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Veröffentlicht am 22.03.2019

Du wirst das Glück nicht da finden, wo es Dich verlassen hat...

Blackwood – Briefe an mich
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Die 15 jährige Gesine ist alleine mit ihrer irischen Mutter in Wien aufgewachsen, bis diese eines Tages tödlich verunglückt. Gesine zieht völlig unvorbereitet in den kleinen irischen Ort Blackwood, zu ...

Die 15 jährige Gesine ist alleine mit ihrer irischen Mutter in Wien aufgewachsen, bis diese eines Tages tödlich verunglückt. Gesine zieht völlig unvorbereitet in den kleinen irischen Ort Blackwood, zu ihrer bis dato unbekannten Tante Wanda. Hier ist sie für alle nur das Schnitzelmädchen, wie sie sogar im lokalen Klatsch und Tratsch-Radiosender genannt wird. Alle beäugen sie misstrauisch und sie tritt von einem Fettnapf in den nächsten. Sie fühlt sich so einsam und allein, in diesem Ort voller Mythen, Feen und wer-schon-was-für-Unerklärlichkeiten, daß sie beschließt zu türmen. Doch ihre Flucht wird von einem schönen Prinzen in einem schwarzen Geländewagen gestoppt, wie es ihr scheint. Arian Mary (16), Sohn der irischen Butterdynastie, der sie sofort freundlich zurück zu ihrer Tante bringen lässt. Der Besuch der örtlichen Schule wird so zu ihrem Lichtblick, doch auch dort wartet nicht nur der strahlende Arian auf sie, sondern auch dessen wunderschöne Freundin Lilian, Erbin der Kristalldynastie sowie Klatschmaul und möchtegern Radiojournalist Sam und jede Menge weitere Fettnäpfe. Als ihr alles unerträglich erscheint, entdeckt sie das magische Geheimnis der Libellenschublade in dem antiken Schreibtisch in ihrem Zimmer. In ihm findet sie Briefe von ihrem eigenen zukünftigen Ich, das sie tröstet und Ratschläge erteilt. Wird sie nun auch verrückt, oder könnte das die Lösung all ihrer Probleme sein?

Eigentlich war Gesine in ihrer Wiener Welt zu beneiden, auch wenn sie sich dessen nicht so bewußt war. Sie hatte ein sehr enges Verhältnis zu ihrer Mutter, war eine sehr gute Schülerin und fast noch bessere Ballerina! Sie sollte sogar die Hauptrolle in dem nächsten Stück ihrer Lehrerin tanzen, doch an Ballett ist auf den irischen Weiden am Meer nicht zu denken. Das Leben dort ist so anders, als sie es gewohnt ist, daß sie sich nicht nur mutterseelenallein fühlt, die neue Situation und die anderen Bräuche überfordern sie schlichtweg! Zum Glück gibt es Mimi, die stets gut gelaunte Küchenfee des Orts und Tante Wandas beste Freundin. Wenn Gesine völlig am Boden ist, baut Mimi sie mit Köstlichkeiten getränkt in guter Mary-Gold-Butter wieder auf. Sie hat stets ein offenes Ohr und weiß guten Rat: Wenn Du unglücklich bist, findest Du das Glück nicht an dem Ort, an dem es Dich verlassen hat. Sie soll Blackwood eine Chance geben und sie weiß wovon sie spricht. Denn auch Mimis Liebesleben ist nicht ganz einfach. Doch ihre herzliche Art, ist so anders als die ihrer scheinbar so unnahbaren Tante. Arian ist fest in den Händen der schönen Lillian und Gesine muss sich mit dem geschwätzigen Sam als bestem Freund begnügen. Ein wenig wie Mauerblümchen gepaart mit der armen Bauerstochter kommt es einem jedes Mal vor, wenn sie sich Mary-Manour nähert. Denn natürlich hält das Schicksal eine Aufgabe für sie bereit, eine die für Gesine gar nicht so einfach ist zu erfüllen, denn Arians Anwesenheit bringt sie ganz schön aus dem Konzept.

