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Veröffentlicht am 24.03.2019

Ein übler Ort zum Sterben

Running Girl
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Ein übler Ort zum Sterben

„Das Leben geht weiter, für einige jedenfalls. Nicht für Chloe. Manche Dinge können nicht repariert werden.“ (Garvie Smith)

Chloe Dow ist eine talentierte Sportlerin und die ...

Ein übler Ort zum Sterben

„Das Leben geht weiter, für einige jedenfalls. Nicht für Chloe. Manche Dinge können nicht repariert werden.“ (Garvie Smith)

Chloe Dow ist eine talentierte Sportlerin und die attraktivste Schülerin an der Marsh Academy. Das bildschöne fünfzehnjährige Mädchen mit dem langen blonden Haar, den blauen Augen und den Modelmaßen ist ein echtes Glamourgirl, eine Draufgängerin, die stets aufs Ganze ging. Doch ihre hochtrabenden Zukunftspläne werden sich niemals verwirklichen, denn Chloe wird in einem kleinen Tümpel im Pike Pond in der Nähe von Froggett Woods tot aufgefunden. Chloes Eltern, die Schulbehörden und ihre Mitschüler sind entsetzt, die Polizei steht vor einem Rätsel. Inspektor Raminder Singh wird zum Leiter der Ermittlungen ernannt, er steht unter großem Druck. Sowohl der Polizeichef, als auch die Öffentlichkeit, möchten schnelle Ergebnisse sehen. Die fieberhafte Suche nach dem Mörder bringt den ehrgeizigen und disziplinierten Singh bis an die Grenze seiner Belastbarkeit, seine Karriere steht durch seine augenscheinliche Inkompetenz bereits kurz vor dem Ende. Doch die unerwünschten Einmischungen von Garvie Smith, einem Mitschüler und ehemaligen Freund des Mordopfers, lassen auch den verkrampften und stoischen Ermittler Singh zu Höchstleistungen auflaufen. Im Endeffekt ist es der legendäre Nichtstuer mit dem Intelligenzquotienten eines Genies namens Garvie, der die entscheidenden Ansatzpunkte findet und Singh jedes Mal in die richtige Richtung lenkt.

Simon Masons Kriminalroman „Running Girl“ wartet mit zwei markanten Protagonisten auf, die ebenso wie auch die anderen handelnden Figuren dieses Buches hervorragend ausgearbeitet wurden. Der hoch intelligente, aber unglaublich faule und vom Leben gelangweilte Sechzehnjährige ist sich seiner intellektuellen Überlegenheit bewusst, seine Faulheit und seine permanente Abwesenheit vom Unterricht schlagen sich jedoch in seinen Noten nieder. Als chaotischer, mit photographischem Gedächtnis ausgestatteter, und durchaus auch schalkhafter Charakter legt Garvie eine entspannte Beharrlichkeit an den Tag, mit der es ihm dank seiner akribischen Beobachtungsgabe, infolge mathematischer Berechnungen und durch exzellente Schlussfolgerungen immer wieder gelingt, die Aufmerksamkeit der Polizei auf die richtigen Fährten zu lenken. Inspektor Raminder Singh hingegen wird als verkrampfter, zurückhaltend auftretender und bei seinen Kollegen zwar respektierter, aber unbeliebter Polizist dargestellt. Doch im Verlauf der Handlung muss Singh unumwunden Garvies Talent bewundern, den Dingen auf den Grund zu gehen.

Simon Mason lässt in diesem Krimi zahlreiche Nebenfiguren agieren, die einerseits das Umfeld von Garvie Smith und Chloe Dow darstellen, andererseits in diesen Fall involviert scheinen und als potenzielle Täter in Frage kommen. Der Autor versteht es, die Spuren abwechselnd auf verschiedene Personen zu lenken und den Leser bei der Stange zu halten. Der Spannungsbogen ist sehr gut ausgearbeitet, sorgfältig recherchierte Untersuchungsergebnisse und Indizien, die zum Täter führen, werden durch neue Erkenntnisse immer wieder verworfen. Doch auch der herrlich-trockene Humor des gelangweilten und über den Dingen stehenden Garvie, der Inspektor Singh mit seinen Aussagen schier in den Wahnsinn treibt, hat mir großes Lesevergnügen bereitet: „Singh hier. Ich weiß, es ist spät. Kannst du reden?“ – „Ja, ich kann reden. Ich öffne meinen Mund, und dann kommen Wörter heraus. Das mache ich schon, seit ich ganz klein bin.“

