Profilbild von hasirasi2

hasirasi2

Lesejury Star
offline

hasirasi2 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit hasirasi2 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.04.2019

Torten nach Maß

Schmetterlinge aus Marzipan
0

„In den letzten 10 Tagen war ich öfter glücklich gewesen als in den letzten 10 Jahren ...“ (S. 177) denkt Nina, dabei hat sie ihr Leben gerade komplett umgekrempelt und sieht einer unsicheren Zukunft entgegen. ...

„In den letzten 10 Tagen war ich öfter glücklich gewesen als in den letzten 10 Jahren ...“ (S. 177) denkt Nina, dabei hat sie ihr Leben gerade komplett umgekrempelt und sieht einer unsicheren Zukunft entgegen. Vor einem Jahr hat sie sich von ihrem Mann, einem notorischen Fremdgänger, getrennt und ist mit ihrem 18jährigen Sohn in eine kleine Eigentumswohnung gezogen. Vor 2 Wochen hat sie ihren Chef um 4 Wochen unbezahlten Urlaub gebeten, um in einer Konditorei ein Praktikum zu machen. Ihre Arbeit als Chefsekretärin der chirurgischen Station eines Krankenhauses ist nämlich ein Horrortrip, seit sie auch die Korrespondenz für den Oberarzt der Station erledigen muss. Dieser nutzt jede Chance, um sie zu schurigeln und fertig zu machen. Backwaren hingegen haben sie schon immer glücklich gemacht. Die Schwester ihres Vaters war eine sehr nette, mütterliche, rundliche Frau die gerne buk und immer nach Kuchen roch. Das hatte etwas Tröstliches, da Ninas Mutter (eine Schlankheitsfanatikerin) sie von Kindheit wegen ihrer Figur quälte.

Parallel zu dieser beruflichen Neuorientierung hat ihre beste Freundin sie auch noch bei einer Online-Partnervermittlung angemeldet. Selbst die Männer, die auf den ersten Blick nett und normal aussehen, sind im realen Leben verkorkst oder haben einen irritierenden Fetisch – und schlagen Nina in die Flucht.

„Schmetterlinge aus Marzipan“ von Diana Böhle ist eine Mischung aus humorvoller Chick-Lit, Liebes- und Selbstfindungsroman, wobei dieser Cocktail m.E. nach nicht zu 100 % geglückt ist.
Ninas Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend, ihre (anscheinend fiese) Mutter und deren dauernde Ermahnungen bezüglich Ninas Figur waren mir ein zu harter Bruch, wenn es kurz zuvor und gleich danach wieder um süße Tortenträume ging. Ihre Ehe war nicht glücklich, sie hat sich immer untergeordnet und weggesehen, um ja den Schein zu wahren. Auch im Beruf lässt sie sich einfach unterbuttern, statt mal auf den Tisch zu hauen. Nina war mir da viel zu duldsam und wehleidig, hat immer gehofft, dass sich das irgendwann von allein regelt. Erst für das Praktikum in der Konditorei nimmt sie ihr Leben endlich selbst in die Hand.
Von diesen Kritikpunkten abgesehen ist das Buch sehr kurzweilig und humorvoll geschrieben. Ich bin froh, dass ich nicht auf Online-Dating angewiesen bin und diese Spinner kennenlernen musste, aber ich hab gerne darüber gelacht.
Auch Ninas Sohn ist gerade in einer Umbruchphase. Er macht sein Abitur und bringt das erste Mal ein Mädchen mit heim bzw. übernachtet bei ihr. An diese neue Situation müssen sich beide erst gewöhnen.
Ninas Praktikum in der Konditorei wird durch den sehr einsilbigen Konditor Sven nicht unbedingt erleichtert, aber nach und nach raufen sie sich zusammen. Dabei entsteht auch die Idee zu ihrem eigenen Geschäft „Torten nach Maß“. Ob sie dieses Ziel umsetzt, verrate ich hier natürlich nicht. Auf jeden Fall ist sie auf dem besten Weg, da ihr eine Freundin die ersten privaten Backaufträge besorgt. Auch diese sind sehr amüsant und ich hoffe, dass es nicht wirklich Leute gibt, die bei einem Profi einen Kuchen bestellen, der dann wie selbst gebacken aussehen soll oder den falschen Geburtstag auf die Torte schreiben lassen. Ein kleines Manko: Da in fast jedem Kapitel gebacken wird und die Kreationen zum Teil sehr genau beschrieben werden, hätte ich mich gefreut, wenn auch das eine oder andere Rezept mit abgedruckt worden wäre.
3,5 Sterne.