Man muss Gesine in ihrer gefühlten Einsamkeit und ihrem Talent für Pleiten, Pech und Pannen einfach mögen, ebenso geht es einem mit Sam, als Ältestem von einem ganzen Stall voller Kinder. Da er Gesines einziger Freund ist, bleibt ihr auch kein anderer Vertrauter und Verbündeter übrig, wobei.... Arian ist eigentlich zu perfekt um wahr zu sein, würde seine Familie nicht ein dunkles Geheimnis umgeben. Lillian ist nicht nur schön, sie ist auch die perfekte Schulbitch, sobald Arian nicht in der Nähe ist. Als hätte Gesine nicht schon genug zu ertragen! Über alldem schwebt die Magie Irlands mit ihren Bräuchen, Aberglauben und Regengüssen. Gesine ist nicht nur mit Antworten aus der Zukunft konfrontiert, sondern auch mit jeder Menge Regen, der es auf sie abgesehen zu haben scheint. So fühlt man mit ihr, wie mit Aschenputtel, auch wenn ihre Tante Wanda keine böse Stiefmutter ist und sie nicht als Dienstmädchen missbraucht. Dennoch hat dieser neue Jugendroman von Britta Sabbag etwas märchenhaftes, dass die irischen Nebel durchdringt. So schafft sie gekonnt die Gradwanderung zwischen High-School-Kitsch und zarter Romanze. Ja, einige Elemente kennt man aus zahlreichen Hollywood-Teenie-Filmen, aber eben nur Elemente. Hier wird nicht einfach nur gezickt und geprobt, bis der Prinz und sein Mauerblümchen zusammen finden. Es gilt die Geheimnisse Blackwoods zu verstehen, ohne den Verstand zu verlieren und sich von den Gerüchten nicht an der Nase herumführen zu lassen.

Milena Kasas ist eine mir bisher unbekannte Stimme gewesen. Umso schöner finde ich ihre Entdeckung als Ge. Sie klingt jung, bisweilen verzagt und unerfahren, doch sie gibt nicht auf. Auch als Mimi mag ich sie, wie sie entspannt immer wieder zitierenswerten Trost von sich gibt, oder als Lillian Giftpfeile verspritzt. Selbst in den Männerparts kommt sie unaufdringlich und überzeugend rüber. Moment? Männerparts? Ja, obwohl 3 Sprecher genannt sind, spricht hauptsächlich Milena Karas. Tom Linden übernimmt die Radio Einspielungen von Radio Blackwood, mit seinen Gerüchten und gar nicht immer netten Neuigkeiten, die Gesine das Leben mit seinen Boshaftigkeiten noch mal extra schwer machen. Lange ist er die wohltönend böse Stimme aus dem Off, der die Handlung mit Hintergrundinfos versieht und so der Geschichte eine neu Dimension gibt, bis der Sprecher selbst in Erscheinung tritt. Er ist wirklich toll besetzt, ebenso wie Julian Horeyseck, dessen Rolle aber eine Überraschung bleibt, auf die ich sehr lange gewartet habe, denn das Ende ist das Sahnebonbon.

Mit dem Libellendesign, den keltischen Ranken und den Fotos von mystischem Dickicht ist das Klappcover mit einigen Zitaten aus dem Buch wunderbar gestaltet.

Eine jugendliche, märchenhafte Liebesgeschichte aus dem Land der Feen, Elfe und grünen Schafweiden, die mich gefesselt und um meinen Schlaf gebracht hat.

Veröffentlicht am 22.03.2019

Emotional und einfach schön

Friends & Horses
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Nach dem Besuch in der Stadt bei Iris und der Familie von Rosas verstorbenen Vater, genießen Rosa, Daisy und Ollie (alle 3 14 Jahre) die letzten Tage der Sommerferien. Eigentlich eine herrliche Zeit zum ...