„Running Girl“ war eine Lektüre, die meinem Lesegeschmack exakt entsprochen und mir ausgezeichnet gefallen hat. Ich verfolgte gespannt die ungewöhnlichen, aber höchst effizienten Ermittlungsansätze des Garvie Smith und konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Einziger Kritikpunkt meinerseits war der Einsatz der Gossensprache, den ich als unnötig empfand und der mein Lesevergnügen ein klein wenig trübte. Schade.

Abgesehen davon kann ich für dieses grandiose Buch eine uneingeschränkte Leseempfehlung vergeben und werde mir auf jeden Fall auch den Nachfolgeband zu Gemüte führen.







Veröffentlicht am 24.02.2019

Wahre Liebe ist niemals selbstsüchtig

Die Klosterbraut
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Wahre Liebe ist niemals selbstsüchtig

Zu dieser Erkenntnis kommen auch die Protagonisten dieses Romandebüts von Manuela Schörghofer. Bereits bei der ersten Begegnung zwischen Franka von Marienfeld und ...

Wahre Liebe ist niemals selbstsüchtig

Zu dieser Erkenntnis kommen auch die Protagonisten dieses Romandebüts von Manuela Schörghofer. Bereits bei der ersten Begegnung zwischen Franka von Marienfeld und dem zukünftigen Ehemann ihrer betörend schönen Schwester Melinda sprühen die Funken. Der stattliche Ritter aus Lomere sieht sich im Wald einem listigen Jungen mit grünen Katzenaugen gegenüber, der ihm Widerworte gibt, anstatt ihm für die Rettung aus einer lebensgefährlichen Situation zu danken. Als der Frechdachs sich auch noch als verkleidete junge Frau mit scharfer Zunge und temperamentvollem Wesen entpuppt, ist Wulfgar von Röllberg völlig hingerissen. Doch Franka wurde bereits seit frühester Kindheit auf eine geistliche Laufbahn vorbereitet, ihre Abreise ins Kloster steht kurz bevor. Obgleich Wulfgar sich nach näherem Kennenlernen nichts sehnlicher wünscht, als sein Leben an der Seite dieser faszinierenden Frau zu verbringen, akzeptiert er ihre Entscheidung und lässt sie schweren Herzens gehen. Er stellt Frankas Glück über sein eigenes und fügt sich in sein vermeintliches Schicksal. Der Aufbruch zum Kreuzzug ins Heilige Land scheint eine willkommene Gelegenheit, der lieblosen Ehe mit Melinda für eine Weile zu entfliehen. Doch nicht Melinda, sondern vielmehr Franka bangt um seine wohlbehaltene Rückkehr aus dem Krieg…


Die Autorin zeichnet in diesem Roman eine typische Familiengeschichte der Adeligen im dreizehnten Jahrhundert, wo das Leben der Erst- und Zweitgeborenen bereits von Geburt an vorgezeichnet war. Der älteste Sohn trat das Erbe an, während der zweite ebenfalls in den Ritterstand zu treten hatte. Das Streben nach einer geistlichen Laufbahn war erst dem Drittgeborenen gestattet, Ehen wurden unter taktischen Aspekten oder zum Zwecke der Vermögens- und Machterweiterung arrangiert. Im vorliegenden Buch präsentiert Manuela Schörghofer wunderbar ausgefeilte Charaktere, die mit hoher Authentizität punkten und den Leser dadurch emotional ins Geschehen einbeziehen. Frankas Temperament und ihr gesamtes Wesen bilden einen deutlichen Kontrast zu ihrer sanftmütig wirkenden Schwester Melinda, die sich einen an Literatur und Musik interessierten reichen Freigeist als Mann wünscht. Melinda möchte hofiert und bewundert werden, während Franka nicht das geringste Interesse daran hat, sich einem Mann unterzuordnen. Die Autorin ersann auch interessante Nebenfiguren, die ebenfalls überzeugend dargestellt waren. Besonderes Augenmerk wurde auf Frankas Mitschwestern gelegt, die durch ihr Verhalten für unerwartete Wendungen im Buch sorgten.

