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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.03.2019

Ein etwas anspruchsvoller Krimi

Die große Neuigkeit vom schrecklichen Mord an Šimon Abeles
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Dieser Krimi spielt in zwei Zeitebenen. Die eine ist untrennbar mit der tragischen Geschichte des 12-jährigen Šimon Abeles, der im Prag des 17. Jahrhunderts lebt, verbunden. Der jüdische Junge fühlt sich ...

Dieser Krimi spielt in zwei Zeitebenen. Die eine ist untrennbar mit der tragischen Geschichte des 12-jährigen Šimon Abeles, der im Prag des 17. Jahrhunderts lebt, verbunden. Der jüdische Junge fühlt sich zum Christentum hingezogen und will bei den Jesuiten konvertieren. Seine Eltern holen ihn wieder nach Hause. Wenig später ist er tot und nach jüdischem Ritus schnell beerdigt. Dann wird das Gerücht gestreut, dass das Kind von seinem Vater ermordet worden sein soll. Damit beginnt eine beispiellose Justizaktion, bei der auch die Medien , damals in Form von Flugblättern, eine unrühmliche Rolle spielen. Der Vater wird verhaftet, der „peinlichen Befragung“ (=Folter) unterworfen, leugnet die Tat und wird selbst mit gefesselten Händen tot aufgefunden. Für die Richter ist es ein Selbstmord und damit ein Schuldeingeständnis.

Im zweiten Erzählstrang in der Gegenwart verschwindet Šimon, der 15-jährige Sohn des Anthropologen Ladislav. Ladislav beschäftigt sich intensiv in der Theynkirche mit den Überresten des Šimon Abeles und hat für seinen eigenen Sohn wenig Zeit. Ist das Verschwinden des Jungen damit in Zusammenhang zu sehen? Oder hat das geheimnisvolle Computerspiel, dem Šimon verfallen zu sein scheint, etwas mit seinem Verschwinden zu tun?

Meine Meinung:

Dem Autor ist hier eine spannende Mixtur von Fakten und Fiktion gelungen. Ist der historische Šimon wirklich von seinen Eltern getötet worden, weil sie eine Konversion nicht dulden wollten? Oder stimmt die Variante des plötzlichen epileptischen Anfalls als natürliche Todesursache? Es scheint als käme es den Jesuiten ganz Recht, den Druck auf die jüdische Gemeinde von Prag erhöhen zu können. Jedes noch so fadenscheinige Gerücht, löst eine Welle von antisemitischen Aktionen aus. Der ungeklärte Todesfall des Jungen, lässt die Jesuiten einen Mord aufgrund des neuen Glaubens konstruieren. Ein neuer Märtyrer wird geschaffen.

Mit großer Beklemmung sind die Stimmung und die Rahmenbedingungen im historischen Prag zu lesen. Neben den religiösen Zwisten zwischen Katholiken und Protestanten werden die Juden aufgerieben, denn sie stehen ja außerhalb der Christenheit. Sehr spannend ist die Rolle des Buchdrucks und der Flugblätter in die düstere Handlung eingeflochten. Man könnte hier Parallelen zur Gegenwart ziehen. Heute sind es nicht die einfachen Flugzettel, sondern die sozialen Medien, die Stimmungsmachend die Menschen verunsichern.

Mir wären zwei getrennte Krimis fast lieber gewesen, sind doch beide Geschichten, einzeln und für sich, fesselnd und erzählenswert. Der historische Teil ist für mich der bessere Teil. Der Handlungsstrang, der in der Gegenwart spielt, hat mich nicht so packen können. Er fällt irgendwie ab. Ich habe den Eindruck, dass der verschwundene Sohn hier nicht jene Hauptrolle spielt, die ihm zugedacht werden hätte können.

Der Schreibstil ist wenig reißerisch, eher ein wenig zurückhaltend. Möglicherweise ist das aber der Übersetzung zu zuschreiben. Die historische Erzählung wird immer wieder durch die aktuellen Ereignisse unterbrochen, sodass mit einiger Konzentration gelesen werden muss.

Der Wieser-Verlag aus Klagenfurt ist für seine ungewöhnlichen Krimis bekannt und hat auch diesmal nicht enttäuscht.

Fazit:

Ein interessanter Krimi, der historisches und aktuelles verquickt. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 19.03.2019

Auftakt einer neuen Krimi-Reihe

Spanische Delikatessen
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Barcelona - die Eigentümerin eines bekannten Delikatessengeschäftes entdeckt einen Schinken mit der Aufschrift „100 % carne humana“ (100 % Menschenfleisch). Ein schlechter Scherz?
Comisario Alex Diaz geht ...

