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Veröffentlicht am 12.05.2019

Kein Thriller, Psychodrama voller Klischees mit Selbstjustiz-Moral und teils unappetitlich

Golden Cage. Trau ihm nicht. Trau niemandem. (Golden Cage 1)
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Ich kenne mindestens eine Frau, die bei der Scheidung auf einen finanziellen Ausgleich verzichtet hat, nur, um den Mann schnellstmöglich loszuwerden, obwohl sie nach gemeinsamer Absprache auf eine volle ...

Ich kenne mindestens eine Frau, die bei der Scheidung auf einen finanziellen Ausgleich verzichtet hat, nur, um den Mann schnellstmöglich loszuwerden, obwohl sie nach gemeinsamer Absprache auf eine volle Berufstätigkeit zu Gunsten der Kinder verzichtete. Vermutlich wird sie später in die Falle der Altersarmut fallen - dann werden genau diese Kinder für sie bezahlen müssen oder die Gesellschaft in Form von Aufstockung - viel wird es trotzdem nicht sein.
Ich kenne mindestens eine Frau, die keine Arbeit annehmen würde, die es erfordert, regelmäßig über Nacht weg zu sein - sie würden sich Sorgen darum machen, dass nächtliche Abwesenheit dazu führt, dass der Mann sie betrügt (ich klage hier NICHT die Alleinerziehende mit Kleinkindern an).
Ich kenne deutlich zu viele Frauen, die sich im Kampf um die Kilos oder das Makeup und die Kleidung hauptsächlich nach anderen Frauen richten - sie wollen ein bestimmtes Aussehen, damit andere Frauen sie als Konkurrenz empfinden und somit nicht als "leichte Beute", in deren "Revier" sie "wildern" können. Kennt jemand diesen speziellen musternden Blick von oben bis unten?
Ich habe oft erlebt, dass Frauen es nicht mögen, wenn sie sich von Frauen belehren lassen sollen, sei es als Chefin, als Trainerin, sogar als Kollegen. Wenn eine Frau einer anderen Frau widerspricht oder sie korrigiert, wird ihr das häufig nicht verziehen. Männer gehen hinterher trotzdem ein Bier trinken.
Ich kenne Frauen, die im Berufsleben stehen, kein eigenes Konto haben, nie eine Überweisung tätigen, nicht wissen, wo Verträge abgeschlossen sind.
Ich kenne Frauen, die bei einem Ehebruch des Mannes daheim ausgezogen sind und mit den Kindern in einer Mini-Wohnung wohnten, nur um ihn nicht mehr sehen zu müssen - statt den Platz für sich und die Kinder einzufordern.

Ich kenne viel zu viele Frauen, die sich in Bezug auf Finanzen und beruflichen Erfolg eher selbst im Wege stehen - oder die anderen Frauen im Wege stehen. Frauen sind untereinander oft sehr wenig solidarisch. "Sugar-Daddys" erscheinen erschreckend vielen jungen Mädchen als erstrebenswert - und "kleine Prinzessinnen" sollen rosa tragen, Spielzeug erfüllt Rollenbilder, die ich in den 70ern und 80ern nicht mehr so stark sah - MINT-Berufe werden wohl eher nicht angestrebt.
Um vollständig zu bleiben: Ich kenne auch die üblichen Witze von Männern, immer gegen Gruppen, die als schwächer empfunden werden - gerne auch gegen Frauen (wie auch in Form von Rassismus oder anderen Diskriminierungen). Ich kenne es aber nicht, dass Männer sich selbst kleinmachen, freiwillig verzichten, einander aufgrund von 5 Kilo zuviel oder einer bestimmten Krawatte missachten.

