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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein Band zu viel!

Bad Romeo - Ich werde immer bei dir sein
1

Ich werde immer bei dir sein (2)

Autor: Leisa Rayven
Genre: Romantik, Slice of Life
Freigabe: Keine
Erschienen: 22.10.2015
Seiten: 416
Einband: Klappenbroschur
Verlag: Fischer Paperback
ISBN: 978-3-596-03323-2
Preis: ...

Ich werde immer bei dir sein (2)

Autor: Leisa Rayven
Genre: Romantik, Slice of Life
Freigabe: Keine
Erschienen: 22.10.2015
Seiten: 416
Einband: Klappenbroschur
Verlag: Fischer Paperback
ISBN: 978-3-596-03323-2
Preis: 14,99€ (D) / 15,50€ (A)

Rating: ♥♥♥♥


Inhalt

"Bad Romeo & Broken Juliet: Die atemberaubende Liebesgeschichte geht weiter. Aber wie viele zweite Chancen kann man bei seiner ersten großen Liebe bekommen?

„Ich würde dich gerne küssen.“ Ethan flüstert jetzt, und mir stockt der Atem. „Das denke ich fast jeden Tag. Es ist echt erbärmlich, wie oft ich es mir vorstelle. Ich dachte, ich wäre über dich hinweg. Aber das bin ich nicht.“

Ethan und Cassandra teilen den Traum vom ganz großen Broadway-Erfolg. Doch die Auswahlverfahren für die zu besetzenden Rollen werden für sie immer wieder zu schicksalhaften Begegnungen: Ihre Körper ziehen sich so sehr an, dass die Spannung auf der Bühne nahezu greifbar ist.
Hinter den Kulissen herrscht hingegen Krieg. Cassandra ist sich sicher: nie wieder Ethan! Doch jetzt steht er vor ihrer Tür und will für die wahre Liebe kämpfen." - Quelle: Verlag


Cover ♥♥♥

Das Cover von Ich werde immer bei dir sein gefällt mir aus den selben Gründen nicht, die ich schon beim ersten Teil Wohin du auch gehst schon angemerkt hatte: Es ist einfach too much. Zu viel Kitsch, zu viel Gold, zu viel Bling-Bling - und eigentlich habe ich auch nur zugegriffen, weil ich den ersten Teil kannte und liebte, sonst wäre dieses Buch womöglich vollkommen an mir vorbeigegangen. Ein blaues, zertrümmertes Herz aus Rosenblättern, das sich langsam wieder zusammensetzt, vor einem goldglänzenden Hintergrund. Es gibt auf dem Markt wahrscheinlich kein Cover, das mehr "herzerreißende Liebesschnulze mit Happy End!" schreit, als dieses. Es erregt allerdings auf alle Fälle Aufmerksamkeit, wenn man daran vorbeikommt, dass ist ja schließlich auch sein Job. Gefallen muss es mir deswegen aber nicht.


Charaktere ♥♥♥♥

Cassandra Taylor: Mit unserer Broken Juliet hatte ich auch im zweiten Teil der Geschichte so meine Probleme. Obwohl ich ihren Schmerz nach der Trennung und ihre Probleme, danach wieder auf die Beine zu kommen, sehr wohl nachfühlen konnte, kamen mir ihre Handlungen an manchen Stellen so merkwürdig und sinnlos vor, dass ich nur den Kopf schütteln konnte. Vielleicht kann ich es mir aber auch einfach nur nicht vorstellen, dass man seiner verflossenen Liebe auch drei Jahre nach dem Schlussstrich noch immer so hinterher trauert, als wäre die Trennung erst gestern gewesen. Vielleicht war ich aber auch noch nie so richtig verliebt. Nichtsdestotrotz habe ich ihre Entwicklung bis zum Schluss mit Begeisterung verfolgt, habe mit ihr gelitten, mit ihr geliebt, gehasst und getrauert, auch wenn ich regelmäßig dachte: "Mädchen, reiß dich zusammen!". Sie ist tatsächlich gebrochen, genau so, wie es der Untertitel der Reihe prophezeit - doch das heißt nicht, dass sie nicht in der Lage ist, sich Stück für Stück wieder zusammenzusetzen!

Ethan Holt: Ich gebe es zu: Ich bin absolut verliebt in Ethan. Gegenwartsethan, Vergangenheitsethan, ganz egal, wenn ich die Möglichkeit hätte, ihm persönlich zu begegnen, würde ich mit ihm Pferde stehlen. Obwohl er eigentlich überhaupt keine Ahnung hat, was er tut, schafft er es, nicht nur Cassies Herz, sondern auch das der Leserinnen reihenweise gefangen zu nehmen und rückt sie einfach nicht mehr heraus. Es ist unfassbar interessant zu beobachten, wie sich der misstrauische, beziehungsunfähige Junge sich letztlich zu einem starken und gefühlvollen Mann entwickelt und es aus eigener Kraft - aber mit ein bisschen Hilfe - schafft, seine ureigenen Ängste zu überwinden. Letztere waren zwar auch der Grund, warum ich das Buch regelmäßig frustriert in die Ecke pfeffern wollte, aber hey, vermutlich ging es ihm da nicht anders. Die ganze Zeit dachte ich "Junge, jetzt komm doch endlich mal klar!" und wollte nicht verstehen, warum er schon wieder Mist bauen muss. Andererseits wurde sein psychologischer Hintergrund im Verlauf der Geschichte so plausibel erklärt, dass ich ihm gar nicht lange böse sein konnte. Chapeau!


Schreibstil ♥♥♥♥

Leisa Rayvens Schreibstil ist eine bunte Mischung aus flüssig, humorvoll, romantisch, dramatisch, mitreißend und lebendig und hat mir damit unfassbar schöne Stunden und ein herrliches Lese-Erlebnis beschert. Selten litt ich unter einer Liebesgeschichte solche Stimmungsschwankungen, wie bei Bad Romeo & Broken Juliet. Besonders toll fand ich die Art und Weise, mit der sie die verschiedensten Textsorten dafür gebraucht hat, dem Leser die Zwickmühle der beiden Hauptcharaktere näher zu bringen - neben den normalen, erzählten Handlungen, die abwechselnd in der Vergangenheit und der Gegenwart stattfinden, finden wir nämlich auch noch dezent gestreut Tagebucheinträge und Flashbacks in diese Handlungen eingewoben. Damit fand ich nicht nur ein so heiß ersehnter Perspektivenwechsel statt, sondern dem Leser wurde gegen Ende hin immer deutlicher gemacht, dass die beiden Handlungsstränge - Vergangenheit und Gegenwart - gerade dabei sind, dezent ineinander überzugehen. Fasziniert habe ich beobachtet, wie ich besonders die Flashbacks zum Schluss einfach nur noch mit Begeisterung inhaliert habe, weil sie so sehr zur Spannung beigetragen haben. Einen gewichtigen Kritikpunkt habe ich aber dennoch: Obgleich mir die intimen Szenen zwischen Ethan und Cassie gut gefallen haben, wurden sie mit der Zeit trotzdem irgendwie redundant und vorhersehbar. Immer die selben Griffe, die selben Worte für die selben Beschreibungen und die selben übertrieben-aufgebauschten körperlichen Gefühlsregungen auf die kleinsten Berührungen. Alles schön und gut, alles schön und glaubhaft - aber bitte in Maßen. Ich sage nicht, dass man diese Szenen streichen sollte, es bloß gereicht sie nicht auf die immer wieder gleiche Weise zu beschreiben. Sonst wird es irgendwann langweilig!


