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Veröffentlicht am 13.04.2019

Hoffnung versetzt Berge

Von Hoffnung getragen
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1942. Der 16-jährige Harald Pfeiffer wird in das Zwangsarbeitslager für Deutschrussen in Tscheljabinsk einberufen, wo er um sich herum täglich viele Männer bei der harten körperlichen Arbeit und dem ständigen ...

1942. Der 16-jährige Harald Pfeiffer wird in das Zwangsarbeitslager für Deutschrussen in Tscheljabinsk einberufen, wo er um sich herum täglich viele Männer bei der harten körperlichen Arbeit und dem ständigen Hunger sterben sieht, was ihn umso mehr dafür kämpfen lässt zu überleben. Währenddessen kommt die 20-jährige Yvo Scholz mit ihrer Mutter Anna in die russische Stadt, um ihren Bruder Erich zu finden, der sich nach seiner Verschleppung in dem Arbeitslager aufhalten soll und herauszufinden, wo der Vater ist. Durch Zufall begegnen sich Harri und Yvo und ein erster Blick genügt, um in ihren beiden Herzen die Liebe entflammen zu lassen. Aber als Deutsche und Heimatlose stehen sie vielen Anfeindungen gegenüber, die ihnen den Aufbau für ein gemeinsames Leben sehr schwer machen…
Ella Zeiss ist mit ihrem Buch „Von Hoffnung getragen“ eine wunderbare Fortsetzung ihres Romans „Wie Gräser im Wind“ gelungen, in der sie die persönliche Geschichte ihrer Großeltern in emotionaler und packender Weise erzählt. Der Schreibstil ist flüssig, fesselnd und gefühlvoll, der Leser wird regelrecht in eine grausame Zeit katapultiert, um dort die erste Begegnung zwischen Yvo und Harald hautnah mitzuerleben, die erste zarte Liebe zu beobachten in einem Umfeld, wo nur Schrecken, Hunger, Angst und Tod regieren, die Deutschen heimatlos waren und sich in ihrer ehemaligen Heimat Russland wie Fremde fühlen und von den Russen als Feinde betrachtet und behandelt werden. Die Autorin lässt den Leser die Hoffnungslosigkeit ebenso spüren wie den Kampfeswillen, die Stärke und den Mut, sich doch noch durchsetzen zu können, um endlich wieder ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Immer wieder staunt man während der Lektüre über die Hartnäckigkeit und den Überlebenswillen, die manchem zu eigen sind, um sich durchzukämpfen und nie aufzugeben. Sehr bildgewaltig und lebhaft beschreibt die Autorin die Zustände in den Arbeitslagern und den täglichen Überlebenskampf bei rationalisiertem Essen, ständiger Angst und Folterungen, dass der Leser die Szenen wie einen Film während der Lektüre vor sich ablaufen sieht und emotional ebenso mitleidet.
Die Charaktere sind liebevoll gestaltet, wirken lebendig und authentisch, so dass der Leser sich von Beginn an mit ihnen fühlen, leiden und hoffen kann und sich einen positiven Ausgang für sie wünscht. Gleichzeitig wird er durch die Protagonisten und ihr Verhalten zum Nachdenken angeregt und fragt sich oft, wie stark man selbst wohl wäre in solchen Situationen, ob man ebenso die Hoffnung aufrechterhalten könnte. Anna ist eine Person, die man einfach ins Herz schließen muss. Sie überzeugt durch ihren ständigen Optimismus, egal, wie schlimm es das Schicksal mit ihr und ihrer Familie meint. Sie gibt nie die Hoffnung auf, während andere schon verzweifelt aufgegeben hätten. Aber auch Harald und Yvo überzeugen mit ihrem Überlebenswillen und ihrer Stärke, sich gegen alle Widrigkeiten zu behaupten. Während Harald dies schon als Teenager im Arbeitslager lernen musste, hat sich Yvo dies bei der ständigen Flucht und der Suche nach ihrer Familie angeeignet. Sie verlieren beide ihre Ziele nie aus den Augen und trotzen dem Leben alles ab.
„Von Hoffnung getragen“ ist ein spannendes und wertvolles Zeitzeugnis über Schicksale, von denen man bisher kaum etwas erfahren hat. Die biographische Darstellung durch die Autorin macht die Geschichte greifbar und glaubwürdig, ringt dem Leser Respekt ab und die Hoffnung darauf, dass solche Dinge sich nie wiederholen mögen. Eine ans Herz gehende wundervoll erzählte Geschichte, die eine absolute Leseempfehlung mehr als verdient!

