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Veröffentlicht am 17.06.2019

Das perfekte Urlaubsbuch - nicht nur für Rom-Reisende!

Pizza Amore
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Mit ihrem Roman „Pizza Amore“ entführt uns Brigitte Kanitz nach Rom, genauer gesagt in die Vatikanstadt, denn dort hofft Sina, Hilfe zu finden. Die norddeutsche Grundschullehrerin leidet unter einer Menschen-Phobie, ...

Mit ihrem Roman „Pizza Amore“ entführt uns Brigitte Kanitz nach Rom, genauer gesagt in die Vatikanstadt, denn dort hofft Sina, Hilfe zu finden. Die norddeutsche Grundschullehrerin leidet unter einer Menschen-Phobie, die sich in einer Essstörung äußert, und diese Phobie hat sie ihrem Onkel Thilo zu verdanken, der als Kardinal im Vatikan lebt, und sie hofft, dass er auch wieder etwas dagegen tun kann. Sinas Nachbarin Esther, verwitwete Schulrektorin im Vorruhesand, muss ihre ganze Überredungskunst aufbieten, um die junge Frau zu dieser Romreise zu bewegen, denn Sina würde sich am liebsten einigeln, vor allem nach einem peinlichen Vorfall während eines Sommerfestes der Schule. Die erste Zeit nach ihrer Ankunft in Rom meidet sie auch Menschenansammlungen, während sich die zweiundsechzigjährige Esther hoffnungslos in einen jungen Schweizer Gardisten verknallt. Auch Sina hat sich unrettbar verliebt, seit sie den schönen Pietro das erste Mal auf einem Foto gesehen hat. Aber auch ihre Liebesgeschichte hat einen Haken, denn Pietro lebt, wie Sinas Onkel, in der Vatikanstadt und ist Priester.
Während Esther, wenn sie nicht gerade um ihren jungen Offizier herum schleicht, ihre Freundin Sina schon in eine Lovestory à la „Dornenvögel“ verstrickt sieht, hat diese ganz andere Sorgen, denn ihre Angststörung lässt sich gar nicht so einfach überwinden, und ob Onkel Thilo ihr wirklich helfen kann?

Ich habe diesen Roman wieder mit großem Vergnügen gelesen, denn er hat alles, was man sich von einer humorvollen Urlaubs- und Sommerlektüre erwartet. Die Charaktere sind originell und gut gezeichnet, und die Atmosphäre der Ewigen Stadt hat die Autorin in all ihren Facetten wunderbar eingefangen. Die Story ist erfrischend und humorvoll geschildert, und es kommt zu einigen kuriosen Begebenheiten, die mir so manches Schmunzeln entlockt haben. Natürlich kommt auch die Romantik nicht zu kurz, wenn sich auch vieles nicht so entwickelt wie gedacht, und so kam mir zuletzt der Spruch in den Sinn: „Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt“.
Von mir bekommt „Pizza Amore“ eine glatte Leseempfehlung, denn es ist die ideale Urlaubslektüre, nicht nur für Rom-Reisende.

Veröffentlicht am 15.05.2019

Strandkörbchen und Wellenfunkeln

Strandkörbchen und Wellenfunkeln
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Mein Eindruck:
Petra Schiers neuester Roman führt uns wieder nach Lichterhaven. Das ist für mich schon so etwas wie eine Wohlfühlgarantie, denn die bisherigen Lichterhaven-Romane, die ich gelesen habe, ...