Handlung ♥♥♥♥

Die Handlung von Bad Romeo & Broken Juliet ist ein einziges, symmetrisch-paralleles Gebilde von Annäherung und Abstoßung, Schmerz und Glückseligkeit, Misstrauen und Liebe. Bewegen sich die Charaktere in der Gegenwart aufeinander zu, tun sie es auch in der darauffolgenden Vergangenheits-Episode. Stoßen sie einander ab, geschieht es in beiden Handlungssträngen ebenfalls parallel. Ist zu Beginn der Geschichte (in Band 1) Ethan derjenige, der ein gravierendes Problem mit Vertrauen hat, ist es zum Schluss (in Band 2) Cassie, der es so geht. Und so weiter und sofort. Ich habe die Entwicklung der Handlung mit Begeisterung und Staunen verfolgt und habe mich gefragt, wie eine Autorin es schafft, einer solch gleichmäßigen Struktur zu folgen, ohne hin und wieder auszubrechen. Ein Problem hatte ich mit diesem 'System' schließlich doch, denn genau wie bei den immer wieder gleich beschriebenen Sexszenen, gab es auch im Großen und Ganzen immer wieder Dinge, die sich wieder und wieder wiederholt haben, Gespräche die so oder so ähnlich schon einmal stattgefunden haben oder Probleme, Gefühle und andere Dinge, die wir schon in Band 1 miterleben konnten. Für mich war es einfach zu viel - eine Pirouette zu viel, ein Theaterstück zu viel, ein Streit zu viel, einmal Sex zu viel, einmal zu viel Sturheit. Die Geschichte hätte sich schon viel früher zu einem guten Ende wenden können und hätte mir und Cassie damit viel Leid erspart. In meinen Augen wären keine zwei Bände nötig gewesen, um aus Ethan und Cassie eine tolle Liebesgeschichte zu machen, aber vielleicht bin ich da auch nur zu kritisch. Rein vom Aufbau her finde ich die Geschichte nämlich äußerst gut gelungen.


Gesamtwertung ♥♥♥♥

Alles in Allem hat mir die Geschichte um die beiden Jungschauspieler und ihre Unfähigkeit, eine rechte Beziehung zu führen, sehr gut gefallen. Trotz der Meinungsverschiedenheiten, die ich manchmal mit Cassie hatte, konnte ich gut mit ihr fühlen, mit ihr leiden und lieben und war Ethan dabei mit Haut und Haar verfallen. Genau deswegen wollte ich einfach, dass die beiden endlich zusammen finden, endlich glücklich werden und ihre dämlichen Kindereien endlich hinter sich lassen. Zwei Bände mit über 400 Seiten hat es dazu gebraucht. Das wäre wirklich nicht nötig gewesen! Nichtsdestotrotz bin ich glücklich über den Ausgang der Geschichte und die positive Botschaft, die sie mit sich bringt und ich kann nur von Glück sagen, dass ich damals, trotz meiner offensichtlichen Geschmacksverirrung das Cover betreffend, trotzdem zugegriffen hatte. Denn trotz aller Meckereien, die ich anzumerken hatte, hat sich Bad Romeo & Broken Juliet zu einer meiner allerliebsten Lieblingsgeschichten hochgearbeitet. Die letzte Seite zu lesen fühlte sich an, als würde ich einer neu gewonnenen Familie den Rücken zukehren. Ich vermisse Ethan und Cassie jetzt schon.


Spannung
♥♥♥♥
Romantik
♥♥♥♥♥
Humor
♥♥♥
Gewalt

Action


- Eure Bücherfüchsin

Veröffentlicht am 15.09.2016

Kunterbuntes Abenteuer <3

Rubinsplitter
0

Rubinsplitter - Funkenschlag (1)

Autor: Julia Dessalles
Genre: Fantasy, Phantastik, Magie
Freigabe: keine
Erschienen: 20.08.2015
Seiten: 406
Einband: Taschenbuch
Verlag: CreateSpace Independent Publishing ...

Rubinsplitter - Funkenschlag (1)

Autor: Julia Dessalles
Genre: Fantasy, Phantastik, Magie
Freigabe: keine
Erschienen: 20.08.2015
Seiten: 406
Einband: Taschenbuch
Verlag: CreateSpace Independent Publishing Platform
ISBN: 978-1516869015
Preis: 3,99€ (eBook) / 10,70€ (broschiert)

Rating: ♥♥♥♥


Inhalt

"Das Überleben von Salvya, einer magischen Welt voll ungezügelter Phantasie, liegt in Rubys Hand. Ausgerechnet sie, Miss Unsichtbar, soll die Prinzessin aus der Prophezeiung sein und die finstere Herrscherin Thyra vernichten. Wäre da nicht Rockstar Kai mit seinen verdammten Kusslippen, hätte sie längst aufgegeben. Doch auf einmal überschlagen sich die fürchterlichen Ereignisse und die Rettung Salvyas wird für Ruby zur Herzensangelegenheit. Wird es ihr gelingen, den Funken zu zünden, der Salvyas Schicksal besiegelt?" - Quelle: Drachenmond Verlag


Cover ♥♥♥♥♥

Aufmerksam wurde ich auf Rubinsplitter - Funkenschlag gerade wegen seines unglaublich tollen Covers, das mir beim Scrollen durch Facebook direkt ins Auge gesprungen ist. Einmal gesehen, war meine Neugierde für die fantastische Geschichte sofort geweckt und ich setzte - nach einigen Nachforschungen wo und wie - "alle Hebel in Bewegung", dieses Buch so schnell wie möglich in meinen Händen zu halten. Die kunstvolle Gestaltung des Mädchengesichts, das - durch Rauch gezeichnet - in zwei chinesische Glücksdrachen übergeht, hat meinen Nerv für das Element Feuer und die asiatische Kultur genau getroffen und sieht, egal wie man es dreht und wendet, einfach atemberaubend aus. Am liebsten würde ich Rubinsplitter einfach den lieben langen Tag anstarren! - Schon allein deswegen hat das Cover 5/5 Punkten verdient.


Charaktere ♥♥♥♥

Ruby: Unsere Protagonistin Ruby macht im Verlauf der Handlung eine unglaubliche Entwicklung durch. Während ich am Anfang irgendwie nicht so richtig warm mit ihr wurde, weil sie mir farblos, blass und charakterlos vorkam, verwandelte sie sich direkt vor meinen Augen in eine bunte, emotionsgeladene Knutschkugel, mit der ich mich einfach wunderbar identifizieren konnte. Wie überrascht ich im Nachhinein war, dass mein Empfinden, Ruby sei ein blasser Charakter, absolut gewollt war und im Laufe der Geschichte aufgeklärt werden konnte, kann ich gar nicht so richtig beschreiben. Ich empfand es als eine großartige erzählerische Leistung, sie - als Protagonistin - für den Leser genauso zu zeichnen und auszuformen, wie sie auch von den anderen Charakteren drumherum wahrgenommen wird! Als ich endlich dahinter kam, konnte ich mich besonders gut in sie hineinversetzen und die Geschichte aus nächster Nähe erleben. Denn wer stolpert nicht gern in eine fremde, bunt-fantastische Welt und stellt dann fest, dass es genau dieser Ort ist, nach dem man sein ganzes Leben lang gesucht hat? Das Einzige, was mich daran ein bisschen gestört hat, war die Tatsache, dass Ruby tatsächlich nicht ein einziges Mal darüber nachdenkt, in ihre bisherige Welt zurückzukehren. Dass sie kein Heimweh hat ist - in Anbetracht ihrer 'Herkunft' durchaus erklärlich -, aber dass ein Teenager nicht ein einziges Mal an seine Eltern denkt, wenn er mit zwei 'betrunkenen' Rocker-Drachen in eine völlig fremde Welt gerät und dort, trotz der Tatsache, dass sie sich die meiste Zeit schlecht behandelt fühlt, bereitwillig mehrere Tage zubringt, ohne auch nur an Zuhause zu denken, das kam mir ein bisschen unnatürlich vor. Ansonsten habe ich Ruby als Charakter sehr genossen!

