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Veröffentlicht am 31.05.2019

Turing

Maschinen wie ich
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Er hat einen, er hätte lieber eine Eve gehabt, aber wenigstens hat er einen Adam ergattert. Fast sein ganzes Geld ist dabei draufgegangen. Charlie Friend beginnt mit der Aufladung und Programmierung seines ...

Er hat einen, er hätte lieber eine Eve gehabt, aber wenigstens hat er einen Adam ergattert. Fast sein ganzes Geld ist dabei draufgegangen. Charlie Friend beginnt mit der Aufladung und Programmierung seines Maschinenmenschen Adam. Seine Nachbarin Miranda bezieht er mit ein, insgeheim möchte er eine intensivere Beziehung zu ihr. Charlies Konzept geht auf, Miranda und er kommen sich näher. Doch Adam, eigentlich eine Maschine, entwickelt bald eigenwillige Züge. Sollte er etwa ein Auge auf Mrianda geworfen haben? Können künstliche Wesen das überhaupt? Bald schon scheint Adam Charlie auszustechen und Charlie nimmt ihm das Versprechen ab, dass seine Freundschaft zu Miranda platonisch bleiben muss.

In einem etwas anderen England Anfang der 1980er Jahre. Der bekannte Wissenschaftler Alan Turing ist nicht früh gestorben, Computer und Internet sind viel früher entwickelt worden und Maschinen haben die Arbeit vieler Menschen übernommen. Die Eltern des Anfangdreißigers Charlie sind bereits verstorben, das Erbe durchgebracht, der letzte Rest für den Erwerb des Adams aufgewendet. Miranda, Anfang Zwanzig, sorgt sich um ihren kranken Vater und scheint in manchen Momenten sehr in sich zurückgezogen. Zu ihnen kommt einer der ersten 25 Adams und Eves. Das Zusammenleben mit der Maschine entwickelt sich anders als erwartet, denn Adam entpuppt sich schnell, er ist kein reiner Befehlsempfänger. Er saugt Informationen auf und hat ganz eigene Moralvorstellungen.

Mal wieder auf seine ganz eigene Art wirft der Autor einen Blick auf die Welt. Nur ist es diesmal eine Welt, die wir nur so ungefähr kennen. Irgendwie sind es die 1980er, irgendwie auch nicht. Schon das gibt der Lektüre einen besonderen Reiz, jedem Wiedererkennungseffekt wohnt auch etwas Fremdes inne. Hinzu kommt die Auseinandersetzung mit künstlicher Intelligenz wie es sie heute - man möchte sagen zum Glück - noch nicht gibt. Mehr als einmal schaudert es einen bei dem Gedanken, wie so eine fast menschliche Maschine agiert. Sind Menschen nicht bald überflüssig. Adam ist derjenige, der den Durchblick zu haben scheint, der körperlich kräftig ist und moralisch eine Instanz bildet. Charlie und Miranda wirken dagegen manchmal etwas unzulänglich in ihren Entscheidungen, sprunghaft in ihren Gedanken und Emotionen. Wer mag bei dieser Aussicht auf die Zukunft nicht verzweifeln. Doch Ian McEwan wählt einen anderen Weg, der der Menschheit eine Hoffnung gibt, die auch ertragen werden muss.

Mit diesem ausgesprochen intelligenten Werk macht der Autor seinen geneigten Lesern die große Freude, ein hochaktuelles Thema aufzuarbeiten und mit seinen Schlüssen zu überzeugen.

Veröffentlicht am 17.05.2019

Seelenzauber

Witchmark. World Fantasy Award für den besten Fantasy-Roman des Jahres 2019
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Dr. Miles Singer kommt als hochdekorierter Kriegsheld nach hause. Schon immer wollte er Arzt werden und während seiner Militärzeit konnte er das Studium beenden. Die erlebten Kriegsgreuel haben seine Seele ...

