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Veröffentlicht am 05.06.2019

Angenehmer historischer Schmöker voller Hamburg-Flair

Die Villa an der Elbchaussee
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Die Villa an der Elbchaussee
„Angenehmer historischer Schmöker voller Hamburg-Flair “

Lena Johannson hat mit diesem Roman einen soliden Auftakt der Hannemann’schen Familiengeschichte erschaffen und entführt ...

Die Villa an der Elbchaussee
„Angenehmer historischer Schmöker voller Hamburg-Flair “

Lena Johannson hat mit diesem Roman einen soliden Auftakt der Hannemann’schen Familiengeschichte erschaffen und entführt die Leser in das Hamburg der frühen 1920er Jahre.
Im Mittelpunkt der Handlung steht das junge Fräulein Friederike (kurz: Frieda) Hannemann, von ihrem Vater liebevoll "Sternchen" genannt – Tochter einer in Hamburg hoch angesehenen Kaufmannsfamilie, die mit Kakao handelt. Das Unternehmen Hannemann & Tietz soll eines Tages von Friedas älterem Bruder Hans übernommen werden, während von Frieda lediglich erwartet wird, dass sie sich vorteilhaft vermählt. Dennoch fördert ihr Vater Friedas kaufmännisches Interesse - schließlich soll sie sich später mit ihrem Gatten auf Augenhöhe unterhalten können. Viel lieber als eine Vorzeige-Ehefrau zu werden, würde Frieda allerdings weiterhin in der Schokoladenküche werkeln und neue Köstlichkeiten kreieren. Sie ahnt nicht, wie brisant die finanzielle Lage der Familie ist. Es sind wirtschaftlich schwierige Zeiten; der Krieg ist zwar vorbei, aber viele Menschen hungern. Das Importgeschäft unterliegt Handelsbeschränkungen und Hans, auf den solch große Hoffnungen für die Zukunft gesetzt wurden, kehrt als Kriegsinvalide heim. Nicht nur sein Körper hat Schaden genommen – der Krieg hat ihn, wie so viele junge Männer – dramatisch verändert und schwere psychische Wunden hinterlassen, die aus dem einst vernünftigen, unbeschwerten Jungen einen verbitterten Mann gemacht haben. Auch Friedas beste Freundin Clara Mendel, eine Jüdin, mit deren Familie die Hannemanns seit Jahren befreundet sind, verhält sich eigenartig. Bald schon fühlt Frieda sich mit all ihren Sorgen völlig alleingelassen, erst recht, als auch noch ihr Vater schwer erkrankt. Von Mutter Rosemarie kann sie hinsichtlich der Ausrichtung des jährlichen Kakao-Dinners, dessen Erfolg überlebenswichtig für das Familienunternehmen ist, wenig Unterstützung erwarten: "Für Rosemarie Hannemann bestand ihr Lebenswerk darin, zwei gesunde Kinder zur Welt gebracht zu haben, […] stets nach der neuesten Mode gekleidet zu sein und hübsch auszusehen." Dass die selbstbewusste Frieda ihren eigenen Kopf hat und sich störrisch weigert, das Denken den Männern zu überlassen, stört die Mutter gewaltig. Wenigstens auf ihren Freund aus Kindertagen kann Frieda sich verlassen – die Freude ist groß, als Ernst aus dem Krieg zurückkehrt. Und dann ist da auch noch der geheimnisvolle Herr Jensen, ein gutaussehender Fremder, der Frieda nicht mehr aus dem Kopf geht…
Der sehr angenehme Schreibstil hat mich vor allem mit der Vielzahl an dialektischen Elementen und den bildreichen, atmosphärischen Beschreibungen der Stadtviertel Hamburgs begeistert. Insbesondere für Kenner der Stadt wird dieser Roman viele Aha-Momente bieten; ein Stadtplan im Innencover des Buches sowie eine Auflistung alter und neuer Straßennamen im Anhang waren eine willkommene Ergänzung. Man erkundet zusammen mit Frieda den Hafen und die Speicherstadt, begegnet wohlhabenden Familien bei Geschäftsessen, aber auch der verarmten Arbeiterschaft in den Gängevierteln. Meine liebste Figur war mit Abstand Ulli (Ulrike), eine mittellose junge Frau, die verzweifelt versucht, finanziell für ihre kranke Mutter und ihre kleine taubstumme Schwester Marianne zu sorgen. Ulli hat zwar "Haare auf den Zähnen" und kann fluchen wie ein Kutscher, aber sie hat das Herz am rechten Fleck und wird für Frieda eine verlässliche Freundin. Weniger authentisch erschien mir Friedas Freundschaft mit Clara, in der Geheimnisse, Missverständnisse und Feindseligkeiten dominieren; bei einer jahrelangen Freundschaft hätten beide Seiten sich eigentlich mehr umeinander bemühen und nicht gleich beleidigt sein sollen. Während des Lesens habe ich mich ernsthaft gefragt, wie die zwei Mädchen überhaupt miteinander ausgekommen sein sollen in der Vergangenheit. Diese angeblich innige Bindung habe ich ihnen nicht abkaufen können. Die Handlung des Werkes umspannt den Zeitraum der Jahre 1919 bis 1924; schon jetzt heizt sich die Stimmung gegen die jüdische Bevölkerung immer mehr auf. Ich bin gespannt, wie es Claras Familie in der Zukunft ergehen wird.
Interessant fand ich, dass am Schicksal von Hans auch das emotionale Leid der Kriegsheimkehrer aus dem Ersten Weltkrieg verdeutlicht wurde...und die daraus resultierenden Probleme für ihr Umfeld. Die traumatisierten Männer waren im Grunde völlig gesellschaftsunfähig, stürzten sich oft in Drogen und Alkoholeskapaden und verhielten sich eher rücksichtslos ihren Mitmenschen gegenüber. Ernst hingegen war ein kleiner Sonnenschein; er hat sich seinen Humor bewahrt und ich bewundere ihn für seine Geschäftstüchtigkeit und seinen Tatendrang. Ich bin mir sicher, dass er in den Folgewerken dieser Buchreihe gewiss seinen Weg gehen wird. Vielleicht sogar mit Frieda an seiner Seite?
Das Ende lässt erahnen, dass es weiterhin aufregend bleiben wird; Frieda hat in Herzensdingen eine Entscheidung getroffen, die viel Entwicklungsspielraum - positiv wie negativ - bietet. Auch die im Buchtitel genannte Villa findet erst gegen Ende des Romans eine Erwähnung und wird als neues Zuhause wohl die Ausgangslage für die Folgewerke bilden.
Fazit: Ein gut recherchierter historischer Roman, der speziell die damalige Rolle der Frau näher beleuchtet.

