Cover-Bild Die Stadt der Blinden
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11,00
inkl. MwSt
  • Verlag: btb
  • Themenbereich: Belletristik - Dystopische und utopische Literatur
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 400
  • Ersterscheinung: 08.09.2015
  • ISBN: 9783442745296
José Saramago

Die Stadt der Blinden

Roman
Ray-Güde Mertin (Übersetzer)

Saramagos Antwort auf Die Pest von Albert Camus.

Ein Mann steht an einer Ampel. Von einer Sekunde auf die nächste, ohne erklärbaren Grund, erblindet er. Wie ihm ergeht es immer mehr Menschen in seiner Heimatstadt. Wie eine Seuche greift die Blindheit um sich. Die Regierenden wissen sich nicht anders zu helfen, als die Betroffenen in einer verlassenen Irrenanstalt einzuquartieren – unter der Bewachung von Soldaten, die auf jeden schießen, der fliehen will. Je mehr Blinde dort zusammengepfercht werden, desto schlimmer, desto unmenschlicher wird die Situation. Inmitten dieses grausamen Chaos befindet sich ein Augenarzt mit seiner Frau – die als Einzige noch sehen kann …

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.03.2023

Blind an Auge und Herz

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Ein Mann erblindet von jetzt auf gleich, während er im Auto an der Ampel auf grünes Signal wartet. Passanten helfen dem Mann in die nächstgelegene Augenheilpraxis, wo sich der Arzt dem Fall annimmt und ...

Ein Mann erblindet von jetzt auf gleich, während er im Auto an der Ampel auf grünes Signal wartet. Passanten helfen dem Mann in die nächstgelegene Augenheilpraxis, wo sich der Arzt dem Fall annimmt und den blinden Patienten untersucht. Er kann die Ursache nicht feststellen und findet den Fall höchst ungewöhnlich. Der Blinde unterdessen muss heimgeschickt werden, da man gegenwärtig nichts für ihn tun kann. Der Augenarzt, ganz verblüfft von dem Fall, konsultiert abends Daheim seine Bücher auf der Suche nach einer Lösung für das Problem des spontan Erblindeten. Während er liest, wird er von derselben Blindheit erfasst.
Weitere Fälle der Spontanerblindung werden überall in der Stadt bekannt. Die epedemische Erblindung wird überall bald das Weiße Übel genannt. Anders als bei der uns bekannten Blindheit sehen die Betroffenen im Buch ein grelles Weiß vor Augen. Die Regierung beschließt die Erkrankten und jene, die im Verdacht stehen sich ebenfalls infiziert zu haben, auch wenn sie noch nicht erblindet sind, in einem ehemaligen Sanatorium zu internieren.
Der Augenarzt verständigt die Regierung, seine Frau bringt ihn zur Internierung. Mit den Worten, sie sei auch in diesem Moment erblindet, wird auch die Frau des Augenarztes in das Sanatorium gebracht. Sie offenbart ihrem Mann, dass sie weiterhin sehen kann aber es für sie keine Option war ihn alleine zu lassen. Als Leser betrachtet man das Geschehen fortan durch ihre Augen; es sind die einzigen, die noch sehen können.
In den kommenden Wochen füllt sich das Internierungslager, der Platz wird rar und die vom Militär für die Blinden bereitgestellten Rationen reichen bald längst nicht mehr für diejenigen in der Unterbringung. Jene knappen Rationen werden von einer Gruppe niederträchtiger Blinder beschlagnahmt, sobald sie eintreffen, und sie verlangen Bezahlung im Gegenzug für das Essen. Die erblindeten Menschen verlernen das Menschsein, wer nicht jemanden kennt, betrachtet ihn misstrauisch und feindselig, jeder ist sich selbst der Nächste. In all dem Chaos versucht die Frau des Arztes einen Überblick und vor allem einen Rest an Menschlichkeit zu bewahren. Als sie durch eine Konfrontation mit der niederträchtigen Gruppe Blinder herausfinden, dass auch außerhalb der Internierungsanstalt die Stadt vom Weißen Übel heimgesucht wurde, macht sich die Frau mit ihrem Mann und einer kleinen Gruppe Blinder, die in den ersten Tagen der Epedemie interniert wurden, auf den Weg durch die erblindete und verwüstete Stadt.