Kai: Ach Kai! Meine Gefühle für ihn waren etwa so zwiegespalten, wie die Zunge einer salvyanischen Zuckerschlange. Zu Anfang der Geschichte hätte ich ihn für sein unverschämtes Verhalten ständig Ohrfeigen können! Einerseits führt er sich einfach auf wie das letzte Kind auf Erden, schmollt und tobt, ist kindisch und leidet an einer chronischen Gummibärchensucht - andererseits ist er ein verdammter Badboy mit tollen Sprüchen und einer so lässigen Art, die mich einfach wünschen lässt, ich wäre Ruby. Und so ging es unserer Protagonistin sicherlich auch die ganze Zeit, bloß, dass sie sich von Kai - aus unerklärlichen Gründen - ganz schön viele Gemeinheiten gefallen lassen muss. Aus einem Grund, den er selber noch nicht einmal nennen kann, empfindet Kai für Ruby nämlich von Anfang an eine ungewöhnliche Hassliebe, die ihn dazu bringt, sie von sich stoßen zu wollen, sie auf der anderen Seite aber am liebsten nie wieder gehen lassen würde. Zu allem Überfluss hat der Junge mit den giftgrünen Haaren noch ganz andere Probleme wegzustecken, die nicht zuletzt mit seiner schlimmen Vergangenheit und seinen magischen Kräften zu tun haben. Im Grunde habe ich Kai das eine Drittel der Geschichte gehasst, das zweite Drittel habe ich ihn vergöttert und das dritte und letzte Drittel habe ich ihn bemitleidet - bloß nicht genau in dieser Reihenfolge. Ob und wie ihr Kai findet, das müsst ihr natürlich selbst herausfinden - ich kann sagen, dass er mehr als nur eine Emotion in mir gereizt hat und dafür kann ich ihn eigentlich nur bewundern!

Amygdala: Amy ist für Kai so etwas wie ein Mutterersatz und gleichzeitig eine gute Freundin, denn sie hat sich lange Zeit um ihn und seinen besten Kumpel Ali gekümmert. Die Fünfunddreißigjährige mit der Fähigkeit, ihr Alter nach Belieben zu verändern, ist ein unglaublich heiterer, sympathischer Charakter, der im Laufe des ersten Bandes leider viel zu wenig vorkommt. Sie ist diejenige, die Ruby findet, sie erkennt und dazu bringt, in ein magisches Auto zu steigen, das sie an den Ort bringen soll, an den sie rechtmäßig gehört. Alles, was ich von Amygdala im ersten Teil der Buchreihe gelernt habe ist, dass sie von allen Charakteren der witzigste und phantasievollste ist. Immer habe ich gehofft, dass sie Ruby jederzeit als gutherzige Erklärbärin zur Seite steht, aber leider kam doch dann alles ganz anders, als ich es mir vorgestellt habe. Ich wünsche mir mehr Amygdala! Jetzt!


Schreibstil ♥♥♥♥

Der Schreibstil von Autorin Julia Dessalles ist anders, anders jedoch im positiven Sinne: Sie schreibt unglaublich fantasievoll und bunt - man könnte fast meinen quietsch-bunt - und schafft neue Welten, neue Wesen und neue Ideen wie aus der hohlen Hand, sodass ich mir eigentlich nur zu gern einen Blick in ihren Kopf wünsche, um zu sehen, welche Schätze sie dort noch verborgen hält. Hinzu kommt eine entzückende Prise Humor, die mir jede noch so langweilige U-Bahn-Fahrt zur Arbeit gezuckert und versüßt hat. Während ich mich regelmäßig beim Schmunzeln, ja sogar Grinsen, erwischt habe, weiß ich auch, dass ihr Humor möglicherweise nicht für jeden gleichermaßen zugänglich ist. Wenn man nicht selbst eine quietsch-bunte, kindlich-fantasievolle und hoffnungslos-romantische Seite oder ein inneres Kind hat, das ab und zu mal Ausgang braucht, könnte man mit Julia Dessalles Humor oder ihrer Art zu schreiben anecken, ja, sie vielleicht als zu 'kindisch' oder nicht ernst genug verstehen. Auch zeichnet sich ihr Schreibstil durch ein rasantes, manchmal gehetztes Erzähltempo aus, was immer wieder mal dazu geführt hat, dass ich das Gefühl hatte, mir würden wichtige Informationen fehlen, die mir dabei helfen könnten, das Geschehen detailgenauer vor meinem inneren Auge erscheinen zu lassen. Dieser fehlende Detailgrad kann einerseits störend, andererseits herausfordernd sein, je nach dem wie fantasievoll man selbst ist. Mehr als einmal fiel es mir schwer, dem Geschehen zu folgen, während andere Stellen ganze Kinofilme in meinem Kopf verursachten. Ich würde mir für die Zukunft ein bisschen weniger Tempo und ein bisschen mehr Detailgrad wünschen, um noch tiefer in die Geschichte eintauchen zu können!


Handlung ♥♥♥♥

'Bunt' und 'ausgefallen' sind die ersten Adjektive, die mir zur Rubinsplitters Handlung einfallen. Ruby, die etwas molligere (wobei man nie wirklich erfährt ob sie nun wirklich mollig ist oder nur glaubt, mollig zu sein), an Selbstbewusstsein kränkelnde Schülerin, die für beinahe jeden in ihrem Umfeld unsichtbar ist, findet sich eines Tages als Security auf einem Rockkonzert wieder, wird von einer verrückten alten Frau im Minirock entführt und ... ach was sage ich, lest es selbst! Die Geschichte strotzt vor verrückten Ideen und einem verschmitzten Augenzwinkern, ist spannend, romantisch und witzig zugleich. Der Fokus liegt dabei sehr stark auf der stets wechselnden Beziehung zwischen Kai und Ruby, die einerseits nicht mit, andererseits aber auch nicht ohne einander auskommen. Die action-geladenen Szenen (bis auf die epische Endszene) waren mir persönlich manchmal ein bisschen zu schnell vorbei, sodass ich, was Spannung angeht, nicht richtig in Fahrt gekommen bin. Das ist allerdings verzeihlich, denn, wenn man eine neue Welt erschafft, dann will diese erstmal richtig vorgestellt und eingeführt werden. Für den nächsten Band würde ich mir vielleicht einen Almanach der Salvyanischen Wesenheiten und vielleicht eine Karte wünschen, um noch mehr dieses 'Fantasy-Feeling' zu bekommen und richtig in Salvya eintauchen zu können. Dahingehend hat sich der erste Teil der (insgesamt vierteiligen?) Reihe wie eine langsame Einführung in die eigentliche Geschichte angefühlt. Ich bin gespannt, was noch kommt!


Gesamtwertung ♥♥♥♥

Wie eben schon gesagt, hatte der Auftakt der Rubinsplitter-Reihe den Charakter einer - zugegeben rasanten - Einleitung in etwas viel Größeres. Charaktere, Kreaturen und Orte werden eingeführt, das System der speziellen 'Magie', die in Salvya herrscht werden dem Leser verständlich gemacht, der genau wie Ruby erst lernen muss, was es heißt, Teil von Salvya zu sein. Besonders gut hat mir die Entwicklung der Hauptperson gefallen, die im Laufe der Geschichte nicht nur zu sich selbst, sondern auch zu ihren Ursprüngen zurückfindet, was ihr ungemein an Kraft gegeben hat. Rubinsplitter hat mich beim Lesen einfach ungemein glücklich gemacht, mir stetig ein Lächeln entlockt, hat sich aber Alles in Allem ein wenig zu schnell und zu wenig fassbar angefühlt. Bisher habe ich das Gefühl, die magische Welt nur an der Oberfläche gekratzt zu haben und eigentlich noch nicht so recht zu wissen, wo die Reise eigentlich hinführt - das eher 'abgehackte' Ende unterstützt das ein bisschen. Andererseits kann ich es auch kaum erwarten, nach Salvya zurück zu kehren, mehr zu erfahren, die liebenswürdigen Charaktere wiederzutreffen und meine eigene Fantasie tatkräftig beim Lesen mit in die Geschichte einfließen zu lassen. Ich bin mehr als gespannt auf das, was noch kommt und glaube, es wird sogar noch besser, als das, was Rubinsplitter - Funkenschlag und hier schon liefert!


Spannung
♥♥♥♥
Romantik
♥♥♥
Humor
♥♥♥♥
Gewalt
♥♥
Action
♥♥♥♥


- Eure Bücherfüchsin

Veröffentlicht am 15.09.2016

Unterschwelliger Horror vom Feinsten!

