Profilbild von Helena89

Helena89

Lesejury Star
offline

Helena89 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Helena89 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.05.2019

Eine große Bereicherung für jedermann!

Mein Leben als Sonntagskind
0

Jasmijn Vink ist anders als andere Kinder. Sie nimmt alle äußeren Reize einzeln wahr, nicht als Gesamtbild. „Meine Ohren sogen sich voll mit allen Geräuschen, wie eine Muschel, die die Sinfonie des Meeres ...

Jasmijn Vink ist anders als andere Kinder. Sie nimmt alle äußeren Reize einzeln wahr, nicht als Gesamtbild. „Meine Ohren sogen sich voll mit allen Geräuschen, wie eine Muschel, die die Sinfonie des Meeres einfängt.“ An Orten, wo Lärm herrscht und das Licht grell ist, bekommt sie Migräneanfälle, die bis zu mehreren Tagen andauern können. Sie hasst Veränderungen. Sprechen kann sie nur mit Menschen, die sie kennt, und hat äußerste Schwierigkeiten, soziale Kontakte zu knüpfen. Auch mit der Motorik hat sie Schwierigkeiten, bis ins Erwachsenenalter braucht sie beispielsweise einen Strohhalm in ihrem Getränk. Gleichzeitig ist sie hochbegabt. Bereits im Alter von vier Jahren kann sie fließend lesen, bald darauf auch fehlerfrei schreiben und hat ein außerordentlich gutes Gedächtnis. Mit einer blühenden Fantasie beschenkt, denkt sie sich ununterbrochen Geschichten aus, u. a. von der „Normalen Jasmijn“, die im Gegensatz zu der wirklichen Jasmijn immer weiß, wie sie sich richtig zu verhalten hat. „Ich war das stille Wesen mit dem durchdringenden Blick, das Kind, das lieber mit einem Hund zusammen war als mit anderen Menschen. Und das fanden die Leute seltsam. Denn so sollte es nicht sein.“

Nahtlos geht man als LeserIn in ihre Welt über, lernt die Dinge aus ihrer Sicht wahrzunehmen. Und es ist eine Welt, in die einzutauchen es sich lohnt. Wie viele Denkanstöße sie uns Lesern und Leserinnen auf den Weg gibt! Dank ihres Mutes und Dank ihres Talents erhalten wir Einsicht in eine andere Welt – die Welt eines Menschen mit Asperger-Syndrom. Manch einer ist geneigt, Mitleid für sie zu empfinden, doch ist sie uns nicht in vielem voraus? Wenn sie sich beispielsweise mit ihrem Bruder vergleicht –„Mein Bruder setzte sich nicht im Wald auf einen Baum, um stundenlang darüber zu grübeln, wer er denn eigentlich war […], welchen Sinn das alles habe. Emiel existierte einfach, und das war für ihn Grund genug zum Feiern. Mit jedem. Seine Welt war eine Tanzfläche, auf der jeder Tanzpartner willkommen war, während mein Bedürfnis nach Alleinsein immer stärker wurde, weil ich ohne Stille den Lärm nicht ertrug.“ – oder mit ihren Cousinen: „In ein paar Stunden würden meine Cousinen wieder mit ihren Eltern nach Hause gehen, zurück in ihr Leben, zu ihren Freundinnen, ihren Beinahe-Freunden. Ihrem Kleidergeld, ihrer Akne, ihrer Antibabypille. Nie hörte ich sie über ein schönes Buch reden oder über Geschichten, die in ihrem Kopf wucherten.“ Stellen wir dann nicht fest, dass ‚unsere‘ Welt im Vergleich zu ihrer manchmal etwas flach und gewöhnlich ist?

Jasmijn hinterfragt Dinge, die wir Durchschnittsmenschen einfach hinnehmen, wie z. B. die Schulpflicht. So zeigt sie uns, dass wir uns unser ganzes Leben lang von einem Käfig in den anderen treiben lassen, ohne uns gegen das herrschende System zur Wehr zu setzen, geschweige denn es überhaupt in Frage zu stellen. Sie stellt es dagegen sehr wohl in Frage. „Wie konnte es sein, dass eine anonyme Stimme, die sich »die Welt« nannte, darüber entschied, wie ich zu leben hatte? Dass ich dazu verdammt war, mich täglich in einen hässlichen Betonklotz an einer verkehrsreichen Straße aufzuhalten und Dinge zu lernen, die nicht das Geringste zu meiner Entwicklung beitrugen? Dass ich mein Gehirn nicht mit Dingen füttern durfte, die von Wert waren? Ich erkannte immer deutlicher, dass ich wegmusste aus diesem sinnlosen Drama.“

Obwohl der autobiografische Roman „Mein Leben als Sonntagskind“ über sechshundert Seiten lang ist, schweift man als Leser weder für eine Sekunde mit den Gedanken ab, noch kommt jemals Langeweile auf. Denn kein Wort ist zu viel, keine Zeile unnötig. Jeder Abschnitt ist wichtig und jedes Kapitel notwendig, um die Geschichte Jasmijn Vinks zu verstehen. Und am Ende empfindet man Bewunderung für die Autorin. Dankbarkeit. Wie gut, dass dieses Buch geschrieben wurde und die Welt es lesen kann! „Alles, was man im Kopf sehen konnte, war echt.“

Veröffentlicht am 17.04.2019

Dicht und intensiv

Fünf Tage im Mai
0

„Dieser Ort und ich, wir hatten eine Geschichte.“

Ully ist eine junge Frau, die in einem Dorf in Tirol aufwächst. Im Alter von fünfundzwanzig Jahren lässt sie uns rückblickend an fünf Maitagen teilhaben, ...

