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Veröffentlicht am 15.08.2019

zu oberflächlich, zu wenig Handlung

Flying High
8

„Vielleicht gibt es weder eine alte noch eine neue Hailee, und ich… ich bin einfach nur verloren.“ (Hailee in Flying High)

Worum geht’s?

Nach dem schockierendem Ende von Falling Fast rast Chase los, ...

„Vielleicht gibt es weder eine alte noch eine neue Hailee, und ich… ich bin einfach nur verloren.“ (Hailee in Flying High)

Worum geht’s?

Nach dem schockierendem Ende von Falling Fast rast Chase los, um Hailee zu retten. Wird er es schaffen? Wird es noch eine Chance für ihre Liebe geben? Und falls ja, wie wird das Leben danach aussehen?

Flying High ist der zweite Teil einer Dilogie und setzt Band 1 fort. Vorkenntnisse aus Band 1 sind notwendig. Die Dilogie schließt mit Flying High.

Schreibstil / Gestaltung

Das Cover ist erneut ein wahrer Hingucker in strahlenden Blau mit goldenen Highlights. Das Cover lässt jedoch wieder keinerlei Rückschluss auf den Inhalt des Buches zu, passt aber zu Band 1.

Das Buch startet wie bereits Band 1 mit einer TRiggerwarnung, die identisch zu Band 1 ist. Das Buch setzt unmittelbar nach Band 1 an und wird fortan linear erzählt. Es gibt keine Rückblenden. Hailee und Chase führen den Leser wieder in der Ich-Perspektive durch das Buch, wobei die Kapitel jeweils entsprechend übertitelt sind, teilweise jedoch auch mitten im Kapitel der Erzähler wechselt. Der Erzählanteil von Hailee überwiegt dieses Mal deutlich. Anders als in Band 1 merkt man hier einen deutlichen Unterschied in der charakterlichen Darstellung. Der Schreibstil ist wie bei Band 1 locker und gut lesbar. Das Spruch ist sprachlich angemessen für das Genre und die Protagonisten.

Mein Fazit

Vorweg möchte ich darauf hinweisen, dass ein Teil der Rezension sich im Spoilerbereich abspielen wird, was nachvollziehbar ist, da ich für Kritik an dem Buch natürlich auch Inhalte eingehen muss. Bis zum ausdrücklichen Spoilerhinweis werde ich nur allgemein über das Buch sprechen.

Nachdem mich Falling Fast ja eher ratlos als rastlos zurückgelassen hat, war ich lange unsicher, ob ich Flying High lesen möchte. Am Ende siegte die Neugier, ob die Autoren den Scherbenhaufen aus Band 1 zusammenkehren und – in realistischer und nachvollziehbarer Weise - kitten kann. Ich muss allerdings festhalten: Ich hätte es mir schenken können.


Der Einstieg in das Buch gelang mir zwar erneut ganz gut, insbesondere da zeitnah nach dem Ende von Band 1 eingesetzt wird, die Ernüchterung kam jedoch sehr schnell. Bereits nach wenigen Seiten war der Kern der Handlung abgeschlossen. Was danach bleibt, ist ein regelrechtes Wirrwarr aus Handlungslosigkeit. Hier und da werden Themen angerissen, bunt zusammengewürfelt und dann doch in einem schwarzen Loch versenkt. Nach den ersten 100 Seiten war ich verwundert, dass ich bereits ein Viertel des Buchs hinter mir hatte und eigentlich wenig bis nichts passiert ist. Ich hatte nicht erwartet, dass Flying High ein ultimativ-spannendes Buch ist, aber zumindest viel Tiefe und viele Emotionen hatte ich erhofft. Bekommen habe ich davon sehr wenig. Als nach der Hälfte des Buches eine Entscheidung auch noch die Lovestory topediert, war bei mir fast schon der Ofen aus. Nachdem ich ja bereits in Band 1 die Beziehung von Hailee und Chase nicht wirklich nachvollziehen konnte, war dies auch in Band 2 nicht besser, ganz im Gegenteil. Hinzu kommen nach etwa Dreiviertel des Buches Entscheidungen von Chase, die regelrecht aus dem Nichts kommen und dann auch ins Nichts – abgesehen von ein wenig Drama – laufen. Es werden einfach immer wieder kleinere Storylines aufgegriffen – Katies Tod, Chase Bruder Josh und sein Drogenproblem, die Boxkämpfe – und nach wenigen Sätzen sind die wieder abgeschlossen. Insbesondere Josh und Chase hätten noch viel Potenzial gehabt, allerdings entpuppt sich dieser Plot eher als Blindgänger, sodass man sich fragt, wieso es ihn überhaupt gab.

Über weite Strecken passiert also wie in Band 1 nichts, die Geschichte plätschert seicht vor sich hin. Sie erfüllt nebenbei wieder zahlreiche Klischees, aber bringt dieses Mal nicht einmal dieses Wohlfühl-Gefühl mit sich wie Band 1 es tat, dieses „süße Kleinstadt“-Feeling. Es fehlte wieder an so vielen Stellen im Buch die Tiefe, dass ich nicht mitleiden konnte und keine emotionale Bindung zum Gelesenen gefühlt habe. Das empfand ich in diesem Buch fast noch tragischer aufgrund der Thematik. Am Ende war ich erstaunt und auch ein wenig enttäuscht, wie wenig Handlung auf 400 Seiten zu finden ist, wie viel Potenzial verschenkt wurde und wie oberflächlich mit einem so wichtigem Thema umgegangen wurde. Den einzigen Pluspunkt gibt es dafür, dass zumindest die Marketing-Botschaft „sei mutig“ hier noch einmal kritisch aufgegriffen wurde. Sogar Chase wirkt nicht wie Chase, er spielt eine fast schon untergeordnete Nebenrolle und als er dann endlich mal im Fokus steht, entwickelt er sich so schnell, dass einem fast schwindelig wird. Zu Hailee konnte ich in Band 1 kaum eine Verbindung aufbauen. Das Problem ist jetzt aber, dass in Flying High Hailee natürlich ihr wahres Inneres zeigt. Dies ist eine ziemliche 180-Grad-Wendung und wird einige Leser sicher überfordern.

Insgesamt muss ich leider festhalten, dass Flying High für mich die Dilogie nicht retten konnte. Ich hatte gehofft, dass diese kritischen Themen hinreichend beleuchtet werden und auch der Verarbeitungsprozess aufgezeigt wird. Tatsächlich bleibt Flying High aber oberflächlich und fast schon klischeehaft, die wirklich interessanten Punkte werden nicht thematisiert und auch die Lovestory verläuft sich regelrecht im Sande, nur um dann krampfhaft abgeschlossen zu werden. Flying High hat zu viele Seiten für viel zu wenig Handlung. Es hätte der Dilogie besser getan, wenn man Falling Fast etwas gestaucht hätte – denn hier gab’s extreme Längen – und dann die Thematiken aus Band 2 mit in Band 1 genommen hätte. Es braucht einfach keinen zweiten Teil, weil in diesem nichts Weltbewegendes passiert.