Veröffentlicht am 11.04.2019

Fängt sehr vorhersehbar an, wird dann aber immer überraschender

Und plötzlich Liebe
0

Maja, von ihrem Freund Stephan liebevoll Bienchen genannt, liebt Routine und YouTube-Bastel-Tutorials, hasst Veränderungen und ist immer für ihre Freunde da. Wirklich immer. Sie und Stephan sind jetzt ...

Maja, von ihrem Freund Stephan liebevoll Bienchen genannt, liebt Routine und YouTube-Bastel-Tutorials, hasst Veränderungen und ist immer für ihre Freunde da. Wirklich immer. Sie und Stephan sind jetzt seit 6 Jahren zusammen und so langsam könnten sie doch mal heiraten, meinen ihre Freundinnen.
Ihr Job im Reisebüro war nur zur Finanzierung ihres Architektur-Studiums gedacht und nun kommt sie da nicht mehr weg. Doch Maja ist mit der bestehenden Situation zufrieden – „Mir reichen die Dinge, die ich kenne, da kann ich wenigstens nichts falsch machen.“ (S. 10).
Als ihre schwangere Chefin plötzlich Bettruhe verordnet bekommt, muss Maja an ihrer Stelle nach Bolivien fliegen um Outdoor-Anbieter Nilo zu einem Exklusiv-Vertrag zu überreden. Dass sie Flugangst hat, interessiert ihre Chefin nicht. Und auch Nilo erweist sich als sperriger als erwartet – wenn Maja selbst nie eine Tour mit ihm gemacht hat, ist er auch zu keinem Vertrag bereit. Also beißt sie in den sauren Apfel und fährt mit dem Mountain Bike auf einer Death Road, wandert durch den Dschungel und macht eine Tour mit einem extrem wackeligen Floß – und wächst dabei über sich hinaus. Außerdem verguckt sie sich in Nilo ...

Maja hat es mir zu Beginn nicht leicht gemacht, sie zu mögen. Sie war einfach zu nett, hat immer zurückgesteckt und versucht, es allen recht zu machen. Wenn sie dabei wieder mal auf der Strecke blieb oder sich sogar noch für Fehler entschuldigte, die andere gemacht haben, hätte ich sie gern ordentlich durchgeschüttelt. Erst als sie in Bolivien ihre Komfortzone verlassen muss und Abenteuer erlebt, lernt sie endlich für sich und ihre Bedürfnisse einzustehen.
Ihr Freund Stephan tat mir manchmal leid. Er hat oft auf sie Rücksicht genommen, um sie ja nicht zu verschrecken. Dass dabei ihre Beziehung eingeschlafen ist, wird ihnen erste während Majas Reise klar: „Man hat es nicht leicht, wenn man so nebeneinander her lebt.“ (S. 41)
Meine Lieblingsprotagonistin ist die unangepasste Lara, die Maja mehrfach ordentlich die Meinung geigt: „Du hast es nicht nötig, dich von allen ausnutzen zu lassen.“ (S. 166)

„Und plötzlich Liebe“ ist ein sehr unterhaltsamer und kurzweiliger Frauenroman. Obwohl die Handlung zu Beginn sehr vorhersehbar ist, hat es Myriam Klatt geschafft, mich im Laufe der Geschichte immer mehr zu überraschen. Sie schreibt sehr humorvoll über Freundschaft und eine Frau auf dem Weg zu sich selbst und der (wahren?) Liebe.

Veröffentlicht am 27.03.2019

Farben der Insel

Die Bücherinsel
0

Sandra lebt seit 5 Jahren auf einer kleinen Insel, auf der jeder jeden kennt. Trotzdem hat sie es bisher geschafft, ihr größtes Geheimnis zu bewahren – sie ist Analphabetin. Nur Greta vom Insel-Buchladen ...

