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Veröffentlicht am 17.06.2019

Absolut genial!

So schöne Lügen
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Louise ist Ende zwanzig, als sie nach New York kommt. Hier hofft sie Beachtung zu finden und Karriere zu machen. Sie hält sich mit einigen kleineren Jobs über Wasser, ihr eigentlicher Traum ist es jedoch ...

Louise ist Ende zwanzig, als sie nach New York kommt. Hier hofft sie Beachtung zu finden und Karriere zu machen. Sie hält sich mit einigen kleineren Jobs über Wasser, ihr eigentlicher Traum ist es jedoch eine große Schriftstellerin werden. Doch um es zu etwas zu bringen, braucht man Kontakte. Als sie die extrem reiche, wunderschöne, quirlige, vor Lebensfreude sprühende Lavinia kennenlernt, die sich außerdem ausgesprochen für Louise interessiert und alles das in ihr sieht, was sonst keiner wahrnimmt, scheint sich Louises Schicksal gewandelt zu haben: Lavinia hat genau das, was ihr selbst fehlt – nämlich Geld und Kontakte. Als geübte Party-Queen und Social-Media-Star weiß sie Louise das zu geben, wonach diese immer gesucht hat. Dass Lavinia eine Person ist, die permanente Aufmerksamkeit und Bewunderung braucht, nimmt Louise dafür gerne in Kauf. Nicht geahnt hat sie jedoch, dass Lavinias Drang zur Selbstanbetung die Person, die sie sich zu ihrem Opfer erwählt, vollständig aussaugt, sollte sich diese nicht frühzeitig genug von ihr befreien. Eine toxische Beziehung entwickelt sich, eine gefährliche Verbindung mit verheerenden Folgen…

„So schöne Lügen“ ist ein Roman, der eine Sogwirkung entfaltet, die seinesgleichen sucht. Die Faszination, der man sich nicht entziehen kann, beläuft sich dabei allerdings nicht auf die üblichen Mittel der Spannung, derer sich die Krimi- und Thrillerliteratur bedient. Nein, denn die Autorin entscheidet sich für eine äußerst ungewöhnliche Erzählweise, die in keinen üblichen Erzählrahmen passen möchte. So wird der Hauptteil des Romans von einem personalen Erzähler bestritten, der aus Louises Perspektive berichtet. An einigen Stellen wird dieser Erzählstrang jedoch von dem allwissenden Erzähler durchbrochen, der den Leser direkt anspricht und ihn darüber informiert – und immer wieder auch daran erinnert – dass Lavina bereits sechs Monate, nachdem sie Louise kennenlernt, tot sein wird. Das ist eine sehr unkonventionelle Herangehensweise in der modernen Literatur. Das bedeutet, dass nicht die Spannung und der Überraschungseffekt an erster Stelle in dem Roman stehen, wie es bei einem Krimi oder Thriller der Fall wäre, sondern dass es um die tiefenpsychologische Analyse der Hauptfigur an sich und des Beziehungsgeflechts zwischen Lavinia und Louise geht. Das zentrale Augenmerk richtet sich darauf, zu verstehen, wer die beiden sind und warum deren Verbindung toxischer Natur ist, die folgenschwere Konsequenzen mit sich zieht.

„So schöne Lügen“ ist ein äußerst vielschichtiger Roman. So ist der erste Teil des Romans bis zum Unfall beziehungsweise Mord als Studie einer toxischen Beziehung zu verstehen. Der zweite Teil, in dem Louise Lavinias Identität aufnimmt, ist noch differenzierter. Hier konzentriert sich alles auf die Betrachtung von Louises Innenleben – konnte man im ersten Teil noch ihr Handeln nachvollziehen, wird dies nun völlig unmöglich. Der Leser taucht vollständig in die tiefen Abgründe ihres Seelenlebens ein – eines psychotischen Menschen. Bis zur Perfektion gelingt es ihr Lavinia in den sozialen Medien aufleben zu lassen und so lange die Lüge aufrecht zu erhalten, bis der einzige Mensch, der Lavinia besser kennt als sie selbst, ihr auf die Schliche kommt. Einem roten Faden gleich durchzieht zudem pointierte Gesellschaftskritik den ganzen Roman, die bitterböse und zugleich in höchstem Grad ergötzlich ist. Tara Isabella Burton gelingt es völlig fehlerfrei die Dekadenz der oberen Schicht New Yorks – der High Society – in ihrem Werk einzufangen. Ihr Agieren, die Art der Gespräche, die Atmosphäre – es ist alles derartig real beschrieben, dass man es nicht nur liest, nein, man ist direkt dabei, mitten im Geschehen, es geht einem unter die Haut. Die Beobachtungsgabe der Autorin, ihr Erfindungsgeist, ihr Realitätssinn und natürlich ihr schriftlicher Ausdruck sind einfach nur genial zu nennen!