„Die Stadt der Blinden“ ist eine außergewöhnliche Geschichte, die für mich sogar dystopische Züge hatte. Es hatte etwas von einer Zombieapokalypse, nur dass die Zombies in diesem Buch noch im Besitz ihrer kognitiven Fähigkeiten waren. Während des Lesens hatte ich oft das Gefühl, dass es umso schlimmer ist Menschen zu begegnen, die einander nicht mehr helfen und ihre Menschlichkeit verlieren, als von hirnlosen Zombiehorden zu lesen. Das Buch setzt an der Menschlichkeit des Lesers an und schafft es Mitgefühl aus ihm zu ziehen, obwohl es so unpersönlich ist; denn die Figuren im Buch werden nur beschrieben, nie benannt. So gibt es eine Person, die nur „die Frau mit der dunklen Brille“ genannt wird oder ein anderer als „der erste Blinde“. Auch gibt es keine Wörtliche Rede, die Sätze fallen durcheinander und man fragt sich manchmal, wer sie geäußert hat und ob nach einem Komma ein anderer weiterspricht oder noch dieselbe Person. Eine wirklich interessante Geschichte!

Veröffentlicht am 30.11.2022

Horrorszenario

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Die Beschreibung "Saramagos Antwort auf "Die Pest" von Albert Camus" trifft es ganz gut.

Ein Mann erblindet aus heiterem Himmel während er im Auto sitzt. Kurz darauf erblinden die Leute, die ihm geholfen ...

Die Beschreibung "Saramagos Antwort auf "Die Pest" von Albert Camus" trifft es ganz gut.

Ein Mann erblindet aus heiterem Himmel während er im Auto sitzt. Kurz darauf erblinden die Leute, die ihm geholfen haben. Die Erblindung greift wie eine Epidemie um sich. Um diese einzudämmen, sperrt man die Erblindeten ein und die Kontaktpersonen gleich mit. Von einigen spärlichen Essensrationen abgesehen, überlässt man sie dann ihrem Schicksal. Aber die Seuche breitet sich dennoch aus...

Der Film hat mich damals erschüttert und entsetzt. Wie so oft in Ausnahmesituationen gewinnt Egoismus bei einigen Menschen die Oberhand (siehe der Kampf um´s Klopapier während Corona) und diese greifen dann zu Gewalt, um nicht zu kurz zu kommen. Obwohl ich wußte, was auf mich zukommt, fand ich das Geschilderte teilweise so schrecklich, dass ich befürchtet hatte, das Buch weglegen zu müssen. Kein Zweifel, die Forderung, die Frauen müssen sich vergewaltigen lassen, damit die Gruppe nicht verhungert, gehört zu den Schlimmsten Dingen im Buch. Aber was mich auch so mitgenommen hat, war die anschauliche Beschreibung, wie die Soldaten beobachten, wie die Blinden versuchen, die Essenslieferung zu finden, um sie nach drinnen zu schaffen und manche sich vortasten, andere auf dem Boden kriechen, sie übereinander stolpern etc, immer mit der Angst, dass sie bei einem falschen Schritt (in Richtung der Soldaten) erschossen werden.

Nicht nur die Geschichte ist packend, auch der Schreibstil ist etwas Besonderes. Es gibt keine direkte wörtliche Rede. Bei Unterhaltungen werden die Sätze einfach aneinander gereiht, von Kommata getrennt, sodass es manchmal nicht eindeutig ist, wer was sagt, oder wer überhaupt spricht. Das Ganze wirkt wie eine Art Bericht, wobei auch philosophische Gedankengänge miteinfließen. Auffallend ist auch, dass die Hauptfiguren nie namentlich genannt werden. Es wird immer nur von der Frau des Arztes, dem Mann, der zuerst blind wurde, der jungen Frau mit der dunklen Brille etc. gesprochen. Da ja im Film das Ende manchmal anders ist, als im Buch, blieb es bis zum Schluß spannend.

