Die Frau mit den vielen Namen
Die Lotosblüte„Die Lotosblüte“ von Hwang Sok-Yong erzählt die Geschichte des Lebens einer Frau, die im Laufe der Geschehnisse viele Namen bekommt. Als Shim Chong im heutigen Korea geboren, wächst sie bei ihrem blinden ...
„Die Lotosblüte“ von Hwang Sok-Yong erzählt die Geschichte des Lebens einer Frau, die im Laufe der Geschehnisse viele Namen bekommt. Als Shim Chong im heutigen Korea geboren, wächst sie bei ihrem blinden Vater auf. Die Mutter ist früh verstorben und die Zustände auf dem südostasiatischen Kontinent und Inseln sind nicht die Besten. So trägt es sich zu, dass Chong in die Hände von Menschenhändlern gerät und verkauft wird. Als Konkubine eines reichen alten Chinesen wird sie gut behandelt und fortan „Lenhwa“ genannt. Nach nicht allzu langer Zeit verstirbt dieser neben ihr im Bett – nach den „Anstrengungen“ des Liebesspiels.
Lenhwa ist ein robustes Mädchen und sie will hoch hinaus. Über Kontakte, die sie im Laufe ihrer Zeit schließt, gelangt sich schließlich an einen Nachfahren des verstorbenen Chinesen. Dieser leitet ein Vergnügungsetablissement mit dem klangvollen Namen „Tempel des Glücks und der Freude“. Lenhwa, hübsch und beliebt, verdient sich dort in kurzer Zeit ein gutes Image. Sie lernt das bewirten, unterhalten, singen und das Musizieren mit Zupfinstrumenten. Rasch steigt sie zur „Hawachia“ auf, zur besten Gesellschafterin des Hauses. Einigen wenigen Gästen erlauben Eigentümer Kuan und die „Lingchia“, die Vorsteherin des Freudenhauses, mit Lenhwa zu schlafen. Auch verliebt sich Lenhwa das erste Mal in einen jungen Künstler, der im „Tempel des Glücks und der Freude“ gemeinsam mit seiner Familie darbietet. Später beschließt sie mit ihm zu gehen. Die beiden heiraten.
In den Wirren des Opiumkrieges, in der Mitte des 19. Jahrhunderts in China, kommt es zu brutalen Auseinandersetzungen. Lenhwa und ihr Mann erträumen ihre Zukunft, werden aber durch die Turbulenzen voneinander getrennt. Erneut gelangt Lenhwa in die Hände von Menschenhändlern, von denen sie der Reihe nach vergewaltigt wird. Im Anschluss wird sie verschifft und landet in einem Freudenhaus in Formosa, dem heutigen Taiwan.
Weitere Namen, die Chong auf ihrer Lebensreise erhält sind „Lotus“ (europäisch) und „Lenka“ (japanisch). Sowie „Lenhwa“ (chinesisch) bedeuten alle neuen Namen ungefähr dasselbe und kennzeichnen einen ausschlaggebenden Lebensabschnitt der vom Schicksal getretenen Koreanerin. Als Gesellschafterin, Mutter, Konkubine, Zweitfrau, Frau eines japanischen Politikers, Geisha und nicht zuletzt „Mama-san“ wiederfahren ihr noch weitere Schicksale, die sie maßgeblich prägen.
Wirklich immer nimmt sie die Wendungen von Zeit und Raum an und stellt sich selbstbewusst und ohne zu jammern ihren Herausforderungen. Dabei ist sie im späteren Verlauf jederzeit proaktiv und lenkt stolz ihr Leben in Bahnen, die ihre Erfahrungen sie gelehrt haben.
Ganz verstanden habe ich es nicht. Ihr sind so viele Dinge passiert, aber niemals hat sie sich selbst verloren. Stolz geht sie ihren Weg als asiatische Frau dieser Zeit – keine Zweifel, keine Ängste. Zumindest scheint dies zwischen den Zeilen lesbar zu sein. Der Schreibstil ist jederzeit vernunftbetont und die innere Gefühlswelt der Protagonisten wird so gut wie nie offenbart. Allein an Handlungen und in kurzen Rückerinnerungsmomenten von Chong werden einige Gedanken offengelegt und der Leser erfährt nicht nur durch Handlungen und Beschreibungen des Geschehens, was Chong denkt oder fühlt. Im Allgemeinen wird die Geschichte durch Handlungen und Beschreibungen des gesellschaftlichen Umfelds (historisch ummantelt) vorangetrieben. Das Ganze bekam für mich einen recht anschaulichen, aber gefühlskalten Anstrich.
Und wieder denke ich, da der Autor einer Kultur entspringt, mit der ich nur sehr oberflächlich vertraut bin, verstehe ich einige Beschreibungstiefen und -untiefen nicht sonderlich. Ich konnte mich wahrscheinlich in Chong als Frau hineinfühlen, aber ich konnte nicht den in Asien geborenen Menschen deschiffrieren, da meine europäischen Wurzeln mir ganz andere Dinge beibrachten. Umso spannender und dankbarer bin ich, dieses Werk gelesen zu haben – zeigte es mir doch eine historische Welt, von der ich bisher nicht viel wusste.