Veröffentlicht am 13.04.2019

"Freundschaft ist ein Band, unsichtbar und stark zugleich" (Peter Maffay)

Aller Anfang
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Die vier Studentinnen Celia, Bree, April und Sally lernen sich bei ihrem ersten Studienjahr auf dem Smith-College kennen, da sie als Zimmernachbarinnen im gleichen Wohnheim untergebracht sind. Schnell ...

Die vier Studentinnen Celia, Bree, April und Sally lernen sich bei ihrem ersten Studienjahr auf dem Smith-College kennen, da sie als Zimmernachbarinnen im gleichen Wohnheim untergebracht sind. Schnell freunden sich die vier recht unterschiedlichen Frauen miteinander an, ihre Freundschaft reicht sogar bis über das Studium hinaus, obwohl es sie in alle Himmelsrichtungen weht. Als eine von ihnen kurz vor der Hochzeit steht und die vier Frauen den letzten Abend gemeinsam verbringen, kommt es zu einem großen Streit, der die vier erst einmal voneinander trennt. Doch dann gerät eine von ihnen in Schwierigkeiten und so langsam setzen die Frauen die Scherben ihrer zerbrochenen Freundschaft wieder zusammen und stehen zueinander…
j. Courtney Sullivan hat mit ihrem Buch „Aller Anfang“ einen wunderbaren, tiefgründigen und gleichzeitig spannenden Roman vorgelegt, der mit einer Prise Witz gewürzt ist. Die Autorin versteht es hervorragend, den Leser mit ihrer intensiven und detailreichen Erzählweise in den Bann zu ziehen. Schnell taucht man ein in das Campusleben eines amerikanischen Frauencolleges und darf auf die vier Protagonistinnen treffen, deren Hintergrund sich völlig voneinander unterscheidet und deren Entwicklung man über die Jahre miterleben kann ebenso wie die Bande ihrer Freundschaft. Durch die wechselnden Erzählperspektiven, in denen immer eine der vier Frauen zu Wort kommt, bekommt der Leser einen Einblick in die jeweiligen Ansichten, Gedanken und Gefühle und kann sich so einen guten Rundumblick verschaffen. Durch immer wieder geschickt gelegte Wendungen schafft es die Autorin, die Handlung für den Leser gleichbleibend spannend zu halten und für kleine Überraschungen zu sorgen. Gleichzeitig bedient sie sich verschiedener Themen, sei es nun eine Schwangerschaft, über die man sich nicht freut, radikale Ansichten, Missbrauch, Homosexualität oder Gleichberechtigung, wobei sie diese so interessant in ihrer Geschichte verpackt, dass der Leser konstant bei der Stange bleibt und das Buch nicht aus der Hand legen kann. Der Blick durchs Schlüsselloch in ein amerikanischen Frauencollege ist dazu ein interessantes Beiwerk.
Die Charaktere sind durchweg sehr gut ausgearbeitet und mit Leben versehen worden. Sie wirken gerade aufgrund ihrer unterschiedlichen Wesenszüge und ihrer verschiedenen familiären Hintergründe sehr realistisch und glaubhaft, was es dem Leser erleichtert, sich auf sie einzulassen und sich ihnen verbunden zu fühlen. Sally stammt aus einem reichen Elternhaus, ihre Mutter ist vor kurzem gestorben, worüber sie noch nicht hinweg ist. Sie hat eine Affäre mit einem verheirateten Mann und besitzt einen zwanghaften Ordnungswahn. Bree ist eine Südstaaten-Beauty und bereits verlobt mit Doug, jedoch überdauert die Verlobung nicht, so dass Bree sich einer Frau namens Lara zuwendet, was ihre Familie auf die Barrikaden bringt. Celia kommt aus einer reichen katholischen irischen Familie, möchte Schriftstellerin werden und verdient sich nebenbei Geld als Lektorin. Sie ist die treibende Kraft innerhalb des Freundinnenverbundes und diejenige, die alles zusammenhält. April ist die extreme Rebellin und eine Kämpfernatur, die sich immer treu bleibt und für die Schwächsten einsteht, die ihr am Herzen liegen.
„Aller Anfang“ ist ein schöner tiefgründiger Roman, bei dem der Leser vier Frauen begleitet und durch sie erlebt, was Freundschaft bedeuten kann. Gespickt mit viel Humor, Gesellschaftskritik und Gefühl ist dieses Buch ein echtes Highlight. Absolut verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 13.04.2019