Während der Einstieg in diese Geschichte in eher gemächlichem Tempo stattfand, erhöhte sich der Spannungsbogen bei Wulfgars Turnier- und Kriegserlebnissen, vor allem aber auch während des Aufenthalts der Protagonistin im Kloster. Hier war ich überrascht, regelrechte Krimi-Elemente vorzufinden, wobei die Autorin mich auch auf eine falsche Fährte führte. Der einnehmende Schreibstil, die bildhaften Beschreibungen der Lebensumstände der damaligen Zeit und die Einbindung historischer Persönlichkeiten, die im Anhang detailliert aufgelistet werden, haben mir sehr gut gefallen. Ich empfand es als überaus hilfreich, dass dieses Buch auch über ein Personenregister, die Städte- und Flussbezeichnungen von damals und heute, sowie ein Glossar verfügte.

Die Lektüre dieses Buches hat mir ein unterhaltsames Abenteuer mit romantischer Verwicklung und interessanten historischen Aspekten beschert und mir sehr gut gefallen.

Veröffentlicht am 12.02.2019

Süße Träume auf Norderney

Leuchtturmliebe
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Süße Träume auf Norderney

Als die dreißigjährige Nina Köster den Zuschlag für die Eröffnung eines Pralinengeschäfts auf Norderney bekommt, ziert das Ladenschild ihrer kleinen Confiserie passenderweise ...

Süße Träume auf Norderney

Als die dreißigjährige Nina Köster den Zuschlag für die Eröffnung eines Pralinengeschäfts auf Norderney bekommt, ziert das Ladenschild ihrer kleinen Confiserie passenderweise der Name „Süße Träume“. Dieser Titel passt nicht nur perfekt zu köstlichen, von Ninas geschickten Händen gefertigten Schokoladestücken, sondern versinnbildlicht auch ihren Wunsch, nach einer riesengroßen Enttäuschung ihre Träume zu verwirklichen. Nina liebt die Insel seit ihrer frühesten Kindheit, zudem stammt ihre beste Freundin Antje aus Norderney. Die hübsche blonde Frau mit den strahlend blauen Augen macht sich mit großem Elan ans Werk. Neben ihren Pralinen bietet sie auch kleinen Marzipanleuchttürme an, die von den Kunden begeistert angenommen werden. Als ein rauer großer Kerl mit ungehobeltem Benehmen sie bei ihrer Neueröffnung brüskiert, ist Nina zunächst fassungslos. Doch das unwirsche Norderneyer Urgestein namens Finn Schuette hat nicht mit der großen Anziehungskraft dieser jungen Frau gerechnet, gegen die sein geballter Zorn sich da richtet.

Lotte Römer erzählt die Geschichte einer Frau, die beschlossen hat, sich nach einer enttäuschten Liebe völlig neu zu orientieren. Auf Norderney macht sie ihre Leidenschaft zum Beruf und verkauft in ihrem hübschen Laden liebevoll zubereitete Schokoladepralinen und Leuchttürme aus Marzipan. Ihre Entschlossenheit, niemals wieder einem Mann Zutritt zu ihrem Herzen zu gewähren, gerät ins Wanken, als sie auf Finn trifft. Die Autorin hat ihrer Protagonistin starke Ausdruckskraft verliehen, auch ihr männlicher Gegenpart Finn weist eine überzeugende Charakterzeichnung auf. Sowohl seine Leidenschaft für das Meer und das Surfen, sein Empfinden von Freiheit und Einklang mit der Natur, als auch seine tiefe emotionale Verletztheit wurden feinfühlig zum Ausdruck gebracht. Meine besondere Aufmerksamkeit bei den Nebenfiguren der Handlung galt dem neunjährigen kleinen Jonas Mooser sowie Finns Mutter Maria Schuette. Die freundliche alte Dame hat mich mit ihrer liebevollen und herzlichen Art rasch für sich eingenommen. Die restlichen Nebenfiguren blieben für meinen Geschmack ein wenig zu blass, ich hätte beispielsweise gerne etwas mehr über den reizenden alten Herrn namens Gustav Aue gelesen. Der ehemalige Grundschullehrer in Norderney mit seinem Hang zu Süßigkeiten war mir ebenfalls auf Anhieb sympathisch. Auch Finns bester Freund Jörn Forster und Ninas Freundin Antje waren interessante Persönlichkeiten, über die ich ebenfalls gerne mehr erfahren hätte.

