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Veröffentlicht am 19.12.2018

Island während der Besatzungszeit

Graue Nächte
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Dies ist der dritte Band aus der Reihe um die beiden Ermittler Flovent und Thorson, den man aber problemlos ohne die Vorgängerbände lesen kann.

Island, zur Zeit des Zweiten Weltkrieges: Beinahe zeitgleich ...

Dies ist der dritte Band aus der Reihe um die beiden Ermittler Flovent und Thorson, den man aber problemlos ohne die Vorgängerbände lesen kann.

Island, zur Zeit des Zweiten Weltkrieges: Beinahe zeitgleich tauchen zwei tote Männer auf, die scheinbar beide auf ungeklärte Weise ums Leben kamen. Eine unbekannte Wasserleiche und ein erstochener Soldat. Flovent und Thorson nehmen die Ermittlungen auf und geraten schon bald zwischen die Fronten. Denn das amerikanische Militär, das auf der Insel stationiert ist, hat einen schlechten Stand bei der isländischen Bevölkerung und ist wenig kooperativ. So gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der einheimischen Polizei als schwierig.

Obwohl dies mein erster Krimi von Indridason war, war ich schnell überzeugt vom ruhigen, sachlichen Schreibstil. Das mag daran liegen, dass ich blutige, effektheischende Krimis nicht so gerne mag. Dieser Island-Krimi ist durchaus anspruchsvoll zu lesen und hat damit meinen Geschmack gut getroffen.

Auf den ersten Blick geht der Autor eher sparsam mit Emotionen um, allerdings steckt viel zwischen den Zeilen, finde ich. Eine gewisse Distanz bleibt jedoch bestehen.
Eine nordisch düstere Grundstimmung ist sehr gut getroffen. Besonders interessant finde ich die hochspannende Ausgangssituation, Island zur Zeit der amerikanischen Besatzung, im Kontext der Zeit.
Zusätzlich werden viele Themen eingebunden, wie etwa die Nazis oder das Tabu Homosexualität in der Armee.
Ganz nebenbei erhält der Leser viele Informationen über das damalige Island, mit zahllosen interessanten Fakten.

Von Anfang an gibt es zwei große Handlungsstränge, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Indridason streut sehr viele Informationen und Andeutungen, die sich nach und nach wie ein Puzzle zusammensetzen lassen. Das ist wirklich gut gemacht, der Autor versteht sein Handwerk.

Obwohl mich die distanzierte, wenig gefühlsbetonte Erzählweise eigentlich nicht gestört hat, blieben mir doch insbesondere die beiden Kommissare viel zu blass. Hier erfährt man auch kaum Privates.

Im Endeffekt hat für mich das Gesamtpaket dieses Krimis gepasst. Ich habe die Lektüre sehr genossen und kann das Buch gerne weiterempfehlen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Atmosphäre
  • Geschichte
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.04.2020

Mehr Inselflair als Spannung

Mitten im August
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Mitten im August - Luca Ventura

Mehr Lokalkolorit als Spannung

Ein gemütlicher Krimi mit viel Lokalkolorit, der auf Capri spielt. Tatsächlich ist genau das die eigentliche Stärke dieses Buches. Man ...

Mitten im August - Luca Ventura

Mehr Lokalkolorit als Spannung

Ein gemütlicher Krimi mit viel Lokalkolorit, der auf Capri spielt. Tatsächlich ist genau das die eigentliche Stärke dieses Buches. Man fühlt sich wie im Urlaub, riecht und schmeckt das süditalienische Lebensgefühl und Flair. Das kommt alles sehr gut rüber, ist süffig zu lesen.

Der Name des Autors ist übrigens ein Pseudonym, die Originalsprache allerdings Deutsch. Mehr ist mir zur Identität nicht bekannt. Ich persönlich hatte aber an mehreren Stellen den Eindruck, dass die Effizienz der süditalienischen Polizei recht kritisch dargestellt wird. Ob dies nun beabsichtigt ist, oder einfach nur Ist-Zustände beschreiben soll, sei dahingestellt.

Vor der traumhaften Kulisse Capris wird ein junger Mann erstochen in einem Boot aufgefunden. Inselpolizist Rizzi, ein toller Typ und seine neue Kollegin Cirillo, geheimnisvoll, nehmen die Ermittlungen auf. Normalerweise passiert auf der Insel nicht allzu viel, deshalb ist dies Rizzis erster Mordfall.
Es gibt viel lesenswertes Drumherum, insbesondere über Rizzis Privatleben. In seiner Freizeit hilft er seinem Vater in dessen Obst- und Gemüsegärten, echtes Inselflair eben.
Man merkt aber schon, dass dieser Krimi als erster Band einer Reihe angelegt ist. Es bleibt noch vieles offen.

Beinahe bekommt man das Gefühl, die Ermittlungen zu diesem Mord stünden gar nicht unbedingt an erster Stelle. Es wird teils schlampig ermittelt, teils in fehlender Absprache im Team, teils auch blockiert vom übergeordneten Neapel. Auf jeden Fall wird der Leser oft nur nebenbei, oder auch gar nicht über Ermittlungsergebnisse etc. informiert. Wirkliche Spannung bleibt dabei leider auf der Strecke.