Mein Eindruck:
Petra Schiers neuester Roman führt uns wieder nach Lichterhaven. Das ist für mich schon so etwas wie eine Wohlfühlgarantie, denn die bisherigen Lichterhaven-Romane, die ich gelesen habe, konnten mich mit ihrem Charme verzaubern, und ich kann gleich vorweg sagen, so war es auch diesmal wieder. Dazu aber später mehr, denn der Anfang der Geschichte ist erst einmal alles andere als schön! Lars, der sich auf dem Heimweg von einer Geschäftsreise befindet, wird Zeuge, wie ein Fremder zwei Welpen an einer Raststätte aussetzt. Damit nicht genug, quält er die armen Tiere, bevor er sie ihrem Schicksal überlässt. Für einen der beiden jungen Hunde kommt jede Hilfe zu spät. Der andere Welpe, ein kleiner Golden-Retriever, hat das Glück, dass sich Lars seiner Annimmt. Die junge Tierärztin Luisa staunt nicht schlecht, als ausgerechnet der Mann, der ihr acht Jahre zuvor das Herz gebrochen hat, nun mit einem niedlichen kleinen Hund bei ihr in der Praxis auftaucht, weil der Welpe dringend ärztliche Hilfe braucht. Lars war früher ein richtiger „Bad Boy“, der nichts hat anbrennen lassen. Dass er sich nun so für den kleinen Hund einsetzt und sich um ihn sorgt, spricht für ihn und lässt vermuten, dass er sich in den vergangenen Jahren verändert hat. Lars war Luisas erste große Liebe, bevor er sie damals ohne ein Wort verließ. Nun kommt er ihr wieder gefährlich nahe, und die alten Gefühle flammen erneut auf. Lars aber kann oder will sich nicht verlieben, was auf einige dramatische Erlebnisse in seiner Vergangenheit zurückzuführen ist. Man stellt sich hier die Frage, geht das wirklich? Kann man seine Gefühle so komplett wegsperren und in Zaum halten? Der Roman wird es im Lauf der Zeit zeigen, ob es Lars gelingt, emotionalen Abstand zu Luisa zu halten, denn man spürt zwischen den Zeilen, dass es gewaltig zwischen den beiden knistert.
Nach dem ernsten, tragischen Beginn wird man als Leser wieder mitgenommen in die schöne Atmosphäre des kleinen Küstenortes Lichterhaven. Viele Schauplätze dort waren mir bereits von den ersten beiden Bänden bekannt, und ich fühlte mich sofort wieder heimisch. Auch vielen „alten Bekannten“ aus den früheren Romanen begegnet man wieder, kein Wunder, denn Luisa ist die kleine Schwester von Alex und Christina, den Protagonisten der ersten beiden Bände. Natürlich ist auch die ganze Familie der Geschwister wieder vertreten, und wie man es schon gewohnt ist, üben sich die Messners nicht gerade in vornehmer Zurückhaltung, sondern mischen sich schon mal ein, wenn sie es für nötig erachten und es um das Glück ihrer Kinder bzw. Geschwister geht. Diese Einmischung bekommt Lars deutlich zu spüren, denn sein Freund Alex versteht keinen Spaß, wenn jemand seiner jüngeren Schwester das Herz bricht.
Es ist ein Liebesroman, und wie man es von diesem Genre kennt, sind auch einige erotische Szenen in die Handlung eingebaut, in diesem Band sogar noch mehr als sonst. Ich bin kein Fan von seitenlang ausgeschmückten und bis ins Detail geschilderten Liebesszenen, denn letztendlich laufen sie ja doch immer ziemlich ähnlich ab, aber da scheiden sich bekanntlich die Geister, und es ist unmöglich, es jedem recht zu machen. Hier muss ich auch wirklich sagen, Petra Schier versteht ihr Handwerk. Ihre erotischen Szenen wirken nie plump oder geschmacklos, sondern sind stets ästhetisch und gefühlvoll dargestellt, und die Episoden stehen nicht losgelöst für sich, sondern passen in die Handlung und erfüllen dort auch einen ganz gewissen Zweck. Die Entwicklung der Beziehung zwischen Luisa und Lars ist spannend zu verfolgen, denn vor allem Lars ist ein Protagonist, der zwar sehr sympathisch wirkt, dabei aber jede Menge Ecken und Kanten hat. Aber er hat nicht mit Luisas Hartnäckigkeit gerechnet, denn die junge Frau ist nicht nur zielstrebig, wenn es um ihre berufliche Zukunft geht, sondern sie setzt auch im Privatleben alles auf eine Karte, wenn sie etwas erreichen möchte.
Meine absoluten Highlights im Roman waren aber die Passagen aus der Sicht des kleinen Golden-Retriever-Mädchens, das Lars gerettet hat. Jolie, wie er die Kleine nennt, ist einfach bezaubernd. Einerseits wirken ihre „Gedanken“ wie die eines noch kleinen, naiven Hundekinds, andererseits hat die kleine Jolie schon so viel Schlimmes in ihrem kurzen Hundeleben erfahren, dass sie oft ängstlich und misstrauisch reagiert und nur langsam Vertrauen fasst. Manchmal wäre ich am liebsten ins Buch hinein gekrochen und hätte die Kleine ganz fest in den Arm genommen. Diese persönlichen Eindrücke aus der Sicht ihrer vierbeinigen Protagonisten sind das Besondere an Petra Schiers Romanen, und wie es der Autorin jedes Mal gelingt, dabei den Charakter des jeweiligen Hundes so gut zu treffen, fasziniert mich immer wieder neu.
Im Lauf der Handlung gab es ein paar Begegnungen, die darauf schließen lassen, dass es weitere Lichterhaven-Romane geben wird. Ich freue mich heute schon auf ein Wiedersehen mit dem kleinen Ort und seinen liebenswerten, zweibeinigen und vierbeinigen Bewohnern.