Sandra lebt seit 5 Jahren auf einer kleinen Insel, auf der jeder jeden kennt. Trotzdem hat sie es bisher geschafft, ihr größtes Geheimnis zu bewahren – sie ist Analphabetin. Nur Greta vom Insel-Buchladen weiß davon und ist sehr überrascht, als sich Sandra dem Lesekreis von Polizistin Ellen, Krabbenfischer Jan (Ellens Freund), Arzthelferin Andrea, dem neuen Grundschullehrer Björn und Werbetexterin Franziska aus Hamburg anschließt. Björn ist aber auch zu süß und da Sandra sehr viele Hörbücher hört, kann sie problemlos mitreden. Erst als sie vorlesen soll, kommt sie kurz ins Schwimmen – doch ihre alte Ausrede „Brille vergessen“ wird anstandslos akzeptiert. Auch auf Arbeit (sie putzt auf einer Fähre) ist ihr Analphabetismus noch niemandem aufgefallen.

Franziska liebt ihre Insel, die Natur, das Wasser, Licht, Farben und Stimmungen. Ihre Eindrücke verarbeitet sie in der Geschichte „Farben der Insel“, die sie in ein Diktiergerät spricht. Als sie die Geschichte im Lesekreis vorträgt, sind alle begeistert.
Nachdem sie einen tollen Nachmittag mit Björn verbracht hat beginnt sie, von mehr zu träumen: einem richtigen Beruf und einer Hochzeit in weiß – mit Björn vielleicht?! Doch sie fürchtet, dass die Unterschiede zwischen ihnen zu groß sind. Welcher kluge Mann würde sich schon in sie dumme Frau verlieben? Und dann wird sie auch noch von ihrer Vergangenheit eingeholt. Die Familie braucht sie. Gibt sie etwa auf, noch bevor es begonnen hat? Dabei besagt ihr Motto genau das Gegenteil: „Man darf nie aufgeben, es sei denn, man stirbt zufällig gerade.“ (S. 172)

Ich habe mich gefreut, bereits bekannten Protagonisten aus „Die kleine Inselbuchhandlung“ wieder zu begegnen. Die Bücher können aber unabhängig voneinander gelesen werden.
Janne Mommsen beschreibt die Natur der kleinen Insel sehr poetisch. Zudem schreibt er sehr humorvoll über das Miteinander der Bewohner („Du kannst ehrlich zu mir sein, Sandra, ... Nimmt der Gerke Drogen? Oder säuft er?“ (S. 48)) und lädt zum Träumen über Insel-Urlaube und die Liebe ein.
Im Gegensatz zu seinen anderen Büchern hat mir hier etwas Tiefe gefehlt. Das Drama um Sandras Analphabetismus und ihre Familie war mir stellenweise etwas zu viel, dafür war mir das Happy End zu abrupt und unromantisch. Dafür kann ich leider nur 3,5 Sterne vergeben.

Veröffentlicht am 13.03.2019

„Schöne Männer sind nichts für mich.“

Liebe geht durch den Garten
0

... sagt Kinderbuchillustratorin Anna-Maria immer. Ihr Ex-Mann Raimund gehört zu dieser Gattung und hat sie vor 3 Jahren ausgerechnet für die Kindergärtnerin der gemeinsamen Söhne Max und Anton verlassen. ...

... sagt Kinderbuchillustratorin Anna-Maria immer. Ihr Ex-Mann Raimund gehört zu dieser Gattung und hat sie vor 3 Jahren ausgerechnet für die Kindergärtnerin der gemeinsamen Söhne Max und Anton verlassen.
Aber einen kleinen Schrebergarten, den könnte sich Anna-Maria gut vorstellen. Schließlich stehen die Sommerferien vor der Tür und Max und Anton sind inzwischen alt genug, um mitarbeiten zu können: „Wir werden einen wunderbaren Sommer dort verbringen. Die Jungs und ich! Alles im Einklang mit der Natur.“ (S. 68)
Vielleicht hätte es ihr zu denken geben sollen, dass sie den Zuschlag für den wunderschön gelegenen Garten in der Anlage „Zur fleißigen Ameise“ so schnell bekommen hat und der Schlüssel für das dazugehörige Häuschen bei der Besichtigung leider nicht auffindbar war. Und dass es keinen Strom und keine Toilette gibt. Ihre Söhne sind entsetzt „Ich will keine so doofen Ferien mit Plumpsklo und ohne Strom.“ (S. 74) Auch ihre beste Freundin Martha hat plötzlich keine Zeit mehr, ihr zu helfen. Zum Glück gibt es Gartennachbar Paul, der anpackt ohne viel zu reden. Leider sieht er zu gut aus, als dass sie sich auf ihn einlassen würde. Doch als ihr Sabine vom Garten gegenüber Paul immer wieder ausspannt, erwacht ihr Kampfgeist.

