Die Sprache siegt über die Handlung
Das Jahr vor dem 1. Weltkrieg ist für den Hydrografen Graf Franz von Karsch-Kurwitz der Aufbruch in ein neues Leben. Auf der Flucht vor gesellschaftlichen Zwängen reist er per Schiff nach Valparaíso, um ...
Das Jahr vor dem 1. Weltkrieg ist für den Hydrografen Graf Franz von Karsch-Kurwitz der Aufbruch in ein neues Leben. Auf der Flucht vor gesellschaftlichen Zwängen reist er per Schiff nach Valparaíso, um das Meer zu erforschen. Eine geheimnisvolle Schönheit kommt in Lissabon an Bord und verdreht nicht nur Karsch den Kopf. Vorgezeichnete Wege und Pflichtgefühl scheinen fern der Heimat ihren Wert zu verlieren.
Gleich zu Beginn hat man das Gefühl, ein viel älteres Buch zu lesen. Der Schreibstil wirkt poetisch entrückt. Allard Schröder setzt auf die Sprache, die er spielerisch und gekonnt verwendet. Die Handlung und selbst die Charaktere werden zur Nebensächlichkeit. Eine Epoche, in der Zeit noch nicht so wertvoll war wie heute. An Karsch kann man erkennen, wie langsam er seine Tage vergehen lässt.
Mit der Emotionslosigkeit von ihm hatte ich anfangs so meine Probleme. Leidenschaft scheint für diesen Mann ein Fremdwort zu sein. Für ihn gibt es nur Pflicht. Er sieht die Sinnlosigkeit allen Tuns (seines Standes) und kapituliert. Die Doppelmoral der damaligen Zeit wird sehr deutlich herausgearbeitet.
"Sein Leben war ihm oft wie eine Flucht erschienen. Nicht
vor etwas, sondern zu etwas. Er suchte ein Refugium, ein Asyl,
einen stillen, weiblich duftenden Ort, an dem sich alles in sei-
ner regungslosen Herrlichkeit zeigte. "
Karsch wie seine Reisebegleiter, der Salpeterhändler Moser und der Lehrer Todtleben, stehen für die sozialen Stellungen. Kurz vor Ausbruch des 1. Weltkrieges befindet sich die Welt im Aufbruch. Adel, Unternehmer und Gelehrte müssen sich neu orientieren, dies wird erlebbar herausgearbeitet.
Die geheimnisvolle Asta Maris lässt Karsch all seine Vorsätze hinterfragen und ihn für eine kurze Zeit frei von Zwängen an die Zukunft denken.
Doch am Ende bleibt Karsch für mich eine tragische Figur, die zeitlebens keinen Platz in der Gesellschaft gefunden hat.
Meine positive Bewertung liegt an der wundervoll eingesetzten Sprache, die über die Handlung gesiegt hat. Es ist schwer zu beschreiben, was den Reiz des Buches ausmacht, man muss es erleben.