Veröffentlicht am 23.04.2019

Eindrucksvolles historisches Drama um Drillinge im 14. Jahrhundert

Die Blütentöchter
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Drillinge sind selten und auch heute noch etwas Besonderes. Im 14. Jahrhundert war diese Besonderheit den Menschen nicht geheuer, so auch die Laemmlin-Schwestern in Heilbronn. Viele sahen in ihnen das ...

Drillinge sind selten und auch heute noch etwas Besonderes. Im 14. Jahrhundert war diese Besonderheit den Menschen nicht geheuer, so auch die Laemmlin-Schwestern in Heilbronn. Viele sahen in ihnen das Böse und glaubten an Zauberei. So gesehen war dieses Wunder der Natur damals eher ein Fluch als ein Segen. Ein dummer Zufall bringt den Bußprediger Alardus auf die Spur der Drillinge, und indem er gegen sie wettert, ohne sie zu kennen, erreicht er damit, was er schon so lange wollte, dass ihm die Menschen zuhören. Was ihm zum Vorteil gereicht und sein Selbstbewusstsein aufbaut, wird den drei Schwestern fast zum Verhängnis. Aufgewiegelt durch die Worte des Predigers macht die aufgebrachte Menge die jungen Frauen für alles Unheil verantwortlich. Der Vater, dem seine Karriere wichtiger ist als die Sicherheit seiner ungeliebten Töchter, ist ihnen keine Hilfe in dieser Notsituation, ganz im Gegenteil. Als Götz Laemmlin, der Bruder von Eilika, Clementina und Imagina, bei dem schlimmen Hochwasser des Neckar, tödlich verunglückt, wenn auch durch seinen eigenen Leichtsinn, fällt auch das auf seine Schwestern zurück, in erster Linie auf Eilika, die zu diesem Zeitpunkt mit ihm unterwegs ist. Der Mob verlangt nach einem Gottesurteil, was unweigerlich ihren Tod bedeutet.
Wie es den Schwestern gelingt, aus der Stadt zu fliehen, wird in diesem fesselnden Roman eindrucksvoll dargestellt. Alle drei haben ein gemeinsames Geheimnis, in das nur ihre Mutter Luitgardis und die treue Magd Irma eingeweiht sind. Jede der Drillinge hat die besondere Gabe, Blüten in sehr lebensechter Weise zu gestalten, die eine aus Stoff gestickt, die andere auf Pergament gemalt und die dritte in Holz geschnitzt. Nach dem Verschwinden der jungen Frauen tauchen plötzlich immer wieder diese wunderschönen Blüten auf und geben Luitgardis die Hoffnung, ihre Töchter könnten noch am Leben sein. Aber die Blütenarbeiten geraten auch in falsche Hände von denen, die der Familie Laemmlin, insbesondere Volmar Laemmlin, schaden möchten und für die es daher Mittel zum Zweck ist, die Drillinge aufzuspüren.
