Die knapp 40-jährige österreichische Landschaftsarchitektin Isabel hat neben ihrem Ehemann Marco auch ihre Geschäftsgrundlage verloren, die beiden hatten ein gemeinsames Unternehmen. Nun muss sie ihr Leben neu ordnen und findet durch eine Kleinanzeige den Auftrag, auf Gut Lundwitz, einer schlossähnlichen Anlage in Mecklenburg, den ehemaligen Rosengarten wieder aufleben zu lassen. Voller Erwartung reist Isabel aus Wien an und lernt in Marco den jetzigen „Schlossherrn“ kennen, ein bekannter Künstler, der mit Gleichgesinnten das Gut zu einer Begegnungsstätte für Künstler machen möchte. Ein erster Blick auf den ehemaligen Rosengarten lässt Isabel verzweifeln, doch sie nimmt die Herausforderung an und macht sich an die Recherche für die Gestaltung. Dabei kommt sie dem Familiengeheimnis der ehemaligen Bewohnerin Gräfin Marie Henriette auf die Spur, die damals den Rosengarten anlegte.
Nele Jacobsen hat mit ihrem Buch „Der Rosengarten am Meer“ einen unterhaltsamen und gefühlvollen Roman vorgelegt. Der Erzählstil ist locker-flüssig mit der richtigen Prise von Romantik und Emotionen, der Leser kann sich sofort an der Seite von Isabel niederlassen, um sie durch ihre Gefühlswelt und bei ihrem Neubeginn zu begleiten und sie dabei sehr gut kennenzulernen. Die Geschichte wird abwechselnd kapitelweise über zwei Zeitebenen erzählt, wobei die eine die Gegenwart um Isabel thematisiert, die andere den Leser ans Ende des vergangenen 19. Jahrhunderts bringt, um dort auf Marie Henriette zu treffen, der ehemaligen Bewohnerin auf Gut Lundwitz, und sie einen Teil ihres Weges zu begleiten. Die Autorin hat ihrem Roman ein sehr schönes Thema zugrunde gelegt, denn die Liebe zu Rosen wird hier allgegenwärtig und lässt dem Leser schon bei der Lektüre die wunderbaren Düfte der stolzen Blumen in die Nase steigen. Da tauchen edle Züchtungsnamen auf, bei denen man sofort ein Bild vor Augen hat. Aber auch die Beschreibung des alten Gutes, das durch die Renovierung langsam wieder in seinem alten Glanz erstrahlt, wenn auch mit modernen Einschlägen, sind einfach herrlich bildhaft und wecken den Wunsch, sich dieses schöne Gebäude einmal mit eigenen Augen anzusehen. Die historischen Bezüge hat die Autorin sehr gut recherchiert und mit ihrer Handlung verwebt.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und mit Leben versehen worden. Durch ihre Individualität und ihre Eigenheiten wirken sie sehr realistisch, so dass der Leser sich gut in sie hineinversetzen und mit ihnen fühlen kann. Isabel ist nach dem Scheitern ihrer Ehe eine zutiefst verunsicherte Frau, die erst einmal nicht gerade sympathisch wirkt, denn sie suhlt sich zu Beginn ziemlich in Selbstmitleid und macht den Eindruck, als wenn ihr Status und Geld wichtig wären. Doch je länger sie auf dem Gut ist und sich ihrer neuen Aufgabe widmet, umso mehr spürt man ihre Verwandlung, was zum Teil auch an den Menschen liegt, mit denen sie den Tag verbringt. Man merkt, dass sie ihre Arbeit liebt und diese sie von ihrem Kummer wegtreibt. Marie ist eine tolle Persönlichkeit, sie trägt ihr Herz auf der Zunge, ist ungewöhnlich offen und schert sich nicht um Konventionen, um ihre Träume Wirklichkeit werden zu lassen. Alex ist ein interessanter Typ, der sich der Kunst verschrieben hat, aber auch in der Küche steht er seinen Mann. Er hat sich beruflich einen Namen gemacht, wirkt aber wunderbar unprätentiös und normal mit einem leichten Hauch zur Melancholie. Das mag an den Dingen liegen, über die er nicht spricht und die ihn doch geheimnisvoll umwehen. Ebenso sind Sina und Enno mit von der Partie, das Gut zu renovieren. Auch sie stammen aus der Künstlerszene. Besonders sympathisch ist Cora, die immer den richtigen Ton trifft und ihrer Freundin Isabel eine echte Stütze ist.
„Der Rosengarten am Meer“ ist ein sehr unterhaltsamer und gefühlvoller Roman über zwei Frauenschicksale, die Liebe zu Rosen und die Liebe im Besonderen, alte und neue Geheimnisse. Eine richtige Wohlfühllektüre zum Träumen und Mitfühlen. Verdiente Leseempfehlung!