Ich habe kein Problem damit, wenn in einer Partnerschaft jemand bestimmte Aufgaben übernimmt, die ihm oder ihr einfach besser liegen - oder die er oder sie einfach nur weniger unangenehm findet. Man sollte nur sinnvoll darüber reden und finanzielle Absprachen zu Beginn treffen. Solange "er" Spagetti aus der Kombipackung mit Soße hinstellen kann, wenn sie spät nach Hause kommt, darf "sie" gerne sonst immer die Köchin sein. Und er darf gerne alle Finanzen übernehmen, wenn es einen gemeinsamen Notfallordner gibt und die Rechte und Pflichten beider vertraglich abgesichert sind. Ich brauche keinen Krampf zu Männer- und Frauenrollen, aber ich mag gerne erwachsene Menschen.

Ich finde die Grundidee dieses Buches genial. Die Umsetzung bereitet mir hochgeklappte Fingernägel.

Faye ist liebend gerne das "kleine Frauchen" für ihren großen starken tollen Jack. Der behandelt sie zwar wie Dreck, aber er hat schließlich Stress. Sie hat zwar mehr Hirn, aber er bringt das Geld ins Haus - weil sie verzichtet hat, das gemeinsame Firmenkonzept weiter mit umzusetzen. Klar, das Luxuskind kann ja nicht nur vom Kindermädchen erzogen werden, Faye muss gegenüber den anderen Luxusweibchen im Wettpink... äh, Wettbewerb um möglichst wenig Kilo, viel Blubberwasser und die richtige Markenkleidung antreten. Das erfüllt ja auch total.

Ich mochte keine der Personen, außer Chris und ein wenig Kerstin (bei älteren Frauen bin ich in Bezug auf bestimmte Rollenbilder verständnisvoller). Selbst die kleine Julienne nervte mich mit ihrem Gezicke. Auf den ersten Teil des Buches hätte ich fast komplett gerne verzichtet, höchstens Faye einige Packungen Kondome zuwerfen wollen. Ja, Sex, explizit, aber irgendwie bevorzugt unterwürfig, frustriert - und definitiv ungeschützt. Ernsthaft? Einzig die Rückblenden ließen mich auf irgendeinen Sinn hoffen,
Rückblenden auf die junge Faye, mit ganzen Zaunfeldern voller Andeutungen auf ihre Vergangenheit, mit irgendeinem tragischen Ereignis, das sich spät klärt, sonst liest ja keiner weiter.

Den zweiten Teil fand ich dann genial - Faye wacht auf und handelt. Aus der Sicht des Buchendes kippt das aber. Faye gibt es also nur als Opfer - oder sie nimmt Rache, übt Selbstjustiz, geht über Leichen.
Ja, Frauen mit bestimmten Kindheitserfahrungen, heißt es, werden leichte Opfer. Faye hatte aber gerade in der Kindheit gehandelt - wie logisch ist dann ihre Opferrolle später? Wie logisch ist, dass ihr Racheschema wirklich den Ermittlungsbehörden entgehen kann?
Wie wahrscheinlich ist es, dass sie genau in dem Moment, in dem sie Geld benötigt, DIE Geschäftsidee hat, die sie benötigt, die dann auch so schnell zu finanziellem Erfolg wird? Wie viel Mut macht das Beispiel von Faye anderen Frauen, jemanden einfach anzuzeigen? Welche Identifikation ist das für zum Beispiel eine Verkäuferin bei Aldi oder eine Krankenschwester oder selbst die Ärztin, als Idee, mit einem Partner gleichzuziehen, von dem man ausgebootet wurde? Hat jemand am Ende vergessen, was sie mit Viktor getan hat und weshalb? Wie konnte sie ihre erste Racheaktion aus der Jugend finanziell durchziehen, wie den Kontakt aufrechthalten? Wenn Jack doch so toll war, anfangs, warum war er nicht eingeweiht? Wenn klar war, aus welchem Ort Faye kam, warum hat da nie jemand nachgeforscht? Worin ergab sich die zwingende Logik, dass sowohl Henrik als auch Jack genau parallel "mutierten"? Wie wahrscheinlich war der langjährige Erfolg von Compare, wenn doch Faye als einzige den Durchblick hatte?
Und so weiter, und so fort.