Barcelona - die Eigentümerin eines bekannten Delikatessengeschäftes entdeckt einen Schinken mit der Aufschrift „100 % carne humana“ (100 % Menschenfleisch). Ein schlechter Scherz?
Comisario Alex Diaz geht der Sache nach und als sich der Verdacht bestätigt, wird ermittelt. Das Opfer ist auch schnell ausgemacht. So richtig beliebt war er bei niemanden, aber rechtfertigt das eine Verarbeitung als Schinken?

An Alex Diaz’ Seite ist sein Schwager, der deutsche Kriminalhauptkommissar Karl Lindberg. Lindberg, von vielen aufgrund der Namensähnlichkeit mit dem Flugpionier „Flieger“ genannt. Karl ist seit einiger Zeit beurlaubt und langweilt sich. Obwohl Diaz der offizielle Ermittler ist, ist ihm Karl an Erfahrung weitaus überlegen. So macht Alex seinen Schwager zum „Praktikanten“ und die beiden höchst unterschiedlichen Männer ermitteln gemeinsam.

Wir erhalten auch Einblick in die Familie Diaz-Lindberg, deren halbwüchsiger Sohn Oliver ein Geheimnis enthüllt.

Meine Meinung:

Ein spannender Krimi um Rache, Gerechtigkeit und Zusammenhalt in der Familie. Es dauert eine Zeit, bis die Fäden entwirrt und der Täter dingfest gemacht werden kann.
Die Autorin führt ihre Leser mehrmals in die Irre. Der Schreibstil ist angenehm und wir können anhand der Beschreibung das Leben in Barcelona so richtig miterleben. Wir erfahren einiges über die Familie des Opfers und noch viel mehr über die Familie der Ermittler.

Am Ende des Krimis finden sich ein paar Rezepte für typisch katalanische Gerichte und eine Vokabelliste.

Die Autorin spricht auch die Probleme der Stadt an: die Schere zwischen arm und reich klafft weiter denn je auseinander, der überbordende Tourismus, der starke Verkehr und die häufig teuren Wohnungen.

Fazit:

Mir hat dieser Krimi gut gefallen, daher gebe ich 4 Sterne.

Veröffentlicht am 19.03.2019

Alex Diaz und Karl Lindberg ermitteln wieder

Spanischer Totentanz
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Nach dem Erfolg im ersten gemeinsamen Fall („Spanische Delikatessen“) wird der in Deutschland karenzierte Kriminalkommissar Karl Lindberg fix bei der spanischen Polizei den „Mossos d’Esquadras“ angestellt. ...


Nach dem Erfolg im ersten gemeinsamen Fall („Spanische Delikatessen“) wird der in Deutschland karenzierte Kriminalkommissar Karl Lindberg fix bei der spanischen Polizei den „Mossos d’Esquadras“ angestellt. Mitten in der Party anlässlich der Ernennung zum Segent, platzt die Nachricht über einen Leichenfund auf dem Friedhof. Tote auf dem Friedhof sind ja an sich nicht ganz ungewöhnlich, aber: Nicht alltäglich ist, dass es sich um den seit zwei Wochen abgängigen Politiker Fernando Bunyol handelt, und der erdrosselt wurde. Erschwerend kommt noch das auffällige Interesse der Boulevardpresse hinzu. Und was hat die altmodische Krawatte, die um den Hals des Toten geschlungen war, mit dem Opfer zu tun? Sein Geschmack war sie nämlich nicht.

Wieder müssen sich Alex Diaz und Karl Lindberg mit einer Vielzahl von Spuren auseinandersetzen. Immerhin war der Tote nicht allzu beliebt. Lediglich seine Ehefrau hält nach wie vor große Stücke auf ihn.

Als wenig später eine weitere Leiche auf dem Friedhof gefunden wird, sprechen die Medien bereits von einem Serienmörder.

Wird es Alex Diaz und Karl Lindberg gelingen, den Täter zu stoppen? Nebenbei ist man in der Gruppe wegen des unerklärlichen Verschwindens von Kollegin Marla besorgt.


