Konnte mich trotz Schwachstellen überraschen
Gold und SchattenDie Diplomatentochter Livia zieht mit ihren Eltern um nach Paris. An Umzüge ist sie wirklich gewohnt, doch seit ihrem 16. Geburtstag stimmt etwas nicht mit ihr. Plötzlich sprechen Pflanzen und Blumen zu ...
Die Diplomatentochter Livia zieht mit ihren Eltern um nach Paris. An Umzüge ist sie wirklich gewohnt, doch seit ihrem 16. Geburtstag stimmt etwas nicht mit ihr. Plötzlich sprechen Pflanzen und Blumen zu ihr. Und dann ist da noch Maél, den sie nicht ganz einordnen kann. Was möchte er wirklich von ihr? Ehe sie sich versehen kann, ist Livia mitten in Geheimnisse im Herzen Frankreichs verstrickt und kann kaum glauben, was für eine Welt sich ihr offenbart.
Eigentlich hatte ich das Kapitel „Griechische Götter gepaart mit Liebesdrama um beliebige Jugendliche“ für beendet erklärt, nachdem mir in dem Bereich eine Enttäuschung nach der anderen unter die Finger kam. Aber was soll ich sagen, ich falle immer wieder auf die neusten Hype-Bücher rein, möchte auch mitreden können, wissen, worum es geht, wenn ein Buch auf gefühlt allen Bookstagram-Kanälen in Szene gesetzt wird. Außerdem bin ich insgeheim doch noch immer auf der Suche, nach DEM Buch, das die griechische Mythologie grandios in einem Urban Fantasy Buch behandelt. Ich bin den griechischen Göttern plus unzähligen Nachkommen spätestens seit meinem Alt-Griechisch-Unterricht verfallen (beziehungsweise seit der wunderbaren Vertonung der griechischen Mythen und Sagen für Kinder von Dimiter Inkiow).
Um ehrlich zu sein dachte ich zu Beginn des Buches, dass es sich bei „Gold und Schatten“ um eine weitere Enttäuschung handeln würde. Verstärkt wurde das Gefühl dadurch, dass ich nicht gut in das Buch hineingefunden habe. Ich legte viel zu viele Pausen ein, legte das Buch immer wieder für längere Zeit aus der Hand und folgte dann der Handlung eher mit mäßigem Interesse.
Doch nach circa einem Viertel des Buches setzte die Sogwirkung ein, die viele YA- und NA-Bücher haben. Dieser Drang, einfach immer weiterzulesen, weil man endlich mehr wissen möchte, die Zusammenhänge verstehen will und mehr über die Hintergründe erfahren möchte. Und dann merkte ich Kapitel um Kapitel, wie meine Lesefreude stieg und ich wirklich Spaß an dem Buch fand. Damit hatte ich irgendwann kaum mehr mit gerechnet, doch das Buch gefiel mir immer besser.
Ja, die Geschichte hat ziemlich viele Schwachstellen. Angefangen mit Livia, die in meinen Augen viel zu viel hinnahm, sich nicht interessierte und mir auch leider nicht im Gedächtnis bleiben wird. Eine kleine Besserung gegenüber anderen Büchern des Genres: Livia ist mal (erfrischender Weise und endlich einmal!) nicht das wunderschönste Mädchen des Universums mit kaum erfüllbaren Körpermaßen, sondern eine nette junge Frau, in die man sich gut hineinversetzen konnte. Ihr Desinteresse gegenüber ihren Fähigkeiten hingegen ließ mich ganz schön die Brauen zusammenziehen. Ihr fokus lag leider viel zu sehr auf irgendwelchen Dramen, die im Kapitel selber vielleicht gut gesetzt waren, doch über die Länge des Buches betrachtet eindeutig die Oberhand hatten. Hier kann ich etliche Rezensionen verstehen, die aussagen, dass es zu sehr Teeniedrama als Geschichte um und mit der griechischen Mythologie sei. Dennoch mochte ich Livia, fand sie erfrischend und gut gewählt.