Alles in allem ein erschreckendes Buch, in dem sich die Abgründe der menschlichen Seele zeigen und auch, wie schnell es mit unserer Zivilisation vorbei sein kann. In Anbetracht von Corona und dem Ukrainekrieg um so beängstigender.

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Veröffentlicht am 10.09.2019

Harte Kost

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In einer namentlich nicht genannten Stadt bricht urplötzlich eine seltsame und zutiefst beängstigende Epidemie aus: Einer nach dem anderen werden fast alle Einwohner blind. Nur die Frau eines Arztes behält ...

In einer namentlich nicht genannten Stadt bricht urplötzlich eine seltsame und zutiefst beängstigende Epidemie aus: Einer nach dem anderen werden fast alle Einwohner blind. Nur die Frau eines Arztes behält ihr Augenlicht. Sie verschweigt dies jedoch, da sie nicht von ihrem Mann getrennt werden möchte. Die Blinden werden nämlich auf Befehl der Regierung in eine verlassene Irrenanstalt einquartiert, wo sich bald fürchterliche Szenen abspielen. Denn das schwere Unglück setzt den Menschen zu, macht sie hilflos und abhängig von Anderen, die noch sehen können und beraubt sie ihrer Würde. Manche gehen daran zugrunde, es gibt aber auch welche, die aus dieser schrecklichen Situation eigene Vorteile ziehen. Die Lage spitzt sich immer mehr zu, da stets neue Transporte mit Erblindeten kommen und der Platz bald nicht mehr ausreicht. Als dann noch die Versorgung mit Proviant unterbrochen wird, kommt es zu einem Aufstand...

Es ist definitiv keine leichte und unterhaltsame Urlaubslektüre, die uns der berühmte portugiesische Schriftsteller Jose Saramago mit diesem Roman bietet. Es ist eher ein Alptraum, der zumindest mich immer wieder schaudern ließ. Ich las trotzdem weiter, denn das Buch übt eine seltsame Kraft aus: Es ist wie ein Sog, der einen reinzieht und immer weiter lesen lässt, ungeachtet der Tatsache, dass der Inhalt schockiert und entsetzt. Die langen Sätze erlauben auch kaum, einen Zwischenstopp einzulegen. Es gibt keine kurzen Kapitel, die man sich einteilen kann. Ich hatte nicht zuletzt dadurch wie bei kaum einem anderen Buch das Gefühl, ich darf einfach nicht stoppen, ich muss in dieser entsetzlichen Geschichte drin bleiben, bis zum Ende. Das tat ich auch und ich stelle fest, es hat sich gelohnt. „Die Stadt der Blinden“ ist ein grandioser Roman, eine meisterhafte Studie des menschlichen Verhaltens in Angesicht einer schweren Krise. Einfühlsam und in einer Schreibart, die dem Leser unter die Haut geht, schildert der Autor, wie unterschiedlich die Menschen darauf reagieren. Während viele am Unglück zerbrechen, erweisen sich Andere als Überlebenskünstler. Manche mutieren zu wahren Monstern, die – obwohl selbst betroffen – die Not ihrer Nächsten ausnutzen, diese quälen und demütigen. Es stehen in diesem Roman Passagen, die nichts für Zartbeseitete sind und einen sprachlos vor Entsetzen machen. Und doch scheint Saramago den Glauben an den Menschen nicht verloren zu haben. Denn solange es Personen wie die Frau des Arztes gibt, die im Unglück über sich hinauswachsen, tapfer bleiben und anderen helfen, gibt es Hoffnung. Dies ist meines Erachtens die Botschaft, die in diesem Buch steckt. Solange wir zusammenhalten und handeln, über eigenes nicht das Wohl unserer Mitmenschen vergessen und den Machtmissbrauch von Seiten den Dritten nicht dulden, bewahren wir unsere Menschlichkeit, mögen die Zeiten noch so schwer sein.