Das Frauenkleeblatt

Hill House - Die drei Freundinnen
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1912, England. Obwohl sie auch völlig unterschiedlichen Gesellschaftsschichten stammen, sind Alice, Vera und Rose seit ihren Kindertagen enge Freundinnen. Vera kommt aus einem strengen und ärmlichen Predigerhaushalt, ...

1912, England. Obwohl sie auch völlig unterschiedlichen Gesellschaftsschichten stammen, sind Alice, Vera und Rose seit ihren Kindertagen enge Freundinnen. Vera kommt aus einem strengen und ärmlichen Predigerhaushalt, den sie für eine Ausbildung zur Krankenschwester Richtung London verlassen hat und dort so richtig auflebt. Rose dagegen entstammt einer adligen Familie, die durch eine Pflichtheirat den Wohlstand der Eltern erhalten soll, was ihr gar nicht zusagt. Vielmehr setzt sie sich für Frauenrechte ein und hat sich insgeheim den Suffragetten angeschlossen, wovon nur die Dritte im Bunde, Alice, etwas weiß. Alice wuchs nach dem Tod ihrer Mutter allein bei ihrem Vater auf, der als Schriftsteller recht bekannt ist. Alice ist sein Ein und Alles, umsorgt ihn und kümmert sich um den Garten von Hill House. Als ihr der Assistent ihres Vaters, Sebastian Fitzroy, Avancen macht, tritt Alice die Flucht zu ihrer Tante Charlie an, die kränklich auf einem Landsitz an der italienischen Küste residiert. Wie es der Zufall will, trifft sie dort den Kriegsreporter Lorenzo Ranieri wieder, den Alice bereits in London kennengelernt hat. Schon bald merkt Alice, dass sie sich zu Lorenzo hingezogen fühlt. Dumm nur, dass Fitzroy ihre Flucht nicht so einfach hinnimmt und ihr nach Italien folgt, um Alice zu bedrängen. Während Alice sich über ihre Gefühle klar werden muss und mit wem sie ihr Leben verbringen will, beginnt der erste Weltkrieg, der das weitere Schicksal der drei Freundinnen lenken wird…
Annis Bell hat mit ihrem Buch „Hill House – Die drei Freundinnen“ einen sehr unterhaltsamen und fesselnden Roman vor historischer Kulisse vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig, zeitgerecht und zudem sehr packend, der Leser darf eine spannende Zeitreise antreten und dabei drei recht außergewöhnliche Frauen kennenlernen, die ihre eigenen Lebenswege suchen und so manchen Stolperstein umschiffen müssen. Wie auch in ihren anderen Romanen gelingt es der Autorin wieder hervorragend, das gesellschaftliche und politische