Veröffentlicht am 04.06.2019

Spannende Suche nach der Wahrheit

Das namenlose Mädchen
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Dieser überraschend emotionale Spannungsroman von Jacqueline Sheehan gehört definitiv zu den besseren Werken dieses Genres. Ja, es geht auch mal ohne blutrünstige Gewalt in Dauerschleife.

Im Mittelpunkt ...

Dieser überraschend emotionale Spannungsroman von Jacqueline Sheehan gehört definitiv zu den besseren Werken dieses Genres. Ja, es geht auch mal ohne blutrünstige Gewalt in Dauerschleife.

Im Mittelpunkt der Handlung steht Delia Lamont (im Klappentext versehentlich als Dalia bezeichnet), noch Mitarbeiterin im Sozialdienst des U.S. Bundesstaates Maine, aber ihre Kündigung ist bereits geschrieben. Bald wird sie mit ihrer Schwester Juniper, genannt J Bird, ein eigenes Café inkl. Bäckerei eröffnen. Es wird höchste Zeit für einen Wechsel; seit vielen Jahren hatte Delia sich der Vermittlung von Pflegekindern gewidmet und ist mittlerweile an ihr emotionales Limit gelangt. Zwar steht sie dem Abschied von ihrem netten Chef Ira zwiegespalten gegenüber, doch sie freut sich darauf, demnächst ihr großes Hobby (das Backen) beruflich ausüben zu können – und mehr Zeit mit ihrer Schwester zu verbringen. Mitten in den Übergabe-Vorbereitungen ihrer Akten erreichen Delia beunruhigende Neuigkeiten: ein kleines Mädchen wurde blutverschmiert auf einer einsamen Landstraße aufgegriffen. Nicht weit entfernt wurden die Leichen drei Erwachsener in einem Haus gefunden – doch keiner der Toten war mit dem Mädchen verwandt. Niemand scheint die Kleine zu vermissen. Hatte sie das Verbrechen beobachtet? Ist sie gar noch immer in Gefahr? Auch in Delias Privatleben geht es turbulent zu – aus heiterem Himmel steht ihre große Jugendliebe vor ihr. Tyler hatte sie damals verlassen, als sie ihn am dringendsten gebraucht hatte. Soll sie einen Neuanfang mit ihm wagen?

