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Veröffentlicht am 18.03.2019

Putziger Feel-Good-Roman

Herrn Haiduks Laden der Wünsche
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„Herrn Haiduks Laden der Wünsche“ von Florian Beckerhoff ist ein charmanter Roman mit teils skurrilen Charakteren, der gut unterhält und sich flüssig lesen lässt.

Die tatsächliche Geschichte ist in eine ...

„Herrn Haiduks Laden der Wünsche“ von Florian Beckerhoff ist ein charmanter Roman mit teils skurrilen Charakteren, der gut unterhält und sich flüssig lesen lässt.

Die tatsächliche Geschichte ist in eine Rahmenhandlung verpackt: Herr Haiduks ehemaliger Stammkunde Paul kehrt nach langer Abwesenheit in den Laden. Er hatte früher einen Roman veröffentlicht – mit überschaubarem Erfolg – und die Schreiberei danach aufgegeben. Herr Haiduk sieht in ihm jedoch weiterhin den Schriftsteller und erzählt ihm nun die Geschichte über das gefundene Lotto-Los und die Suche nach dem Besitzer.

So ziemlich jeder Charakter hat in diesem Buch seine bizarren bis lustigen Eigenheiten, wodurch sich die Handlung zu einer kleinen Parade skurriler Begegnungen entwickelt. Natürlich behaupten viele Menschen, dass ihnen das Lotto-Ticket gehört, so dass nicht nur angenehme Momente entstehen.

Die Geschichte ist wirklich unterhaltsam, nur halt nicht besonders tiefschürfend. Wir lernen kaum einen Charakter wirklich gut kennen: Der Leser erfährt ein bis zwei auffällige körperliche Merkmale sowie zwei bis drei ungewöhnliche persönliche Eigenschaften, so dass die jeweilige Person leicht wiederzuerkennen ist. So entstehen interessante Charaktere mit individuellen Eigenheiten, von denen ich zum Teil gerne mehr erfahren hätte. Die Geschichte ist sehr kurzweilig geschrieben und hat bei mir eine positive Stimmung ausgelöst. Immerhin sind die Protagonisten nicht an der eigenen Bereicherung interessiert, sondern wollen das Richtige tun (auch wenn jeder eine andere Definition davon hat, was richtig ist). Da das Buch dabei meist an der Oberfläche verharrt, hat mich die Wendung/Auflösung am Ende jedoch nicht so richtig überrascht oder bewegt. Herr Haiduk bietet gute Unterhaltung, nicht mehr, nicht weniger.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Sozialkritisch und mitreißend

Der Sandmaler
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„Der Sandmaler“ ist eine Geschichte darüber, wie die Konfrontation mit den eigenen Privilegien einen Menschen verändern kann – oder eben nicht. Zwar spielt der Roman Anfang der 1970er Jahre, doch die Thematik ...

„Der Sandmaler“ ist eine Geschichte darüber, wie die Konfrontation mit den eigenen Privilegien einen Menschen verändern kann – oder eben nicht. Zwar spielt der Roman Anfang der 1970er Jahre, doch die Thematik macht ihn hochaktuell.

Am Flughafen treffen die beiden Teenager Elisabeth und Stefan zufällig aufeinander. Sie haben vor einigen Monaten die Schule beendet und sich seitdem nicht wiedergesehen. Beide reisen in den Urlaub in ein nicht namentlich genanntes Land an der afrikanischen Atlantikküste. Sie entscheiden sich, die Zeit zusammen zu verbringen.

Zu Anfang wirkte der Roman etwas banal auf mich und mir war nicht klar, was dessen Sinn ist. Die Anreise nimmt für meinen Geschmack etwas zu viel Raum in dem nur 156 Seiten langen Buch ein. Doch nach der Landung offenbart Henning Mankell den Kontrast zwischen Touristen und Einheimischen und schafft damit ein fesselndes, sozialkritisches Werk, das nachdenklich macht. Die weißen Reisenden erleben in ihren sicheren, bequemen Hotels und an den malerischen Stränden eine realitätsferne Version Afrikas. Wer nicht unter die Oberfläche schauen möchte, muss das auch nicht tun.

Doch nach und nach offenbaren sich Elisabeth und Stefan die Armut und die Folgen von Kolonialismus und Korruption, die den Alltag der Afrikaner prägen. Elisabeth, die anfangs naiv und unsicher wirkt, beschäftigt sich aus eigenem Antrieb heraus immer mehr mit den Lebensbedingungen vor Ort. Dabei wird sie erwachsen, findet zu sich selbst und fängt an, sich eine eigene Meinung zu bilden. Stefan hingegen, der aus einer deutlich wohlhabenderen, privilegierteren Familie als Elisabeth stammt, ist der Inbegriff eines rassistischen, ignoranten Touristen. Er behandelt farbige Frauen wie Objekte, ist herablassend und kümmert sich nur um seinen eigenen Vorteil. Stefan scheint sich innerhalb des Buches im Gegensatz zu Elisabeth nicht weiterzuentwickeln. Sie hängt ihn emotional und geistig ab.

Henning Mankell kann nicht nur Krimis schreiben. Sein erster Afrika-Roman, der bereits 1974 erstmals erschien, nimmt den Leser mit auf eine faszinierende und erschütternde Reise auf den schwarzen Kontinent.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Sprachlich herausragend

Eine von uns
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Wie gut kennen wir unsere Nachbarn wirklich? In dem kleinen englischen Dorf Heathcote ist nichts wie es scheint: Hinter der alltäglichen, normalen Fassade verbirgt jeder Bewohner seine eigenen kleinen ...