Nach dem Besuch in der Stadt bei Iris und der Familie von Rosas verstorbenen Vater, genießen Rosa, Daisy und Ollie (alle 3 14 Jahre) die letzten Tage der Sommerferien. Eigentlich eine herrliche Zeit zum Genießen, doch die Ereignisse überstürzen sich und Rosa hat das Gefühl, daß das Schicksal sie irgendwie auf dem Kieker hat. Finn lädt sie für die zwei letzten Wochen auf die Meeresforschungsstation seines Vaters nach Griechenland ein, damit sie noch mehr Zeit miteinander verbringen können, ehe er sein Umweltschutz-Studium in den USA beginnen wird. Das Hotel wurde heimlich wegen zu geringer Rendite verkauft. Nun soll das Konzept geändert und die Pferde verkauft werden. Doch nicht nur Rosa bangt um ihre geliebten Pferde Fanny und Sokrates, auch ihre Mutter bangt um ihren Job. Als wäre das noch nicht genug, scheint die Liebe in der Luft zu liegen und für einige Peinlichkeiten und Verwicklungen sorgen.

Endlich wieder zurück im Grillental, wo das Ende des Sommers mit heftigen Sommergewittern naht. Das passt ziemlich gut, zu unserer aktuellen Wetterlage. Allerdings ist bei uns nicht so viel los, wie bei Rosa und ihren Freunden. Dort überschlagen sich in diesem Band bisweilen die Ereignisse. Allerdings nie so, daß es zu viel wird, sondern einfach in der Art, daß diesmal wirklich sehr große dramatische Spannung aufgebaut wird. Kaum hat man den Eindruck, daß es für Rosa endlich bergauf geht, scheint die Hoffnung wie ein Kartenhaus in sich zusammen zu fallen. Zum Glück hat Rosa in ihrem bisherigen Leben genug innere Stärke aufbauen können, durch ihre liebevolle Uroma und ihre alleinerziehende Mutter und ihre Freunde seit Sandkastentagen, daß sie nicht gleich daran zerbricht. Das wäre auch zu schade, da sich in diesem Band letztendlich alles zu fügen scheint, auch wenn alles in Bewegung ist und alles, was Rosa als gegeben ansah sich ändert.

Friends and Horses ist eine wunderbare Reihe, die die Themen Freundschaft, Familie, Liebe und Pferde kombiniert. Als Jugendbuch geht es um Erwartungen und Entwicklungen, auch wenn die Reihe bislang nur diesen einen Sommer umspannt, so ist es der Sommer in der Rosa nicht altersgemäß, sondern aufgrund der Erfahrungen die sie machen muß und darf, reift und erwachsen wird, mit nur 14 Jahren. Aber wenn man alleine mit seiner Mutter und Urgroßmutter und Tante aufwächst, dann muss man sich ganz anderen Anforderungen stellen, als ihre Freundinnen Iris und Ollie, denen es nie an irgendwas fehlte. Na ja, da Ollies Mutter bei einem Unfall starb, als sie noch klein war, versucht der Vater den Verlust auszugleichen, indem er sie auf Händen zu tragen scheint. Dennoch verbindet das reiche Mädchen so eine Menge mit Rosa, neben der Pferdeliebe und Daniel, Rosas bestem Freund seit Sandkastentagen. Ollie und Daniel haben im Blumenkleeblatt die erste richtige Beziehung, oder versuchen es zumindest. An diesen Versuchen nimmt man teil und schmunzelt, weil Fehler einfach dazu gehören, aber als Außenstehender würde man ihnen gerne mal einen Schubs geben. Zum Glück übernimmt das Rosa. So haben alle Mädchen ihre speziellen Liebesnöte und es zeigt sich, daß Liebe nicht kommt und selbstverständlich ist, man muß sich auch auf den anderen einlassen und für das interessieren, was den anderen interessiert, oder es zumindest versuchen. Dabei ist es hilfreich, wenn man bis dahin zumindest weiß, wer man ist und was man mag.

Neben diesen Beobachtungen in Liebesdingen und den Einblicken in die Pferdewelt gefallen mir besonders die Zitate von Sokrates, in diesem Fall mal nicht Rosas Pferd, sondern der Philosoph, der hier einen Quell wunderbarer Gedankenanstöße liefert.