Veröffentlicht am 30.05.2019

Eine berührende Tragikomödie

Der Zopf meiner Großmutter
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Der sechsjährige Max kommt mit seinen Großeltern Margarita Iwanowna und Tschingis als Flüchtling nach Deutschland. Dabei machen ihm weniger die neue Situation und Sprache zu schaffen als vielmehr seine ...

Der sechsjährige Max kommt mit seinen Großeltern Margarita Iwanowna und Tschingis als Flüchtling nach Deutschland. Dabei machen ihm weniger die neue Situation und Sprache zu schaffen als vielmehr seine Großmutter, die sich in Deutschland selbst Margo nennt, eine ehemalige Balletttänzerin, die rigoros über ihr kleines Reich herrscht und vor nichts und niemandem zurückschreckt. Ihren eigenen Enkel hält sie für schwachsinnig und todkrank. Ärzte und Lehrer werden über den geistigen und körperlichen Zustand ihres Enkels aufgeklärt, Fahrgäste, die auf dem ihrer Meinung sichersten Platz sitzen, werden von ihr verscheucht („Mach schnell Platz für den kleinen Krüppel. Leute gibt‘s.“), Hotelgäste verfolgt, weil sie sich zu viele Melonenscheiben genommen haben, unbequeme Fragen verspottet („Muss ich mich an alles erinnern? Was soll die Heimatkunde?“) und die Nachbarin mit Nettigkeiten überschüttet („Euch jungen Frauen ist nichts mehr heilig. Aber so jung sind Sie auch nicht, Nina!“). Konsequenterweise wird das von ihr oft herangeführte „bei mir zählt jedes Jahr für zwei“ zu „in Ihrer Gesellschaft zählt jedes Lebensjahr für zwei“. Jedes Jahr, das Mäxchen trotz der vielen ihm angedichteten Krankheiten „schafft“, wird gebührend mit einer Geburtstagstorte geehrt, die das Geburtstagskind jedoch nicht anrühren darf, weil das seinen sofortigen Tod zur Folge hätte. Statt dessen darf sich Mäxchen seine wunderschöne Beerdigung ausmalen, falls er demnächst nicht mehr so großes Glück haben sollte. Margo mit ihren Ansichten und Kommentaren ist einfach herrlich, wobei die Verbindung der Großmutter mit ihrem Enkel, der bei allem eine stoische Ruhe bewahrt – die wohl jedem Leser Bewunderung abverlangt – das Ganze noch amüsanter macht! Sehr schnell wird jedoch deutlich, dass unter der harten Schale ein weicher Kern steckt und dass die Großmutter zu einer Aufopferung bis zur Selbstaufgabe fähig ist.

Alina Bronsky bietet dem Leser mit ihrem Roman „Der Zopf meiner Großmutter“ eine Tragikomödie mit Charakterkomik vom Feinsten. Während der Leser aufgrund der großmütterlichen Aussprüche ununterbrochen Lachtränen vergießt, gibt es doch auch viele Stellen, an denen man als Leser mit Margo oder Tschingis innehält oder sich wie Mäxchen gerührt vom Geschehen abwendet. Trotz ihrer sehr scharfen Zunge, lässt die Großmutter an den ausschlaggebenden Stellen äußersten Edel- und Großmut walten. Getragen wird der ganze Roman von dem Zusammenspiel der Großmutter mit dem Enkel. Wer den bitterbösen Humor der Autorin nicht teilt und den arglos-scharfsinnigen Schreibstil – da ja schließlich aus der Perspektive eines Kindes berichtet wird – nicht genießen kann, der wird leider keinen Zugang zu diesem großartigen Roman finden. Gleichzeitig lese ich den Roman auch als ein Statement, als die Geschichte einer Frau, die von dem kommunistischen Terrorsystem der Sowjetunion nicht gebrochen wurde, die sich ihr Menschsein bewahrt hat und siegreich aus der Lebensprüfung hervorgegangen ist. Und genau das scheint Mäxchen, der mit einer Weisheit jenseits seines zarten Alters gesegnet ist, zu verstehen. Deshalb lässt er Margo vieles durchgehen und verzeiht ihr ihre oftmals harten Worte. Wer diesen Zusammenhang nicht versteht, der wird wohl auch das ganze Buch nicht verstehen können. „Sie kannte mich besser als jeder andere Mensch, und sie wusste etwas über diese Welt, wovon niemand sonst eine Ahnung hatte.“

Veröffentlicht am 14.05.2019

Eine große Bereicherung für jedermann!