Fazit: Wer sich von der Thematik nicht abschrecken lässt und sich an diesen nicht einfachen Roman traut, wird reichlich belohnt - „Die Stadt der Blinden“ ist ein beeindruckendes Buch und eine wichtige Lektion in Sachen Humanität, von mir eine klare Leseempfehlung!



Veröffentlicht am 18.03.2019

Erschreckend, aber sehr sehr gut

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In einer namenlosen Stadt können immer mehr namenlose Menschen nicht mehr sehen. Sie selber beschreiben den Zustand, als "in einem See aus Milch schwimmen". Die Geschichte beginnt erschreckend, aber das ...

In einer namenlosen Stadt können immer mehr namenlose Menschen nicht mehr sehen. Sie selber beschreiben den Zustand, als "in einem See aus Milch schwimmen". Die Geschichte beginnt erschreckend, aber das ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was einen als Leser noch erwartet. Da immer mehr Menschen erblinden, sieht die Regierung nur den Ausweg, die Erkrankten in einer verlassenen Anstalt zu separieren. Und jetzt beginnt der wahre Horror, der aber (erschreckend genug!) immer realistisch bleibt. Alles im Roman bleibt namenlos, für mich die klare Botschaft, daß die Handlung überall spielen kann und jeden treffen kann.

Wer behält seine Menschlichkeit und wer wird zum Tier, für das vor allem das Überleben zählt? Wer stellt sich an den Anfang der Nahrungskette? Wer überwindet Anstand, Skrupel und behält seine Würde? Das Thema über die eigene Würde zieht sich als roter Faden durch den Roman.

Wie die Frau eines erblindeten Augenarztes, die als einzige noch sehen kann, sieht man als Leser den Schrecken und die Konsequenzen einer Epidemie, die immer weiter fortschreitet. An den Schreibstil musste ich mich gewöhnen: Viele Kommas, wenige Punkte, keine Kennzeichnung der wörtlichen Rede. Aber der Roman hat mich von Anfang bis Ende nicht losgelassen. Erschreckende Geschichte, aber sehr sehr gut geschrieben!

Veröffentlicht am 24.05.2017

Ein Buch das bleibt...

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Es ist zwar schon ein bisschen was her, seit ich dieses Buch gelesen habe, aber trotzdem schwirrt es immer noch hin und wieder in meinen Gedanken umher.
Die Geschichte an sich ist relativ simpel (nach ...

Es ist zwar schon ein bisschen was her, seit ich dieses Buch gelesen habe, aber trotzdem schwirrt es immer noch hin und wieder in meinen Gedanken umher.
Die Geschichte an sich ist relativ simpel (nach und nach erblinden alle Menschen einer Stadt) und lebt auch nicht wirklich von einem Spannungsaufbau oder unerwarteten Wendungen, aber trotzdem hat sie mich unglaublich gefesselt.
Zu lesen wie sich die Menschen in so einer Ausnahmesituation verhalten (zumindest in der Welt des Autors) hat mich so viele verschiedene Gefühlsebenen durchleben lassen, wie ich es bei nur ganz wenigen Büchern bisher erlebt habe.

Der Schreibstil an sich ist für den "normalen Leser" sicherlich etwas ungewohnt, jedoch keineswegs schwierig oder gar unverständlich.

Alles in allem kann ich dieses wunderbare Buch nur weiterempfehlen! (Jetzt nicht gerade als 'seichte Sommerlektüre'...)
Vor allem wenn man Lust hat auf ein Buch, dass einen auf seine ganz eigene Art und Weise packt und auch erstmal nicht mehr loslässt.