Das verlorene Dorf
0

Das verlorene Dorf

Autor: Stephanie Kasper
Genre: Historisch, Mystery
Freigabe: keine
Erschienen: 20.04.2015
Seiten: 384
Einband: Taschenbuch
Verlag: Goldmann
ISBN: 978-3-442-47977-1
Preis: 9,99€ (D) ...

Das verlorene Dorf

Autor: Stephanie Kasper
Genre: Historisch, Mystery
Freigabe: keine
Erschienen: 20.04.2015
Seiten: 384
Einband: Taschenbuch
Verlag: Goldmann
ISBN: 978-3-442-47977-1
Preis: 9,99€ (D) / 10,30€ (A)

Rating: ♥♥♥♥


Inhalt

"Oberbayern 1843: Als sich die junge Waise Rosalie in den Bauern Romar verliebt, scheint sie ihr Glück gefunden zu haben. Doch die Waisenhausvorsteherin warnt Rosalie vor dieser Ehe und macht sonderbare Andeutungen. Rosalie heiratet Romar dennoch und folgt ihm in sein Heimatdorf, das tief im Wald verborgen liegt. Eines Nachts hört Rosalie ein Neugeborenes weinen, das am nächsten Tag als angebliche Totgeburt begraben wird. Dann kommt eine junge Frau, mit der Rosalie sich angefreundet hat, auf mysteriöse Weise zu Tode. Rosalie wird bald bewusst, dass in Romars Dorf nichts ist, wie es scheint – und dass auch sie selbst in tödlicher Gefahr schwebt ..." - Quelle: Verlag


Cover ♥♥♥♥♥

Das Cover von Das verlorene Dorf hat mich von Anfang an angesprochen: die düstere Farbgebung zwischen blau, grau und dunkelgrün trifft genau meinen Nerv und fühlt sich kühl und unheimlich an. Schaut man sich das Bild länger an, meint man beinahe die Feuchtigkeit des Nebels und die Kälte des wolkenverhangenen Himmels zu spüren und auch das raue 'KRAH KRAH' der Krähen und der erdige Geruch des Waldes kommen einem beim Betrachten ganz unwillkürlich in den Sinn. Zumindest geht es mir so. Aber vielleicht habe ich auch nur eine blühende Fantasie! Vergleicht man jedenfalls Cover und Inhalt wird man sehr schnell feststellen: kaum ein anderes Bild hätte die mulmig-düstere und bedrohlich-kalte Stimmung des Buches besser einfangen können als dieses. Man fühlt sich geradezu mitten im Wald, irgendwo in Haberatshofen und damit dem Grauen seiner Bewohner ausgesetzt. Wunderbar ausgewählt!


Charaktere ♥♥♥♥♥

Rosalie: Durch einen Gendefekt wurde Rosalie mit elfenbeinfarbener Haut, weißblonden Haaren und roten Augen geboren - sie ist ein Albino und damit damals wie heute ein äußerst seltener Anblick. Man kann sich sehr wohl vorstellen, in welche Schwierigkeiten sie ihr ungewöhnliches Äußeres bringt, besonders vor dem Hintergrund des noch immer sehr konservativen 19. Jahrhunderts: als Säugling von ihren Eltern mitten im Wald ausgesetzt, wurde sie von einer Kirchenschwester gefunden und im Waisenhaus großgezogen, doch bis auf ihre Ziehmutter und Retterin findet sie dort weder Zuneigung, Freunde oder irgendeinen Anschluss. Im Gegenteil - von so gut wie jedem um sie herum, seien es die anderen Schwestern oder die anderen Kinder, wird sie als "Nachmensch" und "Hexenkind" verstoßen und gefürchtet. Das ändert sich auch nicht, als Rosalie schließlich erwachsen wird und als Köchin in einem Waisenhaus versucht einen Platz im Leben zu finden. Als eines Tages Romar, ein Mann aus Haberatshofen, das Waisenhaus besucht und ihr schon nach kurzer Zeit seine tiefste Zuneigung beteuert, ändert sich ihr Leben drastisch. Sie wird seine Frau und geht mit ihm nach Haberatshofen, ein kleines Dorf mitten im Wald, das Fremde grundsätzlich ablehnt und dessen Einwohner kaum jemand zu Gesicht bekommt. Ich mag Rosalie, denn sie macht im Verlauf der Geschichte eine so unfassbare Wandlung durch, dass man nicht anders kann, als die ganze Zeit nur stolz auf sie zu sein: von der zurückgezogenen, wortkargen, unsicheren Rosalie ohne einen Platz in der Welt wird sie zu einer selbstbewussten, starken - und für das 19. Jahrhundert sogar "relativ" emanzipierten" - Ehefrau, die bereit ist alles zu geben, um die zu schützen, die sie liebt. Dabei ist sie manchmal sehr naiv, um nicht zu sagen gutgläubig, doch in Anbetracht der Tatsache, dass ihr oftmals nichts anderes übrig bleibt, als immer nur das Beste von allen zu denken, weil es sie sonst den einzigen Ort kosten könnte, der ihr je ein Zuhause war, ist psychologisch mehr als nachvollziehbar. Sie ging mir dabei niemals auf die Nerven und ich habe mit Rosalie gebangt, gelitten, gelacht und sie geliebt!

Romar: Als Romar das erste Mal auftaucht kam er mir schon suspekt vor: zotteliges Haar mit einem geflochtenen Bart, heruntergekommene Kleidung und mit dem Geruch des Waldes an seiner Haut, habe ich mir immer einen schrumpeligen Waldschrat vorgestellt. Mit der Zeit wandelte sich mein Bild von Romar, denn er entwickelt sich im Laufe des Buches sowohl für den Leser, als auch für Rosalie zu einem äußerst ambivalenten Charakter. Während man im einen Moment glaubt, dass er seine frisch angetraute Ehefrau liebt und ehrt, verhält er sich ihr gegenüber auf der anderen Seite immer wieder abweisend, hart und rau, sodass man plötzlich vom Gegenteil überzeugt ist. Genau wie alle anderen Dorfbewohner ignoriert er all ihre Fragen, all ihre Sorgen und Unsicherheiten und schweigt darüber, quält und grämt sich jedoch sichtlich dabei. Manchmal hätte ich ihn am liebsten geschüttelt oder geschlagen, damit er ihr endlich die Wahrheit sagt. Genau wie der Rest des Dorfes lässt Romar einen oft Zweifeln. Ist er eine Bedrohung für Rosalie? Wird er sie schützen? Liebt er sie? Liebt er sie nicht? Welche Verbrechen versucht er zu verstecken? Auch Romar habe ich geliebt. Trotz seiner stets Zweifel säenden Art hatte er etwas unfassbar Faszinierendes, das mich lange bei der Stange gehalten hat. Es fühlte sich an, als sei Romar der einzige Anhaltspunkt dafür, dass mit dem Dorf Haberatshofen etwas nicht stimmt und man erwartet ständig, dass die Wahrheit irgendwann aus ihm heraus bricht, während man gleichzeitig fürchtet, dass er Rosalie jederzeit in den Rücken fallen könnte. Trotz allem behandelt er sie, gerade für das noch immer patriarchalisch geprägte, deutsche 19. Jahrhundert, die meiste Zeit überraschend gut und auf ebenbürtiger Ebene. Nur in besonders verzweifelten Momenten erinnert er sie daran, dass sie seine Ehefrau ist und ihren Mann nicht hinterfragen sollte. Historisch nicht ganz korrekt oder vielleicht bloß eine ganz frische Liebe? Either way: Romar hat mir sehr gut gefallen!