In diesem Band verbindet Chantal Schreiber, die selbst reitet und vegan lebt, wie Daisy, wieder gekonnt eine angenehme sprachliche Leichtigkeit, mit einer hochemotionalen und spannenden Geschichte, die ich jede Minute genießen konnte, wenn ich nicht gerade ein Tränchen aus dem Augenwinkel wischen mußte...

Veröffentlicht am 19.03.2019

Ganz großartiges Sachbuch von 6 - 16 Jahren

Mach dieses Buch zum Bienenhaus
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Die Bienen sind wichtig, doch sie sind bedroht, in Bayern gibt es ein Volksbegehren zum Schutz der Bienen, aber es lebt ja nicht jeder in Bayern und dennoch kann jeder etwas tun. Ja ich weiß, ich pflanze ...

Die Bienen sind wichtig, doch sie sind bedroht, in Bayern gibt es ein Volksbegehren zum Schutz der Bienen, aber es lebt ja nicht jeder in Bayern und dennoch kann jeder etwas tun. Ja ich weiß, ich pflanze leckere Blumen, spritze kein Gift, habe ein Insektenhotel, das kein Insekt zu interessieren scheint....

Daher: erst mal Informieren! Klar mein Kollege ist Imker und wir sind nicht völlig ahnungslos, aber wahrscheinlich habe ich auch einfach zu hohe Erwartungen gehabt. Denn, die besten Bestäuber sind gar nicht die Honigbienen in ihren großen Schwärmen, sondern die solitär lebenden Mauerbienen, die gar nicht in großen Populationen leben! Darüber habe ich mir bisher keine Gedanken gemacht. Weil ich damit wahrscheinlich gar nicht so alleine bin, werden erst einmal die wichtigsten Bienenarten vorgestellt, wie sie wohnen, wie sie nisten, was sie lieben. Da beginnt es mir langsam zu dämmern, daß ich wahrscheinlich schon längst nicht nur Besuchsbienen habe, sondern auch eigene Bienen, die ev. Im verrottenden Baumstumpf nisten (der Kratzbaum unserer Katze), in der Brombeerhecken, im Kaminlagerholz, dem Kletterbaum, der Natursteinmauer, Im Komposthaufen, der Hecke... in einem naturnahen Garten gibt es 1000 unauffällige Möglichkeiten, denn viele Sorten leben in Gängen die sie ins Holz graben. Überall, nur nicht in unserem neuesten Insektenhotel, das aus einem Schulprojekt meines Mannes stammt. Das hat den Naturgewalten nicht stand gehalten und nun liegen überall im Moos Bambusröllchen... Tja, hätte ich dieses Buch schon früher gelesen, wäre das nicht passiert! Dieses Buch ist so konzipiert, daß man es zerstören und aus dem Schutzumschlag quasi eine Wabe bauen kann, in die man selbst gebastelte Röllchen aus dem Bastelbögen im hinteren Teil des Buches schiebt. Wie dies genau geht steht auf S. 50. Eine originelle Idee, aber die Autorin Lynn Brunelle hat wohl geahnt, daß viele Menschen Hemmungen haben werden, dieses schöne Buch zu zerstören. Daher macht sie noch andere ganz einfache Vorschläge. Man kann zum Beispiel eine Plastikflasche aufschneiden, den Grund mit Modelliermasse oder Knete bedecken, Bambusröllchen oder Kunststoffstrohhalme hinein stecken, bis es ganz eng ist und in der Modelliermasse/Knete fixieren. Wird das Bienenhaus nun vom Sturm geplagt, fallen nicht gleich alle Röhrchen raus und die Bienen bleiben geschützt. Man kann auch Tontöpfe oder Mauersteine nehmen.... Moose und verschiedene Hölzer verwenden. Wer mal mit der Rosenschere seine Gartengewächse kürzt wird erstaunt sein, wie viele Sorten innen hohl sein können! Einfach mal ausprobieren, verschiedene Bienenarten, bevorzugen verschiedene Hölzer. Natürlich verrät die Autorin auch, in welche Himmelsrichtung man sein Bienenhaus ausrichten soll.
Mit diesen Anregungen kann man wirklich viel mehr als ein Bienenhaus bauen und es ist auch eine tolle Idee für eine Umwelt-AG in der Schule oder einen Kindergeburtstag. Ab dem Grundschulalltag können Kinder das und es ist eine tolle Idee seine letzten Plastikstrohhalme sinnvoll zu verbrauchen.
Außerdem lernt man viel über die Vorlieben von Bienen, auch und gerade im Vergleich mit anderen Bestäubern, wie z.B. Schmetterlinge, Wespen oder Hummeln. Schmetterlinge bevorzugen z.B. flachere Blütenformen als Bienen. Aber alle Insekten brauchen frisches Wasser (Man beobachte einfach mal ein Plantschbecken im Sommer!). Also hilft ihnen eine flache Schale mit frischem Wasser, in welches man ev. Noch ein paar „Inseln“ legt, damit die Bienen beim Trinken nicht Ertrinken! Ganz einfach und doch so oft vergessen! Es geht aber auch eine volle Gießkanne, die regelmäßig frisches Wasser erhält.