+++ es folgen im Weiteren Spoiler!!! +++

Es kommt wenig überraschend, dass Hailee sich nicht umbringt. Das ist verständlich, nachvollziehbar und für mich auch die einzig richtige Handlung, dass Hailee selbst entscheidet, nicht sterben zu wollen. Zu keiner Zeit habe ich daran gezweifelt, dass diese Variante ausgespielt wird. Hätte sie es getan und Chase sie gerettet, hätte man sie eindeutig einweisen müssen und naja, wie hätte das Buch sonst laufen sollen? Daher lag für mich die Kernfrage darauf, wie mit diesem ernstzunehmenden Selbstmordversuch, den generellen Gedanken zum Thema Tod und der Thematik rund um Hailees Depressionen umgegangen wird. Ich war beruhigt, dass zumindest angesprochen wurde, dass Hailee sich in Therapie begibt. Das war’s aber eigentlich auch schon. Es wird 2-3x im Buch angesprochen, dass sie in Therapie ist, Einblicke erhalten wir aber nicht. Wir dürfen nicht bei Therapiestunden dabei sein, sondern dürfen nur in Hailees endloses Gedanken-Karussell schauen. Hier tut sich aber das nächste Problem auf: Immer und immer wieder sehe ich ernstzunehmende Gedankengänge, die gefährlich werden können. Statt in eine längere Unterbringung zur Therapie zu gehen, besucht Hailee alle paar Tage ihre Therapeutin und verbringt den Rest der Zeit in dem Haus, in dem sie alles an ihre Schwester erinnert.

Ja, Hailee kehrt Fairwood den Rücken, lässt Chase zurück und geht mit ihren Eltern zurück nach Hause, mit denen sie sich regelmäßig streitet. Damit landen wir schon beim nächsten Problem: Wie möchte man eine glaubwürdige Liebesgeschichte bauen, wenn Chase nicht an ihrer Seite sein kann, während sie leidet? Für mich gar nicht. Beide leben die Hälfte des Buches nebeneinander her, telefonieren sporadisch, Chase kommt sie einmal besuchen – was natürlich direkt im Sex endet -, Chase ist wieder am College und irgendwie verrennt sich die Geschichte. Am Ende wird dann einfach bei Hailee die Erkenntnis hervorgerufen, dass sie zurück nach Fairwood will, zu ihren Freunden, zu Chase (auch wenn sie ihn nur alle paar Wochen dann sieht – sie weiß zu dem Zeitpunkt nicht, dass er sein Studium abbrechen will). Gesagt, getan, ist Hailee also wieder in Fairwood, alle sind glücklich, Hailee schreibt dem Verlag wegen des Angebots, möchte direkt noch Jespers Manuskript (oh, da war ja noch was!) mit anbieten, bekommt ihren Kellnerjob wieder und geht regelmäßig zur Therapeutin. Das war’s. Aber wieso braucht man dafür 400 Seiten? Wieso musste Hailee die Hälfte des Buches nach Hause zu ihren Eltern, wo man jederzeit merkt, dass es ihr nicht guttut und ihre Eltern sie nicht verstehen? Das Buch wirft so viele Fragen auf und gibt so wenige Antworten. Dies betrifft auch Chase, seine Entscheidung des Studiumsabbruchs (Blitzgedanke), die ganze Geschichte mit seinem aus dem Nichts zurückkehrenden Bruder (diese Handlung wird kurz thematisiert, Josh ist wieder da, aber es passiert nichts in der Entwicklung).

Und das traurigste? Man verlässt Hailee und Chase mit dem Gefühl, dass eigentlich nichts er- und geklärt ist.

[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, dass mir freundlicherweise vom Verlag überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]

Veröffentlicht am 10.06.2019

statt Gefühlen gab es Längen und ein fragwürdiges Ende

Falling Fast
2

„Ein Buch ist nicht bloß ein Buch, Hails. Es ist die Chance, etwas von sich selbst in der Welt zu hinterlassen, wenn man eines Tages nicht mehr da ist.“ (Jesper zu Hailee in Falling Fast)

Worum geht’s?

Als ...

„Ein Buch ist nicht bloß ein Buch, Hails. Es ist die Chance, etwas von sich selbst in der Welt zu hinterlassen, wenn man eines Tages nicht mehr da ist.“ (Jesper zu Hailee in Falling Fast)

Worum geht’s?

Als Hailee im Rahmen ihres Roadtrips in der kleinen Stadt Fairwood landet, um das Grab ihres besten Freundes zu besuchen, hat sie nur ein Ziel: Möglichst schnell wieder aufzubrechen. Doch ihr Auto macht ihr einen Strich durch die Rechnung. Durch einen Motorschaden ist sie gezwungen, vorerst in Fairwood zu bleiben. Dort lernt sie Chase kennen. Und schon bald muss Hailee sich die Frage stellen: Möchte sie überhaupt wieder aufbrechen? Aber die Zeit drängt. Denn Hailee hat ein ultimatives Ziel…

Falling Fast ist der erste Teil einer Dilogie und ist nicht in sich geschlossen. Die Geschichte wird in Band 2 fortgeführt.

Schreibstil / Gestaltung

Das Cover ist ein wahrer Hingucker in zartem Lila mit goldenen Highlights. Das Cover lässt jedoch keinerlei Rückschluss auf den Inhalt des Buches zu. Im Laden wäre es mir jedoch definitiv aufgefallen.

Das Buch startet nach einer Triggerwarnung mit einer Art Prolog, dem ein Sprung in die Vergangenheit vor drei Wochen folgt. Ab hier wird die Geschichte durchgängig in linearer Form erzählt. Hailee und Chase führen den Leser in der Ich-Perspektive durch das Buch, wobei die Kapitel jeweils entsprechend übertitelt sind, teilweise jedoch auch mitten im Kapitel der Erzähler wechselt. Die charakterliche Darstellung bei den unterschiedlichen Erzählern fällt nicht sehr unterschiedlich aus, sodass man keinen wirklichen Unterschied merkt, je nachdem, wer erzählt. Der Schreibstil ist locker und gut lesbar. Das Spruch ist sprachlich angemessen für das Genre und die Protagonisten. Teilweise sind die Sätze der Autorin jedoch sehr umfangreich und detailliert, sodass man sich etwas im Text verliert.

Mein Fazit

Falling Fast ist mein erstes Buch der Autorin. Ich hatte etwas Sorge, ob mir das Buch gefallen kann, weil mir im Vorfeld von vielen Leute zugetragen wurde, dass Bianca Iosivoni für ihre sehr gefühlvolle und emotionale Schreibweise bekannt ist, wovon ich nicht ganz der Fan bin. Am Ende konnte mich das Buch aber aus zahlreichen anderen Gründen nicht überzeugen.

Der Einstieg in das Buch gelang mir ganz gut. Hailee kommt nach Fairwood, lernt in einer Bar Chase kennen, am nächsten Tag trifft sie ihn erneut in einem Cafe und kurz darauf will sie eigentlich aufbrechen. Doch ihr Auto streikt und eine Freundin von Chase, die Automechanikerin ist, prognostiziert eine längere Wartezeit. Ein Glück findet Hailee sofort eine kostenfreie Unterkunft, hierfür muss sie nur ein wenig kellnern. Schnell freundet sie sich mit Chase an, lernt seine Freunde kennen und erfährt dabei noch mehr über ihren besten Freund Jesper, der verstorben ist und dessen Grab sie besuchen wollte. Denn Chase und seine Freunde kannten Jesper aus Kindheitstagen und s schwelgt man gemeinsam in Erinnerungen. Der Einstieg ist seicht, zurückhaltend und frei von Dramen. Das ist ok, denn ein Buch muss nicht immer direkt mit einem Schlag anfangen. Das Problem bei Falling Fast ist jedoch, dass es über ca. 90% des Buches so bleibt. Denn viel mehr als die Geschichte um Jesper, mit dem Hailee befreundet ist, nachdem Chase sich mit ihm zerstritten hat, eine sich vorhersehbar anbahnende Liebesgeschichte zwischen Hailee und Chase und ein bisschen dörfliches Drumherum hat Falling Fast erstmal nicht zu bieten. Bereits am Anfang wird methodisch ein Thema nach dem anderen abgehandelt und nach einem Drittel fragte ich mich, was eigentlich noch kommen soll und nach dem zweiten Drittel erst recht, weil wirklich kaum noch eine Storyline übrig war bzw. gewisse Themen einfach im Sande verliefen, z.B. Chase Enthüllung über sein unfreiwilliges Hobby oder das Thema um Jespers Manuskript. Doch eine Sache bleibt da noch: Hailess Roadtrip, den sie per se nicht aufgeben möchte, und von dem sie andauernd spricht, dass er an einem bestimmten Tag an einem bestimmten Ort enden soll. Der Leser fragt sich: Warum? Dies ist eigentlich der einzige wirkliche Spannungspunkt in der Geschichte.