Meine Meinung:

Auch in ihrem zweiten gemeinsamen Fall arbeiten die beiden höchst unterschiedlichen Ermittler gut zusammen. Wir erfahren neue Details aus dem Familienleben der Ermittler. So werden die Teammitglieder beinahe von der Familie Diaz-Lindberg adoptiert und auch der schwule Sohn eines anderen Politikers findet Platz hier seinen Platz.
Diesmal, so finde ich, ist die Spannung ein wenig zurückgeblieben. Vielleicht liegt das aber daran, dass der geneigte Krimi-Leser seine Fantasie weiter schweifen lassen kann, als die Ermittler. Mir war relativ schnell klar, wer der Täter ist und warum. Da hätte es den fremden Kriminalpsychologen nicht unbedingt gebraucht.
Mir wurde ein bisschen zu viel gegessen. Natürlich ist die katalanische Küche köstlich und die Spanier legen großen Wert auf ausgiebiges Essen.
Seit Kurzem haben auch wieder vermehrt rauchende Polizisten in die Krimis Einzug gehalten - das muss ich persönlich jetzt auch nicht haben. Die Handlung bringt der Nikotinabusus auch nicht wirklich weiter.

Gut ist das Verschwinden und Wiederauftauchen von Marla aufgelöst.


Fazit:

Auch der zweite Fall für Diaz und Lindberg gefällt und erhält 4 Sterne.

Veröffentlicht am 17.03.2019

Für Katzenfans

Legendäre Katzen und ihre Menschen
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In Österreich gibt es lt. Statistik 1,6 Millionen Katzen in 808.000 Haushalten. Also durchschnittlich knapp zwei Katzen pro Haushalt - die Stubentiger sollen sich ja nicht alleine langweilen.
Da bietet ...

In Österreich gibt es lt. Statistik 1,6 Millionen Katzen in 808.000 Haushalten. Also durchschnittlich knapp zwei Katzen pro Haushalt - die Stubentiger sollen sich ja nicht alleine langweilen.
Da bietet es sich doch an, Katze und ihren Dosenöffner genauer unter die Lupe zu nehmen.

Das Autoren-Duo stellt uns 30 Katzen mit ihren berühmten Lebensmenschen vor, wobei stark auffällt, dass es nur wenige Frauen (genau fünf) mit ihren Katzen in dieses Buch schaffen. Das finde ich ausgesprochen schade. Diese Unterrepräsentation haben sich weder Katzen noch Frauen verdient.

Colette
Rosa Luxemburg
Frida Kahlo
Patricia Highsmith
Doris Lessing

Doch zurück zum Buch:

Jedem geschriebenen Katzen-/Menschenporträt geht eine Abbildung voraus, auf der häufig der Stubentiger zu sehen ist. Die Kapitelüberschriften sind gut gewählt und sagen etwas über den Katzenliebhaber aus. Ein paar Beispiele gefällig: „Wem die Katze maunzt“ in Anlehnung an Hemwingways „Wem die Stunde schlägt“ oder Franz Marc „Die blaue Katze“ analog zu „Der blaue Reiter“ oder „Nur die Katze war Zeugin“ (Patricia Highsmith).

Witzige Anekdoten über Katz’ und Mensch bringen die Leser zum Schmunzeln. Ich kann mir das so richtig vorstellen, wie die jeweilige Katze ihren Lebensmenschen vor sich hertreibt und ihn zum Lakaien degradiert. Der ursprüngliche Zweck des Katzendaseins, Mäuse zu fangen, ist ja inzwischen obsolet. Vielmehr sonnen sich die Katzen in ihrem Anspruch, arrogant zu sein.

Man sagt zwar, dass Hund und Herrchen sich im Laufe der Zeit ähnlich werden, doch bei der Lektüre des Buches orte ich eine entsprechende Annäherung. Einige Erzählungen sind herrlich skurril.

Wirklich gut hat mir die Geschichte von „The Chief Mouser to the Cabinet Office“ gefallen. Ob das Scheitern von Theresa May daran liegt, dass sie eine erklärte Hundefreundin ist und dem aktuellen „Chief Mouser“ das Spielen mit ihren Schuhen untersagt hat?


Die im Moment bekannteste (und vermutlich reichste) Katze vermisse ich ein bisschen: Choupette. Ihr wird nach Karl Lagerfelds Tod viel Interesse entgegengebracht. Doch ob die Diva das in der Form möchte?


Fazit:

Dieses Buch ist genau das Richtige für Katzenliebhaber.