„Liebe geht durch den Garten“ ist der Debütroman von Ulrike Hartmann und das perfekte Buch für einen ruhigen Sonntag im Schrebergarten oder um von einem zu träumen.

Anna-Marie ist seit der Scheidung verunsichert, nicht nur im Bezug auf Männer sondern auch im Alltag. Ihr Selbstvertrauen wird von ihrer besten Freundin, ihrer Mutter und ihrem Ex regelmäßig untergraben. Während Erstere behaupten, es ja nur gut mit ihr zu meinen, macht Raimund sie immer wieder vor anderen schlecht – selbst, wenn sie direkt daneben steht. Ich habe nicht verstanden, dass sie das so hinnimmt und hätte ihm an ihrer Stelle gern mal so richtig die Meinung gegeigt. Ihre altklugen Söhne hingegen habe ich sehr gemocht. Deren trockene Bemerkungen haben mich mehr als einmal zum Lachen gebracht.

Auch in ihrem neuen Gärtchen ist sie zu Beginn recht hilflos und dankbar für jeden Tipp und die Hilfe der Gartennachbarn. Besonders Helene und die Hasenkötters waren mir schnell ans Herz gewachsen. Ebenso wie Anna-Marias ältliche Vermieterin Frau Meyer-Oden (mein heimlicher Liebling). In ihrer etwas spröden Schale stecken ein großes Herz und viel Lebensweisheit.
Paul ist der Traum einer jeden Schwiegermutter. Er sieht nicht nur gut aus, sondern hat auch noch Ahnung vom Gärtnern und hilft ihr regelmäßig. Die Beziehung zwischen ihnen entwickelt sich wie ein zartes Pflänzchen, dem vor allem das „Unwetter“ Sabine immer wieder den Garaus machen will.
So langsam lernt Anna-Maria wieder Vertrauen in sich und andere zu haben. „Ich glaube, du weißt gar nicht, wie viel du hier in kurzer Zeit verändert hast.“ (S. 236)

Das Gefüge in der Kleingartenanlage wird sehr lebensnah beschrieben. Die kleinen Frotzeleien, aber auch die Nachbarschaftshilfe in diesem kleinen Kosmos, wo jeder jeden kennt, haben mir gut gefallen.

Einen Punkt Abzug gibt es von mir wegen des zu schnell vorhersehbaren Happy Ends (Trotzt einiger geschickt eingebauter Verwicklungen war mir bereits nach reichlich 50 Seiten klar, wie es ausgeht.) und weil mir Anna-Maria oft zu wehleidig war.

Veröffentlicht am 10.03.2019

Relikte eine alten Zeit

Das Haus der Verlassenen
0

Eigentlich bin ich ja nicht so leicht zu beeinflussen, aber als der Heyne Verlag Vorableser für „Das Haus der Verlassenen“ von Emily Gunnis suchte (mit dem dezenten Hinweis, dass es in England schon über ...

Eigentlich bin ich ja nicht so leicht zu beeinflussen, aber als der Heyne Verlag Vorableser für „Das Haus der Verlassenen“ von Emily Gunnis suchte (mit dem dezenten Hinweis, dass es in England schon über 800 Rezensionen auf Amazon hat), bin ich ziemlich schnell schwach geworden. Zumal der Klappentext und auch die Leseprobe meine Neugier bereits angestachelt hatten.

Es beginnt 1959 mit einem Brief, den Ivy der 8jährigenn Elvira auf der Flucht aus dem St. Margaret's Heim für ledige Mütter mitgibt. Darin steht u.a., dass Elvira eine Zwillingsschwester – Kitty – hat und wo diese lebt.

