik, so dass man einen breiten Überblick über die Iren und ihre Eigenarten erhält.

Jedes Kapitel ist in mehrere kurze Abschnitte unterteilt, die sich schnell lesen lassen. Man hat die Wahl, ob man das Buch in längeren Sitzungen oder kleinen Häppchen lesen möchte. Manchmal hätte ich mir allerdings etwas tiefergehende Informationen und längere Abschnitte gewünscht, etwa zu konkreten Traditionen oder Abläufen bei Hochzeiten o.ä. Für irische Leser ist das sicher überflüssig, aber mir haben etwas konkretere Infos teilweise gefehlt.

Abgesehen davon ist das Buch jedoch gleichermaßen informativ und unterhaltsam. Es macht Spaß, es zu lesen und hat mich Irland mit neuen Augen sehen lassen, denn viele dieser Informationen würde man als Ausländer gar nicht so mitbekommen. Slatterys Ton ist sehr locker, so dass der Leser auch zu düsteren Themen (Beerdigung) oder eher trockenen Themen (Bauen) einen leichten Zugang findet. Die Übersetzung ist gelungen und verständlich. Einzig an manchen Stellen, wo die Mehrdeutigkeit einiger Wörter untersucht wird (z.B. des Wortes "fressen" in Kapitel drei), hätte ich mir gewünscht, dass die englischen Originalwörter, um die es geht, in Klammern oder als Fußnote hinzugefügt worden wären. So geht doch etwas Information verloren.