Dr. Miles Singer kommt als hochdekorierter Kriegsheld nach hause. Schon immer wollte er Arzt werden und während seiner Militärzeit konnte er das Studium beenden. Die erlebten Kriegsgreuel haben seine Seele nie verlassen und nun arbeitet er in einem Hospital für kriegsversehrte Soldaten. Seine Fähigkeiten als Heiler, seine gesamte Vergangenheit muss er dabei verheimlichen. Dennoch unternimmt er, was möglich ist, um seinen Patienten zu helfen. Eines Tages taucht ein Fremder vor der Klinik auf, der einen Sterbenden im Arm hält. Zwar scheitert Miles’ Versuch, den jungen Mann zu retten, doch der tödlich Getroffene, kann ihm noch zuraunen, dass er vergiftet wurde und dass er Miles’ Hexenmal sieht.

Die magische Welt von Kingston wird von Sturmsängern beherrscht, die das Wetter im Zaum halten. Ihre Fähigkeiten haben zu einem großen Aufschwung Aelands geführt, allerdings auch zum Krieg. Der Strom der heimkehrenden traumatisierten und verletzten Soldaten reißt nicht ab. Doch längst ist nicht alles so wie es scheint. Das Geheimnis des Toten, gilt es, zu enträtseln. Gemeinsam mit dem Fremden macht sich Miles daran, zu untersuchen, wer am Tod des jungen Mannes Schuld trägt. Miles kommt dabei nicht umhin, sich seiner Vergangenheit zu stellen.

Recht unbefangen geht man an diesen Fantasy-Krimi, doch schon nach wenigen Seiten ist man gefesselt. Zunächst vermutet man, der junge Arzt soll und will einfach nur herausfinden, wer das Opfer vergiftet hat. Bald schon entwickelt sich diese Frage in eine lebensverändernde Situation für Miles. Die Vergangenheit, die er eigentlich für immer hinter sich gelassen glaubte, drängt sich im wahrsten Sinne des Wortes mit Macht zurück in sein Leben. Alles, was er als gegeben hinnahm, stellt sich als anders heraus. Und schließlich bleibt nur noch der Fremde als Vertrauter.

Diese Mischung als Kriminalroman und Fantasy zieht einen wirklich in ihren Bann. Um wessen Wohl geht es? Inwieweit rechtfertigt der Zweck die Mittel? Und die immer wiederkehrende Frage nach dem Vertrauen. Wer hängt an welchem Faden? Wer manipuliert? Dieses Romandebüt kann man wirklich nur empfehlen, es entführt in eine fremde ähnliche Welt, die einen zum Teil schaudern lässt, immer fesselt und nie die Hoffnung verlieren lässt.

Ein weiterer Band um die Kingston-Welt ist angekündigt.

Veröffentlicht am 19.04.2019

Entropia

Cat & Cole 2: Ein grausames Spiel
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Lachlan, eine Art Vater für Cat, ist derjenige, dem das Handwerk gelegt werden muss. Obwohl erschöpft und ihre Verletzungen noch kaum ausgeheilt, begibt sich Cat mit ihren Gefährten auf die Suche. Lachlan ...

Lachlan, eine Art Vater für Cat, ist derjenige, dem das Handwerk gelegt werden muss. Obwohl erschöpft und ihre Verletzungen noch kaum ausgeheilt, begibt sich Cat mit ihren Gefährten auf die Suche. Lachlan muss unbedingt gefunden werden, bevor er die Menschheit umprogrammieren kann. Die Spur führt nach Entropia, der Stadt der Genhacker, in der viel der ursprünglichen Gentechnik entwickelt wurde. Eigentlich ein logisches Versteck, denn Labore sind vorhanden. Doch wird Regina, eine Mitbegründerin der Ansiedlung, Cat und ihre Freunde einfach so willkommen heißen? Schon auf dem Weg nach Entropie werden Anzeichen einer neuen Gefahr ersichtlich.