Mein Leben als Sonntagskind
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Jasmijn Vink ist anders als andere Kinder. Sie nimmt alle äußeren Reize einzeln wahr, nicht als Gesamtbild. „Meine Ohren sogen sich voll mit allen Geräuschen, wie eine Muschel, die die Sinfonie des Meeres ...

Jasmijn Vink ist anders als andere Kinder. Sie nimmt alle äußeren Reize einzeln wahr, nicht als Gesamtbild. „Meine Ohren sogen sich voll mit allen Geräuschen, wie eine Muschel, die die Sinfonie des Meeres einfängt.“ An Orten, wo Lärm herrscht und das Licht grell ist, bekommt sie Migräneanfälle, die bis zu mehreren Tagen andauern können. Sie hasst Veränderungen. Sprechen kann sie nur mit Menschen, die sie kennt, und hat äußerste Schwierigkeiten, soziale Kontakte zu knüpfen. Auch mit der Motorik hat sie Schwierigkeiten, bis ins Erwachsenenalter braucht sie beispielsweise einen Strohhalm in ihrem Getränk. Gleichzeitig ist sie hochbegabt. Bereits im Alter von vier Jahren kann sie fließend lesen, bald darauf auch fehlerfrei schreiben und hat ein außerordentlich gutes Gedächtnis. Mit einer blühenden Fantasie beschenkt, denkt sie sich ununterbrochen Geschichten aus, u. a. von der „Normalen Jasmijn“, die im Gegensatz zu der wirklichen Jasmijn immer weiß, wie sie sich richtig zu verhalten hat. „Ich war das stille Wesen mit dem durchdringenden Blick, das Kind, das lieber mit einem Hund zusammen war als mit anderen Menschen. Und das fanden die Leute seltsam. Denn so sollte es nicht sein.“

Nahtlos geht man als LeserIn in ihre Welt über, lernt die Dinge aus ihrer Sicht wahrzunehmen. Und es ist eine Welt, in die einzutauchen es sich lohnt. Wie viele Denkanstöße sie uns Lesern und Leserinnen auf den Weg gibt! Dank ihres Mutes und Dank ihres Talents erhalten wir Einsicht in eine andere Welt – die Welt eines Menschen mit Asperger-Syndrom. Manch einer ist geneigt, Mitleid für sie zu empfinden, doch ist sie uns nicht in vielem voraus? Wenn sie sich beispielsweise mit ihrem Bruder vergleicht –„Mein Bruder setzte sich nicht im Wald auf einen Baum, um stundenlang darüber zu grübeln, wer er denn eigentlich war […], welchen Sinn das alles habe. Emiel existierte einfach, und das war für ihn Grund genug zum Feiern. Mit jedem. Seine Welt war eine Tanzfläche, auf der jeder Tanzpartner willkommen war, während mein Bedürfnis nach Alleinsein immer stärker wurde, weil ich ohne Stille den Lärm nicht ertrug.“ – oder mit ihren Cousinen: „In ein paar Stunden würden meine Cousinen wieder mit ihren Eltern nach Hause gehen, zurück in ihr Leben, zu ihren Freundinnen, ihren Beinahe-Freunden. Ihrem Kleidergeld, ihrer Akne, ihrer Antibabypille. Nie hörte ich sie über ein schönes Buch reden oder über Geschichten, die in ihrem Kopf wucherten.“ Stellen wir dann nicht fest, dass ‚unsere‘ Welt im Vergleich zu ihrer manchmal etwas flach und gewöhnlich ist?

Jasmijn hinterfragt Dinge, die wir Durchschnittsmenschen einfach hinnehmen, wie z. B. die Schulpflicht. So zeigt sie uns, dass wir uns unser ganzes Leben lang von einem Käfig in den anderen treiben lassen, ohne uns gegen das herrschende System zur Wehr zu setzen, geschweige denn es überhaupt in Frage zu stellen. Sie stellt es dagegen sehr wohl in Frage. „Wie konnte es sein, dass eine anonyme Stimme, die sich »die Welt« nannte, darüber entschied, wie ich zu leben hatte? Dass ich dazu verdammt war, mich täglich in einen hässlichen Betonklotz an einer verkehrsreichen Straße aufzuhalten und Dinge zu lernen, die nicht das Geringste zu meiner Entwicklung beitrugen? Dass ich mein Gehirn nicht mit Dingen füttern durfte, die von Wert waren? Ich erkannte immer deutlicher, dass ich wegmusste aus diesem sinnlosen Drama.“