Damit die Bienen sich richtig wohlfühlen gibt es auch noch die Duschabteilung! Die Pflanzen mögen Duschen, besonders wenn sie von Schädlingen befallen sind, aber bitte ohne Pestizide. So nennt das Buch ganz einfache Spritzmittel gegen Schädlinge, die aber den Nützlingen nicht schaden: die Knoblauchdusche, die Gewürzdusche, die Backpulverdusche, die Milchdusche, die Seifendusche und die Knoblauch-Zwiebel-Chilidusche. Das finde ich einsame Spitze, davon hätte ich mir in meinen Gartenbüchern gerne viel mehr gewünscht. Dabei sind die Rezepte kinderleicht, Schritt für Schritt erklärt, die Arbeitsgänge nummeriert und bebildert. So wie das ganze Buch wunderbar verständlich und logisch geschrieben ist. Absolut anschaulich und unterhaltsam ist der Stil und wird hervorragend von den Bildern ergänzt.

Es gibt übrigens auch Verhaltensbeobachtungsexperimente auch für verschiedene Jahreszeiten und Antworten auf die dringende Frage: Haben Pflanzen Sex?

Ein ganz unglaubliches Buch! So kurzweilig fand ich lange kein Sachbuch mehr. Man kann es ältere Kinder auch gut alleine ausprobieren lassen, so gut ist es beschrieben, aber es macht auch Spaß selbst mit zu machen.

Für mich ein rundum gelungenes Buch, daß ich keines Falls zerstören werde, dafür aber meinen Freundinnen und vor allem den Lehrerinnen unter ihnen, wärmstens ans Herz legen werde. Ich bin ganz verliebt

Veröffentlicht am 17.03.2019

Tolle Vertonung des kanadischen Klassikers

Das Dorf in den roten Wäldern. Der erste Fall für Gamache
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Three Pines ist ein kleines Dorf in Québec, Kanada, tief versteckt in den Wäldern und so unbedeutend, daß es nicht in den Landkarten verzeichnet ist. Wer dort lebt genießt den Indian Summer, die Ruhe ...

Three Pines ist ein kleines Dorf in Québec, Kanada, tief versteckt in den Wäldern und so unbedeutend, daß es nicht in den Landkarten verzeichnet ist. Wer dort lebt genießt den Indian Summer, die Ruhe und die kleine verschworene Dorfgemeinschaft, in der jeder jeden kennt und das quasi schon seit immer. Man kennt sich, man schätzt sich und ist eigentlich auch tolerant, egal welche Muttersprache man eigentlich hat. Unvorstellbar, daß dort die 76 jährige pensionierte Dorfschullehrerin Jane Neal unter ungeklärten Umständen tot aufgefunden wurde. Kommissar Armand Gamache, Leiter der Mordkommission der Sûreté du Québec, der gerade auf dem Weg zur Thanksgiving Feier mit seiner Frau ist, geht daher erst einmal von einem Jagdunfall aus. Doch vor Ort stellt er fest, daß es auch in solch engen Gemeinschaften eine Menge Geheimnisse und Animositäten und mindestens ebenso viele Künstler und Bogenschützen gibt. Doch wenn es ein Jagdunfall war, wo ist dann der Pfeil, der Jane versehentlich traf und warum wurde der Unfall nicht gemeldet? Während er die Familienfeier absagen muss, nimmt die Dorfgemeinschaft ihn und sein Team erstaunlich selbstverständlich auf.

