Nichts für Zuckerphobiker
Eine Warnung. vorweg: Wer gerade auf seine schlanke Linie achtet und/oder Süßem nichts abgewinnen kann, sollte unbedingt die Finger von diesem Roman lassen! Er macht unweigerlich Appetit auf Schokolade, ...
Eine Warnung. vorweg: Wer gerade auf seine schlanke Linie achtet und/oder Süßem nichts abgewinnen kann, sollte unbedingt die Finger von diesem Roman lassen! Er macht unweigerlich Appetit auf Schokolade, Kuchen, Torte, Kakao …
Wien im Frühling 1881. Der junge Leutnant August Liebeskind hat seinen Dienst bei der Armee quittiert. Im Herbst, so ist es geplant, wird er in die Schokoladenfabrik seines Onkels eintreten, doch zunächst blickt er einem Sommer voller Muße entgegen. Da begegnet er Elena Palffy: selbstbewusst, unabhängig, unkonventionell und wie August eine schwelgerische Schokoladenliebhaberin. Anfänglich ist August von Elena irritiert, dann fasziniert, schließlich – wen wundert’s – verliebt er sich in die geheimnisvolle Fremde.
Zugegeben, der Plot erscheint zunächst nicht besonders aufsehenerregend. Irgendwie meint man, alles schon in ähnlicher Form woanders gelesen zu haben: Sei es der Gegensatz von konventionellem Mann und unkonventioneller Frau („Daisy Miller“ von Henry James, „Zeit der Unschuld“ von Edith Wharton u. v. m.), sei es die epische Huldigung der Schokolade (Joanne Harris: „Chocolat“) oder die literarische Beschäftigung mit dem Duft (Patrick Süskind: „Das Parfum“). Und doch lohnt sich die Lektüre, denn Ewald Arenz gelingt es meisterhaft, diese Versatzstücke auf wunderbare Art neu zu arrangieren und der Geschichte einen unerwarteten Twist zu geben.
So verleiht seine olfaktorische Sensibilität dem Protagonisten beispielsweise beinahe übersinnliche Fähigkeiten – das mag krude klingen, passt aber erstaunlich gut. Zum anderen ist diese Geschichte ein wahrhaft multisensorischer Genuss. Es ist bemerkenswert, wie der Autor es schafft, Aromen so in Worte zu fassen, dass man sie buchstäblich schmecken und riechen kann. Dazu ein Beispiel vom Beginn des Romans, als August die Konditorei Demel betritt:
„Als Erstes und am stärksten kam einem, wie als Begrüßung, schon an der Tür der Geruch des frisch röstenden und aufgebrühten Kaffes entgegen. Dann der Zigarrenrauch, der einzige Duft, den man sehen konnte. Und dann, ganz zart und jeder unverwechselbar, die vielen kleinen Düfte. Bitter, von geraspelter Schokolade. Oder geschmolzen und süß, von den Schokoladen der Damen an kühlen Tagen wie heute, mit einem Hauch Vanille darin. Tragant, der einfache, süße Geruch (…). Honig (…): rosigsüß (…), blütensüß (…), walddunkel (…), durchsichtig fein (…).“
Zu guter Letzt: Eigentlich lese ich gerne Bücher in der Jahreszeit, in der sie spielen. Doch obwohl die Handlung im Sommer angesiedelt ist, passt „Der Duft von Schokolade“ auch wunderbar zum Advent, zu heißem Kakao und Gebäck, zu Zimt und Honig, Nüssen und Datteln …