Obwohl der autobiografische Roman „Mein Leben als Sonntagskind“ über sechshundert Seiten lang ist, schweift man als Leser weder für eine Sekunde mit den Gedanken ab, noch kommt jemals Langeweile auf. Denn kein Wort ist zu viel, keine Zeile unnötig. Jeder Abschnitt ist wichtig und jedes Kapitel notwendig, um die Geschichte Jasmijn Vinks zu verstehen. Und am Ende empfindet man Bewunderung für die Autorin. Dankbarkeit. Wie gut, dass dieses Buch geschrieben wurde und die Welt es lesen kann! „Alles, was man im Kopf sehen konnte, war echt.“

Veröffentlicht am 17.04.2019

Dicht und intensiv

Fünf Tage im Mai
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„Dieser Ort und ich, wir hatten eine Geschichte.“

Ully ist eine junge Frau, die in einem Dorf in Tirol aufwächst. Im Alter von fünfundzwanzig Jahren lässt sie uns rückblickend an fünf Maitagen teilhaben, ...

„Dieser Ort und ich, wir hatten eine Geschichte.“

Ully ist eine junge Frau, die in einem Dorf in Tirol aufwächst. Im Alter von fünfundzwanzig Jahren lässt sie uns rückblickend an fünf Maitagen teilhaben, die einschneidende Ereignisse in ihrem Leben markierten oder sie auf auf eine andere Art und Weise besonders prägten. Große Bedeutung spielt in ihrem Leben dabei stets ihre innige Beziehung zu ihrem Urgroßvater, den sie liebevoll Tat‘ka nennt. Er ist ihr Vorbild, Lehrer und Leitstern auf ihrem Weg. Kein anderer Mensch in ihrem Leben bringt ihr so viel Verständnis entgegen und lehrt sie so viel über das Leben. Er begegnet ihr mit Geduld, Zuneigung und Weisheit. Einen Einschnitt in diese innige Beziehung markiert einzig die Phase ihrer ersten großen Jugendliebe, die ihr Leben auf den Kopf stellt und schließlich ein verhängnisvolles Ende nimmt.

Fehlerfrei und lückenlos schlüpft die Autorin zunächst im ersten Buchabschnitt in die Perspektive eines Kindes, um in den zwei darauf folgenden Abschnitten nahtlos in die Sichtweise einer Jugendlichen überzugehen und schließlich die letzten beiden Kapitel der Erwachsenenperspektive zu widmen. Wer sich noch gut an seine eigene Kindheit erinnert, der wird sich unweigerlich darin wiederfinden, wie für die kleine Ully ein aus Erwachsenenperspektive wahrscheinlich nicht so großes Vergehen, das sie sich hat zu Schulden kommen lassen, nach und nach so große Ausmaße annimmt, dass es in einer Art Fiebertraum kulminiert. („Durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine große Schuld. Die Seele ist ein Vierklee. Jedes vierte Blatt ist verstrahlt.“) In den Kapiteln, die Ullys Jugendzeit gewidmet sind, ist es geradezu beklemmend, wie präzise die Autorin die Gefühle beschreibt, die einen in dieser äußerst schwierigen Phase begleiten. Die Sehnsucht danach irgendwo dazuzugehören und diese große Einsamkeit, die einen überkommt, wenn man das dann schließlich erreicht, aber feststellt, dass einen nichts mit den anderen verbindet („Ich saß im Auto wie eine schlecht gestochenes Piercing, das über kurz oder lang aus dieser fröhlichen Gemeinschaft herauseitern würde.“). Auch die Erwachsenenperspektive überzeugt mit ihrer Gefühlssektion auf ganzer Linie („Es war möglich, den Schmerz zu bannen, indem man ihn mit anderen teilte. Es war möglich, zwischen den Menschen unsichtbare Brücken aus Wörtern zu bauen, auf denen die Gefühle von einem zum anderen wandern konnten.“