Den Fall an sich fand ich letztendlich nur mittelmäßig, dafür punktet dieser Krimi mit süditalienischem Flair und Gelassenheit. Zu erwähnen wären noch die wirklich wunderbaren Karten auf den Klappeninnenseiten.

3,5 Sterne

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.09.2019

Flüssiges Land

Das flüssige Land
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Das flüssige Land - Raphaela Edelbauer
Shortlist Deutscher Buchpreis 2019
Eine faszinierende, wenn auch anstrengende Lektüre.

"Wir hatten eine potente Verwaltung des Auseinanderbrechens installiert und ...

Das flüssige Land - Raphaela Edelbauer
Shortlist Deutscher Buchpreis 2019
Eine faszinierende, wenn auch anstrengende Lektüre.

"Wir hatten eine potente Verwaltung des Auseinanderbrechens installiert und führten darin mit respektvoll geschlossenen Augen das Regiment." Seite 292

Nach dem plötzlichen Tod ihrer Eltern sucht Ruth deren Heimatort auf. Naja sie sucht ihn zuerst einmal. Schließlich taucht Groß-Einland auf keiner Landkarte auf und will offensichtlich nicht gefunden werden. Auch der Weg dorthin ist alles andere als gut zugänglich. Es scheint beinahe komplett vom Rest der Welt abgeschnitten zu sein. Endlich am Ziel angekommen, warten noch etliche weitere Überraschungen auf Ruth. Denn unter Groß-Einland existiert ein Loch, das seine Bewohner in die Tiefe zu reißen droht.
Nun ist es mit Ruth so eine Sache, denn sie ist scheinbar massiv medikamentenabhängig und wirkt über weite Strecken auch recht antriebslos. Dem Leser stellt sich die Frage, was von alldem überhaupt tatsächlich geschieht, oder bildet sie sich das am Ende in einem langen Drogenrausch alles nur ein? Auf jeden Fall scheint sie sich von den Ereignissen um das Loch nur allzu gerne überrollen zu lassen.
Die gesamte Handlung ist extrem surreal. Man sollte sich deshalb nicht zu sehr auf Fakten versteifen, denn logisch erklärbar ist hier nur wenig. Wie der Ort, so verschwimmt auch die Zeit in Groß-Einland oder in Ruths Empfinden. Wie auch immer.

Für mich fühlte es sich an wie eine Mischung aus Alice im Wunderland und Kafkas Schloss. Insbesondere die Parallelen auf Kafka bezogen, fielen mir schon auf, bevor ich ähnliches in anderen Rezensionen las.

Ich fand es sehr schwer greifbar, anstrengend, fühlte mich oft genervt, veräppelt, dennoch wird die Sache mit dem Loch sehr spannend beschrieben und hielt mich bei der Stange. Tatsächlich entwickelte sich dabei ein regelrechter Sog. Eine Geschichte, die man fühlen muss, anstelle ihrer zu verstehen. Einen besonderen Reiz machen für mich das Surreale auf der einen Seite, und die sachliche, naturwissenschaftliche Beschreibung des Lochproblems andererseits aus.
In verschnörkelter Sprache liest sich dieses Werk wie eine Parabel auf gesellschaftliche Missstände, folgt dabei jedoch keinerlei Logik. Der Text verhält sich wie das Land von dem er erzählt. Er lässt sich nicht fassen, entzieht sich dem Leser immer wieder. Wirklich faszinierend.
Es wimmelt nur so vor Metaphern. Das wurde mir hier ehrlich gesagt ein bisschen zu viel. Alles kann vieles bedeuten, ich meinte ständig irgendwo heruminterpretieren zu müssen. Das nimmt ein bisschen die unbeschwerte Lesefreude. Aber gut, derartiges war zu erwarten bei einem Roman, der für den Deutschen Buchpreis nominiert ist.
Zutiefst beeindruckt bin ich jedoch von der schriftstellerischen Leistung der Autorin. Einen solchen Text muss man erst mal zu Papier bringen können, auch wenn die breite Masse der Leser damit nicht viel anfangen können wird.
Tja, man kann nur versuchen, sich auf dieses Buch einzulassen. Mit Sicherheit ist es sehr speziell, auch wenn ich es keinem Genre zuordnen kann. Bestimmt ist es auch eines jener Bücher, die einem im Gedächtnis bleiben.

Veröffentlicht am 15.08.2019

Intensiv und anders

Gespräche mit Freunden
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Sally Rooney - Gespräche mit Freunden

„Drei Frauen und ein Mann – eine menage-a-quatre, die es in sich hat. Sie freunden sich an, sie lieben und hassen sich. Und sie führen Gespräche. Persönlich und ...