Umfeld zu Beginn des vorigen Jahrhunderts wunderbar mit ihrer Handlung zu verknüpfen und dem Leser vor Augen zu halten, dass Frauen damals kaum Rechte und sich den Männern zu unterwerfen hatten. Nur dem Umstand von starken Frauen, die sich über die damaligen Konventionen hinwegsetzten und „ihre Frau“ standen, ist es zu verdanken, dass Frauen heute wählen dürfen und ein selbstbestimmtes Leben führen können. So sind nicht nur die Suffragetten ein Thema, sondern auch die unterschiedlichen Gesellschafts- und Lebensformen der Menschen zu jener Zeit, was z.B. auch eine Pflichtehe beinhaltet. Neben dem historischen Hintergrund lässt die Autorin durch farbenfrohe Beschreibungen den Leser durch die Lektüre auch eine wunderbare gedankliche Reise durch das malerische Südengland sowie an die zauberhafte italienische Küste machen und lässt das Lesen zum Genuss werden.
Die Charaktere sind wunderbar ausgestaltet und in Szene gesetzt worden. Aufgrund ihrer individuellen Eigenschaften bestechen die Protagonisten mit Authentizität und Lebendigkeit. Der Leser wird nahezu ein unsichtbarer Teil des Frauenkleeblatts und kann sich gut in jede von ihnen hineinversetzen, während er ihre Gedanken- und Gefühlswelt kennenlernen darf. Rose denkt gar nicht daran, sich den Wünschen ihrer Eltern zu fügen. Sie hat ihren eigenen Kopf und steht für eine Frau, die selbst entscheiden will, was sie mit ihrem Leben anfangen will. Vera stammt aus einem beengten und strengen Elternhaus, aus dem ihr mit ihrer Ausbildung die Flucht gelungen ist. In London genießt sie die Freiheit, nicht ständig unter Aufsicht zu sein und eigene Entscheidungen zu treffen. Alice ist zwar bei einem Freigeist aufgewachsen, allerdings hatte sie schon früh die Verantwortung, sich um ihren Vater zu kümmern. Die Mutter fehlte und sie konnte sich nur ihren Freundinnen anvertrauen. Die Avancen von Fitzroy jagen ihr Angst ein, denn sie ist sich ihrer eigenen Gefühle so gar nicht sicher. Auch die weiteren Protagonisten sind wunderbar gezeichnet und stützen mit ihrem Auftritt die Handlung.
„Hill House – Die drei Freundinnen“ ist der sehr gelungene erste Teil der Trilogie um die drei Frauen Alice, Vera und Rose vor historischem Hintergrund. Ein wunderbarer Lesegenuss, bei dem man die Zeit vergisst. Auf den nächsten Band darf man gespannt sein. Absolute Leseempfehlung ist hier mehr als verdient!