Nach einem gemeinsamen Anfang spaltet sich die Handlung nach der Tragödie um die Familie Laemmlin auf, und wir verfolgen jede der drei Schwestern auf ihrem Schicksalsweg, der sie in eine ungewisse Fremde führt. Was die drei jungen Frauen unterwegs erleben, ist so eindringlich in Worte gefasst, dass man mit ihnen bangt und mitleidet. Anfangs werden die Drillinge etwas ausführlicher charakterisiert, denn so ähnlich sie sich auch sehen, so sind sie doch verschieden in ihrer Wesensart. Hier musste ich öfter nachschlagen, denn es hat eine Weile gedauert, bis ich die Schwestern „auseinanderhalten“ konnte. Aber mit der Zeit habe ich jede von ihnen ins Herz geschlossen. Während ihrer Flucht müssen alle drei immer wieder zu Notlügen greifen, denn sie haben einfach Angst um ihr Leben. Dass sie selbst darunter leiden, weil sie nicht einmal den Menschen die Wahrheit sagen können, die sie lieben, konnte ich sehr gut nachvollziehen. Auch Luitgardis Laemmlin ist ein sympathischer Charakter, und dass sie zeitweise verbittert ist und zu ungerechten Handlungen neigt, sei ihr verziehen, denn immerhin hat sie alle vier Kinder innerhalb kurzer Zeit verloren. Die Art, wie ihr Gemahl mit ihr und auch mit seinen Töchtern umgeht bzw. umging, ist menschenverachtend, und mir wurde nur allzu sehr bewusst, wie unterdrückt die Frauen damals lebten. In diesem Buch verbirgt sich ein mitreißendes Historien-Drama, was der liebliche Einband mit den filigranen Blüten gar nicht vermuten lässt. Sehr eindrucksvoll erfährt man hier auch etwas über das Hochwasser, das im Jahr 1333 Heilbronn heimgesucht hat. Die daraus erwachsenden Probleme und Zwistigkeiten, die letztendlich Ludwig der Bayer durch das so genannte Neckarprivileg beigelegt hat, sind sehr realistisch in die fiktive Handlung eingebunden, und letztendlich hat auch beim Schicksal der Laemmlin-Drillinge der Kaiser das letzte Wort.
Ziemlich haarsträubend fand ich ja die Art der damaligen Rechtsprechung, wobei die Autorin im Nachwort extra erwähnt, dass sie sich hier an realen Quellen und Verhandlungen orientiert hat. Die Faktoren, die damals über Recht und Unrecht entschieden, so dass anscheinend jemand unschuldig verurteilt werden konnte, nur weil er einen Satz aus irgendwelchen Gründen nicht ganz fehlerfrei wiedergeben konnte, das hat mich schon schockiert.
Im Gesamtbild hat mir der Roman ausgezeichnet gefallen; es sind eher ein paar Kleinigkeiten, die mich etwas irritiert oder gestört haben, die ich hier nicht genauer erläutern möchte, da ich sonst unweigerlich zu sehr spoilern würde, die aber bei meinem Gesamturteil auch nicht ins Gewicht fallen.

Veröffentlicht am 09.04.2019

Gesunder Schlaf ganzheitlich betrachtet

Die Geheimnisse des gesunden Schlafs
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Schlafstörungen sind heutzutage weit verbreitet, und die Ursachen dafür sind vielfältig. Die Autorin geht das Problem ganzheitlich an.
Im ersten der insgesamt fünf großen Kapitel erfahren wir, was mit ...