Faye will Rache. Wenn Sex mit dem Gegner hilft, kein Problem. Und natürlich geht das nur schlank. Und selbstverständlich können sich fast alle anderen Frauen damit identifizieren, von einem Mann verladen worden zu sein (das geht in der Realität durchaus auch umgekehrt, also, Frau verlädt Mann, aber nun ja. Die "ich-weiß-dass-er-mich-betrügt-aber-ich-liebe-ihn-so" Version kenne ich tatsächlich nur von Frauen, aber auch die "du-willst-Papa-doch-gar-nicht-sehen-du-liebst-mich-doch" Option).

Gut geschrieben, aber irgendwie ein Klischee wie in den 80ern Joan Collins im Denver Clan. In den sexuellen Parts teils unappetitlich, es lief mir etwas zu oft Sperma an Fayes Beinen herunter (wie gesagt, Kondome?).

Warnung: Gewalt, auch sexuell. Ansonsten kein Thriller, eher ein Psychodrama mit Selbstjustiz-Moral.

Veröffentlicht am 25.03.2019

Hätte Potential, aber unbefriedigend umgesetzt

Der Schmetterling
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Johan Rokka ist mit fast vierzig zurück gezogen aus Stockholm in seinen Heimatort Hudiksvall. Noch vor offiziellem Beginn seiner Arbeit dort im Dezernat für schwere Kriminalität wird er zu einem Mordfall ...

Johan Rokka ist mit fast vierzig zurück gezogen aus Stockholm in seinen Heimatort Hudiksvall. Noch vor offiziellem Beginn seiner Arbeit dort im Dezernat für schwere Kriminalität wird er zu einem Mordfall hinzugezogen: Henna Pedersen, Ehefrau des weltberühmten Fußballers Måns Sandin, wurde von ihrem Mann an Heiligabend ermordet aufgefunden. Es macht es nicht einfacher, dass Rokka nicht nur Sandin von früher kennt, sondern auch die meisten anderen Einwohner. Dafür hat er gleich einen schlechten Start mit seiner neuen Chefin, da ihm die Angewohnheit im Wege steht, erst zu reden und dann zu denken: "Manchmal kommt es mir so vor, als hätten die Worte in mir drin keinen Platz mehr. Sie müssen einfach raus." S. 41. Rokka und seine Kollegen müssen sich durch einen verwirrenden Wust an Fakten arbeiten, von einer verschwiegenen Schwangerschaft über die Einnahme von Rohypnol bis hin zu Verbindungen nach Florenz. Es wird nicht einfacher, als sich Rokka in die junge Tochter eines Sandkastenfreundes verliebt.

Hm. Ich bin arg zwiegespalten. Ich mochte irgendwie den generellen Ton der Handlung, die Personen bieten Potential, die Geschichte ließ sich spannend an. Lesen ließ sie sich aber etwas schlechter, da die Autorin sehr häufig hin- und herspringt, zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zu einem eingeschobenen Handlungsstrang eines Briefes, der häppchenweise dargeboten wird, zwischen den verschiedenen Personen und Orten, sogar bei einer Personen an einem Ort sprunghaft weiter zu einem etwas späteren Zeitpunkt. Da es dazu recht viele Personen sind, wusste ich irgendwann nicht mehr, von wem denn hier gerade die Rede war und habe ernsthaft bei etwa Seite 200 nochmals von Beginn an den Text auf alle Personen hin überflogen. Hören könnte ich das nicht. Lesen mag ich so etwas eigentlich auch nicht gern – es ist schlicht anstrengend, wenn jede vermeintliche Nebenfigur wieder auftaucht, wenn es vor Hinweisen nur so wimmelt.