Die Seuche scheint besiegt, ein Impfstoff wurde entwickelt und verteilt. Die Menschen kommen aus ihren Zufluchtsorten und eigentlich sollte es eine Zeit der Freude sein. Doch schon wieder beginnen Menschen Zeichen von Krankheiten zu zeigen. Wie konnte das geschehen? Droht hier eine neue Gefahr? Unverdrossen machen sich Cat und Cole auf, um Lachlan zu suchen und seine Pläne zu durchkreuzen. Dabei ist Cat nicht nur den äußeren Gefahren ausgesetzt, auch aus ihrem Inneren mehren sich Zeichen, dass von dort weiteres Ungemach kommen kann. Cat kämpft dagegen an, die Rettung der Menschheit ist schließlich wichtiger als ihre unbedeutenden Wehwehchen. Doch möglicherweise hängt alles zusammen. Cat weiß nicht, ob es sich bei dem, was in ihrer Seele verborgen ist, um Freund oder Feind handelt.

Mit ihren Erfindungen Cat und Cole weiß Emily Suvada wahrlich zu überzeugen. Mindestes ebenso spannend wie der erste Band bietet auch dieser zweite Teil der Reihe packende Unterhaltung. Wobei man diese nervenaufreibende Tour de Force beinahe nicht einfach Unterhaltung nennen kann. So manches Mal denkt man, das kann sie doch nicht machen, um nur kurze Seiten später zu erfahren, dass sich doch alles logisch ins Bild fügt. Mit ihren unkonventionellen Gedanken und Lösungen fesselt die Autorin außerordentlich. Ebenso wie ihre Heldin ist sie eine, die dem Problem entgegentritt und eine Antwort fordert. Eine Antwort, die die Autorin natürlich in erster Linie selbst finden muss und das ist zur Freude der Leserin sehr gelungen.


Veröffentlicht am 07.04.2019

Nach Süden

Rückwärtswalzer
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Man müsste Lorenz als Loser bezeichnen. Sein Vater hat ihn dermaßen verwöhnt, dass er so fest daran glaubt, er ist toll, dass er nicht merkt, wie andere über ihn denken. Ein wenig aufgerüttelt wird er ...

Man müsste Lorenz als Loser bezeichnen. Sein Vater hat ihn dermaßen verwöhnt, dass er so fest daran glaubt, er ist toll, dass er nicht merkt, wie andere über ihn denken. Ein wenig aufgerüttelt wird er als seine Freundin ihn verlässt. Immer noch meint Lorenz allerdings, er müsse nichts ändern. Lieber fragt er seine angeheirateten Onkel nach Geld. Glücklicherweise halten diese das Geld, welches sie haben oder nicht, zusammen. Lorenz vermietet seine Wohnung und zieht zu seinen Tanten. Ihre Welt ist skurril und doch auch heimelig. Doch dann wacht Onkel Willi eines morgens einfach nicht mehr auf. Und sein Wunsch war es, in seiner Heimat Montenegro beerdigt zu werden.

Da Tante Hedi immer gedacht hat, ihr Wille werde sie überleben, wo er doch jünger war, hat sie das Beerdigungsgeld ihrer gemeinsamen Tochter gegeben. Wie sollen sie nun ihr heiligstes Versprechen einhalten. Im kleinen Panda machen sie sich zu fünft auf den Weg, Lorenz am Steuer, Onkel Willi auf dem Beifahrersitz und Tante Hedi, Tante Mirl und Tante Wetti hinten. Ein letzter Wunsch, der einfach erfüllt werden muss. Wie eine bewegte Totenwache könnte diese Fahrt über Autobahnen, Straßen und Wege gesehen werden. Da kommen Erinnerungen auf, an die Kindheit der Prischingers, die einmal fünf waren und dann nur noch vier. Wie die Schwestern zu Tanten wurden und schließlich alle in Wien gelandet sind. Wie sie nur ohne Willi klarkommen sollen. Willi, der immer beweglich war und für jeden ein gutes Wort hatte. Und wie sie ihr Versprechen halten, ahnend, dass er noch nicht ganz fort ist, dass er nur am Ziel wirklich seine Ruhe findet.