Schlafstörungen sind heutzutage weit verbreitet, und die Ursachen dafür sind vielfältig. Die Autorin geht das Problem ganzheitlich an.
Im ersten der insgesamt fünf großen Kapitel erfahren wir, was mit uns im Schlaf eigentlich passiert. Auch viele interessante Informationen über die Schlafphasen, über Schlafstörungen und auch über die Zusammenhänge mit der Organuhr hat Monika Richrath hier in leicht verständlicher Form zusammengefasst.
Die Kapitel zwei, drei und vier befassen sich mit den Ursachen für Schlafstörungen. Diese sind in äußerliche, körperliche und seelische Ursachen aufgeteilt und ausführlich besprochen. Es ist schon heftig, was alles dazu führen kann, unseren guten und wichtigen Schlaf zu stören. Die Auslöser für diese Störung sind vielfältig. Der Grund kann beispielsweise am Bett selbst zu finden sein, aber auch Elektrosmog, Störfelder etc. lassen uns nicht zur Ruhe kommen. Andererseits sind vielleicht Krankheiten daran schuld, wenn man nachts immer wieder aufwacht oder erst gar nicht einschlafen kann. Nicht zuletzt können Probleme dazu führen, uns wach zu halten, weil wir ins Grübeln verfallen.
Aber die Autorin betreibt nicht nur Ursachenforschung, sondern hat auch jede Menge an guten Tipps parat, was wir dazu tun können, unsere Schlafprobleme zu mindern oder ganz zu beheben. In vielen Fällen spricht sie aus persönlicher Erfahrung. Dass sie selbst auch nicht immer problemlos und gut schlafen konnte, macht Mut, sich selbst auf die Suche nach den individuellen Auslösern zu begeben und etwas zu ändern. Auch Zusammenhänge zwischen Schlaflosigkeit und unserer Nahrung bringt die Autorin zur Sprache. Im letzten Kapitel gibt Frau Richrath ihren Lesern eine Fülle an praktischen Ratschlägen an die Hand. Das Spektrum reicht von Entspannungs- und Atemübungen, Tipps für konstante Rituale vor dem Schlafengehen über Klopfakupressur bis hin zu natürlichen Schlafmitteln.
Schon in den Kapiteln zuvor spricht die Autorin auch sinnvolle Veränderungen in der Einrichtung, am Stromnetz etc. an.
Alles zusammen wird kaum jemand umsetzen können, und alles trifft ja auch nicht auf jeden zu. Mit diesem Buch gibt die Autorin Betroffenen jedoch einen sehr umfangreichen und guten Ratgeber an die Hand, und manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die man ändern muss und viel dadurch bewirken kann.

Veröffentlicht am 26.03.2019

Als Frauen noch keine Wahl hatten

Zeit des Mutes
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Etwas Klärendes vorab: Das Buch ist ursprünglich unter dem Titel „Zeit des Mutes„ erschienen und wurde inzwischen als eBook mit dem Titel „Die Frauen von Hazelwell Manor“ neu aufgelegt. Ich habe die ursprüngliche ...