Wer der Täter ist, dazu hatte ich gleich zu Anfang einen Verdacht. Davon kam ich dann zwar ab dank der Verworrenheit des folgenden Texts – mitgerätselt habe ich dann aber nicht mehr, nur noch versucht, dranzubleiben. Ich habe die Lektüre gestern beendet und im Rückblick fallen mir immer mehr Ungereimtheiten auf: Was sollte Hennas Hinweis mit der Tapete, von dem ihre Tochter berichtet? Warum musste Janna den Zusammenstoß beim Joggen haben? Wieso leuchtet mit der Nebenstrang mit Urban nicht ein, wusste der etwas oder nichts oder war er ein Kollateralschaden und warum hat jemand ein Problem mit ihm? Brauchte man wirklich den „Overkill“ mit dem Rohypnol? Ein 39jähriger dicker Mann mit vorlauter Klappe ist wirklich der Traum einer 19jährigen? Wer fuhr das Unfallauto in Florenz, hängt das mit der Handlung zusammen? Bin ich die einzige, die Evelina als Loserin empfindet, die ewig ihrer Vergangenheit nachtrauert und ihre Männer nicht auf die Reihe bekommt? Warum zickt Rokkas Chefin schon zu Beginn? Was soll der Nebenstrang mit Janna? Warum wird dieses Thema mit Fanny immer wieder nur halb angesprochen?

Unbefriedigend, weil es wirklich Potential hatte. Die Leseprobe für Band zwei beginnt wieder sprunghaft.
3 Sterne.

Personal:
Hudiksvall
Die Polizei:
Johan Rokka (39). Neuer leitender Kriminalinspektor im Dezernat für schwere Kriminalität
Janna Weissmann. Kriminaltechikerin, IT-Forensikerin Anfang 30. Deutscher Vater, jordanische Mutter
Hjalmar Albinsson, Kriminaltechniker und medizinischer Biologe. Brille
Chefin Ingrid Bentsson – sie und Rokka haben keinen guten Start
Fatima Voix, Empfangssekretärin der Polizei

Schutzpolizisten:
Pelle Almén
Maria Nilsson

Henna Pedersen. 35. Als Kommunen-Kind aufgewachsen mit
Birk Pedersen, ihrem Bruder

Måns Sandin. Hennas Mann, Vater der gemeinsamen zwei Kinder. Er ist aus Hudiksvall, weltberühmter Fußballer, war vorher in Florenz beruflich
Manuel Battista – ein Fußballer-Kollege in Florenz

Hudiksvall:
Sivert Persson Nachbar von Sandin
Henry Gustavsson. Teilt sich die Arbeit mit Sivert Persson

Die alte Clique:
Victor Bergman. Rokkas bester Freund mit krimineller Vergangenheit
Peter Krantz. Sandins bester Freund. Autoverkäufer.
Urban Enström. Sie alle haben früher Fußball gespielt, mit Sandin und Rokka

Angelica Fernandez, die Tochter eines Sandkastenfreundes von Rokka
Katarzyna, beste Freundin von Janna

Evelina Olsdotter, arbeitet für ein Modelabel, ist dafür regelmäßig in Florenz
Johannes – der Lebensgefährte von Evelina. Wettsegler
Guilia Theresa – die erste Vermieterin von Henna als 15jährige in Florenz
Carolina Wernersson, in Florenz, beste Freundin von Henna

Dubiose Personen
Kenneth Fermwolt
Die Solentos
Der Mann im eleganten Anzug

2 "Der Läufer" März 2019

3 "Der Todgeweihte" 2020
...im Original habe ich noch einen #4 ausmachen können

Veröffentlicht am 25.03.2019

Toll geschrieben, extrem viele Logiklücken, zu dick aufgetragen, tolle Hauptfigur

Zeugin der Toten
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Ich habe das HC mit genau diesem Motiv

udith Kepler reinigt das, was andere nicht wahrnehmen wollen: die Hinterlassenschaften der Toten. Ob sanft entschlafen, lange bei Hitze unentdeckt in der Wohnung ...