Und genau das gelingt der Autorin Elisabeth R. Hager ebenfalls mit uns. Sie baut unsichtbare Brücken aus Wörtern, die die Gefühle der Erzählerin zu den Lesern wandern lassen. Sie schafft mit „Fünf Tage im Mai“ ein überaus dichtes, intensives und wortgewaltiges Meisterwerk. Es bezaubert, fasziniert, bestürzt und ergreift. Ihr gelingt das fast Unmögliche – den Leser sowohl intensiv fühlen als auch denken zu lassen – ohne Pause für Unnötiges, Belangloses. Das Geschriebene ist mehr als nur Wort, Metapher, Botschaft. Nichts weniger als wahrhaftes Leben ist es, das aus jeder Wortpore dringt, uns aus jeder Schriftzeile entgegen schlägt und aus jeder Buchseite atmet. „Fünf Tage im Mai“ ist ein durch und durch authentisches, wahrhaftiges Werk. Und es ist nicht etwa so, dass wir die Gedanken- und Gefühlswelt der Erzählerin lediglich nachempfinden – nein, unser Leseerlebnis steht ihrem Erleben an Intensität in nichts nach. Und ist es nicht genau das, was große Literatur ausmacht? „Fünf Tage im Mai“ ist wahrlich ein großes Werk, das Veränderung initiiert.

„Von allem, was danach geschah, kenne ich nur meinen Teil der Geschichte, aber das ist im Leben ja immer so.“

Veröffentlicht am 15.04.2019

Still und unaufgeregt

Siebzehnter Sommer
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Angeline lebt in einer kleinen Stadt in Wisconsin. Sie ist siebzehn und hat gerade die High School abgeschlossen. Nach dem Sommer wird sie aufs College in Chicago gehen. Ihr siebzehnter Sommer wird ihr ...

Angeline lebt in einer kleinen Stadt in Wisconsin. Sie ist siebzehn und hat gerade die High School abgeschlossen. Nach dem Sommer wird sie aufs College in Chicago gehen. Ihr siebzehnter Sommer wird ihr aber auf ewig in Erinnerung bleiben, denn sie erlebt in dieser Zeit die zarten Gefühle der ersten Liebe.

Das Buchcover ist sehr schlicht gehalten, es beschränkt sich auf das Wesentliche: Das Mädchen, das uns Leser an ihrem Innenleben teilnehmen lässt. Angie schaut uns an, mit ihrem sanften und verträumten Blick und wir wissen, dass sie Jack ansieht und wir schlüpfen nahtlos in diesen Jungen hinein und sehen sie mit seinen Augen.

Aus Interesse habe ich mir die amerikanischen Ausgaben des Romans angesehen und ich finde es verblüffend wie jedes Cover die Zeit der Herausgabe widerspiegelt. Die deutsche Auflage ist eine perfekte Gratwanderung zwischen modern (minimalistisch!) und nostalgisch, so dass das Buch direkt ins Auge springt und zum Lesen animiert.

Maureen Daly lässt uns auf bezaubernd ehrliche Weise an ihrem Leben teilnehmen. An ihren alltäglichen Arbeiten, ihren Gesprächen mit den Familienmitgliedern und der Zeit, die sie mit Jack verbringt. Mit einer genauen Beobachtungsgabe gesegnet, schildert sie die Natur, die einen großen Einfluss auf ihre Gefühle hat und sie zu Reflexionen inspiriert, die den Leser unwillkürlich bezaubern.

Die zarten und unschuldigen Gefühle, die sie für Jack entwickelt, lassen jede Leserin an ihre eigene erste große Liebe zurückdenken.

Als großer Fan amerikanischer Filme aus den dreißiger, vierziger und fünfziger Jahren, habe ich geradezu wie ein Schwamm alles aufgesogen, was ich an Informationen über diese Zeit mit Hilfe des Romans in Erfahrung bringen konnte. Wie die Familie lebt und ihre Zeit verbringt, welche Art von Zeitvertreib der Jugend im Speziellen und der Familie im Ganzen zur Verfügung steht – und ich muss sagen, es liest sich alles wie einer jener heiteren, idyllisch-schönen Filme über das amerikanische Familienleben: Die Parade des vierten Juli, die kleinen Lokale mit den Musikboxen, Bootsfahrten auf dem See, Picknicken mit der ganzen Familie, die Mutter, die im Garten selbst Angebautes einmacht, der Vater, der jeden Sonntag seinen Wagen blitzblank putzt und der alljährliche Jahrmarkt, der den Höhepunkt des Jahres markiert.

Unaufgeregt, psychologisch stimmig und heiter – ein wunderbares Buch, um in eine Welt einzutauchen, in der alles so ist, wie es sein sollte. Liebe- und respektvoll, nachdenklich und reflektiert, versonnen und verträumt. Ein wahres Wohlfühlbuch für geruhsame, müßige Stunden!