Über weite Strecken passiert also nichts, die Geschichte plätschert seicht vor sich hin. Sie erfüllt nebenbei noch ein paar Klischees, bringt noch ein paar schöne Momente und „Das Leben ist so wunderbar“-Aktionen mit sich, fügt sich wunderbar in diverse amerikanische Jugendfilme ein, wo gemeinsam am Lagerfeuer gesessen wird. Zwischendurch erinnert Hailee sich selbst, Chase und den Leser immer wieder daran, dass sie ja nur begrenzt vor Ort ist. Und hier fängt es an, schwierig zu werden. Denn tatsächlich umfasst Band 1 einen Zeitraum von drei Wochen. Das ist ein sehr kurzer Zeitraum, um eine solide und glaubhafte Liebesgeschichte aufzubauen. Und ich muss sagen: Die Autorin ist bei mir definitiv gescheitert. Da helfen auch die ach so romantische Momente, bei denen wahrscheinlich sogar Nicolas Sparks neidisch wird, nicht. Es gibt zahlreiche objektiv wunderschöne Szenen, die toll ausgemalt werden – bei mir aber keinerlei Gefühle ausgelöst haben, mir zu künstlich wirkten und auch zur Story nicht ganz passten, weil sie fast schon drüber wirken. Es ist so paradox, aber die Zeit im Buch war zu kurz und das Buch dafür zu lang. Es fehlt vorne und hinten an der Greifbarkeit der Gefühle, an der eigentlich normalen Entwicklung von Anziehung und springt direkt von 0 auf Liebe meines Lebens. Es fehlte an so vielen Stellen im Buch die Tiefe, dass ich nicht mitleiden konnte und keine emotionale Bindung zum Gelesenen gefühlt habe.

Die letzten paar Seiten von Falling Fast sind der Schlüssel des Buches. Sie sind die Erklärung für Hailees Verhalten und zugleich auch nicht. Ich habe mitbekommen, dass sehr viele Leser vom Ende geschockt, überrumpelt und entsetzt waren. Dies ist für mich nicht ganz nachvollziehbar, da spätestens ab zwei Drittel des Buches für mich sehr offensichtlich war, wie die Geschichte enden wird. Es ist ein heftiges und auch ein mutiges Ende für ein derartiges Buch. Es kam für mich nicht überraschend, ich kann aber nachvollziehen, wenn es andere Leser verblüffen mag. Inwieweit das Ende nachvollziehbar ist, sei mal dahingestellt. Für mich macht es aber vor allem im Hinblick auf Band 2 arge Probleme. Denn vieles bleibt ungeklärt und ihr Verhalten ist für mich etwas widersprüchlich und bedarf auf jeden Fall noch mehr Erklärung. Vor dem Hintergrund des Endes finde ich die von LYX geführte Marketing-Kampagne, die auf Hailees Motto für den Roadtrip „Sei mutig“ basiert, jedenfalls fast schon perfide und sarkastisch.

Zu den Charakteren muss ich festhalten: Hailee und ich sind über das gesamte Buch nicht warm geworden. Ich mochte sie nicht, sie wirkte über weite Strecken unauthentisch und sprunghaft. Durch ihre – zwar erklärbare – flatterhafte Art ist Hailee als Charakter wenig greifbar und das führte dazu, dass ich mich nicht wirklich für sie interessiert habe. Sie wirkt teilweise leider auch unauthentisch. Eigentlich ist sie schüchtern, dann faltet sie aber Chase volle Kanne zusammen, dann ist sie schüchtern und muss sich andauernd Mut zusprechen, klettert aber auf einem Felsen über einem Abgrund rum und fährt mit einem Wildfremden Motorrad, obwohl sie nichtmal zu Chase ins Auto steigen wollte. Chase hingegen gefällt mir sehr. Er wirkt nett, reflektiert und hat einiges einzustecken mit den ganzen Umständen. Sie soll 21 sein, benimmt sich teilweise aber irgendwie wie 15. Am meisten hat mich ihre vorverurteilende Art genervt, die vor allem Chase regelmäßig zu spüren bekam. Chase hingegen gefällt mir sehr. Er wirkt nett, reflektiert und hat einiges einzustecken mit den ganzen Umständen. Dennoch bleibt er eher zurückhaltend, zu perfekt und oberflächlich. Tatsächlich finde ich beide Charaktere sehr eindimensional und habe mir deutlich mehr Tiefe gewünscht. Vor allem Hailees eventuellen Gefühle blieben mir ein Rästel. ob und wie Hailee sich in Chase verliebt hat. Dass er sich verliebt – ich würde eher sagen verknallt – hat, war noch greifbar. Aber Hailees Gefühle waren für mich überhaupt nicht greifbar. Es wirkt für mich eher, als sei Chase ein angenehmer Zeitvertreib für sie.

Zudem muss ich sagen, dass es mich sehr gestört hat, dass die Autorin die Band Waiting for Juliet eingebaut hat, welche wohl aus einer anderen Buchreihe von ihr stammt. Das könnte natürlich für Fans der Autorin ein nettes Easter Egg sein, wenn man die anderen Bücher wie ich aber nicht kennt, wirkt es ehrlich gesagt nur nervig und verwirrend, weil es kein Punkt für mich ist, der ausufernder Beschreibung bedarf, während andere Sachen deutlich zu sehr auf der Strecke bleiben und mehr im Fokus stehen sollten als eine seitenlange Ausführung über diese Band.

Falling Fast ist ein Buch, welches viel Potenzial mitgebracht hat, sich auf dem Weg aber irgendwie selbst verlaufen hat und zu einer fast schon perfiden, nicht unbedingt nachvollziehbaren Lovestory mutiert ist, die sich mit diesem Ende im Hinblick auf einen glaubhaften Band 2 selbst im Weg steht. Statt mit dem Cliffhanger die Motivation in mir zu wecken, Band 2 unbedingt lesen zu wollen, bin ich mit argen Bauchschmerzen und einem heftigen Kopfschütteln zurückgeblieben. Und mit der traurigen Erkenntnis, dass durch die mangelnde Verbindung zu Hailee, der Fortlauf der Story für mich keine Relevanz hat und ihr Schicksal mir leider gleichgültig ist. Ob ich Band 2 lese, bleibt daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt unklar.