Armand Gamache ist 55, er ruht in sich selbst, ist seit 35 Jahren glücklich verheiratet, erzählt seiner Frau alles und hat kein Alkoholproblem und keine Profilneurose. Über jeden Toten staunt er noch immer, wie am ersten Tag, was wohl der Grund dafür sein dürfte, daß seine Karriere derzeit stagniert. Dennoch ist seine Aufklärungsquote unschlagbar, dank seines feinen Spürsinns und seiner Menschlichkeit. Diese lernen die Bewohner von Three Pines auch bald kennen. Die Dorfgemeinschaft ist ein bunt gewürfelter Haufen von echten Originalen, denen Hans-Werner Meyer jedem seine eigene Stimme leiht, egal ob dem tuntig-exaltierten Bistrobesitzern, der rauchig-whiskeygewohnten Dichterin Ruth oder dem verträumt-antriebslosen Erben Ben, als stimmlich auffälligste Beispiele. Wäre jeder Charakter so stimmlich ausgeprägt, wäre es wohl eher anstrengend, als ausdrucksstark, so bewundere ich ihn dafür, daß er bei den rauchigen Passagen von Dichterin Ruth nicht husten muss. Aber Hans-Werner Meyer, Jahrgang 1964 ist ein echter Profi. Wem der Name dieses bekannten Film- und Theaterschauspielers nichts sagt, kann ihn aktuell in der neuen Staffel von „Letzte Spur Berlin“ als besonnen Leiter der Vermisstenstelle freitags abends um 21.15h im ZDF bewundern. Während Gamache sehr bodenständig ist, sind es die meisten Dorfbewohner eher nicht, aber dennoch ebenfalls sympathisch, was einen interessanten Kontrast bildet. Nicht zuletzt ist dies wohl auch der Grund für den Erfolg dieser kanadischen Krimreihe in seiner Heimat, denn dieser Reihenauftakt hat schon einige Jahre auf dem Buckel, weshalb hier mit Herz und Köpfchen statt mit Technik und Handy ermittelt wird. Zum idyllischen Indian Summer in den kanadischen Wäldern inmitten von Künstlern und Bogenschützen passt es auch viel besser. Da dies die zweite kanadische Krimireihe ist, die ich lese (mehr kenne ich auch gar nicht), in der man im Québec Bogen schießt, drängt sich mir der Verdacht auf, daß auch dies typisch kanadisch ist, oder Autorin Louise Penny ist wie ich, ein großer Fan der kanadischen Altmeisterin Charlotte Macleod/Alissa Craig. Louise Penny wurde 1958 in Toronto geboren, arbeitete als Rundfunkjournalistin und Moderatorin. Ihr erster Gamache-Krimi wurde weltweit als Entdeckung gefeiert und seither erobern die Folgebände die Bestsellerlisten.

Louise Penny gibt ihren Charakteren viel Raum sich zu entwickeln, so daß man wirklich die Qual der Wahl hinsichtlich Motiv und Gelegenheit hat. Wie der Kommissar und die beste Freundin der Verstorbenen kommt man bei der großen Auswahl an möglichen Tätern ganz schön ins Grübeln. Ich habe das Original mal vor vielen Jahren mit Begeisterung gelesen, dennoch kam ich erst ganz am Ende wieder auf den Täter. Die Atmosphäre und die Sympathie für die bisweilen sehr exzentrischen Protagonisten, lenken beim Hören herrlich ab und führen auf die falsche Fährte. Die Kürzungen sind mir beim Hören gar nicht aufgefallen, so sensibel wurden sie vorgenommen. Neben der Eigenheiten der Dörfler, für deren Exzentrik Louise Penny viel Respekt zeigt, nimmt sie auch immer wieder kanadische Eigenheiten liebevoll aufs Korn. So leben in Three Pines durchaus kanadische Stars der Kunst- und Lyrikszene, doch ist diese weltmarkttechnisch relativ unbedeutend, so daß sie sich ein Leben in der Großstadt nicht leisten könnten.