Veröffentlicht am 17.03.2019

Hartes Los der Frauen im 18./19. Jahrhundert

Die Gamswirtin
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Dieser historische Roman stammt ursprünglich aus der Feder von Maria Buol, die ihn vor rund 100 Jahren geschrieben hat. Georg H. Knoflach, Nachfahre der Ursula Knoflach hat diese Familiengeschichte behutsam ...

Dieser historische Roman stammt ursprünglich aus der Feder von Maria Buol, die ihn vor rund 100 Jahren geschrieben hat. Georg H. Knoflach, Nachfahre der Ursula Knoflach hat diese Familiengeschichte behutsam modernisiert.

Mit dieser Familiengeschichte tauchen wir ins 18. Jahrhundert ein. Schauplatz ist das Wipptal in Tirol. Wir begleiten die kleine Ursula, lange Zeit „Urschel“ genannt, auf ihrem harten Lebensweg. Bereits als 10-jährige wird sie, die älteste Tochter eines armen Bauern „in den Dienst“ geschickt. Eine damals übliche Vorgehensweise um einen Esser loszusein und gleichzeitig einen Zusatzverdienst zu haben. Glücklicherweise sind Urschels Dienstherren keine Tyrannen, die sie quälen und schlagen. Auch vor sexuellen Übergriffen bleiben ihr erspart, was leider damals nicht selbstverständlich war. Als sie den Johann Knoflach, Sohn den Sohn des Gamswirts heiratet, scheint es das Schicksal nicht ganz so gut mit ihr meinen, denn Johann hat seine Urschel gegen den Willen des Vaters geheiratet....

Meine Meinung:

Mit hat dieser biografische Roman sehr gut gefallen. Es dokumentiert anschaulich das Leben der Frauen in der Zeit des Spätbarocks und der Aufklärung. Die strengen Regeln der Katholischen Kirche, zusammengefasst und den „3 K“ (Kirche, Küche & Kinder) bestimmen den Alltag der Frauen. Die Männer haben es zu jener Zeit ein wenig leichter, sind aber ebenfalls der Religion und den Traditionen verpflichtet. Die Stände heiraten fast immer unter sich: Bauern Bauerntöchter und Bürgerliche ihresgleichen. Damit soll der Besitzstand gewahrt bleiben. So gesehen, ist die Ehe zwischen der Kleinbauerntochter Ursula und dem Gasthofsohn, dessen Vorfahren nach der Türkenbelagerung 1683 nobilitiert wurden, ein ordentlicher Tabubruch. Ursula hat kein Vermögen. Das bekommt sie durch die Launen ihres Schwiegervaters zu spüren. Allerdings scheint der Gasthof, der in Matrei am Brenner (also auf der Nord-Süd-Verbindung) liegt, zu florieren. Erst die Napoleonischen Kriege u.a. von 1809, die Einquartierung von Verwundeten im Bürgerspital und der Tod ihres Mannes, lassen die Gäste weniger werden. Der Niedergang des Gamswirts scheint damit zu beginnen.

Hier muss ich ein wenig Kritik üben: Dem Klappentext entsprechend, habe ich mehr Informationen über Truppenbewegungen und/oder das Auftreten von Andreas Hofer erwartet.

„Zudem künden Leid und Elend der durchziehenden Soldaten von der Tragödie der nahen Koalitionskriege. Darauf hin rüsten sich die Tiroler zum Freiheitskampf gegen die Eindringlinge.“

Diese kriegerische Zeit wird leider nicht so ausführlich behandelt wie die Kindheit von Ursula, die doch recht detailliert beschrieben wird. Das liegt aber vielleicht daran, dass Maria Buol ihre persönliche und weibliche Sicht auf diese Jahre hat. Hier hätte ich mir, weil die ursprüngliche Fassung des Romanes ja nur unwesentlich verändert worden ist, entweder einen anderen Klappentext oder eine Erläuterung gewünscht. Aber, das ist wohl meine persönliche Ansicht.

Gut gefällt mir, dass der Text nur sehr behutsam modernisiert worden ist. Einige antiquierte Begriffe sind mittels Fußnoten erklärt. Sowohl die Dialektpassagen als auch der antiquierte Schreibstil passen sehr gut.
Insgesamt ist die Aufbereitung in sich stimmig. Dazu passt auch das Cover in diesem Farbton mit dem Porträt der Ursula Knoflach als Medaillon und dem Titel in Frakturschrift.

Fazit:

Ein historischer Familienroman, der das schwere Leben der Frauen im 18./19. Jahrhundert authentisch darstellt. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.