Sara: Romars Cousine Sara war für mich genau wie Romar stets sehr ambivalent: Auf der einen Seite wirkt sie - anders als die anderen Haberatshofener - offen, aufgeschlossen, fröhlich und immer ehrlich und erschleicht sich damit nicht nur einen Platz in Rosalies Herzen, sondern auch in dem des Lesers. Auf der anderen Seite wirkt sie einfach immer zu perfekt, zu liebenswürdig und zu aufgeschlossen, sodass man die ganze Zeit Angst hat, dass Rosalie hier einer grandiosen Lügnerin auf den Leim geht, die bloß ihr Vertrauen erschleichen möchte. Dabei findet man weder beweise für Saras Unschuld, noch für ihre Schuld und das treibt einen durchweg in den Wahnsinn, besonders, wenn man Zeuge wird, welche Geheimnisse Rosalie ihrer Freundin Sara so alles anvertraut. Man ist darauf angewiesen, ihr einfach zu vertrauen, genau wie Rosalie es tut. Und trotzdem ist da immer dieser bohrende Zweifel, der besonders dann aufkeimt, wenn Sara genau wie Romar Rosalies Fragen einfach übergeht. Sehr gelungen!


Schreibstil ♥♥♥♥

Stefanie Kaspers Schreibstil ist zwar nicht übermäßig anspruchsvoll oder detailliert, dafür aber unglaublich feinfühlig, atmosphärisch und dem historischen Thema durchaus angemessen. Dabei fühlt er sich oft eigentümlich und genau im richtigen Maße altmodisch an, um genau in die Zeit zu passen, in der die Handlung spielt, ohne dabei die Zielgruppe 'Gelegenheitsleser' zu verfehlen. Dieser schmale Grad zwischen gut verständlicher und historisch angemessener Sprache hat mich sehr fasziniert. Besonders gut fand ich dabei die Beschreibungen des örtlichen und dörflichen Lebens, der hierarchisch-patriarchalisch geprägten Gesellschaft und der ärmlichen Einfachheit des Alltags. Gleichzeitig fühlt sich Kaspers Roman durch die relativ modern gezeichnete Figuren zeitlos an, sodass es mir - bevor ich die Jahreszahl kannte - relativ schwer viel, die Handlung einer bestimmten Epoche zuzuordnen. Die Geschichte hätte sich ebenso gut im 20. Jahrhundert abspielen können. Wichtige zeitgeschichtliche Themen wie Krieg, Krankheit, Armut, Hungersnot, etc. werden nur sehr leicht angerissen und weniger thematisiert. Das ist aber verzeihlich, denn die Handlung spielt sich ohnehin hauptsächlich in einem von der Gesellschaft abgeschiedenen Dorf ab, das unter seinen ganz eigenen Bedingungen und Regeln existiert. Erwartet man bei Das verlorene Dorf jedoch korrekte historische Fakten und Darstellungen, könnte man enttäuscht werden. Ansonsten hat mir die Mischung zwischen historisch, zeitlos und modern den Zugang zum Text eher erleichtert. Ganz besonders schön fand ich die sprachlichen Facetten "Emotion" und "Atmosphäre", die in diesem Roman besonders fein nuanciert ausgearbeitet sind. Man wird stets herausgefordert Worte und Handlungen einer Person start voneinander zu unterscheiden und dabei auf die kleinsten Veränderungen in ihrem Verhalten wahrzunehmen. Ein besonders schönes Beispiel hierfür ist die - in der Literaturgeschichte sehr, sehr bekannte - körperliche Reaktion auf die eigene Unehrlichkeit: Wenn ein Charakter ganz offensichtlich lügt, fährt er sich zumeist unbewusst mit den Fingern oder der Hand über den Mund. Als Literaturwissenschaftlerin habe ich mich über dieses sprachliche Detail in einem belletristischen Roman ganz besonders gefreut.


Handlung ♥♥♥♥

Es hat bei mir eine ganze Weile gedauert, bis ich so richtig in die Handlung des Buches reingekommen bin. Gerade zu Beginn hat es einige Längen, die sie für mich ganz besonders durch die Ungerechtigkeiten ergeben haben, denen Rosalie in ihrer Zeit im Waisenhaus ausgesetzt ist. Die ganze Zeit dachte ich: Nun ist es aber gut, wir wissen nun, dass Rosalie ein armes Mäuschen ist - aber was ist denn nun mit dem Dorf? Auch wollte ich mit Rosalies schüchterner Selbst-Ausgrenzung nicht so recht warm werden. Erst, als sie schließlich ins Dorf kommt, beginnt die Geschichte an Spannung zuzunehmen. Dabei vollführt die Handlung aber keinen rasanten, unfassbaren Schlenker, die einen vor Spannung fast vom Sitz pusten, sondern die Intensität - das "Gänsehaut-Feeling", das sich einstellt - steigt ganz langsam an und schickt dem Leser bohrende Zweifel, während sich Rosalie sich in ihrem gewöhnlichen Bäuerinnen-Dasein einlebt und dabei die Charaktere kennen und lieben lernt. Einzig und allein die Ahnung, dass etwas nicht stimmt und die dafür fehlenden Beweise halten den Leser bei der Stange und die gut gestreuten Vorfälle, die sowohl als Bedrohung, als auch als Zufall deutbar sind, erinnern einen regelmäßig daran, dass Rosalie sich in großer Gefahr befinden könnte. Mein Problem dabei: Sowohl Rosalie als auch der Leser werden sehr schnell gewarnt, das etwas mit dem Dorf nicht stimmt und die Hinweise sind zwar sporadisch gestreut, aber dabei oftmals so offensichtlich gestaltet, dass den Leser irgendwann nur noch die Naivität der Protagonistin Rosalie von der Wahrheit trennt. Soll heißen: Ich hatte das Geheimnis des Dorfes schon nach den ersten hundert Seiten entschlüsselt und musste darauf warten, dass Rosalie auch endlich dahinter kommt, oder zumindest anfängt, sich die Wahrheit einzugestehen. Nichtsdestotrotz sind Spannung und Atmosphäre des Buches so gut gewählt - und Rosalies Schicksal bleibt bis zum Schluss unvorhersehbar - dass ich das Lesen durchweg genossen habe.


Gesamtwertung ♥♥♥♥

Das verlorene Dorf hat mich mehr als nur überrascht. Da ich ohne große Erwartungen an das Buch herangegangen bin - und eigentlich auch gar keine Erfahrungen mit historischen oder mysteriösen Romanen habe - konnte ich eigentlich auch gar nicht groß enttäuscht werden. Mit seiner liebreizenden Protagonistin, seiner ungreifbaren gruselig-düsteren Atmosphäre, seiner schockierenden Grundthematik und seinem zeitlos-sprachlichen Aufbau hat mich Stefanie Kapers Roman komplett überzeugt und ich würde ihn sofort jedem ans Herz legen, der kein Problem mit moralisch verwerflichen oder grenzwertigen Themen und ein bisschen Grusel-Schauer hat. Wunderbar kurzweiliges Buch zur Halloween-Zeit und mit einem Ende, bei dem mir das Lachen im Hals stecken geblieben ist!


Spannung
♥♥♥♥
Romantik

Humor

Gewalt
♥♥♥
Action
♥♥

Veröffentlicht am 15.09.2016

Unterschwelliger Horror vom Feinsten!

Das verlorene Dorf
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Das verlorene Dorf

Autor: Stephanie Kasper
Genre: Historisch, Mystery
Freigabe: keine
Erschienen: 20.04.2015
Seiten: 384
Einband: Taschenbuch
Verlag: Goldmann
ISBN: 978-3-442-47977-1
Preis: 9,99€ (D) ...