Auch Maél gefiel mir in Auszügen ganz gut, doch wurden in ihm für meinen Geschmack zu viele Klischees gepaart, was in seinem Fall nicht immer förderlich war. Muss es denn immer der Bad Boy sein, der allen Gefahren trotzen kann und nur von einer einzigen Frau „errettet“ werden kann? Hier wäre etwas mehr Innovation echt wünschenswert gewesen. Für mich ist dieser Protagonisten-Typ dermaßen ausgelutscht. Auch wenn ich betonen muss, das Maél nicht der typische Bad Boy ist. Er springt mehr wie ein kleines ADHS-Känguru zwischen verschiedenen Charakteren hin und her, so dass er nicht immer ganz greifbar war. Mal ein bisschen „bad“, mal Kuscheltyp, mal anhänglich, mal unnahbar. Bitte nicht falsch verstehen, jeder Charaktere verfügt über diverse Seiten, doch hatte ich ab und an das Gefühl, dass für Maél zwei Versionen geschrieben wurden, die sich situationsbedingt immer wieder abwechselten. Sie passten einfach nicht immer zusammen.
Richtig gut gefallen haben mir aber die Nebencharaktere und auch die Darstellungen der Götter. Ich fand es klasse, dass die Götter nicht zu romantisierten Vorstellungen ihrer selbst verkommen waren, sondern auch auf ihre eher grausame Ader hingewiesen wurde. Mir persönlich hätte eine noch drastischere Darstellung besser gefallen, aber die Autorin ist nicht wie andere Autoren einmal mit dem Weichzeichner über diese Gestalten gegangen, um aus ihnen eine große, liebevolle Familie zu machen. Nun, nach dem ersten Schreck darf es schon ein bisschen Weichzeichner sein, denn mir hat vor allem die Szene mit Hephaistos gut gefallen. Auch die Einbindung anderer Figuren der griechischen Mythologie hat mir gefallen. Die Autorin hat sich spürbar viel mit dem Thema beschäftigt. Und auch wenn sie ab und an ein paar Sagen etwas für ihre Geschichte zurechtgebogen hat, kann ich ihr das nicht verdenken und verbuchte es als „künstlerische Freiheit“.
Kritisch stand ich von Anfang an dem Thema Paris gegenüber. „Warum ausgerechnet Paris? Warum kann nicht eine der Göttergeschichte endlich einmal da spielen, wo sie ihren Ursprung hat?“ Dies waren meine Gedanken zum Start der Geschichte. Ich bin es wirklich leid noch mehr Bücher der griechischen Mythologie zu lesen, die in den USA oder Buxtehude spielen. Rick Riordan gab eine ganz passable Antwort darauf, die viel zu viele Autoren einfach kopiert haben. Doch Kira Licht lieferte wirklich eine stimmige Erklärung und versöhnte mich etwas mit der Wahl ihres Handlungsortes.
Paris fing sie ganz wunderbar ein und die Settings passten wirklich gut zur Geschichte.
Der Schreibstil ist in Ordnung, ziemlich umgangssprachlich mit sehr vielen Dialogen und eher humoristisch. Er passt gut zu der Geschichte und den Figuren und ließ sich locker-flockig lesen.
Das Ende gefiel mir leider nicht so gut. Plätscherte die Handlung im Verlaufe des Buches eher hin und konzentrierte sich zu sehr auf das sehr künstliche Drama zwischen Livia und Maél, so wurde das Ende wirklich ruckartig auf ein paar Seiten und mit einem vorher nicht vorhandenen Tempo abgehandelt.
Es blieben mir auch viel zu viele Fragen unbeantwortet. Ja, wahrscheinlich werden diese im zweiten Band beantwortet werden, aber dieses Ende fühlte sich mit der Vielzahl an nicht beantworteten Fragen doch sehr unbefriedigend an. Ein bisschen weniger Drama für ein bisschen mehr Input wäre wirklich toll gewesen.
Alles in allem aber bin ich überrascht, wie viel Freude ich an dem Buch hatte, auch wenn ich nicht die vielen Begeisterungsstürme uneingeschränkt teilen kann. Es hat mich abgesehen von dem holprigen Start gut unterhalten können und ich freue mich nun auf den zweiten Band.