Vielleicht hat man Ähnliches, naja, anders schon, aber doch ähnlich, selbst einmal mitgemacht. Ein Versprechen über den Tod hinaus gehalten. Und so kann man verstehen, wie wichtig es ist, dass Willi an seinen Sehnsuchtsort kommt, wo auch er ein Versprechen einzuhalten hat. Doch nicht nur dann wird man sie mögen, die chaotische und doch lebensechte Familie Prischinger. Mit ihren Toten lernt man auch sie kennen und ihre Geschichte. Leicht hatten sie es nicht, doch sie hatten sich. Und sie halten zusammen, für Willi und auch für Lorenz, der auf diesem außergewöhnlichen Roadtrip eine ganze Menge über sein Leben und das Leben überhaupt lernt.
Die Prischingers wird man gerne in Erinnerung behalten und auch ihre Toten und auch die eigenen Toten. Und wenn man die Autorin während einer Lesung kennenlernen durfte, wird ihre Stimme durch die Lektüre hallen, die dem Roman eine besondere Lebendigkeit verleiht.

Veröffentlicht am 02.03.2019

Die Prüfung

Fiona: Unten im Dunkeln
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Wenn sie ihm echte Fälle bringt, lässt ihr Chef sie aus dem Verlies. Eigentlich sollte Fiona Griffiths sich auf die Prüfung vorbereiten. Während der freien Tage, die sie deshalb genommen hat, macht sie ...

Wenn sie ihm echte Fälle bringt, lässt ihr Chef sie aus dem Verlies. Eigentlich sollte Fiona Griffiths sich auf die Prüfung vorbereiten. Während der freien Tage, die sie deshalb genommen hat, macht sie vieles, Lernen ist nicht dabei. Wieder zurück im Dienst, landet sie in der Asservatenkammer, um jede Menge Beweismittel zu archivieren und zu katalogisieren. Viel lieber wäre Fiona draußen beim Polizeieinsatz. Nun, sie muss das Beste daraus machen. Die alten Fälle, die Jackson ihr gegeben hat, arbeitet sie eher nebenbei durch. Bei ihrer unnachahmlichen Spürnase dauert es nicht lange, bis aus einem vermeintlichen Unfall und einem vermeintlichen Selbstmord zwei Tötungsdelikte werden.

In diesem vierten Band der Fiona Griffiths Reihe muss die junge Polizistin ihr ganzes Geschick aufbringen. Natürlich will sie nicht in der Asservatenkammer versauern, doch wie immer, wenn sie mal wieder naseweis war, muss sie eine Weile kleine Brötchen backen. Doch wissend um ihre Fähigkeiten lassen die Vorgesetzten ein paar Fälle sichten, deren Ermittlung zu nichts weiter geführt hat. Fiona ergreift die Chance, sich wenigstens hin und wieder auf etwas Interessantes konzentrieren zu dürfen als auf ungeordnete Beweisstücke. Einiges kommt ihr komisch vor bei den erwähnten Todesfällen. Haben die eigentlich zuständigen Beamten etwas übersehen? Nicht unbedingt, die meisten sind einfach nicht mit Fionas Fähigkeiten ausgestattet, aus kleinsten Ungereimtheiten ein Delikt herauszuschälen.

Man will hier wirklich nicht zu viel verraten, wie Fiona aus Nichts ein Verbrechen konstruiert. Die Entdeckungen, die einem im Rahmen der Lektüre erwarten, sind einfach zu brillant und verwegen. So manches „Häh?“ entfleucht einem, gefolgt von einem „Cool“. Da wird einem beim Mitdenken schon die eine oder andere Kletterpartie abverlangt. Was einen zu Beginn manchmal zum Absetzen zwingt, wird im Verlauf der Handlung zu einem echten Pageturner, den man nicht mehr aus der Hand legen will. So langsam schält sich auch das Große und Ganze heraus, was es angeraten erscheinen lässt, die Reihe mit Band eins zu beginnen.

Vielleicht muss man Fiona Griffiths erst etwas besser kennenlernen, um ihre komplexe, aber durchaus sympathische Persönlichkeit erfassen zu können. Doch je länger man einen gemeinsamen Weg mit ihr beschreitet, desto wohler fühlt man sich mit ihr.