Lotte Römers locker-leichter Schreibstil bescherte mir zusammen mit den wunderschönen Beschreibungen der Landschaft Norderneys großes Lesevergnügen, das lediglich durch die an einigen Stellen verwendete derbe Sprache und die Flüche ein klein wenig beeinträchtigt wurde.

Fazit: „Leuchtturmliebe“ ist ein sehr unterhaltsamer Roman, der nicht nur eine ideale Urlaubslektüre darstellt, sondern darüber hinaus im Leser unweigerlich den Wunsch erweckt, die Stadt Norderney und diese beeindruckende ostfriesische Insel mit eigenen Augen zu erleben.

Veröffentlicht am 09.02.2019

Nonne Hugeburc und das Geheimnis um die Schenkungskurkunde Konstantins

Das Versprechen der Nonne
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Nonne Hugeburc und das Geheimnis um die Schenkungskurkunde Konstantins

Das angelsächsische Mädchen Hugeburc wuchs bei ihrer Mutter und ihrer Tante Walburga auf, besuchte eine Klosterschule und zeigt eine ...

Nonne Hugeburc und das Geheimnis um die Schenkungskurkunde Konstantins

Das angelsächsische Mädchen Hugeburc wuchs bei ihrer Mutter und ihrer Tante Walburga auf, besuchte eine Klosterschule und zeigt eine große Begabung beim Lesen und Schreiben. Als kleinstes und jüngstes Mitglied der Schwesternschaft wird sie in Anlehnung an ihr biblisches Vorbild „Michal“ genannt. Als ihre Tante Äbtissin im Benediktinerkloster in Heidenheim wird, darf Michal neben dem Unterricht für die Kinder des angrenzenden Dorfes in der Bibliothek arbeiten. Bei der Anfertigung einer Abschrift entdeckt die junge Nonne Ungereimtheiten bei einer Schenkungsurkunde und sie macht sich auf den Weg nach Rom, um diesen ungeheuerlichen Betrug aufzuklären. Dass sie sich dabei in Todesgefahr begibt, wird der unschuldigen und weltfremden jungen Frau erst nach und nach bewusst.

Gerold, der Sohn des Grafen, überlebt als Einziger ein Massaker, das seine Familie auslöschte. Die Identität des Mörders macht ihn fassungslos, und nur mit knapper Not entgeht er dem Meuchelmord seines Verwandten. Schwer verletzt wird er von den Nonnen im Kloster Heidenheim aufgenommen und gepflegt, doch die Gefahr einer Entdeckung ist groß. Als Gerold die junge Nonne Michal an seinem Krankenlager erblickt, verliebt er sich auf den ersten Blick in sie. Doch obgleich auch Michal Zuneigung zu Gerold fasst, ist sie davon überzeugt, für ein Leben im Kloster bestimmt zu sein. Mit der Zeit fragt sie sich dennoch, ob dies wirklich der Weg sein mag, den Gott für sie vorgesehen hat. Sowohl Michal, als auch Gerold, gelangen unabhängig voneinander nach Rom, wo vor allem Michal mit aufregenden, brisanten und sehr gefährlichen Abenteuern konfrontiert wird. Zu alledem ist den beiden der Mörder von Gerolds Familie dicht auf den Fersen…