Ich habe dieses Werk nach dem Lesen noch einige Zeit nachwirken lassen und bin zu dem Schluss gekommen, dass der Klappentext eventuell etwas unglücklich gewählt worden ist. Manch Leser könnte erwarten, dass die Handlung sich einzig um das kleine, anfangs namenlose Mädchen dreht. Mich allerdings hat die Tatsache, dass stattdessen Delias Leben im Fokus der Story steht, keineswegs gestört. Wir erfahren von Delias tragischer Vergangenheit, ihrem Alltag als Sozialarbeiterin und ihrer Familie; gemeinsam mit ihr steht man als Leser vor einem absoluten Rätsel und fiebert der Auflösung entgegen. Auch die Themen Schizophrenie und Drogenhandel werden angesprochen. Trotz der für das Genre üblichen neutralen Sprache enthält dieser Roman sehr viele emotionale Passagen, vor allem in den Dialogen zwischen Delia und J Bird sowie in den Therapiegesprächen mit dem fünfjährigen Mädchen.

Der englische Originaltitel (The Tiger in the House) hätte als wortwörtliche Übersetzung inhaltlich deutlich besser gepasst, insbesondere da dem 'namenlosen' Mädchen zügig der Vorname Hayley zugeordnet wird. Die Coverabbildung jedoch ist sehr treffend.

Fazit: Spannend bis zum Schluss; ich habe mich sehr gut unterhalten gefühlt!

Veröffentlicht am 22.05.2019

Ein Muss für Island-Fans – und solche, die es werden wollen

Das Versprechen der Islandschwestern
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Karin Baldvinsson beleuchtet in ihrem wundervollen Roman ein Kapitel der Nachkriegszeit, das mir bisher gänzlich unbekannt gewesen war: nach dem Zweiten Weltkrieg wanderten viele junge Frauen aus dem zerbombten ...

Karin Baldvinsson beleuchtet in ihrem wundervollen Roman ein Kapitel der Nachkriegszeit, das mir bisher gänzlich unbekannt gewesen war: nach dem Zweiten Weltkrieg wanderten viele junge Frauen aus dem zerbombten Deutschland als Landarbeiterinnen nach Island aus. Sie sehnten sich nach einem Neubeginn, viele von ihnen hatten im Krieg alles verloren. Das Leben dort war zwar voller Entbehrungen und geprägt von harter körperlicher Arbeit, aber sie wurden von der isländischen Bevölkerung mit offenen Armen empfangen. Von solch einer Übersiedlung zweier deutscher Schwestern handelt dieser Roman – nur eine von ihnen wird nach Ablauf ihres Arbeitsvertrages nach Deutschland zurückkehren...und es werden über sechzig Jahre vergehen, bis Margarete und Helga sich wiedersehen.

Man merkt sofort, dass die Autorin einen ganz besonderen persönlichen Bezug zum nordischen Inselstaat hat, dessen wilde Schönheit sie mit bildgewaltigen, atmosphärischen Beschreibungen gekonnt einzufangen wusste. Die atemberaubende Landschaft mit ihren Fjorden, Gletschern, Vulkanen und Wasserfällen bildet eine hervorragende Kulisse für die Entwicklung einer Handlung, in deren Fokus anfangs die Entzweiung der beiden jungen Schwestern steht und in der zweiten Zeitebene (im Jahr 2017) die Hintergründe des Familienzerwürfnisses erforscht werden, als Margarete mit ihrer Enkelin Pia und deren pubertierenden Tochter nach Island reist.