Das Klappcover wird von wunderbaren kanadischen Herbstlandschaften geziert, die bestens die Stimmung des Krimis zu vermitteln vermögen. Trotz aller Idylle gelingt es der Autorin die Fantasie des Zuhörers beim Showdown zu überlisten und ihn das Gruseln zu lehren. Denn es ist gerade die Vorstellungskraft des Hörers, angeleitet von der Autorin, die mit den Möglichkeiten des Grauens im Dunkeln spielt, daß die Spannung ins kaum Erträgliche steigert. Beim Lesen würde man durch die Seiten flitzen, aber Hans-Werner Meyer lässt sich nicht hetzen, er kostet die Spannung voll aus. So entgeht einem Nichts, auch wenn zum Schluss alles genau aufgeklärt und keine Frage offen gelassen wird. Eine wirklich runde Sache! Ich hoffe sehr, daß die Reihe nun auch in Deutschland fortgesetzt wird. Für Freunde gepflegter Krimiunterhaltung, mit echten Originalen.

Veröffentlicht am 14.03.2019

Eine Kinderbuchperle

Vom Fuchs, der ein Reh sein wollte
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Während eines Gewitters schlägt der Blitz in einen Baum ein und schon steht ein kleines Wäldchen in Flammen. Die Tiere fliehen und bringen sich in Sicherheit. Dabei verliert der kleine Fuchs jedoch seine ...

Während eines Gewitters schlägt der Blitz in einen Baum ein und schon steht ein kleines Wäldchen in Flammen. Die Tiere fliehen und bringen sich in Sicherheit. Dabei verliert der kleine Fuchs jedoch seine Familie. Unglücklich hockt er unter einer Hecke am Feldrand neben dem abgebrannten Wald und schluchzt. Die umstehenden Tiere sind verwirrt. Was kann das kleine graue puschelige Wesen wohl sein? So genau weiß das erst mal keiner, bis Papa Dachs einschreitet, der sich mit Füchsen schon den Bau geteilt hat. Nun haben die anderen Tiere Angst vor ihm, denn sie sind ja die Beute von Füchsen, auch wenn dieser noch ganz klein und grau ist. Letztendlich erbarmt sich Mama Reh vorerst und nimmt ihn und ihre 3 Jungtiere Langbein, Vielpunkt und Glanzfell mit aufs Feld, um sich eine neue Schlafstätte zu suchen. Das ist sehr ungewohnt für das kleine Tier, daß sonst immer im Dunkeln schläft. Aber er ist froh nicht mehr allein zu sein und strengt sich mächtig an, um alles so zu machen wie sie. Doch ein Fuchs ist ein Fuchs und kein Reh, daher klappt es nicht so ganz. Der liebenswerte Vielpunkt bewundert seine Anstrengungen und schon bald sind sie beste Freunde. Aber das Misstrauen der anderen gegenüber dem Findelkind bleibt, so wie auch dessen Sehnsucht nach seiner Familie.