Das verlorene Dorf

Autor: Stephanie Kasper
Genre: Historisch, Mystery
Freigabe: keine
Erschienen: 20.04.2015
Seiten: 384
Einband: Taschenbuch
Verlag: Goldmann
ISBN: 978-3-442-47977-1
Preis: 9,99€ (D) / 10,30€ (A)

Rating: ♥♥♥♥


Inhalt

"Oberbayern 1843: Als sich die junge Waise Rosalie in den Bauern Romar verliebt, scheint sie ihr Glück gefunden zu haben. Doch die Waisenhausvorsteherin warnt Rosalie vor dieser Ehe und macht sonderbare Andeutungen. Rosalie heiratet Romar dennoch und folgt ihm in sein Heimatdorf, das tief im Wald verborgen liegt. Eines Nachts hört Rosalie ein Neugeborenes weinen, das am nächsten Tag als angebliche Totgeburt begraben wird. Dann kommt eine junge Frau, mit der Rosalie sich angefreundet hat, auf mysteriöse Weise zu Tode. Rosalie wird bald bewusst, dass in Romars Dorf nichts ist, wie es scheint – und dass auch sie selbst in tödlicher Gefahr schwebt ..." - Quelle: Verlag


Cover ♥♥♥♥♥

Das Cover von Das verlorene Dorf hat mich von Anfang an angesprochen: die düstere Farbgebung zwischen blau, grau und dunkelgrün trifft genau meinen Nerv und fühlt sich kühl und unheimlich an. Schaut man sich das Bild länger an, meint man beinahe die Feuchtigkeit des Nebels und die Kälte des wolkenverhangenen Himmels zu spüren und auch das raue 'KRAH KRAH' der Krähen und der erdige Geruch des Waldes kommen einem beim Betrachten ganz unwillkürlich in den Sinn. Zumindest geht es mir so. Aber vielleicht habe ich auch nur eine blühende Fantasie! Vergleicht man jedenfalls Cover und Inhalt wird man sehr schnell feststellen: kaum ein anderes Bild hätte die mulmig-düstere und bedrohlich-kalte Stimmung des Buches besser einfangen können als dieses. Man fühlt sich geradezu mitten im Wald, irgendwo in Haberatshofen und damit dem Grauen seiner Bewohner ausgesetzt. Wunderbar ausgewählt!


Charaktere ♥♥♥♥♥

Rosalie: Durch einen Gendefekt wurde Rosalie mit elfenbeinfarbener Haut, weißblonden Haaren und roten Augen geboren - sie ist ein Albino und damit damals wie heute ein äußerst seltener Anblick. Man kann sich sehr wohl vorstellen, in welche Schwierigkeiten sie ihr ungewöhnliches Äußeres bringt, besonders vor dem Hintergrund des noch immer sehr konservativen 19. Jahrhunderts: als Säugling von ihren Eltern mitten im Wald ausgesetzt, wurde sie von einer Kirchenschwester gefunden und im Waisenhaus großgezogen, doch bis auf ihre Ziehmutter und Retterin findet sie dort weder Zuneigung, Freunde oder irgendeinen Anschluss. Im Gegenteil - von so gut wie jedem um sie herum, seien es die anderen Schwestern oder die anderen Kinder, wird sie als "Nachmensch" und "Hexenkind" verstoßen und gefürchtet. Das ändert sich auch nicht, als Rosalie schließlich erwachsen wird und als Köchin in einem Waisenhaus versucht einen Platz im Leben zu finden. Als eines Tages Romar, ein Mann aus Haberatshofen, das Waisenhaus besucht und ihr schon nach kurzer Zeit seine tiefste Zuneigung beteuert, ändert sich ihr Leben drastisch. Sie wird seine Frau und geht mit ihm nach Haberatshofen, ein kleines Dorf mitten im Wald, das Fremde grundsätzlich ablehnt und dessen Einwohner kaum jemand zu Gesicht bekommt. Ich mag Rosalie, denn sie macht im Verlauf der Geschichte eine so unfassbare Wandlung durch, dass man nicht anders kann, als die ganze Zeit nur stolz auf sie zu sein: von der zurückgezogenen, wortkargen, unsicheren Rosalie ohne einen Platz in der Welt wird sie zu einer selbstbewussten, starken - und für das 19. Jahrhundert sogar "relativ" emanzipierten" - Ehefrau, die bereit ist alles zu geben, um die zu schützen, die sie liebt. Dabei ist sie manchmal sehr naiv, um nicht zu sagen gutgläubig, doch in Anbetracht der Tatsache, dass ihr oftmals nichts anderes übrig bleibt, als immer nur das Beste von allen zu denken, weil es sie sonst den einzigen Ort kosten könnte, der ihr je ein Zuhause war, ist psychologisch mehr als nachvollziehbar. Sie ging mir dabei niemals auf die Nerven und ich habe mit Rosalie gebangt, gelitten, gelacht und sie geliebt!

Romar: Als Romar das erste Mal auftaucht kam er mir schon suspekt vor: zotteliges Haar mit einem geflochtenen Bart, heruntergekommene Kleidung und mit dem Geruch des Waldes an seiner Haut, habe ich mir immer einen schrumpeligen Waldschrat vorgestellt. Mit der Zeit wandelte sich mein Bild von Romar, denn er entwickelt sich im Laufe des Buches sowohl für den Leser, als auch für Rosalie zu einem äußerst ambivalenten Charakter. Während man im einen Moment glaubt, dass er seine frisch angetraute Ehefrau liebt und ehrt, verhält er sich ihr gegenüber auf der anderen Seite immer wieder abweisend, hart und rau, sodass man plötzlich vom Gegenteil überzeugt ist. Genau wie alle anderen Dorfbewohner ignoriert er all ihre Fragen, all ihre Sorgen und Unsicherheiten und schweigt darüber, quält und grämt sich jedoch sichtlich dabei. Manchmal hätte ich ihn am liebsten geschüttelt oder geschlagen, damit er ihr endlich die Wahrheit sagt. Genau wie der Rest des Dorfes lässt Romar einen oft Zweifeln. Ist er eine Bedrohung für Rosalie? Wird er sie schützen? Liebt er sie? Liebt er sie nicht? Welche Verbrechen versucht er zu verstecken? Auch Romar habe ich geliebt. Trotz seiner stets Zweifel säenden Art hatte er etwas unfassbar Faszinierendes, das mich lange bei der Stange gehalten hat. Es fühlte sich an, als sei Romar der einzige Anhaltspunkt dafür, dass mit dem Dorf Haberatshofen etwas nicht stimmt und man erwartet ständig, dass die Wahrheit irgendwann aus ihm heraus bricht, während man gleichzeitig fürchtet, dass er Rosalie jederzeit in den Rücken fallen könnte. Trotz allem behandelt er sie, gerade für das noch immer patriarchalisch geprägte, deutsche 19. Jahrhundert, die meiste Zeit überraschend gut und auf ebenbürtiger Ebene. Nur in besonders verzweifelten Momenten erinnert er sie daran, dass sie seine Ehefrau ist und ihren Mann nicht hinterfragen sollte. Historisch nicht ganz korrekt oder vielleicht bloß eine ganz frische Liebe? Either way: Romar hat mir sehr gut gefallen!

Sara: Romars Cousine Sara war für mich genau wie Romar stets sehr ambivalent: Auf der einen Seite wirkt sie - anders als die anderen Haberatshofener - offen, aufgeschlossen, fröhlich und immer ehrlich und erschleicht sich damit nicht nur einen Platz in Rosalies Herzen, sondern auch in dem des Lesers. Auf der anderen Seite wirkt sie einfach immer zu perfekt, zu liebenswürdig und zu aufgeschlossen, sodass man die ganze Zeit Angst hat, dass Rosalie hier einer grandiosen Lügnerin auf den Leim geht, die bloß ihr Vertrauen erschleichen möchte. Dabei findet man weder beweise für Saras Unschuld, noch für ihre Schuld und das treibt einen durchweg in den Wahnsinn, besonders, wenn man Zeuge wird, welche Geheimnisse Rosalie ihrer Freundin Sara so alles anvertraut. Man ist darauf angewiesen, ihr einfach zu vertrauen, genau wie Rosalie es tut. Und trotzdem ist da immer dieser bohrende Zweifel, der besonders dann aufkeimt, wenn Sara genau wie Romar Rosalies Fragen einfach übergeht. Sehr gelungen!