Die Charaktere sind sehr authentisch gestaltet; dies wird auch in den Dialogen spürbar. Oftmals fließt die isländische Sprache mit ein, vor allem in der ersten Zeitebene, die in den Jahren 1949 und 1950 spielt.

Beide Zeitebenen sind so spannend mit einander verknüpft, dass man einfach nicht aufhören möchte zu lesen. Der äußerst angenehme Schreibstil trug ebenfalls dazu bei, dass ich das Werk tatsächlich kaum aus der Hand legen konnte vor lauter Spannung, denn als wäre ein Familiengeheimnis nicht schon genug, wartet die Handlung auch mit einer zarten Liebesgeschichte auf. Der Auslöser des ursprünglichen Streits sowie die weitere Entwicklung sind zwar vorhersehbar, jedoch tut dies dem Lesevergnügen keinerlei Abbruch.

Ein winziges Sternchen Abzug gibt es von mir lediglich aufgrund der Tatsache, dass ich mir für Margarete und Helga auch im gegenwärtigen Handlungsstrang etwas mehr Präsenz gewünscht hätte, da sie für mich die eigentlichen Hauptfiguren waren (und Buchtitel sowie Klappentext eher das Schicksal der beiden Schwestern hervorgehoben hatten). Zwar war mir auch Pia äußerst sympathisch, aber vor allem die liebenswerte Helga hatte ich so sehr ins Herz geschlossen, dass ich gerne mehr von ihr gelesen hätte.

Fazit: Die Geschichte lebt von den wunderschönen, eindrucksstarken Landschaftsbeschreibungen Islands und hat mir auch im Hinblick auf Figuren und deren Ausarbeitung ausgesprochen gut gefallen.

Veröffentlicht am 14.04.2019

Anders als erwartet, aber okay

Eine eigene Zukunft
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Die spanische Bestsellerautorin María Dueñas hat mit diesem historischen Roman ein spannendes Werk über das Schicksal einer andalusischen Einwandererfamilie im New York der 1930er Jahre geschrieben.
Als ...

