Die Aufmachung
Zu dem Buch, das ich selbst besitze, kann ich leider nur enttäuscht sagen, dass ich die Aufmachung nicht sehr gut gelungen finde. Klar, es ist alt und hat viele Gebrauchsspuren, da es noch meiner Oma gehört hat, aber der Umschlag ist nicht mehr vorhanden, sodass ich bloß auf einen orangeroten Leineneinband schaue, wenn ich einen Blick auf den Schmöker werfe. Die schwarzen Applikationen zeigen einen Einspänner, der aus einer zerbombten Stadt flieht, was mich in dem Glauben lässt, die Fluchzszene von Atlanta nach Tara wird hier dargestellt.
Die schwarze Farbe, mit der die Applikationen auf die Leinen gedruckt wurden, geht leider bei jeder Berührung ein bisschen weiter ab, weshalb ich mich kaum noch traue, das Buch anzufassen. Da ich jedoch auch die neuere Ausgabe nicht zur Hand habe, möchte ich zu deren Aufmachung nichts sagen; ich hoffe, ihr versteht das.
Inhaltsangabe
Scarlett O'Hara ist die wohl beliebteste junge Dame in ganz Georgia. Mit ihren beiden Schwestern und ihren Eltern sowie ihren Sklaven lebt sie auf Tara, der Baumwollplantage ihres Vaters. Doch trotz ihrer vielen Verehrer hat Scarlett nur Augen für Ashley, dessen Familie schon immer innerhalb der engeren Verwandtschaft geheiratet hat. Blind vor Liebe macht Scarlett sich trotzdem Hoffnungen und als Ashley seine Cousine Melanie heiratet, bricht es ihr das Herz. In wütender Eifersucht heiratet sie Charles Hamilton, den Bruder Melanies, und muss bald darauf als Witwe und alleinerziehende Mutter ihren Unterhalt verdienen. Ihr Stolz jedoch hält sie davon ab, auch nur einen Finger zu rühren, bis die Umstände es ihr nicht anders ermöglichen. Innerhalb von ein paar Jahren ist sie bettelarm und schuftet sich auf Tara ab, weil alle Feldsklaven nach dem Sieg der Yankees gegen die Konföderierten geflüchtet sind und nur wenige auf dem Familienbesitzt geblieben sind.
Vor ihrer Heirat mit Charles hatte Scarlet noch nie einen Mann getroffen, dem ein schlechter Ruf anhaftete. Bis sie Rhett Butler kennenlernt, den immer gut gekleideten Mann, der sein Geld größtenteils mit unehrlichen Geschäften verdient. Er läuft ihr auch nach Charles' Tod häufiger über den Weg, als ihr lieb ist, da sie ihn von ganzem Herzen hasst. Rhett jedoch gibt schon bald zu, sich nach ihr zu verzehren, aber Scarlett bleibt stur. Sie merkt nicht, wie nahe sie sich kommen, sondern trauert noch immer Ashley hinterher. Bis sie in ihrer Verzweiflung als arme Witwe eine folgenschweire Entscheidung macht, die ihr Leben und das von Rhett für immer verändern soll ...
Der Schreibstil
"Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blühet wie eine Bume auf dem Felde; wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennet sie nicht mehr. (Psalm 103)"
Mit diesem Psalm beginnt die Geschichte rund um Scarlett O'Hara. Er regt zum Nachdenken an und hat eine wichtigere Bedeutung für die Geschichte, als man zunächst denken mag. Doch das sollte jeder Leser selbst herausfinden, da ich nicht zu weit vorgreifen will.
Dadurch, dass meine Ausgabe des Buches schon etwas älter ist, entspricht natürlich auch der Schreibstil nicht der heutigen Zeit. Anfangs war es dadurch etwas schwer, in die Geschichte reinzukommen, aber schon bald war ich komplett drin. Außerdem finde ich den Schreibstil viel einfacher als bei anderen Klassikern wie beispielsweise "Stolz und Vorurteil" von Jane Austen. Zudem werden viele Details ans Tageslicht geholt, sodass die teilweise wirklich großen Zeitsprünge innerhalb der Geschichte kaum auffallen und alles flüssig lesbar ist. Die vielen Details sorgen jedoch auch dafür, dass sich die Story zwischendurch sehr in die Länge zieht, was noch mal durch die größtenteils sehr langen Kapitel noch stärker hervortritt.
Ein weiterer Kritikpunkt sind die vielen unterschiedlichen Namen, die vor Allem am Anfang sehr verwirrend sind. Viele klingen ähnlich, und man kann sich einfach kein Gesicht zu den Personen bilden, wenn sie nur des Öfteren erwähnt werden und man jetzt gar nicht so genau weiß, wer gemeint ist. Im Laufe des Buches wird das jedoch auch wieder besser, da nur noch eine gewisse Auswahl an Charakteren drankommt, während alle unwichtigen ganz verloren gehen. So kann man sich dann auch besser auf das Aussehen und ihre Art und Weise konzentrieren, wo man vorher noch gar kein Bild vor Augen haben konnte.