Schreibstil ♥♥♥♥

Stefanie Kaspers Schreibstil ist zwar nicht übermäßig anspruchsvoll oder detailliert, dafür aber unglaublich feinfühlig, atmosphärisch und dem historischen Thema durchaus angemessen. Dabei fühlt er sich oft eigentümlich und genau im richtigen Maße altmodisch an, um genau in die Zeit zu passen, in der die Handlung spielt, ohne dabei die Zielgruppe 'Gelegenheitsleser' zu verfehlen. Dieser schmale Grad zwischen gut verständlicher und historisch angemessener Sprache hat mich sehr fasziniert. Besonders gut fand ich dabei die Beschreibungen des örtlichen und dörflichen Lebens, der hierarchisch-patriarchalisch geprägten Gesellschaft und der ärmlichen Einfachheit des Alltags. Gleichzeitig fühlt sich Kaspers Roman durch die relativ modern gezeichnete Figuren zeitlos an, sodass es mir - bevor ich die Jahreszahl kannte - relativ schwer viel, die Handlung einer bestimmten Epoche zuzuordnen. Die Geschichte hätte sich ebenso gut im 20. Jahrhundert abspielen können. Wichtige zeitgeschichtliche Themen wie Krieg, Krankheit, Armut, Hungersnot, etc. werden nur sehr leicht angerissen und weniger thematisiert. Das ist aber verzeihlich, denn die Handlung spielt sich ohnehin hauptsächlich in einem von der Gesellschaft abgeschiedenen Dorf ab, das unter seinen ganz eigenen Bedingungen und Regeln existiert. Erwartet man bei Das verlorene Dorf jedoch korrekte historische Fakten und Darstellungen, könnte man enttäuscht werden. Ansonsten hat mir die Mischung zwischen historisch, zeitlos und modern den Zugang zum Text eher erleichtert. Ganz besonders schön fand ich die sprachlichen Facetten "Emotion" und "Atmosphäre", die in diesem Roman besonders fein nuanciert ausgearbeitet sind. Man wird stets herausgefordert Worte und Handlungen einer Person start voneinander zu unterscheiden und dabei auf die kleinsten Veränderungen in ihrem Verhalten wahrzunehmen. Ein besonders schönes Beispiel hierfür ist die - in der Literaturgeschichte sehr, sehr bekannte - körperliche Reaktion auf die eigene Unehrlichkeit: Wenn ein Charakter ganz offensichtlich lügt, fährt er sich zumeist unbewusst mit den Fingern oder der Hand über den Mund. Als Literaturwissenschaftlerin habe ich mich über dieses sprachliche Detail in einem belletristischen Roman ganz besonders gefreut.


Handlung ♥♥♥♥

Es hat bei mir eine ganze Weile gedauert, bis ich so richtig in die Handlung des Buches reingekommen bin. Gerade zu Beginn hat es einige Längen, die sie für mich ganz besonders durch die Ungerechtigkeiten ergeben haben, denen Rosalie in ihrer Zeit im Waisenhaus ausgesetzt ist. Die ganze Zeit dachte ich: Nun ist es aber gut, wir wissen nun, dass Rosalie ein armes Mäuschen ist - aber was ist denn nun mit dem Dorf? Auch wollte ich mit Rosalies schüchterner Selbst-Ausgrenzung nicht so recht warm werden. Erst, als sie schließlich ins Dorf kommt, beginnt die Geschichte an Spannung zuzunehmen. Dabei vollführt die Handlung aber keinen rasanten, unfassbaren Schlenker, die einen vor Spannung fast vom Sitz pusten, sondern die Intensität - das "Gänsehaut-Feeling", das sich einstellt - steigt ganz langsam an und schickt dem Leser bohrende Zweifel, während sich Rosalie sich in ihrem gewöhnlichen Bäuerinnen-Dasein einlebt und dabei die Charaktere kennen und lieben lernt. Einzig und allein die Ahnung, dass etwas nicht stimmt und die dafür fehlenden Beweise halten den Leser bei der Stange und die gut gestreuten Vorfälle, die sowohl als Bedrohung, als auch als Zufall deutbar sind, erinnern einen regelmäßig daran, dass Rosalie sich in großer Gefahr befinden könnte. Mein Problem dabei: Sowohl Rosalie als auch der Leser werden sehr schnell gewarnt, das etwas mit dem Dorf nicht stimmt und die Hinweise sind zwar sporadisch gestreut, aber dabei oftmals so offensichtlich gestaltet, dass den Leser irgendwann nur noch die Naivität der Protagonistin Rosalie von der Wahrheit trennt. Soll heißen: Ich hatte das Geheimnis des Dorfes schon nach den ersten hundert Seiten entschlüsselt und musste darauf warten, dass Rosalie auch endlich dahinter kommt, oder zumindest anfängt, sich die Wahrheit einzugestehen. Nichtsdestotrotz sind Spannung und Atmosphäre des Buches so gut gewählt - und Rosalies Schicksal bleibt bis zum Schluss unvorhersehbar - dass ich das Lesen durchweg genossen habe.


Gesamtwertung ♥♥♥♥

Das verlorene Dorf hat mich mehr als nur überrascht. Da ich ohne große Erwartungen an das Buch herangegangen bin - und eigentlich auch gar keine Erfahrungen mit historischen oder mysteriösen Romanen habe - konnte ich eigentlich auch gar nicht groß enttäuscht werden. Mit seiner liebreizenden Protagonistin, seiner ungreifbaren gruselig-düsteren Atmosphäre, seiner schockierenden Grundthematik und seinem zeitlos-sprachlichen Aufbau hat mich Stefanie Kapers Roman komplett überzeugt und ich würde ihn sofort jedem ans Herz legen, der kein Problem mit moralisch verwerflichen oder grenzwertigen Themen und ein bisschen Grusel-Schauer hat. Wunderbar kurzweiliges Buch zur Halloween-Zeit und mit einem Ende, bei dem mir das Lachen im Hals stecken geblieben ist!


Spannung
♥♥♥♥
Romantik

Humor

Gewalt
♥♥♥
Action
♥♥

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein Meister unserer Zeit...

Von Männern, die keine Frauen haben
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Von Männern, die keine Frauen haben

Autor: Haruki Murakami
Genre: Magischer Realismus, Postmoderne Literatur
Freigabe: keine
Erschienen: Oktober 2014
Seiten: 254
Einband: Hardcover
Verlag: Dumont
ISBN: ...

Von Männern, die keine Frauen haben

Autor: Haruki Murakami
Genre: Magischer Realismus, Postmoderne Literatur
Freigabe: keine
Erschienen: Oktober 2014
Seiten: 254
Einband: Hardcover
Verlag: Dumont
ISBN: 978-3-8321-9781-0
Preis: 19,99€

Rating: ♥♥♥♥


Klappentext

Nur Männer, die keine Frauen haben, können verstehen, wie herzzerreißend, wie furchtbar traurig es ist, Männer zu sein, die keine Frauen haben. Den wunderbaren Westwind zu verlieren.
Inhalt

In sieben 'langen' Kurzgeschichten erzählt Murakami die Geschichten von Männern, die keine Frauen haben. Während der eine nie eine gefunden hat, ist sie dem anderen abhanden gekommen, während einem anderen die seine niemals wirklich gehört hat. In jeder einzelnen Geschichte eröffnet sich dem Leser ein neuer Text, eine neue Ansicht der Dinge und ein neues, trauriges Schicksal - das Schicksal eines Mannes, der in der heutigen Gesellschaft ohne die richtige Frau an seiner Seite dem Untergang geweiht ist. Sei es, weil ihm in seinem Leben ohne sie etwas Wichtiges entgeht oder, weil er an ihrem Verlust leidend zugrunde geht.


Cover ♥♥♥♥♥

In diesem Fall war das Cover für mich definitiv Kauf entscheidend! Ich hatte schon viel Gutes über Haruki Murakami gehört und als ich schließlich in der Buchhandlung nach ihm suchte, wusste ich anhand des Covers sofort, welches Buch mein Herz erobern würde. Die Harmonie der Farben Rot, Grün, Blau und Gelb auf dem Kleid der abgebildeten Dame gibt dem Cover eine angenehme bunte Mischung auf weißem Hintergrund. Es sieht schlicht, aber schön aus und erregt sofort Aufmerksamkeit. Der Clou: Das Bild des bunten Kleides mitsamt Autornamen und Titel lässt sich mit dem sonst durchsichtigen Schutzumschlag ablösen und gibt dort, wo vorher das Kleid abgebildet war, den Blick auf einen farblosen (!) Männerkörper frei. Diese Analogie zum Titel und (damit gleichermaßen) zum Inhalt des Buches hat mich wirklich äußerst beeindruckt: Ein Mann ohne Frau hat keine Farbe! Umso neugieriger bin ich, ob sich dieses Thema auch in Murakamis Roman Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki auch finden lässt - ist er etwa farblos, weil er keine Frau an seiner Seite hat? Ich werde berichten!


