„Die Frauen von Salaga“ habe ich mir aufgrund der Inhaltsangabe ehrlich gesagt völlig anders vorgestellt. Meiner Meinung nach ist das wieder einmal ein Beispiel dafür, wie Verlage ihre (potentiellen) Kunden an der Nase herumführen. Und ich finde das nicht witzig und ich habe vor allem überhaupt kein Verständnis dafür. Es nützt den Autor/innen herzlich wenig, wenn die Verlage mit den Klappentexten/Inhaltsangaben Erwartungen schüren, die hinterher nicht erfüllt werden. Vor allem wird es weder den angepriesenen Büchern noch den Autor/innen gerecht. Die Enttäuschung vieler Leser/innen ist bei diesem Vorgehen vorprogrammiert. Lesen diejenigen, die die Klappentexte schreiben, überhaupt die Bücher?
Genug lamentiert, es soll schließlich um „Die Frauen von Salaga“ und nicht etwa mäßige bis schlechte Verlagsarbeit gehen.
„Die Frauen von Salaga“ erzählt die Geschichten von Aminah und Wurche. Aminahs Schicksal nimmt seine Lauf, als ihr Vater sich mal wieder mit einer Karawane auf den Weg macht, um Stiefel zu verkaufen, aber nicht zurückkehrt. Schlimmer noch: Eines Tages ziehen Räuber durch das Dorf und brennen es nieder, nachdem sie die Menschen gefangen genommen haben, um sie als Sklaven zu verkaufen – darunter Aminah und ihre Geschwister. Der Leidensweg beginnt. Derweil wird Wurche, ihres Zeichens Königstochter, aus politisch-strategischen Gründen mit Adnan verheiratet, obwohl sie bis zu diesem Zeitpunkt davon ausging, sich ihren Mann selbst aussuchen zu können.
Das Zusammentreffen beider Frauen, das ich wegen des Klappentextes permanent erwartete, findet letztlich erst im letzten Drittel des Buches statt. Davor lernen wir über die Lebenswege der beiden Frauen ein wenig über die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse Ghanas des 19. Jahrhunderts kennen. Was mir sehr gefallen hat, ist die Tatsache, dass ich nie das Gefühl hatte, dass Ayesha Harrunah Attah dieses Buch für Europäer geschrieben hat. Sie reißt viele Themen nur an und setzt ganz offensichtlich Hintergrundwissen zur Geschichte des Landes voraus. Sie richtet sich an ihre Landsleute, nicht an potentielle Leser/innen jenseits von Afrika. Dadurch hat für mich das Buch an Authentizität gewonnen.
Es sind Kleinigkeiten wie die Mahlzeiten, die nicht bis ins letzte Detail beschrieben werden, aber eben auch die verschiedenen Begriffe wie „Clans“, „Stämme“ etc., die sie nicht näher erläutert, weil sie davon ausgeht, dass die Leser wissen, was sie meint, die in mir den Eindruck erweckt haben, dass sie primär für ein Publikum geschrieben hat, das das nötige Hintergrundwissen hat. Das hat mir ganz ehrlich sehr gut gefallen. Wer mehr wissen möchte, kann sich andere Bücher über Ghana und/oder Afrika kaufen. Dies ist ein Roman, kein Sachbuch, auch wenn Ayesha Harruna Attha einen sehr sachlichen Schreibstil verwendet. Die Sätze sind knapp – trotzdem verwendet sie eine sehr bildhafte Sprache.
Das Wesentliche ist aber der jeweilige Weg von Aminah und Wurche. Für mich waren sie ein bisschen wie Yin und Yang – Gegensätze, die sich anziehen. In gewisser Weise sind sie das genaue Gegenteil voneinander und ergänzen sich doch gut. Und so wie ihr Lebensweg bis zu ihrem Treffen – und auch danach – total gegensätzlich ist, so sind das ihre Charaktere und ihr Äußeres. Anders als es der Klappentext suggeriert, ist es nicht so, dass Wurche und Aminah sich quasi besprechen, für ihre Freiheit zu kämpfen. Es ergibt sich mehr aus ihrer Situation. Und dieser Kampf wird auch nicht nach Absprache und gemeinsam geführt, sondern die Frauen führen ihn jeder für sich. Sie treffen nur zufällig aufeinander und verbringen als Sklavin und Herrin einige Jahre miteinander, ehe sich ihre Lebenswege wieder trennen.
Aber: Beide Frauen sind auf ihre Weise stark. Sie erleiden viel – bei Aminah ist das für uns Leser/innen vielleicht leichter nachzuvollziehen, aber auch Wurche muss einiges ertragen. Und doch zerbrechen sie nicht, sondern finden ihren Weg. Am Ende bleibt die Hoffnung.
Das Buch ist wie das Leben – am Ende des Romans bleiben viele lose Fäden, nicht alles wird aufgeklärt. Auch hier bleibt sich Ayesha Harruna Attah ihrem Stil treu.
„Die Frauen von Salaga“ ist ein unterhaltsamer, teilweise spannender, vor allem aber interessanter Roman, der für viele Leser/innen sicher gewöhnungsbedürftig ist (schon allein wegen der Namen), aber letztlich eine tolle Geschichte erzählt.