+++ es folgen im Weiteren Spoiler!!! +++

Woran ist es gescheitert, dass das Ende mich so ratlos und unzufrieden zurückgelassen hat? Hierfür muss man sich vor Augen halten, wie das Buch endet. Hailee hat sich bereits vor ihrem Roadtrip dazu entschieden, nach den drei Monaten „on the road“ aus dem Leben scheiden zu wollen, um mit ihrer Schwester Katie wiedervereint werden zu können. So steht ihr Entschluss, die Zeit in Fairwood und die Annährung mit Chase kann sie nicht aufhalten, sie hinterlässt einen Abschiedsbrief und bricht auf. Chase findet diesen und erfährt ihren finalen Plan. Das Buch endet hiermit. Nur: Was soll denn jetzt passieren? Weil: Hailee will sie umbringen. Die bisherigen Umstände haben nicht gereicht, sie im Leben zu halten. Ich bezweifle aber stark, dass die Autorin sie wirklich sterben lässt (bzw. Chase sie jedenfalls rechtzeitig findet). Einzig logische Konsequenz wäre dann für mich aber eine entsprechende fachpsychologische Behandlung. Ich hoffe also sehr, dass die Autorin in Band 2 das Ganze nicht so leichtfertig abarbeitet, dass Hailee sich dann doch noch umentscheidet und beide dann glücklich bis an ihr Lebensende leben, ohne dass es noch großartig thematisiert und vor allem behandelt wird. Es waren für Hailee nicht genug Gründe, Freundschaften geschlossen zu haben, sich verknallt zu haben und Aussicht auf einen Buchvertrag zu haben. Es wird eine schmale Gradwanderung, in Band 2 verständlich zu machen, wieso sie dann doch im Leben bleiben will. Sollte sie wider Erwarten aus dem Leben scheiden, so wird es vor dem Hintergrund der kurzen Zeit wenig erklärbar, dass Chase ewig leiden wird. Auf jeden Fall wird Fingerspitzengefühl benötigt, um hier eine nachvollziehbare, realistische und nicht idealistische Lösung zu finden.

[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, dass mir freundlicherweise vom Verlag überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]

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Veröffentlicht am 08.05.2019

konnte mich überhaupt nicht begeistern

Suddenly Forbidden (Gray Springs University 1)
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„Ich hätte wissen müssen, dass er seinen Weg weitergehen würde – dass irgendetwas passieren würde, statt naiverweise daran zu glauben, dass wir am Ende glücklich miteinander leben würden.“ (Daisy über ...

„Ich hätte wissen müssen, dass er seinen Weg weitergehen würde – dass irgendetwas passieren würde, statt naiverweise daran zu glauben, dass wir am Ende glücklich miteinander leben würden.“ (Daisy über Quinn in Suddenly forbidden)

Worum geht’s?

Mit klopfendem Herzen erscheint Daisy an der Gray Springs University, in der Hoffnung, ihren besten Freund und Jugendliebe Quinn wiederzusehen. Seit Kindstages befreundet entwickelte sich mehr zwischen den beiden, doch dann musste Daisy gehen. Die zwei Jahre getrennt voneinander hatte sie stets ihr gemeinsames Versprechen im Kopf: Zusammen nach Gray Springs zu gehen. Doch als sie jetzt dort ist und ihn endlich wiedersieht, muss sie feststellen, dass Quinn weitergemacht hat – mit ihrer gemeinsamen besten Freundin Alexis. Doch Daisys Herz kann es nicht akzeptieren, nach all der Zeit, die sie auf ihn gewartet hat…

Suddenly forbidden ist Band 1 der Gray Springs University Reihe. Das Buch ist in sich geschlossen, die Folgebände werden um andere Protagonisten gehen, die jedoch in diesem Buch bereits teilweise vorgestellt werden.

Schreibstil / Gestaltung

Das Cover mit einem Pärchen passt ganz gut zur Geschichte, ist jetzt aber weder besonders auffällig noch aussagekräftig. Das Buch wird sowohl aus Sicht von Quinn als auch von Daisy in der Ich-Perspektive erzählt, wobei der Anteil von Daisy etwas überwiegt. Die jeweiligen Kapitel sind entsprechend mit einer Überschrift versehen, sodass man weiß, wer erzählt. Im ersten Drittel des Buches wird zudem mehrfach zwischen den Zeiten gesprungen (primär Gegenwart und vor 2 Jahren, als Daisy und Quinn 15 bzw 16 waren), später verläuft das Buch linear in der Gegenwart. Das Buch schließt mit einem kurzen Epilog. Sprachlich unterscheiden sich die Kapitel von Quinn und Daisy nur in Nuancen, sodass man nicht den Eindruck eigenständiger Charaktere erhält.

Der Schreibstil des Buches ist zeitweise etwas träge, im Großen und Ganzen jedoch für einen New Adult Roman angemessen. Es gibt einige sprachliche Ausreißer und zahlreiche Wortwiederholungen, die den Lesefluss etwas stören. Dennoch war das Buch gut lesbar.

Mein Fazit

Suddenly Forbidden ist mein erstes Buch der Autorin. Ich bin ein großer Fan von Collegegeschichten und dachte, der Klappentext klingt nicht so schlecht. Doch selten hatte ich ein Buch, was so an meinen Nerven gezerrt hat – und das nicht im positiven Sinne.

Der Einstieg in das Buch gelang mir so mittelmäßig. Es dauert etwas, bis sich das Grundproblem entfaltet, welches man jedoch durch den Klappentext bereits kennt. Daisy kommt in der Erwartung, ihre Beziehung zu Quinn fortzuführen, nach Gray Springs. Quinn hingegen hat nicht nur nicht mit Daisys Ankunft gerechnet, sondern ist zwischenzeitig mit der aus Kindheitstagen gemeinsamen besten Freundin Alexis zusammengekommen. Für Daisy bricht eine Welt zusammen, denn ihr Herz kann nicht loslassen. Doch auch Quinn und Alexis werden durch Daisys Anwesenheit beeinflusst. Im Fokus der Geschichte steht daher Daisys gebrochenes Herz und die Frage, ob zwischen Daisy und Quinn alles Vergangenheit ist. Garniert wird das Ganze mit ein paar College-Klischees wie Partys, Dating und Football. Das erste Drittel des Buches arbeitet mit Rückblenden in die Zeit vor zwei Jahren, wo Daisy und Quinn zusammenkamen und Daisy ihn dann verlassen musste. Wechselnd wird die Vergangenheit und die Gegenwart beleuchtet, auch wechselnd in der Perspektive Daisy und Quinn. Das fand ich teils sehr verwirrend und auch durch die thematisch unterschiedliche Ausrichtung hatte ich lange Zeit das Gefühl, dass die Autorin unschlüssig ist, ob sie einen Young Adult Roman oder einen New Adult Roman schreiben möchte. Das Buch kam mir einfach so vor, als hätte es ein Identitätsproblem und wäre unfokussiert.

Der Spannungsbogen des Buches ist sehr niedrig bis kaum vorhanden. Von Anfang an war klar, in welche Richtung das Buch gehen wird und auf dem Weg dahin lässt es kaum ein Klischee aus und birgt auch keine wirklichen Überraschungen, nur um dann im Unvermeidlichen zu gipfeln. Ganz im Gegenteil hatte ich zwischenzeitlich das Gefühl, dass hier viel zu viele Längen vorhanden sind und nichts passiert, was die Story fördert. Vielleicht lag es an der Grundthematik, die eigentlich nicht so vielschichtig ist, dass sie für mich ein ganzes Buch füllen könnte. Ich hatte über weite Strecken keine Motivation, das Buch zu lesen und hatte nicht das Gefühl, gefesselt zu sein. Die Story plätscherte so vor sich hin. Ab etwa zwei Drittel war eigentlich auch alles gegessen und geklärt, aber es musste dann noch etwas Content für das Herz und vor allem für Band 2 her. Denn die Grundstory für Buch 2 ist hier schon angerissen. Das Buch verläuft bis auf eine Ausnahme undramatisch, diese Ausnahme wird mir aber auch zu wenig thematisiert und toleriert. Im Epilog wird dann der Kitschschalter hochgedreht und ich augenverdrehend zurückgelassen.