Charaktere ♥♥♥

Da es in sieben Kurzgeschichten unzählige Charaktere gibt, die es gleichermaßen verdient haben, vorgestellt zu werden, muss ich mich an dieser Stelle etwas kürzer fassen. Der Titel gibt uns hier schon einen entscheidenden Hinweis: Es dreht sich alles um allein stehende Männer und darum, warum diese keine Frauen haben. Bis auf ein paar wenige Ausnahmen waren mir die meisten Protagonisten äußerst sympathisch und gut greifbar. Murakami schafft es, in wenigen Seiten jeder seiner Figuren einen ausgefeilten Charakter und dem Leser somit das Gefühl zu geben, dass es sich hier um wirkliche, reale Individuen handelt und nicht um Puppen, die stellvertretend für ihr Geschlecht zu sehen sind. Ironischerweise konnte ich gerade zu dem namenlosen Ich-Erzähler der letzten Kurzgeschichte Von Männern, die keine Frauen haben (ja, sie war wohl Titel gebend) überhaupt keine Verbindung aufbauen. Als er den Anruf bekommt, dass eine Frau, mit der er in der Vergangenheit ein Verhältnis gehabt hat, gestorben sei, schafft er es nicht, in ihren Tod in irgendeiner Weise zu bedauern - stattdessen beginnt er irgendwelche Geschichten zu erfinden, von denen er sich selbst vorgaukelt, dass er sie mit ihr erlebt hat. Anders, als die anderen Protagonisten, hatte dieser für mich den Bezug zur Realität vollkommen verloren. Abgesehen davon fand ich den Einblick in die männliche Psyche, den Murakami dem Leser hier eröffnet, interessant und scharfsinnig, obgleich auch anzweifelbar. Denn Murakamis Texte sollten stets in dem Bewusstsein gelesen werden, dass hinter seinen Figuren und Handlungen eine ganze, uns vollkommen fremde Kultur steht, deren vollkommenes Verständnis uns wahrscheinlich für immer verborgen bleiben wird, sollten wir nicht gerade in Japan geboren und aufgewachsen sein. Ähnliches gilt für seine Frauendarstellungen, an denen ich durchaus etwas auszusetzen hatte: In beinahe allen Fällen waren die beschriebenen Frauen auf die ein oder andere Weise unverschämt untreu und standen ihren 'unschuldigen' Männern damit sündhaft gegenüber. Man kann an dieser Stelle sicherlich noch ausschweifend über Murakamis Frauenbild diskutieren, doch das spare ich mir lieber. Für mich war es einfach zu eindeutig gepolt und damit zu wenig abwechslungsreich.


Schreibstil ♥♥♥♥♥

Ich denke, in Bezug auf Murakamis Schreibstil gibt es gar nichts anderes zu sagen als: wunderbar! Der Text fließt nur so dahin, die Beschreibungen sind rund, die Vergleiche unglaublich faszinierend und einfallsreich. Jeder Charakter hat seine Eigenarten und Kennzeichen, seine Ecken und Kanten, seine eigene Auffassung von der Welt. Mit wenigen, eindrücklichen Worten und mit noch unauffälligeren Andeutungen schafft es Murakami, das Herz des Lesers zu berühren und gefangen zu halten. Ich war süchtig nach dem Text und las einfach weiter, um mich von seiner Sprache tragen zu lassen, wie von einer warmen, bunten Meereswelle. Einfach atemberaubend! Dabei habe ich ganz besonders die Eindrücke in die japanische Denkweise und Kultur in mich aufgesogen und habe unter Spannung beobachtet, wie und wo westliche Kultur mit der östlichen kollidiert - oder eben harmoniert. Jede Geschichte gab mir das Gefühl, dass wir es hier mit einem äußerst weltoffenen Autoren zu tun haben müssen, der die Kultur der westlichen Welt akzeptiert und gleichermaßen bewundert. Sei es Essen, Alkohol, Musik oder Literatur - hier sind Amerika und Europa beinahe häufiger vertreten, als ihre klassischen japanischen Gegenstücke. Ob einem das jetzt gefällt, kann, denke ich, jeder für sich entscheiden.


Handlung ♥♥♥♥

Handlung muss bei einem postmodernen Werk wie Murakamis Von Männern, die keine Frauen keine große Rolle spielen. Gerade bei Kurzgeschichten fällt diese dann doch eher mau aus. Hier liegt der Schwerpunkt eher auf Interaktion und Kommunikation zwischen den einzelnen Charakteren und den Schlüssen, die der Leser daraus ziehen kann. Oft vergeht eine größere Spanne an Zeit zwischen dem Anfang und dem Ende der Geschichte - Wochen, Monate oder Jahre, die sprunghaft erzählt werden und dabei immer an den wichtigsten, formgebenden Anekdoten Halt gemacht wird. In Das eigenständige Organ vermisst der Ich-Erzähler beispielsweise einen guten Freund, der sich über mehrere Monate nicht bei ihm gemeldet hat. Als er der Sache nachgeht, findet er in einem Gespräch mit dem Sekretär seines Freundes heraus, dass er - aus Liebeskummer - seit einigen Wochen krank im Bett liegt und keinen Bissen mehr zu sich nehmen will. Die Spannung dieser Geschichte ergibt sich aus der vollkommenen Unwissenheit von Erzähler und Leser gleichermaßen. Die Suche nach Antworten treibt sie an und bildet den Hauptteil der Handlung in jeder Geschichte. Warum ist die Welt so, wie sie ist? Warum fühlen wir so, wie wir fühlen? Was ist mit der Person passiert, die ich einmal kannte? Warum hat sie es getan? Immer gibt es eine entscheidende, treibende Frage - ob sie auch befriedigend beantwortet werden kann, das ist eine andere Sache. Deswegen gibt es von mir hier ganz solide 4 Punkte.


Gesamtwertung ♥♥♥♥

Oftmals entsteht eine Wertung ja aus der Differenz von dem, was man erwartet und dem, was man dafür bekommen hat. Im Falle von Von Männern, die keine Frauen haben fällt mir die Wertung deswegen besonders leicht, denn ich hatte absolut keine Erwartungen. Ich hatte zwar viel Gutes über den Autor gehört, doch ich konnte mir nichts unter ihm, seinem Schreibstil oder seinen Thematiken vorstellen und somit konnte ich mir auch keine falschen Hoffnungen machen. Das Ergebnis hat mich sehr beeindruckt! Murakamis Schreibstil ist eine Augenweide für jeden Leser, der auf die Kunst der Sprache einen hohen Wert legt. Der Aufbau der Geschichten war großartig, das Heranführen des Lesers an die jeweilige Problematik gelingt dem Autor wie aus der hohlen Hand, die Charaktere sind greifbar und zumeist sympathisch, ihre Beweggründe und Handlungen nachvollziehbar. Auch, wenn ich nicht mit allem Einverstanden war, gerade im Hinblick auf das hier vermittelte Frauenbild, bin ich dennoch begeistert von dem, was mir hier geboten wurde - und ich hüte das Buch, schon allein wegen seines hübschen Äußeren, wie einen Schatz. Eines weiß ich auf jeden Fall: Auch, wenn Murakami stets viele Fragen, besonders die an das Leben, offen lässt, will ich mehr davon. Ich will mehr von seiner unglaublichen Sprache und seinen Problematiken, von seinen Fragen an die Welt. Und ich werde meinen Hunger mit Sicherheit schon bald stillen!


- Eure Bücherfüchsin