Ich habe das HC mit genau diesem Motiv

udith Kepler reinigt das, was andere nicht wahrnehmen wollen: die Hinterlassenschaften der Toten. Ob sanft entschlafen, lange bei Hitze unentdeckt in der Wohnung gelegen oder Gewaltverbrechen, sie sieht (und putzt) alle diese Orte. Die Antwort auf das Warum fällt ihr nicht leicht. „Vielleicht hätte sie ihm sagen sollen, dass der Unterschied zwischen Aufstehen und Weiterschlafen genauso groß war wie der zwischem allem und nichts. Und dass sie jeden Tag aufs Neue gegen das Nichts kämpfte und immer noch nicht dahintergekommen war, warum sich dieser Kampf eigentlich lohnen sollte.“ S. 86

Als die 32jährige eine Wohnung gegenüber ihrer eigenen in Berlin reinigen soll, nimmt sie eine für die erschossene Wohnungsinhaberin bestimmte Expresslieferung an, in der sich überraschend ihre eigene Akte aus ihrer Heimkindheit in der DDR findet. Dabei sei die Akte vernichtet worden, hieß es. Sie sei ein Asozialen-Kind, nichts wert, sagte man ihr immer. Gleichzeitig wartet in Berlin Ex-BND-Agent Quirin Kaiserley auf eine Informantin, die nie kommt. Sie wollte ihm die „Rosenholz-Akte“ aushändigen, eine Liste mit den Klarnamen sämtlicher Auslandsagenten der DDR.

Ich habe das Buch zum zweiten Mal gelesen und bin gespaltener als zuvor. Das Buch ist toll geschrieben, spannend, actionreich und hat ein Thema, das ich wichtig finde und das mich brennend interessiert. Die Hauptperson wirkt in ihrer Sprödheit glaubwürdig auf mich, ich finde aber auch die anderen Charaktere meist gut (Angelina ist ein Klischee).

Jetzt die wirklich zahlreichen Kritikpunkte: da passt einiges nicht. „Christina Borg“ wurde als Kind misshandelt (die Spuren von Knochenbrüchen), galt als nicht sehr helle und lebt später mit der gleichen Mutter normal, lernt eine Fremdsprache und plant den Coup um die Rosenholz-Akte; wie wahrscheinlich ist das? Außerdem hebt sie ein Spielzeug aus der Kindheit über Jahre auf, klar (tue ich auch, aber halt nicht sehr viele Leute). Agentinnen sehen in Büchern/Filmen immer aus wie Männer oder Sexbomben, normal geht natürlich nicht. Außerdem hat Angelina echt mit allen Männern im Buch was gehabt, Quirin, Teetee, Kellermann,…? Ganz zu Beginn, Martha Jonas geht zu einem toten Briefkasten – und was soll das für die Handlung bringen, das kommt nie wieder? Wer als 5jährige zum letzten Male ein Heimkind war, stellt 25 Jahre später noch die Hausschuhe wie im Heim verordnet unter das Bett? Woher wissen Christina Borg und ihre Mutter überhaupt von Sassnitz, sie waren damals doch nicht eingeweiht, keine echten Insider (sie dürften nur mitbekommen haben, dass dort ein Fluchtversuch geplant war)? Und gaaaanz zufällig bekommt ausgerechnet Judith diese Wohnung als Cleanerin zugeteilt? Wer findet exakt gegenüber von jemandem, den man beobachtet (Judith), eine Wohnung („Christina Borg“)? Warum wurde die Akte an Christina Borg geschickt – wer schickte die, sie sich selbst, was soll das? Warum wurde Judith überhaupt in ein Heim geschickt, sie war fünf Jahre alt – man hat viel ältere Kinder von Republikflüchtigen zu Adoption freigegeben und ihre Identitäten „umfrisiert“ – die waren sicherlich nicht einmal so traumatisiert wie Judith? Warum wurde Judith nicht zu Verwandten gegeben, um sie „republiktreu“ zu erziehen?