Die Charaktere waren alle eher platt und hatten wenige Facetten. Insbesondere die Protagonisten Daisy hat es mir sehr schwer gemacht. Mir ist bisher kaum ein Charakter untergekommen, der so naiv und anstrengend war wie Daisy. Man mag es niedlich finden, dass sie nach zwei Jahren Funkstille erwartet, dass Quinn freudestrahlend nur auf sie wartet – ich nenne es verblendet. Immer wieder wird ihre Enttäuschung thematisiert, dass er nicht auf sie gewartet hat und weitergemacht hat. Später im Buch wundert sich Daisy auch bei einem anderen Typen, dass dieser entgegen seiner Aussage nicht auf sie gewartet hat. Ich saß eigentlich nur da und habe gedacht „was hast du denn erwartet?“ Auch ansonsten waren die meisten Charaktere eher unsympathisch (Callum und vor allem Alexis) oder ich konnte keine Beziehung zu ihnen aufpassen (Pippa). Einzig Quinn hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen und hat für mich in vielerlei Hinsicht nachvollziehbar agiert.

Ich sagte ja bereits, dass das Buch an meinen Nerven gezerrt hat. Doch warum war das so? Neben der mir doch fehlenden Handlung (rückblickend frag ich mich, wie das Dargestellte überhaupt die hunderte Seiten gefüllt hat) und der für mich anstrengenden Protagonisten war es vor allem dem Schreibstil geschuldet. Das Buch hat sich durch einen Aspekt in mein Gehirn gebrannt: Die unglaublich inflationäre Nutzung des Wortes Yeah. Es vergingen kaum 3 Seiten, ohne dass mindestens einmal das Wort Yeah vorkam. Hierbei diese es wahlweise als hm, ja, ja? und kam gern auch in den unpassendsten Situationen vor. Selten hat mich ein kleines Wort so aggressiv gemacht wie hier. Daneben gab es zahlreiche Wort- und Phrasenwiederholungen (es wird sehr häufig mit den Augenbrauen gewackelt) und einige sprachliche Ausreißer, die für mich nicht ins Buch gepasst haben (Drückeberger und Süßholzraspler, gesagt von einer 14jährigen).

Insgesamt ist Suddenly forbidden ein Buch, was ich nicht einmal als gute Lektüre für zwischendurch betiteln würde. Allerdings konnte mich das Buch zumindest neugierig machen, dass ich mich auf Band 2 freue, da die Thematik des Folgebands doch deutlich interessanter klingt. Hoffentlich ist da der Schreibstil nicht so anstrengend wie hier.

[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, dass mir freundlicherweise von Netgalley und dem Verlag überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]

Veröffentlicht am 30.04.2019

unemotionale Liebesgeschichte, die viel zu stark konstruiert ist

Up All Night
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„In meinen Armen darfst du immer schwach sein. Du brauchst keine Angst haben, denn ich würde dich niemals verurteilen.“ (Daniel zu Taylor in Up all night)

Worum geht’s?

Es ist der wohl schlimmste Tag ...

„In meinen Armen darfst du immer schwach sein. Du brauchst keine Angst haben, denn ich würde dich niemals verurteilen.“ (Daniel zu Taylor in Up all night)

Worum geht’s?

Es ist der wohl schlimmste Tag in Taylors Leben. Gefeuert, das Auto geklaut, den Freund zuhause beim Fremdgehen im eigenen Bett erwischt – sie ist am Boden. Nie im Leben hätte sie damit gerechnet, ausgerechnet heute Daniel, ihren besten Freund aus Kindheits- und Jugendtagen, nach 10 Jahren wiederzutreffen. Als er ihr eine starke Schulter zum Ausweinen und ein WG-Zimmer anbietet, lehnt sie ab. Sie hat genug von Männern, die ihr Leben kaputtmachen. Doch sie ändert ihre Meinung, als Daniel ihr offenbart, dass er mittlerweile schwul ist. So kann ja dann nichts passieren. Aber irgendwie verspürt Taylor dennoch ein komisches Kribbeln in seiner Gegenwart…

Up all night ist Band 1 der gleichnamigen Reihe von April Dawson. Gegenwärtig ist eine Fortsetzung angekündigt. Up all night ist jedoch thematisch in sich geschlossen, in Band 2 wird es um andere Protagonisten gehen, die bereits in Band 1 vorgestellt wurden.

Schreibstil / Gestaltung

Das Cover von Up all night ist wunderschön und für mich ein absoluter Hingucker. Die Farbgebung spricht mich sehr an und die Skyline orientiert sich am Setting des Buches – nämlich New York. Das Cover erinnert mich an den Himmel in den Morgenstunden und das passt sehr gut zum Buch. Durch das Cover fühle ich mich so sehr angesprochen, dass ich mir das Buch unbedingt anschauen möchte. Eines der schönes LYX-Cover bisher.

Die Geschichte um Taylor und Daniel wird linear und sowohl aus Sicht von Taylor als auch aus Sicht von Daniel in der Ich-Perspektive erzählt. Hierbei überwiegt allerdings Taylor etwas von der Kapitelanzahl her. Das Buch schließt mit einem kurzen Epilog. Der Sprachstil der Autorin ist größtenteils entspannt und flüssig lesbar, manchmal hängt‘s aber auch. Ich habe das Buch komplett in einem Rutsch gelesen, was gut machbar ist. Die Autorin setzt zum Großteil auf kurze Sätze ohne viele Nebensätze und wirkte auf mich als Liebhaberin des Ausrufezeichens. Das Buch ist sprachlich angemessen für (junge) Erwachsene. Man merkt einen leichten Unterschied in der Erzählweise von Taylor und von Daniel, jedoch keinen so gravierenden, dass ich bei beiden ihren eigenen Charakter wiedererkenne.

Mein Fazit

Es ist stets ein Gewissenskonflikt: Sollte man von einer Autorin, die einen bereits einmal nicht begeistern konnte, ein weiteres Buch lesen? So ging es mir bei Up all night. Die Grundgeschichte sprach mich an, aber ich kannte bereits Still Broken von der Autorin und war hiervon alles anderes als begeistert. Dennoch habe ich es gewagt und Up all night gelesen. Zweite Chancen und so… Hat es sich gelohnt? Ich bin zwiegespalten.

Der Einstieg in das Buch ist mir gut gelungen. Die Geschichte setzt direkt an Taylors schwarzem Tag an und relativ schnell tritt auch Daniel auf die Bildfläche. Als dieser seine bereits seit 10 Jahren nicht mehr gesehene Freundin und ehemalige Nachbarin sieht, möchte er sie zum Einziehen bewegen. Da sie aber nicht will, weil sie genug von (heterosexuellen) Männern hat, tischt er ihr die Lüge auf, schwul zu sein. (Da diese Offenbarung dem Leser bereits in den ersten 50 Seiten des Buches gemacht wird, verzichte ich darauf, dies als Spoiler anzusehen.) Nun vollkommen beruhigt zieht Taylor in die WG und findet dort neben Daniel auch mit Addison und Grace zwei neue Freundinnen. Im Verlauf des Buches geht es nunmehr hauptsächlich um die Freundschaft von Taylor und Daniel, seine mutmaßliche Homosexualität, die Anziehungskraft zwischen Daniel und Taylor und einige minimale Randthemen wie Jobsuche.