Im Buch gibt es zudem ein paar widersprüchliche Aussagen:
"Scarlett O'Hara war nicht eigentlich schön zu nennen."
Das ist der erste Satz, mit dem das erste Buch beginnt, und somit muss er wohl auch von Bedeutung für die gesamte Geschichte sein. Tja, da habe ich wohl falsch gedacht, denn obwohl anfangs öfter behauptet wird, Scarlett sei gar nicht so attraktiv, ist sie doch um ein Großes hübscher als alle anderen Mädchen Georgias.
Außerdem finden sich manchmal ein paar versteckte Rechtschreibfehler, die im Lesefluss aber eigentlich kaum auffallen. Beispielsweise wurde einmal Gaglen statt Galgen geschrieben und Kapitualtion statt Kapitulation. Nun ja, so etwas kann natürlich mal passieren, aber ich fand es trotzdem irgendwie schade.
Idee und Umsetzung
Die Grundidee ist in Klassikern meistens dieselbe: eine junge Dame, die vorm Rest der Gesellschaft heraussticht und die letzten Endes trotzdem ihr Glück findet. Trotzdem unterscheiden sich die Klassiker dann auch wieder ziemlich voneinander. Wenn man es mal aus der Ferne betrachtet, so ist die Grundidee von "Vom Winde verweht" ganz ähnlich der von "Stolz und Vorurteil", obwohl es beides grundverschiedene Geschichten mit ganz anderen Charakteren und Handlungsweisen sind.
Die Umsetzung der wenig originellen Idee fand ich aber umso besser. Ich fand es mehr als nur interessant, etwas über den Krieg der Könföderierten gegen die Yankees zu erfahren und mal hinter die Kulissen dieser schlimmen Zeit für die Südstaaten blicken zu können. Denn der gesamte Hintergrund der Geschichte, wann und wo sie spielt und was gerade passiert, basiert völlig auf die Realität und damit ist dieser Klassiker auch ein wirklich würdiger Historischer Roman. Natürlich sind Scarlett O'Hara und alle Charaktere ausgedacht, aber so in etwa muss es schon gewesen sein, mit der Verzweiflung, die vor keinem Haus haltgemacht hat.
Neben der gesellschaftlichen Lage im Krieg wird aber auch das Thema des Sklavenhandels in Amerika angesprochen. Sehr interessant fand ich es, dass nicht wenige Sklaven zufrieden mit ihrem Leben waren, und gar nicht alle so schlecht behandelt wurden, wie es immer behauptet wird. Natürlich gibt es auch da beide Seiten, aber trotzdem sollte man diese im Buch angespielte Lage nicht übersehen, wenn man von der Befreiung der Sklaven durch die Yankees redet.
Wie schon am Anfang erwähnt, ist die Grundidee wieder die einer jungen Dame, die nicht so ganz in die restliche Gesellschaft hineinpasst. Diese junge Dame ist in diesem Fall Scarlett O'Hara, wobei sich erst etwas später zeigt, dass sie eigentlich ganz anders als alle anderen Damen ihres Standes ist. Ich finde Scarlett als Protagonistin wirklich interessant, weil sie kaum Charakterzüge hat, die heutzutage in den Protagonisten fast immer vorhanden sind. Sie ist stolz, stur, eigensinnig und arrogant, wodurch sie einen sehr enormen Wiedererkennungswert hat. Leider sorgen ihre für Protagonisten untypischen Charaktereigenschaften aber auch dafür, dass ich mich nur schwer in sie hineinfühlen konnte und es teilweise wirklich sehr schockierend fand, wie wenig Scarlett für ihre Kinder und ihre Schwestern empfindet, obwohl sie schließlich Familie sind. Manchmal schien es fast so, als wären ihre Eltern und Ashley die einzigen Personen, um die sie sich je gesorgt hat.
Und dann ist da natürlich noch Rhett Butler, der selbstgefällige "Schuft", der an Scarlett Gefallen gefunden hat und genau wie sie komplett aus der restlichen Gesellschaft heraussticht. Er ist durch seinen undurchsichtigen und vielseitigen Charakter eine meiner Lieblingsfiguren des Buches und ich habe mich beinahe selbst in ihn verknallt ...
Fazit
Zusammenfassend kann ich sagen, dass "Vom Winde verweht" ein wirklich gut gelungener Historischer Roman ist, der eine hoffnungslose Liebschaft zwischen zwei Südstaatlern behandelt, die sich durch ihre Eigenarten einfach nicht im Rest der Gesellschaft wiederfinden. Zwar ist es manchmal etwas schwierig, die alte Sprache zu lesen und leider ziehen sich manche Teile etwas unnötig in die Länge, aber das machen die wirklich interessanten, komplizierten Charaktere und der historische Hintergrund fast wieder gut.