Den großen Showdown (Aquarium) musste ich nochmals lesen – vorher kommt die Information scheibchenweise, in diesem Abschnitt geballt, so dass ich erst gar nicht mitbekam, wer da wen weshalb verriet; das war mir schon beim ersten Lesen so gegangen – es ist eine dieser Szenen, bei denen man „wow“ sagt und erst später merkt, dass man bei der Logik hinterherhinkt. Immerhin scheint das hier alles zu passen, beim Nachlesen.

Nö. Das ist mir insgesamt zu dick auftragen mit zu vielen Logiklücken. 3 Sterne, bedauernd.

(ich kenne auch die Verfilmung mit Anna Loos: Dombrowski ist zu jung und definitiv kein väterlicher Freund, Teetee fehlt glaube ich, die Rollen der anderen Agenten wurden irgendwie getauscht und zusamengefasst, Judiths Eltern sind weniger zweischneidig. Vom Ton her ist die Verfilmung hingegen gut getroffen)

Veröffentlicht am 25.03.2019

„Sie wollen Feindseligkeit säen, damit wir aufeinander losgehen."

Der Patriot
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„Sie wollen Feindseligkeit säen, damit wir aufeinander losgehen." S. 349

„Menschen mit abweichenden Ansichten werden als 'Schweine' oder 'Hunde' bezeichnet. Wissen Sie warum wir das tun?“
„Nein.“
Madeleine ...

„Sie wollen Feindseligkeit säen, damit wir aufeinander losgehen." S. 349

„Menschen mit abweichenden Ansichten werden als 'Schweine' oder 'Hunde' bezeichnet. Wissen Sie warum wir das tun?“
„Nein.“
Madeleine runzelte die Stirn.
„Um zu entmenschlichen“, fuhr Sandberg fort. „So erklären sich die Wissenschaftler, wie augenscheinlich mental gesunde deutsche Männer und Frauen als Aufseher in den KZs arbeiten konnten. … Die Opfer werden nicht als Menschen betrachtet, sie werden nicht bei ihrem Namen genannt, und es wird auch sonst alles getan, um sie nicht als gleichwertig anzusehen. Das ist ein unbewusster Prozess, ein Mechanismus, um sich vor Gewissensbissen zu schützen.“ S. 157
„Also, was Menschen dazu bringt, zum Terroristen zu werden, darüber gehen die Meinungen auseinander. … Aber der erste Schritt besteht darin, sich bedroht und seiner Freiheiten beraubt zu fühlen. Sei dies tatsächlich der Fall oder nur eingebildet. Im nächsten Schritt überzeugt man sich davon, dass diese Bedrohung der Freiheit ein von anderen geschaffenes Konstrukt ist, und folgert daraus, dass die Bedrohung aufhören kann. Die Situation ist also nicht zwangsläufig hoffnungslos. Und schließlich muss der Betreffende selbst glauben, dass Gewalt der einzige Weg ist, um an der Situation etwas zu ändern und der Bedrohung ein Ende zu machen.“ S. 158

In Stockholm werden kurz nacheinander mehrere Journalisten ermordet, die zuvor für verschiedene Zeitungen positiv über die Integration von Flüchtlingen oder gegen Rechtsextreme geschrieben hatten. Doch bald werden diese Ereignisse in den Schatten gestellt von einem bestialischen Anschlag…

Mich nervt der Stil, reihum im Wechsel zu den verschiedenen Protagonisten zu gehen: da ist Madeleine, Journalistin in Stockholm, Carl, einer der Täter (ja, das wird gleich zu Beginn ausgesprochen), Ibrahim, ein Stockholmer Taxifahrer mit syrischen Wurzeln, und August, ein schwedischer Ex-Fremdenlegionär in Südamerika. Jedes der Kapitel endet mit einem Cliffhanger, der dann erst vier Kapitel später aufgelöst wird, um in den nächsten Cliffhanger zu münden. Ich mag es spannend, aber das empfand ich als Nötigung – ich war kurz davor, aufzugeben, und habe dann nur die Kapitel mit August vorausgelesen, dann den Rest ohne August.