Ich bin nie mit der Erwartung an das Buch herangegangen, hier eine innovative und vollkommen neue Geschichte zu finden. Das ist meiner Meinung nach heutzutage auch kaum noch möglich. Daher war von Anfang an die Marschrichtung des Buches klar. Das Buch wahrtet zu keiner Zeit mit Überraschungen oder Plottwists auf, es verfügt über einen sehr geringen Spannungsbogen und verläuft lediglich auf den letzten 15% des Buches dezent dramatisch. Insbesondere ab dem Zeitpunkt des Einzugs von Taylor in die WG bis zu etwa 60% des Buches passiert eigentlich nichts, außer dass Daniel sich permanent für seine Lüge verflucht, Taylor wahlweise schläft oder sich zu Daniel hingezogen fühlt – sich aber dann gebetsmühlenartig immer wieder aufsagt, dass er ja schwul sei. Auch für den Leser wird quasi alle zehn Seiten von einem der Charaktere daran erinnert, dass er ja gar nicht schwul ist, aber so tut. Irgendwann empfand ich das so müßig, dass ich angefangen habe, die Augen zu verdrehen. Ein wirkliches Knistern zwischen beiden konnte ich auch erst ziemlich spät wahrnehmen und dann ging alles doch fast schon zu rasant.

Es gab zudem zahlreiche Plots und Personen, die dann fix begraben oder schlichtweg vergessen wurden. Exemplarisch möchte ich hierbei etwa auf Addisons Verlobten Bezug nehmen, der mehrfach thematisiert wird, aber eigentlich überflüssig war, weil für Addison ein ganz anderes Schicksal vorgesehen ist. Ebenso ist Addison gegenüber Taylor von Anfang an feindselig gestimmt, später erfährt man in drei Sätzen wieso (und das wieso erweist sich als uralt und falsch) und dann ist auch alles gut, als sei nichts gewesen. Wieso brauchte es dies dann überhaupt? Es kam mir häufig einfach als Seitenfüller voller Nebelkerzen vor. Oft kam es mir auch so vor, als hätte die Autorin Gedanken gehabt, die vorkommen sollten, aber dann vergessen, sie im Plot einzuflechten oder fortzuführen. So verschwinden Leute auch gern wortlos von der Bildfläche – etwa Taylors beste Freundin Miranda und ihre ehemalige Arbeitskollegin Charlie– oder Daniels einer Freund Luke hat ein Problem mit Daniel, welches regelrecht auf den letzten Seiten noch zurechtgebügelt wird. Man hätte das Buch, welches teilweise doch etwas ausufernd wirkte, sicher um zahlreiche Seiten kürzen und somit knackiger gestalten können.

Ab 60% nimmt das Buch dann etwas Fahrt auf, als ein vermeintlicher Kontrahent für Daniel auftritt, der sodann von diesem in Gedanken wahlweise beleidigt oder mit Schlägen bedroht wird (jedoch äußerst humorvoll). Es folgt ein wenig Erotik, die bei mir leider ebenso krampfhaft wirkte wie andere Teile des Buches, noch mehr belanglose Momente (Seitenfüller) und dann natürlich das große Drama. Zum dramatisch anmutenden Finale kann ich nur sagen, dass dies für mich deutlich zu dick aufgetragen war und zugleich nicht greifbar war. Fast wirkte es, als sei hier krampfhaft eine Bombe hochgegangen, die das Buch gar nicht nötig gehabt hätte. Auf jeden Fall wirkte das Ende eher so, als hätte die Autorin keinen Ausweg mehr gewusst, weil die Lüge ja noch irgendwie thematisiert werden musste - für meinen Geschmack auch viel zu spät, weil man so keine anständige Entwicklung mehr hinlegen konnte. Es wurde so ein komisches Drama, was in einem doch stark konstruiertem Finale gipfelt, entwickelt. Inwiefern, werde ich unten im Teil ausführen, der mögliche Spoiler enthalten kann.

Charaktertechnisch hat das Buch bei mir auch nur bedingt punkten können. Protagonistin Taylor und ich sind zu keiner Zeit warm geworden. Abgesehen von ihrer ausufernden Schlaferei in diesem Buch – zugleich wurde aber in Nebensätzen immer wieder betont, dass sie ja einen Job sucht – empfand ich sie über weite Strecken einfach als anstrengend, maulig und naiv. Es gab so viele Winks mitm Zaunpfahl, dass es sogar mir als Leser schon wehtat, und dennoch will sie einfach nichts merken, im Gegenteil zweifelt sie auch noch alles an, obwohl etwa 100 Leute ihr sagen, was Sache ist. Wenn ich bedenke, dass Taylor Mitte/ Ende 20 sein müsste, war ich hier teilweise doch sehr enttäuscht. Ihr Verhalten war häufig inkonsequent und machte somit an einigen Stellen die Geschichte auch unglaubwürdig und unrund. Auch dies werde ich im Spoilerteil ausführlich anhand des Grundkonstrukts der Geschichte erläutern. Ganz gut gefallen hat mir hingegen Daniel, der zwischenzeitlich witzig daherkam, aber für mich zugleich teilweise leider aber auch etwas eindimensional blieb. Insgesamt habe ich von den beiden Hauptprotagonisten nur mitgenommen, dass Daniel permanent friert und Taylor permanent schläft. Highlight waren allerdings die Nebencharaktere, insbesondere Addison und Grace. In Up all night ist bereits die Story von Buch 2 angekratzt und diese geht um Addison und Drake, einem Charakter, der hier doch sehr witzig daherkam. Jedes Mal, wenn beide auftraten, habe ich mich köstlich unterhalten gefühlt.

Eine positive Überraschung war für mich der untypische Epilog. Man kennt es häufig, dass der Epilog quasi das „Happily eben after“ eines Buches ist. Bei Up all night fungiert der Epilog als schöne Überleitung zu Band 2 „Next to you“. So hatte ich nach dem konstruiertem Ende dennoch das Gefühl, zufrieden aus dem Buch zu gehen.

Kritisieren muss ich allerdings, dass im Buch doch gelegentlich der Fehlerteufel zugeschlagen hat. Es gibt oftmals Wortwiederholungen (so wird etwa 3x auf einer halben Seite die gleiche Wortwendung „sich verwöhnen“ verwendet), selbst bei einigen Szenen hatte ich fast ein Deja Vu Erlebnis. In einem Kapitel wechselt plötzlich mitten im Text die Perspektive aus der Taylor-Perspektive in die Daniel-Perspektive und mit dem nächsten Absatz wieder zurück. An einer Stelle wird ein Charakter als karamellfarben betitelt, später tropft der Schweiß von seiner schokobraunen Haut. Auch Rechtsschreib- und Zeichensetzungsfehler sind vorhanden. Das sind Sachen, die allesamt durchaus passieren können, aber durch ein Lektorat eigentlich begraben werden sollten.

Insgesamt muss ich sagen, dass ich Up all night deutlich stärker fand als Still Broken von der Autorin. Dennoch war mir die Geschichte zu unrund, die Grundkonstruktion zu unsinnig konstruiert und das Buch über weite Phasen einfach zu langatmig und belanglos. Ich bin mit der Protagonistin nicht warmgeworden, habe mich allerdings in die beiden Protagonisten aus Band 2 verliebt. Daher werde ich „Next to you“ lesen, vielleicht ist es dieses Mal nach dem Motto „alle guten Dinge sind 3“ ja ein Erfolg. Up all night jedenfalls ist ein Buch, was für zwischendurch ganz annehmbar war, allerdings sein definitiv vorhandenes Potenzial nicht nutzt.

+++ es folgen im Weiteren mögliche Spoiler +++

Hätte, hätte. Das war ein Gedanke, der sich bei mir sehr durch das Buch zog. Ich mag es eigentlich nicht, das Grundkonzept eines Buches zu kritisieren. Die Autorin hat sich etwas dabei gedacht und ich beschränke mich üblicherweise darauf, ob es für mich einleuchtend war oder nicht. Aber bei Up all night muss ich ausnahmsweise das Grundkonzept und die Konzipierung kritisieren. Denn beim Lesen stellte ich fest, dass die Grundidee mit Daniels Lüge für mich ein komplett unsinniger Plot war und zu einem enormen Konstruktionsaufwand geführt hat, der das Buch blockiert und nicht vorangetrieben hat. Woran lag das?