Die spanische Bestsellerautorin María Dueñas hat mit diesem historischen Roman ein spannendes Werk über das Schicksal einer andalusischen Einwandererfamilie im New York der 1930er Jahre geschrieben.
Als die drei Schwestern Victoria, Mona und Luz im Jahr 1936 von ihrer Mutter dazu gezwungen werden, ihre geliebte Heimat aufzugeben um nach Amerika überzusiedeln, wo der Vater der Familie - zu dem sie bisher aufgrund seines rastlosen Lebenswandels ein eher gleichgültiges Verhältnis hatten – sich mittlerweile niedergelassen und ein Restaurant eröffnet hat, sind sie fest entschlossen, Widerstand zu leisten. Sie weigern sich, die englische Sprache zu lernen, verschließen sich vehement vor jeglichem Kontakt zu anderen Migranten und haben nur ein Ziel vor Augen: die Rückkehr nach Andalusien. Doch dann kommt alles anders – der Vater verunglückt und hinterlässt ihnen einen Schuldenberg; nun gilt es in erster Linie darum, das nackte Überleben zu sichern. Und so sehen sich die stolzen jungen Damen, die bisher ihren Nachbarn mit Hochmut und Ignoranz begegnet waren, nicht nur gezwungen, Andere um Hilfe zu bitten, sondern aufgrund der Welle der Hilfsbereitschaft und Solidarität ihrer Mitmenschen beschämt zu erkennen, wie unhöflich ihr eigenes Verhalten zuvor gewesen war.
Die Zeiten sind hart, viele Amerikaner leiden selbst an den Folgen der Great Depression; die Wirtschaftskrise hat die Kluft zwischen Arm und Reich noch vertieft. Die Hindernisse, die den Frauen der Familie Arenas das Leben erschweren – der Kulturschock, Verständigungsschwierigkeiten aufgrund der Sprachbarriere, Männer, die ihre Notsituation finanziell wie zwischenmenschlich ausnutzen wollen – werden von der Autorin sehr authentisch widergegeben. Alle Schwestern sind sehr temperamentvolle und willensstarke Persönlichkeiten, dennoch könnten sie in ihren Lebensansichten unterschiedlicher kaum sein. Die eigenwillige Familiendynamik (inklusive lautstarker, hitziger Auseinandersetzungen, humorvoller Dialoge und Zuneigungsbekundungen) hat mich des Öfteren schmunzeln lassen, wäre mir im echten Leben allerdings zu anstrengend. Wir erhalten einen Einblick in die Gedanken zahlreicher Nebenfiguren, aber es sind vor allem die Schwestern, die als Hauptfiguren die Geschichte tragen, deren Charakterzüge und Ansichten sehr tiefgründig ausgearbeitet worden sind. Natürlich haben die Arenas-Schwestern, bildschön wie sie alle sind, allerlei Verehrer – meines Erachtens finden ein wenig zu viele Erwähnung, da ohnehin schon etliche Zusatzcharaktere eingearbeitet worden sind, was recht verwirrend ist und mich daran hinderte, mehr Nähe zu den Hauptfiguren aufzubauen. Meine stille Heldin war übrigens die unkonventionelle Nonne Schwester Lito.
Von der ersten Seite an hat mir der angenehm flüssige Schreibstil gefallen; es gibt keine große Einleitung, man wird direkt in die Geschehnisse hineinkatapultiert, dennoch geraten die feinen Zwischentöne hierbei nicht in Vergessenheit. Es überwiegt ein unterhaltsamer Erzählton. Sicherlich war der Aufbau einer neuen Existenz in der damaligen Zeit kein leichtes Unterfangen, allerdings hätten es ruhig etwas weniger Rückschläge für die – zugegebenermaßen oftmals naiven - Damen sein können; diese Entwicklung hat dem Roman zu viel Schwere verliehen.
Die Story um den spanischen Thronfolger machte für mich überhaupt keinen Sinn und hat die Handlung unnötig verworren, in die Länge gezogen und meinen Leseeindruck dahingehend geschwächt, dass ich mich durch diese Seiten eher notgedrungen durchgequält habe, als dass ich sie genießen konnte. Der Fokus hätte mehr auf der Arenas-Familie liegen sollen; auch die Abschweifungen ins Gangstermilieu erschienen mir völlig fehl am Platz und gefielen mir überhaupt nicht. Am schlimmsten fand ich jedoch die Erkenntnis, dass der im Klappentext angepriesene Nachtclub eine komplett untergeordnete Rolle spielt und quasi nie existiert. Ich hatte mir gerade diese Lokalität als zentrales Element des Werkes vorgestellt und fühlte mich daher von der Inhaltsangabe ein wenig getäuscht.
Während der Lektüre hatte ich irgendwie immer das Gefühl, auf etwas Großes hinzusteuern, aber obwohl es durchaus überraschende Wendungen gab, reihten sich die Ereignisse hinsichtlich des Spannungsniveaus eher gleichmäßig aneinander und plötzlich war man am Ende des Romans angelangt, das mir - in Anbetracht der vielschichtigen vorherigen Handlungsstränge - ein wenig zu schnell abgehandelt und daher recht unglaubwürdig und halbherzig erschien. Ein solch tiefgründiges Werk hätte einen fulminanten Abschluss verdient; hier plätscherte das Ende jedoch eher so dahin und hat mich nicht sonderlich berührt.
Fazit: Ein interessanter Schwesternroman über den Zusammenhalt einer Familie, amouröse Abenteuer, unternehmerische Neubeginne und das Leben als Einwanderer im Amerika der 1930er Jahre, den man gerne mal gelesen haben kann. Zwar hatte ich mir aufgrund des Klappentextes einen anderen Inhalt erwartet, dies wurde aber durch den wunderbaren Schreibstil ausgeglichen, daher gibt es von mir dennoch 4 Sterne.