Dazu sind die Handlungsstränge speziell: Madeleine ist eine manipulative Zicke, die niemanden leiden kann, ihrem Papi gefallen will, der sie aber gegenüber Zweitfrau und Zweitkindern hintan stellt. August arbeitet als Leibwächter für einen russischen Waffen- und Drogenhändler und ist bereit, für diesen zu töten. Carl als Täter serviert mit seinen Bundesgenossen einen kruden Mix an Theorien, ist aber sonst verwöhntes Söhnchen aus reichem Haus. Einzig Ibrahim wirkt wie jemand, mit dem man gern zu tun hätte. Die Vereinfachung der Täterseite wird meines Erachtens dem Thema nicht gerecht: das wäre ja so einfach, die Identifikation, das Feindbild - doch leider sind das häufig ganz normale Menschen, die mich in den letzten Monaten mit Aussagen schockiert haben (Stufe 1!). Selten habe ich Wörter mit F, die sich auf „Kotze“ reimen, in solcher Häufigkeit gelesen, gerne im Zusammenhang mit aufschlitzen oder vergewaltigen. Wichtig wäre mir der Umgang mit den „Stufe – 1 – Menschen“ gemäß des obigen Zitats.

Dann kommen die mir zu konstruiert, zu plakativ wirkenden Teile: Das Konstrukt, dass ein Anschlag von einem unfreiwilligen „Guten“ durchgeführt wird, wobei die Planung dazu für mich nur von Schwachstellen wimmelt. Ganz ernsthaft, wenn man dem Fremdenhass begegnen will, muss man sich auch offen damit auseinandersetzen, dass es NATÜRLICH genauso kriminelle oder radikalisierte Einheimische wie Fremde gibt, alles andere ist Mumpitz. Nicht ganz verstanden habe ich, warum der laaaange Teil mit August in Südamerika eingebaut wurde, der auch nicht gerade sehr appetitlich ist; sollte das „Ex-Legionär“ noch deutlicher buchstabieren (der kann schießen und kämpfen)? Wozu nützt die Schwangerschaft von Madeleine? Warum interessiert sich Madeleine nach dem Essen im Hotel nicht mehr für ihren verletzten Vater? Bekommt man als Schwede illegale Waffen ausgerechnet nur in Südamerika, im Bereich eines anderen Schweden, dem man dann daheim wieder begegnet? Wer riskiert etwas, bei dem der eigene Tod einkalkuliert ist, ohne Rückvergewisserung, dass das eigene Kind dadurch wirklich überlebt, was man ja tot nicht mehr überprüfen kann? Wenn das Täter(Ferien-)haus durchsucht wird, müsste man ja die DNA der Geisel finden, die dann nicht mehr genau der entgegengesetzten politischen Richtung zugeordnet werden könnte, Islamist und Islamophob, das geht nicht gleichzeitig.

Der Schreibstil gefiel mir (besser als der Aufbau), die Idee fand ich gut, einige Zitate top. Ansonsten ist das leider arg konstruiert. 3 Sterne.

Veröffentlicht am 03.03.2019

Die Geschichte der um sich selbst kreisenden Väter

Die Geschichte der Bienen
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England 1852: Biologe und Saatguthändler William hat seit Wochen das Bett nicht verlassen – er sieht sich als gescheitert, eine Schande besonders für seinen geliebten einzigen Sohn Edmund. Doch dann kommt ...

England 1852: Biologe und Saatguthändler William hat seit Wochen das Bett nicht verlassen – er sieht sich als gescheitert, eine Schande besonders für seinen geliebten einzigen Sohn Edmund. Doch dann kommt er auf eine Idee, die alles verändern könnte, die Idee für einen neuartigen Bienenstock.

USA, Ohio 2007. George hat mit Sehnsucht den Besuch seines Sohnes Tom vom College erwartet, ruhen doch alle seine Erwartungen für den Bienen-Hof auf den Innovationen, zu denen der Sohn hoffentlich durch seine Ausbildung inspiriert wird.