Kirsten Boie ist wieder ein Buch für die Ewigkeit gelungen. Sprachlich wunderschön und voller Wahrheit, ist es gespickt mit zitierenswerten Aussprüchen wie: „Es gibt immer verschiedene Wege, um ans Ziel zu kommen.... Man muss nur herausfinden, welcher Weg für einen selbst der richtige ist“. So ausgedrückt verstehen es auch schon Kinder, und das ist gut so, denn es ist eigentlich ein Vorlesebuch ab 6 Jahren. Zum Selbstlesen ist es für diese Altersklasse zu klein gedruckt und zu viel Text pro Seite, aber zum Vorlesen ist es optimal. All die vielen Tiere eigenen sich hervorragend um mit eigenen Stimmen gelesen zu werden. Sprachlich ist es flüssig, so daß man beim Vorlesen nicht ins Stocken kommt und es ist meist zu Beginn jeder wörtlichen Rede klar, wer denn nun sprechen wird. Die Brillianz von Sprache zeigt sich oft erst beim Vorlesen und da bewährt sich dieses Buch eindeutig. Für Kinder unbekannte Begriffe oder Zusammenhänge werden, von älteren oder erfahreneren Tieren den Jungtieren erklärt und so erweitert sich nicht nur der Wortschatz der Zuhörer, sondern auch das Wissen der Vorlesenden über das Leben in Wald und Feld. Wir wussten z.B. alle nicht, daß Jungfüchse noch nicht rot, sondern grau gefärbt sind.
Die Geschichte kombiniert die kindliche Urangst vor dem Verlust der Familie mit ihrer größten Sehnsucht, der nach echten Freunden und Abenteuern. Das wird wunderbar thematisiert, ganz nach dem Motto des Uhus, der Kirsten Boie diese Geschichte erzählt hat: So muss eine gute Geschichte mindestens 1.000 Wörter haben, spannend sein, lustig und an einigen wenigen Stellen ein kleines bisschen traurig, wobei am Ende alle wieder fröhlich sein müssen.
Das ist hier ausgezeichnet gelungen. Gerade wenn der kleine Fuchs mal wieder merkt, daß er ein Fuchs ist und niemals wie seine Rehfamilie sein wird, ist es ein wenig traurig. Aber dann erinnert die Erzählerin daran, was eine gute Geschichte ausmacht und stellt das Happy End in Aussicht, ebenso wie einen tröstenden Freund, der schon hinter dem nächsten Gebüsch auf ihn wartet.
Es geht um Andersartigkeit, Neugierde den Andersartigen gegenüber, Zusammengehörigkeit, Vorsicht und das Annehmen von Ratschlägen.
Aus ihrem Wald vertrieben, wagen sich die Tiere in den Garten eines einsamen Hauses, das ist für die Rehe nicht nur eine Delikatesse, es ist für den kleinen Fuchs auch ein echtes Abenteuer, was er dort so alles über die Menschen und ihre Welt erfährt. Die Sichtweise der Tiere auf die Menschen ist einfach lustig, zeigt aber auch kritische Einblicke in unser Verhalten und es macht den Zuhörern einfach Spaß aus den Umschreibungen der Tiere, das jeweilige Verhalten oder Objekt aus der Menschenwelt zu erraten. Dieser immer währende Perspektivwechsel der Einblicke in die verschiedenen Tiereigenheiten und die Distanz zur Menschenwelt zeigt, zeugt von großer Empathie.

Da es sich um ein Vorlesebuch handelt, ist es natürlich auch farbig illustriert. Barbara Scholz schafft es mit ihren freundlichen, großflächigen Illustrationen die Stimmung einzufangen und die Handlung noch zu unterstreichen. Schon als meine Jüngste die Abbildung mit der Hörbuchankündigung sah, war ihr klar, dass sie diese Geschichte hören wollte, so sehr sprach sie das Cover an
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Autorin Kirsten Boie ist selbst Mutter, erfahrene Lehrerin und promovierte Literaturwissenschaftlerin. Daher schafft sie es auch hier gekonnt, sowohl sprachlich, als auch inhaltlich auf den kindlichen Wahrnehmungs- und Verständnishorizont einzugehen. Emotional spricht sie an, ohne den Kindern zu viel zuzumuten und auch sprachlich erklärt sie, ohne belehrend zu wirken oder den Zuhörern den Eindruck zu vermitteln, sie wären noch zu klein um etwas zu wissen. Egal für welche Altersgruppe sie schreibt, ist ihre Sprache dieser angemessen und ihr Schreibstil einfach wunderschön. Es liest sich fast von allein.

Eine echte Kinderbuchperle, die es wert ist, mehr als einmal gelesen bzw. gehört zu werden. Absolut empfehlenswert!