Robert Storch macht den Skandal um die konstantinische Schenkung zum Kernthema seines Buches und zeichnet ein ausführliches Bild des Lebens im achten Jahrhundert, der politischen Situation sowie der herrschenden Zustände in Rom. Seine Protagonistin zeichnet er als selbstbewusster und mit weit mehr Eigeninitiative ausgestattet, als das damals herrschende Frauenbild es erlaubte. Trotz ihres tiefen Glaubens und entgegen ihren unermüdlichen Bestrebungen schafft Michal es nicht, gehorsam und fügsam zu sein. Sie setzt vielmehr ihren wachen Verstand ein, um eine ungeheuerliche Verschwörung aufzudecken und möchte diesbezüglich sogar bis zum Papst vordringen. Aufgrund ihrer ausgezeichneten Ausbildung kontert sie geschickt mit entsprechenden Bibelversen, um verfälschte oder diskriminierende Aussagen von Geistlichen zu widerlegen. Michal ist rebellisch, unbequem, aber dennoch bemüht, ihrer vermeintlichen Bestimmung zu entsprechen. Michals Handlungen in Rom empfand ich jedoch ein wenig überzeichnet und wenig glaubwürdig. Selbst eine taffe Frau der heutigen Zeit hätte angesichts bestimmter Situationen dieses Buches die Nerven verloren. Michals Vorgehensweise passten aus meiner Sicht an einigen Stellen nicht zur vorangehenden Charakterzeichnung einer weltfremden Nonne, die ihr gesamtes bisheriges Leben hinter Klostermauern verbracht hatte. Die Tatsache, dass der Autor bei seiner Hauptfigur sich nicht auf einen Namen festlegte und diese in steter Abwechslung einmal mit Hugeburc, und dann wieder mit Michal titulierte, fand ich irritierend. Die Charakterzeichnung von Gerold sowie jene der relevanten Nebenfiguren haben mir gut gefallen. Mit der Person des Antagonisten wird der Leser das gesamte Buch hindurch konfrontiert – seine geschickt inszenierten Intrigen und Machenschaften bewirken eine permanente latente Bedrohung und bringen Spannung ins Buch. Ich fand es schön, dass einige der handelnden Personen im Verlauf der Handlung auch eine gewisse Entwicklung durchleben durften.

Fazit: „Das Versprechen der Nonne“ hat mir sehr gut gefallen. Es bescherte mir eine interessante, informative und unterhaltsame Lektüre, die ich Fans historischer Romane mit Fokus auf das Christentum wirklich ans Herz legen kann.

Veröffentlicht am 01.02.2019

Du wurdest dazu geboren, Chef der Firma deines Vaters zu sein!

Wenn du für mich bist
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Du wurdest dazu geboren, Chef der Firma deines Vaters zu sein!

Der Eisenbahnbaron Wellington Quincy ist eine sehr dominante Persönlichkeit und einer der reichsten Männer New Yorks. Als er schwer erkrankt, ...

Du wurdest dazu geboren, Chef der Firma deines Vaters zu sein!

Der Eisenbahnbaron Wellington Quincy ist eine sehr dominante Persönlichkeit und einer der reichsten Männer New Yorks. Als er schwer erkrankt, fordert er seine Zwillingssöhne Thornton und Bradford auf, sich in einem Wettstreit um das Erbe zu beweisen. Die beiden jungen Männer müssen innerhalb einer Frist von sechs Monaten bestimmte Ziele erreichen, wonach dem Gewinner im Anschluss die Eigentümerschaft von Quincy Enterprises zuerkannt wird. Während Bradford Härte und Selbstsicherheit ausstrahlt und Herausforderungen geradezu liebt, fungiert sein Bruder Thornton eher als Friedensstifter. Beide investieren jedoch ihre ganze Zeit und Energie in diesen Wettstreit.