Sally Rooney - Gespräche mit Freunden

„Drei Frauen und ein Mann – eine menage-a-quatre, die es in sich hat. Sie freunden sich an, sie lieben und hassen sich. Und sie führen Gespräche. Persönlich und online reden sie über Sex und Freundschaft,…“ (Klappentext)
Eigentlich mache ich das sehr selten, dass ich an Stelle einer Inhaltsangabe, einfach den Klappentext zitiere. Doch dieser hier sagt bereits alles aus. Beziehungsweise tatsächlich ist das alles, worum es in diesem Roman geht. Zwei Studentinnen lernen in Dublin ein zehn Jahre älteres Ehepaar kennen. Und das Schicksal nimmt seinen Lauf.

Es passiert tatsächlich wenig Weltbewegendes in dieser Geschichte. Man könnte fast behaupten, es drehe sich nur um Banalitäten, die Gefühlswelt von Studentinnen. Aber nur beinahe, denn diese Banalitäten werden auf sehr eindrucksvolle und intensive Art und Weise präsentiert und entwickeln einen ganz eigenen Sog. Gewissermaßen handelt es sich hierbei um Charakterstudien; die Autorin analysiert moderne Beziehungen.

Es ist schon eine große Kunst, wie Rooney es schafft, ihre Figuren fast ausschließlich durch Telefonate, Mails, persönliche Gespräche bis aufs Mark zu beleuchten. Da steckt so viel in und zwischen den Dialogen, das ist schon beachtlich. Und irgendwann hat sie es dann geschafft, dass ich das Buch nicht mehr weglegen konnte.
Gerade in der oft schroffen, nach außen hin unnahbaren Art der Protagonisten Frances konnte ich mich durchaus wiederfinden. Frances ist Anfang zwanzig und überspielt mehr oder weniger erfolgreich ihre große Unsicherheit im Leben und in der Liebe. Sie ist noch dabei sich selbst zu finden und kann ihre Emotionen nur schwer zeigen. Diese Figur finde ich sehr gut und detailliert gezeichnet.

Eigentlich war ich der Ansicht, es hätte mehr passieren können, doch am Ende hat es mir doch sehr gut gefallen. Mir persönlich stellt sich nach der Lektüre noch die Frage, ob es nicht einfach Voyeurismus ist, der den Leser bei diesem Werk bei der Stange hält.
Ein moderner, sehr intensiver Roman, die Frau kann schreiben, keine Frage.


Veröffentlicht am 08.04.2019

Traurig und schön

Der Postbote von Girifalco oder Eine kurze Geschichte über den Zufall
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Der Postbote von Girifalco - Domenico Dara

Kalabrien, in den 70er Jahren. Unser Postbote, wenigstens einen Vornamen erfahren wir erst auf der allerletzten Seite, besitzt eine besondere Gabe. Er kann Handschriften ...

Der Postbote von Girifalco - Domenico Dara

Kalabrien, in den 70er Jahren. Unser Postbote, wenigstens einen Vornamen erfahren wir erst auf der allerletzten Seite, besitzt eine besondere Gabe. Er kann Handschriften perfekt imitieren. Er lebt sehr zurückgezogen und hat damit einen Weg aus der Einsamkeit gefunden. Anfangs öffnet und liest er die Briefe, die er zustellt. Bald schreibt er viele davon ab und archiviert sie. Schließlich greift er ab und an auch ins Geschehen ein und spielt Schicksal. Wobei er es immer nur gut meint.

Besonders beeindruckend ist die Stimmung des Romans. Innerhalb kürzester Zeit fühlt man sich zurückversetzt in ein Italien vor fünfzig Jahren, mit Wäscheleinen auf Balkonen und vielen interessanten, oft schrulligen Charakteren. Das Cover ist toll!
Gerade am Anfang fällt aber der Einstieg aufgrund der vielen italienischen Namen und des etwas sprunghaften Erzählstils nicht leicht.
Die einzelnen Geschichten der Dorfbewohner lassen zuerst kaum Verbindungen erkennen. Vielmehr scheint sich alles nur um den augenscheinlich doch recht passiven Postboten im Mittelpunkt zu drehen. Tatsächlich hat dieser kaum ein eigenes Privatleben, vielmehr versucht er heimlich an den Leben der Anderen teilzunehmen. Er nimmt eindeutig eine Beobachterrolle ein.
Zufall spielt ebenso, wie es der Titel bereits erkennen lässt, eine wichtige Rolle. Der Postbote ist ein sehr nachdenklicher Typ, der viel Zeit hat und über alles Mögliche Listen führt. So auch über diverse Zufälle, die ihm begegnen, bzw. die er miteinander in Verbindung bringt.

Es dominiert eine tief melancholische, wehmütige Grundstimmung. Im Hintergrund lauern nämlich die Schatten zweierlei tieftrauriger Liebesgeschichten. Atmosphäre sehr gut getroffen, poetisch, tiefsinnig und literarisch großartig. All das hat mir sehr gut gefallen.

Dennoch habe ich auch Kritikpunkte. So habe ich wirklich sehr lange gebraucht, bis ich mich mit dem umfangreichen Personal einigermaßen zurechtgefunden habe (das Personenverzeichnis am Buchende ist mir erst nach der Lektüre aufgefallen).
Der sehr ruhige Plot beinhaltet doch etliche Längen.

Eine hervorragende Idee, interessant umgesetzt, jedoch fehlt dem Ganzen der Pep.