Veröffentlicht am 07.04.2019

Ivys Schicksal

Das Haus der Verlassenen
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1956 Sussex/England. Die unverheiratete 20-jährige Ivy Jenkins ist schwanger, und ihr Freund hat sie sitzenlassen. Ihr Stiefvater verstößt sie, denn sie gilt als „gefallenes Mädchen“ und verbringt sie ...

1956 Sussex/England. Die unverheiratete 20-jährige Ivy Jenkins ist schwanger, und ihr Freund hat sie sitzenlassen. Ihr Stiefvater verstößt sie, denn sie gilt als „gefallenes Mädchen“ und verbringt sie ins St. Margret’s, ein katholisch geführtes Heim für ledige Mütter, wo sie mit Gleichgesinnten auf die Geburt ihres Kindes wartet und ihren Aufenthalt durch Arbeit hinter geschlossenen Klostermauern verdingt, wobei die Nonnen hart durchgreifen und auch vor Schlägen nicht Halt machen. Nach der Geburt will Ivy ihr Baby behalten und nicht, wie erwartet, zur Adoption freigeben. Das muss sie bitter bezahlen…
2017. Die Journalistin Samantha Harper ist alleinerziehende Mutter einer 4-jährigen Tochter namens Emma. Die beiden leben bei Sams verwitweter Großmutter Nana. Zufällig findet Sam einen alten Brief von Ivy aus den 50er Jahren, den sie aus dem St. Margret’s an Sams Großvater geschrieben hat, in dessen Nachlass. Sam, die bisher als Journalistin noch nicht so erfolgreich ist, wie sie gern wäre, wird neugierig und recherchiert über das St. Margret’s, das bereits dem Abriss freigegeben ist und dem Erdboden gleich gemacht werden soll. Was wird Sam herausfinden?
Emily Gunnis hat mit ihrem Buch „Das Haus der Verlassenen“ einen sehr berührenden und gleichzeitig fesselnden Roman vorgelegt, dessen Inhalt zwar fiktiv erzählt wird, jedoch auf Tatsachen beruht, da es diese Heime und deren Zustände wirklich gegeben hat. Der Schreibstil ist flüssig, bildreich und packend, der Leser wird regelrecht in die Geschichte hineinsogen und kann sich ihr, einmal begonnen, nicht mehr entziehen. Die Autorin bedient sich mit zwei Zeitschienen, die sich immer wieder abwechseln einem Spannungselement, dass die Handlung vorantreibt und den Leser regelrecht den Atem nimmt ob der Ereignisse, die er während der Lektüre erfährt. Stückchenweise, einem Puzzle gleich, werden nach und nach die erschütternden Zustände in den kirchlich geführten Mutter-Kind-Heimen aufgedeckt sowie die Verbindung zu Sams eigener Familie. Dabei durchlebt der Leser eine Achterbahn der Gefühle ob der furchtbaren Gegebenheiten, denen die Frauen in diesen Heimen ausgesetzt waren, den täglichen schweren Misshandlungen und der psychischen Grausamkeiten. Tatsächlich gab es diese Heime wirklich, deren furchtbare Wahrheiten erst durch die Hartnäckigkeit von Überlebenden ans Tageslicht kamen, wobei die Institutionen diese auch weiterhin am Liebsten totschweigen würden. Die Autorin fasst hier ein Thema an, das vielen immer noch unbequem ist und deren Offenlegung auch heute noch immer wieder blockiert wird.
Die Charaktere sind liebevoll und detailliert ausgearbeitet und werden sehr lebendig inszeniert. Der Leser kann sich sehr gut in sie hineinversetzen und mit ihnen leiden und mitfiebern. Ivy ist eine junge Frau, die den Traum hat, mit ihrem Freund eine Familie zu gründen. Leider zerplatzt diese Hoffnung schnell und sie stößt in der eigenen Familie auf Ablehnung, denn sie hat Schande über diese gebracht. Selbst in einer abstoßenden Umgebung gibt Ivy die Hoffnung nicht auf und zeigt eine recht zähe Seite, während so mancher an den Zuständen zerbricht. Sam ist eine Frau, die auf einen Neuanfang in ihrer Ehe hofft. Sie kämpft an mehreren Fronten, denn als alleinerziehende Mutter kann sie keine großen Aufträge annehmen. Zu ihrer Großmutter Nana hat sie ein inniges Verhältnis. Diese hilft ihr, wo sie nur kann, bei der Betreuung von Töchterchen Emma. Auch die Nebenprotagonisten sind gut ausgestaltet und fügen sich nahtlos in die mitreißende Handlung ein.
„Das Haus der Verlassenen“ ist ein sehr berührender Roman, den man so schnell nicht wieder vergisst. Obwohl fiktiv erzählt, basiert er doch auf tatsächlichen Begebenheiten, die vor nicht einmal 60 Jahren noch stattgefunden haben und den Leser erschüttert und auch atemlos an den Seiten kleben lassen. Wunderbar geschrieben und voller Tragik und Gefühl. Absolute Leseempfehlung für ein Highlight! Chapeau!

Veröffentlicht am 06.04.2019

Geschichte hautnah miterleben

Der Horizont der Freiheit
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1848 Frankfurt. Während in der Paulskirche die Nationalversammlung (oder auch das Reichsparlament tagt, um die Reichsgesetze zu beschließen sowie das Bundeswahlgesetz, damit das Volk demokratisch die Nationalversammlung ...