Wie gut kennen wir unsere Nachbarn wirklich? In dem kleinen englischen Dorf Heathcote ist nichts wie es scheint: Hinter der alltäglichen, normalen Fassade verbirgt jeder Bewohner seine eigenen kleinen oder großen Geheimnisse. Als ein Unbekannter, den die Bewohner den Fox nennen, in die Häuser eindringt, ohne jedoch etwas zu stehlen, betrachten sich die Nachbarn plötzlich argwöhnisch. Dann verschwindet ausgerechnet die unscheinbare und nette Anna. Wurde sie vom Fox entführt?

Der Roman spielt im Sommer 1984 und beruht auf einer wahren Geschichte. Die fiktive Version verläuft jedoch komplett anders als die reale und die Autorin gibt ihrer Handlung eine traurige und überraschende Wendung.


"Eine von uns" besteht aus vier Teilen, wobei die Handlung jeweils aus der Sicht einer anderen Person erzählt wird. Diese Erzählweise gefällt mir sehr gut, da der Leser dabei nicht nur die Handlung nachvollziehen kann, sondern gleichzeitig einen Blick hinter die Fassade der Bewohner werfen kann. So entstehen komplizierte und interessante Charaktere. Da ist zum Beispiel die junge Hausfrau Deloris, die den attraktiven und erfolgreichen Harvey geheiratet hat. Nach außen führen sie die perfekte Ehe, doch Deloris ist unglücklich und fühlt sich von ihrem Mann unverstanden und alleingelassen. Jim, der Dorfgeistliche, gibt vielen Bewohnern Halt, wird jedoch von einem Geheimnis aus seiner Vergangenheit belastet.

Neben den vielschichtigen Charakteren beeindruckt mich bei diesem Roman der Schreibstil der Autorin Harriet Cummings am meisten. Sie lässt mühelos starke Bilder vorm inneren Auge entstehen, da sie aktiv, lebendig und anschaulich schreibt. So macht die Lektüre sehr viel Spaß.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Sprachlich kunstvolle Kurzgeschichten rund um die Liebe

Liebe wird überschätzt
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„Liebe wird überschätzt“ ist eine kurzweilige Sammlung von acht Erzählungen, die sich mit verbotener, später, unerfüllter und alltäglicher Liebe beschäftigen. Obwohl sie die vielen Fassetten der Liebe ...

„Liebe wird überschätzt“ ist eine kurzweilige Sammlung von acht Erzählungen, die sich mit verbotener, später, unerfüllter und alltäglicher Liebe beschäftigen. Obwohl sie die vielen Fassetten der Liebe behandelt, fällt Valeria Parrella nicht in die Kitschfalle. Besonders gut haben mir ihr einfühlsamer, aber nüchterner Schreibstil und die vielseitigen Protagonisten gefallen. Bei jeder Kurzgeschichte stehen interessante Charaktere im Mittelpunkt, von scheinbar unauffälligen älteren Paaren, die sich gegenseitig betrügen, über Eltern mit kranken Kindern bis hin zu einer Äbtissin. Liebe in all ihren Formen durchzieht die Kurzgeschichten: Liebe zwischen Partnern, Liebe zwischen Eltern und Kindern, Liebe zwischen Freunden und Liebe zur Freiheit. Damit widerlegt die Autorin im Grunde ihren eigenen Buchtitel, denn die Liebe ist der zentrale Erzählgegenstand.

Mit nur 140 Seiten fällt das Buch etwas kurz aus, jedoch habe ich jede Seite genossen.

Veröffentlicht am 18.03.2019

Spannender Irland-Krimi

Lügenmauer. Irland-Krimi (Ein Emma-Vaughan-Krimi 1)
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Sligo im Nordwesten Irlands: Als der protestantische Reverend Charles Fitzpatrick, ein angesehener Mann in seiner Gemeinde, ermordet aufgefunden wird, übernimmt Emma Vaughan die Ermittlungen. Als Protestantin ...

Sligo im Nordwesten Irlands: Als der protestantische Reverend Charles Fitzpatrick, ein angesehener Mann in seiner Gemeinde, ermordet aufgefunden wird, übernimmt Emma Vaughan die Ermittlungen. Als Protestantin in einer vorwiegend katholischen, traditionsbewussten Gegend ist Emma vielen Vorurteilen ausgesetzt, die ihr die Arbeit erschweren. Sie läuft gegen viele Wände und die Ermittlungen verlaufen nur stockend, doch Emma kämpft sich durch. Barbara Bierach erzählt den Krimi in drei spannenden Handlungssträngen, die sie nach und nach gekonnt miteinander verflechtet.

Der Autorin gelingt ein atmosphärisch dichtes dichtes Werk. Als Irland-Fan gefallen mir die realistischen Beschreibungen. Ich finde es gleichzeitig sehr gut, dass Barbara Bierach nicht in den üblichen Kitsch abrutscht, sondern dieses faszinierende Land und seine schwierige Geschichte auch kritisch betrachtet. Der Leser erfährt nebenbei einiges über den Immobilienboom vor der Finanzkrise, über die Troubles und die IRA sowie über den unvorstellbar großen Einfluss, den die Kirche auf das Leben der Menschen hat. So entsteht eine vielschichtige Geschichte mit komplizierten, aber realistischen Charakteren.