Etwas Klärendes vorab: Das Buch ist ursprünglich unter dem Titel „Zeit des Mutes„ erschienen und wurde inzwischen als eBook mit dem Titel „Die Frauen von Hazelwell Manor“ neu aufgelegt. Ich habe die ursprüngliche Taschenbuch-Ausgabe und muss gestehen, dass mir dieser Titel und auch das Cover besser gefallen als bei der Neuauflage, denn meines Erachtens passt die frühere Aufmachung besser zur Geschichte und ist aussagekräftiger. Besonders gut gefällt mir am ersten Cover, dass es passenderweise in den Farben der Suffragetten-Bewegung, weiß, violett und grün, gehalten ist.
Der Roman spielt in den Jahren 1913 bis 1918. Zu Beginn gibt es zwei Handlungsfäden, die nebeneinander her laufen und sich nach einiger Zeit miteinander verflechten.
Im einen geht es um die junge Deutsche Emma zu Sommerfeldt. Wegen eines „unverzeihlichen“ Fehltritts wird sie zu entfernten Verwandten nach England geschickt. Auf Hazelwell Manor fühlt sie sich fehl am Platz und nicht anerkannt. Dabei verliebt sie sich hoffnungslos in den jungen Lord Percival. Leider beruhen ihre Gefühle nicht auf Gegenseitigkeit, und doch gelingt es Emma, Percival zu einer Heirat zu nötigen, indem sie ein tragisches Ereignis für sich ausnutzt, ein Fehler, wie sich herausstellt und wie sich die junge Frau eingestehen muss, denn Liebe lässt sich nicht erzwingen.
Die zweite Protagonistin ist das Dienstmädchen Lucy, die aufgrund falscher Beschuldigungen ihre Arbeitsstelle auf Hazelwell Manor verliert.
Beide Frauen gehen, unabhängig voneinander, nach London. Der Zufall will es, dass sie sich wieder begegnen, aber auf einer völlig anderen Ebene. Beide schließen sich den Suffragetten an, die für das Wahlrecht aller Frauen in England kämpfen, und für beide heißt es nun, ihr Leben neu zu ordnen.

Am Beispiel der beiden Protagonistinnen, die aus völlig unterschiedlichen Gesellschaftsklassen stammen und letztendlich doch ein gemeinsames Ziel haben, werden die Ereignisse der damaligen Zeit sehr lebendig dargestellt. Trotz der gesellschaftlichen Kontraste haben die Frauen alle mit ähnlichen Problemen zu kämpfen, auch wenn diese sich sehr unterschiedlich manifestieren. Letztendlich hatten weder arme noch gut situierte Frauen zur damaligen Zeit eine Wahl, wenn es darum ging, ihre Zukunft zu gestalten. Während Emma ihr Heil einzig in einer guten Partie sieht, geht es bei Lucy ums Überleben, denn mit ihrer Arbeit sichert sie nicht nur ihre Existenz, sondern auch die Versorgung ihrer kranken Mutter und ihres jüngeren Bruders. Beide sind, wenn auch auf unterschiedliche Art, der Willkür der Männer ausgeliefert. Dass Emma auf der Suche nach dem Glück zu einer eher zweifelhaften Maßnahme greift, kann man durchaus verstehen, denn in gewisser Weise ist ihre Handlung auch teilweise ihrer jugendlichen Naivität geschuldet. Dass sie einen Fehler begangen hat, merkt sie sehr bald, denn nun ist sie in einer unglücklichen Ehe gefangen und ihrem Wunsch nach Freiheit keinen Schritt näher. An Lucys Beispiel erfährt man interessante Details zu den damaligen Ereignissen. Es ist bestürzend, wenn man erfährt, wie unterschiedlich inhaftierte Kämpferinnen behandelt wurden. Frauen der gehobenen Gesellschaft wurden früher aus dem Gefängnis entlassen und besser behandelt als ihre armen Kampfgenossinnen.
Die Geschichte liest sich flüssig und sehr spannend. Bis auf ein paar Kapitelübergänge, die etwas abgehackt wirkten und bei denen ich manchmal das Gefühl hatte, es würde eine Szene fehlen, hat mir der Roman ausgesprochen gut gefallen.
Anhand vielschichtiger Charaktere und vieler historischen Fakten hat Christiane Lind hier ein klares Bild der damaligen Zeit entworfen. So ist ihr Roman nicht nur fesselnd und berührend, sondern daneben auch sehr informativ. Auf hundert Jahre Frauenwahlrecht konnten wir 2018 zurück blicken, und so ist dieser Roman genau zur rechten Zeit erschienen. Auch wenn ich aus heutiger Sicht nicht alle Aktionen der Suffragetten nachvollziehen kann, so ist mir doch bewusst, dass wir diesen mutigen, starken Frauen zu verdanken haben, wo wir heute stehen. Insofern ist dies meiner Meinung nach ein wichtiger Roman, der viel mehr Beachtung finden sollte.