Elise Neumann war eine obdachlose, in Armut lebende deutsche Einwanderin, die mit ihren beiden Geschwistern in einer neu gegründeten Missionsstation untergekommen ist. Durch eine Anstellung als Näherin versucht sie, ihre Lebensumstände und jene ihrer beiden jüngeren Schwestern zu verbessern. Aufgrund der Wirtschaftskrise verliert Elise jedoch ihren Arbeitsplatz und ein Umsiedlungsprogramm stellt die einzige Möglichkeit für sie dar, auch weiterhin für ihre Geschwister sorgen zu können. Nach einem herzzerreißenden Abschied macht die junge Frau sich auf den Weg in den Westen, einer ungewissen Zukunft entgegen. Ihr neuer Vorgesetzter ist ausgerechnet jener attraktive Gentleman, der sie auf den Straßen New Yorks vor Straßenkämpfen und Rivalitäten zwischen verschiedenen Banden gerettet hatte. Elise weiß jedoch nicht, dass dieser aristokratisch wirkende, charmante und einfühlsame Geschäftsmann mit dem selbstsicheren Auftreten aus einer der reichsten Familien New Yorks stammt. Obgleich die Vernunft Thornton gebietet, Elise zu vergessen, geht ihm die hübsche schlanke Frau mit dem blonden Haar und den leuchtend blauen Augen nicht mehr aus dem Sinn. Wird die gegenseitige Anziehungskraft über die gesellschaftlichen Konventionen siegen und die beiden jungen Menschen ihrem Herzen, oder aber der Stimme der Vernunft folgen?

Jody Hedlund hat in der vorliegenden Neuerscheinung gekonnt historische Fakten mit einer wunderschönen Liebesromanze vereint. Als Schauplatz der Geschichte wählt sie New York im Jahre 1857 und beleuchtet die schrecklichen Lebensumstände der Slums in den östlich gelegenen Städten Amerikas. Die Zeit der Waisenzüge, die Umsiedelung von Frauen nach der ersten Weltwirtschaftskrise und die Gründung der Children’s Aid Society sind gewichtige Themen in diesem Buch, derer sie sich intensiv widmet. Durch ihre Hauptfigur Elise und deren Schicksalsgenossinnen gewährt sie einen Einblick in die harten Lebensumstände jener Frauen, die ihre Familien zurücklassen mussten, um im Mittleren Westen ein neues Leben anzufangen.

Mit der beherrschten und willensstarken Elise Neumann schuf Jody Hedlund eine Protagonistin, die beispielhaft für unzählige Frauen steht, denen kein anderer Ausweg blieb, als diesen großen Schritt zu wagen und ins Unbekannte aufzubrechen. Der heimatlosen Waisen, die durch tragische Umstände in die Obdachlosigkeit abdriftete, wird als männlicher Gegenpart ein Protagonist zur Seite gestellt, der sprichwörtlich mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurde. Thornton Quincys Charakter zeugt zwar von rücksichtsvoller, hilfsbereiter Art und einfühlsamer Nächstenliebe, doch erst als er durch den positiven Einfluss von Elise von seinem hohen Ross steigt und auf diese Weise tiefe Einsichten gewinnt, wird er geläutert. Er zeigt Rückgrat und steht zum ersten Mal auch seinem Vater gegenüber für all jene Dinge ein, an die er bereits sein Leben lang glaubt. Die Autorin hat diesen Entwicklungsprozess sehr schön ausgearbeitet und überzeugend dargestellt. Es wurden zudem einige interessante Nebenfiguren ins Buch eingebracht, von denen ich gerne mehr gelesen hätte. Einer davon war der blinde Bettler Isaiah, dessen tragische Geschichte lediglich kurz gestreift wurde. Elises Schwester Marianne empfand ich als ein wenig zu blass und eindimensional gezeichnet, und für die warmherzige Gründerin der Missionsstation namens Miss Pendleton und ihrem Verlobten, Pastor Guy Bedell, sowie Elises brüderlichem Freund Reinhold Weiß hätte ich mir ebenfalls ein wenig mehr Aufmerksamkeit gewünscht. Möglicherweise wird die Geschichte dieser Nebenfiguren aber noch im zweiten oder dritten Teil dieser Trilogie fortgesetzt. Die größte Entwicklung durchlebte für mein Empfinden die hübsche rothaarige Irin Frances „Fanny“ O’Leary, die von ihrer Rolle als unangenehme Antagonistin zur treuen Freundin avancierte.

Die sprachliche Gestaltung sowie die Einbindung des christlichen Glaubens in diesem Buch haben mir sehr gut gefallen und Jody Hedlund schaffte es mit diesem Roman erneut, mich tief in die Geschichte einzubeziehen. Atmosphäre, Handlung und Sprache haben mich überzeugt und ich kann dieses Buch jedem Liebhaber christlicher Romane mit historischem Hintergrund ans Herz legen.