China, 2098. Ehefrau und Mutter Tao hat wenig Zeit für ihren Mann Kuan und den kleinen Sohn Weiwen, da sie lange Arbeitsschichten in den Obstbäumen mit der manuellen Bestäubung der Blüten leisten müssen. Bei einem Ausflug kommt es zu einem furchtbaren Vorfall mit Weiwen.

Passend zu den drei Hauptpersonen, die auch für drei Zeitebenen stehen, wurden für die Hörbuch-Version drei Sprecher gewählt, so dass die jeweilige Sicht klar erkennbar ist. Die Sprecher waren für mich das Highlight des Buches. Auch der generelle Erzählstil gefiel mir – jedoch hat mich der Inhalt insgesamt sehr enttäuscht. Noch schlimmer fand ich letztlich das Ende: jenseits von der Diskussion offenes oder geschlossenes Ende könnte man diesen Schluss gar als überhaupt kein Ende, sondern als recht willkürlich interpretieren. Aber von vorne.

Es soll ja um Bienen gehen – tut es auch, aber gleichermaßen jeweils um Eltern und ihre ziemlich egoistischen Erwartungen in ihre Kinder, ohne Rücksicht auf deren Bedürfnisse oder Fähigkeiten, gepaart mit reichlich Ignoranz. Ich mochte keine der Hauptpersonen, nur einige Nebencharaktere.

George in Ohio erwartet vom Sohn Tom die Fortführung der Familientradition – doch als der sich als Autor profiliert, fühlt sich sein Vater verraten. Da darf dann der Sohn auch nicht etwa Vegetarier werden, bewahre, ein Vollstipendium wird als Bedrohung empfunden und die Bemerkungen werden abfällig – was von diesem College kommt, kann ja nichts taugen; die haben den Sohn verdorben. Das ist jedoch noch nichts gegen die späteren völlig überzogenen Zerstörungsaktionen und Beleidigungen des Vaters (ich hatte fast auf eine Aufklärung als Demenz oder Nervenzusammenbruch gehofft) – ja, ich verstehe Verzweiflung. Nein, mit sinnloser Unbeherrschtheit, Ignoranz und Dummheit kann ich nichts anfangen.
William in England sieht nur Sohn Edmund, 16, Mamas Bübchen und nicht interessiert an seinem alten Herrn. Wird der Biologe von seinem Professor nicht beachtet, legt er sich gleich einmal für Monate ins Bett. Die begabte Tochter Charlotte ignoriert der Vater. Charlotte findet ihn dennoch toll – schließlich, weise Selbsterkenntnis, sei sie ja nur ein Mädchen. Wenn dazu noch ein Autor das geschrieben hätte, was Maja Lunde dem selbstmitleidigen Chauvi (ja, nicht nur in Ohio) in den Mund legt, hätte man ihn wohl gesteinigt: William, selbst kein Hering, lässt sich in epischer Breite aus über die ihm zu üppigen Formen der Cousine seiner Frau. Auch seine Frau hat für ihn Makel – während ihm ihre Nase zu feucht ist, sind ihm andere Stellen ihres Körpers schlicht zu trocken. Und dann noch die vielen Kinder, die sie ihm geboren hat, wirklich unangenehm.
Tao in China will ihren dreijährigen drillen auf geistige Hochleistungen zu später Stunde. Da sie ihm damit die Arbeit in den Obstbäumen ersparen will, habe ich noch einen Ansatz von Verständnis, einen Hauch. Auch die Verzweiflung der Mutter kann ich noch am ehesten nachvollziehen – nicht jedoch das Ende getreu der Parteilinie.
Dass es ein Buch über Bienen war, fiel da irgendwie nur am Rande auf. Okay, die eifrigen Bienen, die ihre Nachkommen zu opfern bereit sind für das Wohl der Gruppe, gewisse Analogien. Mit dem Schluss wurde für mich rabiat die Luft herausgelassen.
2 Sterne oder 3? 3 nur wegen der Sprecher.