Die Geschichte beginnt mit Taylors schwarzem Tag. Job weg (mutmaßlich, weil der Praktikant den Chef verführt hat), Auto weg („ich schließe es doch immer ab?“) und dann Freund zuhause im Bett mit der Nachbarin erwischt – harte Kost. Und zu viel. Denn für die Geschichte spielte es keine Rolle, dass ihr Job weg war (oder sollte hiermit Platz gemacht werden für ihr Schlafen?) und das geklaute Auto wurde für mich auch nur notwendig, damit irgendwie ihr potenzielles Love Interest Ian (welchen sie anfangs mit Daniel verkuppeln wollte, später dann aber selbst datet) auftreten kann. Und so ging es los, dass ich mich über das krampfhaft konstruierte Geschehen sehr bald aufgeregt habe. Dass sie Daniel ausgerechnet heute, nach 10 Jahren, wiedertrifft – Schicksal! Doch jetzt folgt eine Entscheidung der Autorin, die im dreifachen Sinne nicht greifbar ist. Entscheidung 1: Taylor jault über einige Seiten, dass sie jetzt obdachlos ist (und ihr Auto weg ist). Die Arme, dachte ich mir. Hat wahrscheinlich kein Geld und weiß nicht wohin, weil sie direkt von „bei Freunden schlafen“ sprach. Einige Sätze später ergibt sich aber, dass sie genug Geld hat, um 6 Monate nicht arbeiten zu müssen und sodann sogar noch ein Erbe hat (und das Auto ist versichert, aber es ist ihr Auto!) Will sie nicht anfassen, weil man weiß ja nie, geht dann aber erstmal shoppen. Bereits an dieser Stelle stellte ich also fest, dass Taylor gar nicht hilflos war – sie hätte in ein Motel, Hotel, Airbnb gehen können. Mag kleinlich klingen, ist für mich aber vor allem eins: Inkonsequent. Denn auf Grundlage ihrer Hilflosigkeit bekommt sie von Daniel ja den WG-Platz (den sie zufällig freihaben) angeboten. Hier kommt jetzt aber Entscheidung 2: Taylor ist so von der (heterosexuellen) Männerwelt enttäuscht, dass sie auf keinen Fall mit Daniel, jahrelangem Sandkastenfreund und ehemaligem besten Freund, zusammenziehen möchte. Ich verstehe, dass ihr Herz durch den Betrug ihres Exfreundes leidet, aber offensichtlich hat sie ihren Job ja durch eine homosexuelle Beziehung verloren und die Sexualität der Diebe bleibt ungeklärt. Dennoch ist die einzig nachvollziehbare Entscheidung, der heterosexuellen Männerwelt abzuschwören. Kurioserweise findet sie aber bereits einige Seiten später das Exemplar Hottie-Polizist, später das Exemplar Hottie-Addison-Verlobter und dann auch Hottie-Nachbar sehr ansprechend – ganz zu schweigen natürlich vom mutmaßlichen homosexuellen Mitbewohner. Taylors Abschwören führt zu Entscheidung 3: Daniels „Notlüge“, schwul zu sein. Für Taylor ist plötzlich die Welt wieder in Ordnung und es stört sie dann auch nicht, als er später mutmaßlich bisexuell ist.

Die Wahrheit ist: Daniel hätte alles sagen können, von er sei vergeben über er sei verheiratet – genommen wurde aber die Homosexualität. Im Verlauf der Geschichte sodann kristallisiert sich für mich ein ganz anderes Hauptproblem hervor: Daniel und Taylor haben Angst um ihre Freundschaft. Beide befürchten, der andere empfinde nicht identisch. Und so stellte sich schon bald die Frage: wieso eigentlich dieser Umweg über die Homosexualität, wenn eine schlichte Friendzone-Story (ja, die Friendzone, die zahlreich im Buch angesprochen wurde) vollkommen ausgereicht hätte. Meine vermutete Antwort: Irgendwo muss ja das Drama sein. Denn eigentlich spielt Daniel Sexualität nur später eine Rolle, als er ihr gesteht sie angelogen zu haben. Nicht greifbar war für mich zudem, dass über 10 Leute von der grundlegende Lüge wussten, aber alles es irgendwie toleriert haben. Selbst Miranda, die beste Freundin von Taylor, enttarnt Daniel, zu dem sie keine Beziehung oder Verbindung hat – und findet seine Motive offenbar so ehrenhaft, dass sie ihrer besten Freundin nicht steckt, was dort läuft. Niemand verplappert sich, alles ziehen an einem Strang, Taylors komplettes Umfeld belügt sie. Gemeinsam für das Happy End, oder so.

Und hier sind wir bereits beim nächsten Punkt. Alles ist gut, alle sind glücklich, Taylor denkt Daniel sei bisexuell. Und dennoch möchte Daniel unbedingt noch auflösen, dass er gelogen hat, weil er weiß, wie sehr Taylor Lügner hat. Denn Taylors Mutter hat sie angelogen über ihren Gesundheitszustand. An dieser Stelle geht Taylor volle Kanne in die Luft. Und ich fragte mich: Ist es nachvollziehbar? Für mich nicht. Denn ja, Daniel hat es lang durchgezogen, aber es ändert nichts an den Gefühlen. Taylor hat hierdurch keine Nachteile, keine Einschränkungen – ganz im Gegenteil. Es wirkte einfach zu gewollt, dass hier jetzt durch die Enthüllung noch Drama und Herzschmerz kommen muss. Das Fass zum Überlaufen brachte dann noch das wunderbar kitschige Zeitkapsel-Video, welches auf einer Klassen-Treffenfeier gezeigt wird – übrigens 10 Jahre früher als erwartet, aber just in time um in der traurigen Sekunde Taylors Gedanken geradezurücken. Diese übermäßig konstruierte Zusammentreffen allerlei Zufälle war einfach irgendwann zu unrealistisch. Taylor verzeiht dann auch nahezu ratzfatz, nachdem ihr Vater ihr klarmacht, dass Leute aus guten Gründen lügen können – nämlich aus Liebe (so wie Taylors Mutter nachvollziehbar gelogen hat, es aber dennoch etwas kurios anmutet, die beiden Lügen in ein Verhältnis zu stellen, wie Taylor es macht). Doch alles, was ich dachte, war: Es hätte diese Lüge nicht gebraucht. Und wäre diese Lüge nicht gewesen, wäre dadurch nicht ein permanenter Kampf und Krampf entstanden, vielleicht hätte mich das Buch dann richtig begeistern können.

[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, dass mir freundlicherweise vom Verlag überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]

Veröffentlicht am 28.03.2019

mehr Fachbuch als Sachbuch

Geheimnisse der Vernehmungskunst
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Worum geht’s?


Josef Wilfling hat über 40 Jahre als Polizist gearbeitet, davon über 22 Jahre bei der Mordkommission. Er kennt den Alltag und die Polizeiarbeit und möchte mit seinen Büchern Einblicke in ...

Worum geht’s?


Josef Wilfling hat über 40 Jahre als Polizist gearbeitet, davon über 22 Jahre bei der Mordkommission. Er kennt den Alltag und die Polizeiarbeit und möchte mit seinen Büchern Einblicke in eine Welt gewähren, die vielen normalerweise verborgen bleibt oder nur aus Tatort-Sendungen bekannt ist. Sein viertes Buch „Geheimnisse der Vernehmungskunst“ soll sein enormes Erfahrungswissen rund um das Thema Vernehmungen für die breite Öffentlichkeit zugänglich machen und damit noch tiefere Einblicke in die Welt der Strafverfahren liefern.