Fast 60 Jahre später ist Elviras Zwillingsschwester Kitty berühmt. Sie hatte 20 Jahre lang eine Talkshow im Fernsehen, zieht sich aber gerade aus der Öffentlichkeit zurück. „Menschen faszinieren mich. Was sie von sich zeigen, ist meist nicht das, was sie im Innersten bewegt.“ „Natürlich bin ich traurig, diese wunderbare Bühne zu verlassen, aber ich gehe lieber freiwillig, als dass ich hinunter gestoßen werde.“(S. 31)
Parallel dazu findet die Journalistin Samantha unter den Unterlagen ihres verstorbenen Großvaters einen anderen Brief von Ivy von 1956, in dem sie den Vater ihres Kindes anfleht, sie zu heiraten. Nach und nach findet Samantha noch weitere Briefe Ivys. Woher hatte Samanthas Großvater diese?! Sie beginnt zu recherchieren und stößt auf Ivys Geschichte und die des St. Margaret's. Außerdem stolpert sie über das Verschwinden des ehemaligen Priesters des Heimes im Jahr 2000 und dem Fund seiner Leiche 2016 ...

Ich fand bereits den Einstieg in das Buch erschütternd. Die Art und Weise, wie Ivy Elvira zur Flucht verhilft und ihr eigenes Leiden im St. Margaret´s beendet ist sehr extrem und zeigt, wie groß ihre Verzweiflung gewesen sein muss. Die Nonnen gingen ziemlich brutal mit den ledigen Schwangeren, aber auch den Babys und Kleinkindern um. Das Leben der Heimbewohner war von harter Arbeit, Schweigen und Angst geprägt. Durch Ivys Briefe erfährt der Leser ihren jeweiligen Gemütszustand ungefiltert aus erster Hand.„Ich weiß nicht mal, ob Du meine Briefe überhaupt liest, aber ich kann Dich nicht loslassen. Wenn Du mich noch liebst, dann hole mich bitte hier weg.“ (S. 119)

Samantha und ihr Mann legen gerade eine Beziehungspause ein. Ihm passt nicht, dass sie als Journalistin so viel arbeitet. Also zieht sie mit ihrer Tochter zu ihrer Großmutter. Ihr Kind jetzt allein aufzuziehen ist für Samantha zwar auch schwer, heute aber fast selbstverständlich. Zu Ivys Zeiten hingegen wurde den unverheirateten Schwangeren erzählt, dass es unmöglich ist. Sie wurden in Heime wie das St. Margaret´s abgeschoben und zur Adoptionsfreigabe ihrer Babys gezwungen.

Bücher, die auf mehreren Zeitebenen spielen und deren Fäden oft erst am Ende verknüpft werden, sind immer wieder spannend. Hier kommt noch das besondere Setting dazu – ein altes Haus (das St. Margaret's), dass schon vor 60 Jahren eine unheimliche Aura umgab: „Von Weitem sah es aus wie ein verbranntes Pfefferkuchenhaus ...“ (S. 53). Genau dieses Haus soll jetzt abgerissen werden. Nachdem Samantha Ivys Briefe gelesen hat, will sie sich selbst ein Bild von dem Haus machen. „Dieser Ort ist total verrückt. Man hat das Gefühl, die Mädchen seien hier immer noch gefangen.“ (S. 75) Ihr journalistischer Ehrgeiz ist geweckt.

Das Buch wechselt kapitelweise zwischen den verschiedenen Zeitsträngen und ich musste mich beim Lesen sehr konzentrieren, um die Handlung immer wieder einordnen zu können. Die Beziehungsgeflechte unter den Protagonisten sind ziemlich komplex und zum Teil verwirrend, auch wenn mir schon recht früh klar war, was mit Kitty und Elvira passiert ist. Trotzdem blieb die Spannung bis zur endgültigen Aufklärung am Ende erhalten. Im Großen und Ganzen hat es mir sehr gut gefallen, nur das Ende fand ich etwas überstürzt und nicht ganz logisch.
Am meisten erschüttert haben mich die Szenen im St. Margaret´s. Sie klingen, wie aus dieser Zeit gefallen, als wären sie nicht in den 1950ern sondern Jahrzehnte früher passiert. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass eine solche Vorgehensweise zu dieser relativ modernen Zeit noch möglich und üblich war.
Ich würde den Roman eher als Krimi oder fast schon Thriller einordnen.