1848 Frankfurt. Während in der Paulskirche die Nationalversammlung (oder auch das Reichsparlament tagt, um die Reichsgesetze zu beschließen sowie das Bundeswahlgesetz, damit das Volk demokratisch die Nationalversammlung wählen kann, ist die Stadt in recht aufrührerischer Stimmung. Auch die Verleger Joseph Rütten und Zacharias Löwenthal lassen sich davon anstecken. Sie möchten sich nicht mehr der Zensur unterwerfen müssen und in ihrem Verlag vor allem Texte herausbringen, die die Demokratie voran bringen. Leider fehlt ihnen dazu das nötige Geld. Zudem ist Rütten in seine Nachbarin Wilhelmine Pfaff verliebt. Die hat allerdings momentan ganz andere Sorgen. Gerade zur Witwe geworden, muss sie sich nun um die Druckerei ihres Mannes kümmern. Die Politik lässt sie kalt, vielmehr interessiert sie sich für freie Meinungsäußerung und eine Verbesserung des Frauenrechts. Mit ihrer Freundin Henriette Zobel hat sie eine Freundin an der Seite, die ihre Einstellung teilt, aber politisch aktiv ist. Als zwei Delegierte der Nationalversammlung ermordet werden, gerät Henriette unter Verdacht. Wird der wahre Mörder noch gefunden?
Ines Thorn ist bekannt für ihre exzellent recherchierten historischen Romane. Auch mit ihrem neuen Buch „Der Horizont der Freiheit“ trifft sie wieder einmal mitten ins Herz aller Freunde dieses Genres. Mit einem fesselnden und lebendigen Schreibstil lässt die Autorin die damalige Zeit wieder aufleben und nimmt den Leser mit in eine spannende Zeit, wo wichtige Entscheidungen getroffen wurden. Die Autorin stellt die gegensätzlichen Meinungen wunderbar gegenüber und lässt so alte Geschichte wieder lebendig werden. Die historischen Fakten sind exzellent recherchiert und auch einige der damaligen bekannten Persönlichkeiten werden wieder zum Leben erweckt, was der Handlung zusätzliche Authentizität verleiht und den Leser Geschichte hautnah miterleben lässt. Die Autorin vermischt Historie mit Fiktion so geschickt, dass der Übergang fließend ist. Die Homage an die ursprünglichen Gründer des heutigen Aufbau-Verlages ist Ines Thorn ebenfalls sehr gut gelungen. Gleichzeitig stellt sie den Leser an die Seite von zwei sehr unterschiedlichen Frauentypen, die sich kennenzulernen und zu begleiten lohnt.
Die Charaktere sind sehr differenziert angelegt. Ausstaffiert mit individuellen Ecken und Kanten wirken sie durchweg sehr realistisch und zeitgerecht. Der Leser kann sich gut in sie hineinversetzen, ihre Stimmungen einfangen und sich mit ihnen identifizieren. Wilhelmine ist bereits als junge Frau Witwe und muss sich allein mit einer Druckerei, Schulden und Auflagen herumschlagen. Doch sie ist auch eine Frau, die anpacken kann und sich nicht aufgibt und sich allzu lange in ihrem Unglück suhlt. Sie entwickelt sich von einer ratlosen und eher häuslichen Frau zu einer starken Persönlichkeit. Freundin Henriette ist ganz anders gestrickt, sie ist politisch aktiv, mischt sich ein und kämpft für das, woran sie glaubt. Sie sprüht vor Energie und holt damit Wilhelmine auch aus deren Lethargie. Joseph Rütten ist ein sympathischer Zeitgenosse, der nicht nur in Wilhelmine verliebt ist, sondern ihr auch durch Aufträge zu Einnahmen verhilft. Ebenso überzeugend sind die weiteren Nebenprotagonisten ausgestaltet, die die Handlung noch überzeugender machen.
„Der Horizont der Freiheit“ ist ein fundierter historischer Roman, der neben einem wunderbaren Erzählstil und sehr guter Recherche auch mit sehr menschlich gezeichneten Protagonisten aufwarten kann. Ines Thorn hat sich einmal wieder selbst übertroffen und ein Buch der Extraklasse vorgelegt. Geschichte zum Miterleben – einfach toll! Absolute Leseempfehlung!