Schreibstil / Gestaltung


Das Cover zeigt Herrn Wilfling mit einem Tisch samt Stuhl im Hintergrund, das typische Bild eines Vernehmungszimmers. Der Titel ist in einer schreibmaschinenartigen Schrift geschrieben und passt zum Vernehmungsthema. Als Highlight gibt es zudem einen roten „Stempelabdruck“, der die Strategien des legendären Mordermittlers verspricht. Insgesamt wirkt die Gestaltung etwas effekthascherisch, passt zugleich aber auch zu den drei bisherigen Büchern des Autoren.


Das Buch umfasst nach einem Vorwort grob acht Hauptabschnitte mit jeweils mehreren kürzeren Unterabschnitten. Jeder Hauptabschnitt befasst sich mit einem anderen Aspekt rund um das Thema Vernehmung. Die Unterabschnitte sind von halbseitig bis mehrere Seiten lang. Im Anhang findet man Vernehmungskonzepte und ein Schlagwortregister. Der Schreibstil ist sehr nüchtern und sachlich gehalten mit vereinzelten persönlichen Äußerungen des Autoren.


Mein Fazit


Noch nie war ich nach der Lektüre eines Buches so zwiegespalten wie bei „Geheimnisse der Vernehmungskunst“. Mir sind die drei bisherigen Bücher des Herrn Wilfling bekannt und auch Jahre später gelten sie als eine meiner Top-Empfehlungen im Bereich der Real Crime Bücher. Groß war daher die Freude, als ich sah, dass Herr Wilfling ein weiteres Buch herausbringt. Ich ging davon aus, dass es in eine ähnliche Kerbe schlagen würde wie die Vorgänger. Auch der Klappentext klang für mich nach berichtender Erzählung aus der Polizeipraxis mit Erkenntnissen für den Alltag.


Als ich in der Vorschau das Inhaltsverzeichnis sah, war ich kurzzeitig irritiert und nicht überzeugt – und habe mich entgegen meines Bauchgefühls für das Buch entschieden. Das, so musste ich mittlerweile feststellen, war ein Fehler. Doch wieso? Ich weiß nicht, ob es an falscher Erwartung meinerseits aufgrund der bisherigen Bücher lag oder ob der Klappentext und die Infotexte etwas Falsches suggerieren: Geheimnisse der Vernehmungskunst ist für mich kein Real Crime Buch, es ist für mich kein Sachbuch und es ist vor allem kein Publikumsbuch. Bereits das sehr kleinschrittige Inhaltsverzeichnis gab den Hinweis darauf und dennoch habe ich es „übersehen“. Dieses als Handbuch bezeichnete Buch ist nichts anderes als ein Lehrbuch. Detailliert wird jeder Schritt rund um das Thema Vernehmung durchgearbeitet, inklusive gesetzlicher Grundlage und zahlreicher juristischer Definitionen. Das Buch liest sich von Seite 1 an wie eine Anleitung für (angehende) Vernehmungsbeamte. Herr Wilfling erwähnt in seinem Vorwort, dass die Erkenntnisse „für jene Leser, die nicht dem professionellen Bereich angehören“ auch alltagstauglich sind. Welche Erkenntnisse dies sein sollen, vermag mir bis zum Ende nicht einzuleuchten. Ich erfahre in diesem Buch, dass jemand nicht via Postkarte geladen werden darf, den Unterschied zwischen Spontanäußerungen und informatorischen Befragungen und wie der BGH und das BVerfG zum Thema verdeckte Ermittler stehen. Außerdem weiß ich jetzt, welche Punkte Verteidiger gerne anprangern – laut Autor unberechtigt, laut meiner Erfahrung oftmals berechtigt – und welche Stolpersteine später vor Gericht warten. Sind das Informationen, die der durchschnittliche Leser eines Publikumsverlags sucht? Ich denke nicht. Sind es Inhalte gewesen, die ich erhofft oder erwartet habe? Ja, aber anders verpackt.


Anders verpackt, das wäre es gewesen. Denn der innere Zwiespalt, in dem ich mich befinde: Das Buch ist brillant. Es ist lehrreich, es ist ausführlich, es ist hilfreich. Aber nicht für den Durchschnittsleser. So ein Buch erwarte ich im Bereich (juristischer) Fachliteratur. Es ist das optimale Lehrbuch, schön auf den Punkt geschrieben, mit zahlreichen Anekdoten und Meinungen gepaart. Man merkt, dass der Autor Polizeischüler unterrichtet. Denn genau so liest sich „Geheimnisse der Vernehmungskunst“ – wie ein ausformuliertes Vorlesungsskript. Aber so wirkt das Buch nun einmal äußerlich nicht. Insbesondere Kenner der Vorgängerbände könnten hier enttäuscht werden und interessierte Leser sich von der Sachlichkeit erschlagen fühlen. Das Cover suggeriert für mich einfach ein nettes Real Crime Erfahrungsberichte Buch und das hält das Buch nicht. Die wenigen Fälle, die erwähnt werden, wirken wie Übungsfälle an einer Polizeischule, zudem arbeitet der Autor mit vielen Zusammenfassungen – schwierig, wenn ein Unterabschnitt nur aus zwei Seiten besteht, was muss hier denn noch zusammengefasst werden?


Kurios anmutend finde ich auch den Abschnitt im Klappentext „Blick hinter die Kulissen, wie er spannender nicht sein könnte“. Dieses Buch hat gewiss vieles, aber sicher keine Spannung. Ich wüsste auch nicht, an welcher Stelle Spannung aufkommen könnte. Es ist definitiv informativ, es ist breit gefächert und es gewährt einzigartige Einblicke. Aber die nüchternen Beschreibungen, die andauernden Hinweise auf mögliche Fehlerquellen und das Gefühl, dass ich als Leser nicht Zielgruppe bin, lassen zu keiner Zeit auch nur den Hauch von Spannung aufkommen.


Mehr als einmal störte ich mich zudem an Äußerungen des Autoren. So schlägt er auch gern gegen Anwälte. Auf S. 51/52 wird unter anderem thematisiert, dass er als unschuldig Beschuldigter natürlich auf Teufel komm raus reden würde und sich erklären würde und er daher Anwälte mit ihrem Schweigerat nicht verstehen könne – gerade von jemanden, der erzählt, wie komplex Vernehmungssituationen sind und hier auf über 200 Seiten Tipps gibt, wie man am besten die Vernehmung beeinflussen kann, hätte ich mehr Weitsicht erwartet. Da der Autor aber bereits im Vorwort sagt, der Leser muss seine Meinung nicht teilen, schaue ich hierbei darüber hinweg.


Insgesamt bleibt der Eindruck, dass man äußerlich ein publikumswirksames Buch auf den Markt bringen wollte – innerlich aber Fachliteratur präsentieren mag. Wäre das Buch als solches deklariert gewesen, hätte es von mir die volle Punktzahl erhalten (wobei: wäre es ausdrücklich als Lehrbuch deklariert gewesen, hätte ich es nie gelesen). Da es als solches für mich aber nicht erkennbar ist und daher für mich nicht den Erwartungen entsprach, kann ich hier leider nur Abstriche machen. Ich rate daher jedem: Vor dem Kauf das Inhaltsverzeichnis und eine Leseprobe anschauen.

[Diese Rezension basiert auf einem Rezensionsexemplar, dass mir freundlicherweise vom Verlag überlassen wurde. Meine Meinung ist hiervon nicht beeinflusst.]