Veröffentlicht am 01.04.2019

Lügen, Lügen, Lügen

Das bretonische Haus der Lügen
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Mia Löws Werk hält, was der Titel verspricht: dieser fesselnde Roman strotzt nur so vor Lügen und Verrat, Manipulation und brisanten Geheimnissen. Vorab: es ist keine Wohlfühl-Lektüre, wie man anhand des ...

Mia Löws Werk hält, was der Titel verspricht: dieser fesselnde Roman strotzt nur so vor Lügen und Verrat, Manipulation und brisanten Geheimnissen. Vorab: es ist keine Wohlfühl-Lektüre, wie man anhand des lieblichen Covers vermuten könnte, sondern eine spannungsgeladene Familiengeschichte, in der man mit den Charakteren wunderbar mitfiebern und gewisse Figuren nach Herzenslust verachten kann.

Anlässlich des 60. Geburtstags ihrer Adoptivmutter Eva kehrt die junge Ärztin Adrienne nach Jahren der Funkstille in das bretonische Ferienhaus der Familie zurück. Noch immer traumatisiert von ihren Auslandseinsätzen im Team von Ärzte ohne Grenzen, erhofft sich Adrienne ein paar entspannte Tage voller unbeschwerter Sommermomente und vor allem eine Rückkehr zur Normalität, denn aufgrund ihrer posttraumatischen Belastungsstörung kann sie kaum mehr Gefühle für irgendetwas oder irgendwen empfinden. Auch Jannis - ihr Adoptivbruder und Evas leiblicher Sohn - wird dort sein…mit seiner Frau. Einst hatte sich eine zarte Annäherung zwischen Adrienne und Jannis entwickelt, eine unschuldige Romanze – die von Eva strikt unterbunden wurde, als sie Adrienne daraufhin kurzerhand aus dem Haus warf. Nach dem desaströsen Zerwürfnis verweigerte Adrienne zutiefst gekränkt jahrelang jeden Kontakt zu ihrer Familie, denn ihre Mutter hatte ihr damals hasserfüllt noch eine unfassbar verstörende Information mit auf den Weg gegeben:

<< "Du bist nicht besser als deine Mutter!", hatte sie gebrüllt, bevor sie ihr mit äußerster Brutalität die Wahrheit an den Kopf geworfen hatte. "Deine Eltern waren Terroristen! Und sie sind erschossen worden!">>

Schon kurz nach ihrer Ankunft im idyllischen Fischerörtchen Ploumanac’h an der Côte de Granit Rose bemerkt Adrienne, dass Dynamik in der Familie sich geändert hat: zwar herrscht Eva noch immer wie eine Marionettenspielerin über Ehemann und Sohn, doch ihre makellose Fassade hat begonnen, zu bröckeln und an Glanz zu verlieren. Und kurz darauf folgt eine schockierende Enthüllung nach der anderen…

Ich habe dieses Buch verschlungen und konnte es nicht abwarten, endlich die Hintergründe des Lügenkonstrukts zu entwirren. Sehr angenehm fand ich, dass es die ganze Zeit über neue Aha-Erlebnisse gab und sich weder alles auf eine einzige große Auflösung am Ende reduzierte, noch Fragen offengeblieben sind. Die Geschichte ist unterteilt in einen Prolog und zwei größere Leseabschnitte, die aus mehreren Kapiteln bestehen; dank des angenehmen Schreibstils liest sich alles sehr leicht.

Das Highlight des Werkes sind für mich die unsagbar authentischen Dialoge und die Intensität, mit der die Autorin ihre Figuren ausgearbeitet hat. Vor allem Eva ist beängstigend realistisch beschrieben und polarisiert in ihrer Rolle enorm. Auch die anderen Charaktere sind sehr tiefgründig und facettenreich. Trotz all der Dramatik wurden auch positive Momente eingeflochten in die Handlung, doch die düstere Wolke, die über allem schwebte, war stets präsent. Die Landschaftsbeschreibungen sind irgendwie im gesamten Chaos untergegangen bzw. verblassten angesichts der persönlichen Dramen zu sehr.

Fazit: Sehr spannend! Kein romantischer Frauenroman, sondern ein Familiendrama.