„Dieser Ort und ich, wir hatten eine Geschichte.“

Ully ist eine junge Frau, die in einem Dorf in Tirol aufwächst. Im Alter von fünfundzwanzig Jahren lässt sie uns rückblickend an fünf Maitagen teilhaben, die einschneidende Ereignisse in ihrem Leben markierten oder sie auf auf eine andere Art und Weise besonders prägten. Große Bedeutung spielt in ihrem Leben dabei stets ihre innige Beziehung zu ihrem Urgroßvater, den sie liebevoll Tat‘ka nennt. Er ist ihr Vorbild, Lehrer und Leitstern auf ihrem Weg. Kein anderer Mensch in ihrem Leben bringt ihr so viel Verständnis entgegen und lehrt sie so viel über das Leben. Er begegnet ihr mit Geduld, Zuneigung und Weisheit. Einen Einschnitt in diese innige Beziehung markiert einzig die Phase ihrer ersten großen Jugendliebe, die ihr Leben auf den Kopf stellt und schließlich ein verhängnisvolles Ende nimmt.

Fehlerfrei und lückenlos schlüpft die Autorin zunächst im ersten Buchabschnitt in die Perspektive eines Kindes, um in den zwei darauf folgenden Abschnitten nahtlos in die Sichtweise einer Jugendlichen überzugehen und schließlich die letzten beiden Kapitel der Erwachsenenperspektive zu widmen. Wer sich noch gut an seine eigene Kindheit erinnert, der wird sich unweigerlich darin wiederfinden, wie für die kleine Ully ein aus Erwachsenenperspektive wahrscheinlich nicht so großes Vergehen, das sie sich hat zu Schulden kommen lassen, nach und nach so große Ausmaße annimmt, dass es in einer Art Fiebertraum kulminiert. („Durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine große Schuld. Die Seele ist ein Vierklee. Jedes vierte Blatt ist verstrahlt.“) In den Kapiteln, die Ullys Jugendzeit gewidmet sind, ist es geradezu beklemmend, wie präzise die Autorin die Gefühle beschreibt, die einen in dieser äußerst schwierigen Phase begleiten. Die Sehnsucht danach irgendwo dazuzugehören und diese große Einsamkeit, die einen überkommt, wenn man das dann schließlich erreicht, aber feststellt, dass einen nichts mit den anderen verbindet („Ich saß im Auto wie eine schlecht gestochenes Piercing, das über kurz oder lang aus dieser fröhlichen Gemeinschaft herauseitern würde.“). Auch die Erwachsenenperspektive überzeugt mit ihrer Gefühlssektion auf ganzer Linie („Es war möglich, den Schmerz zu bannen, indem man ihn mit anderen teilte. Es war möglich, zwischen den Menschen unsichtbare Brücken aus Wörtern zu bauen, auf denen die Gefühle von einem zum anderen wandern konnten.“

Und genau das gelingt der Autorin Elisabeth R. Hager ebenfalls mit uns. Sie baut unsichtbare Brücken aus Wörtern, die die Gefühle der Erzählerin zu den Lesern wandern lassen. Sie schafft mit „Fünf Tage im Mai“ ein überaus dichtes, intensives und wortgewaltiges Meisterwerk. Es bezaubert, fasziniert, bestürzt und ergreift. Ihr gelingt das fast Unmögliche – den Leser sowohl intensiv fühlen als auch denken zu lassen – ohne Pause für Unnötiges, Belangloses. Das Geschriebene ist mehr als nur Wort, Metapher, Botschaft. Nichts weniger als wahrhaftes Leben ist es, das aus jeder Wortpore dringt, uns aus jeder Schriftzeile entgegen schlägt und aus jeder Buchseite atmet. „Fünf Tage im Mai“ ist ein durch und durch authentisches, wahrhaftiges Werk. Und es ist nicht etwa so, dass wir die Gedanken- und Gefühlswelt der Erzählerin lediglich nachempfinden – nein, unser Leseerlebnis steht ihrem Erleben an Intensität in nichts nach. Und ist es nicht genau das, was große Literatur ausmacht? „Fünf Tage im Mai“ ist wahrlich ein großes Werk, das Veränderung initiiert.

„Von allem, was danach geschah, kenne ich nur meinen Teil der Geschichte, aber das ist im Leben ja immer so.“

Veröffentlicht am 15.04.2019

Still und unaufgeregt

Siebzehnter Sommer
0

Angeline lebt in einer kleinen Stadt in Wisconsin. Sie ist siebzehn und hat gerade die High School abgeschlossen. Nach dem Sommer wird sie aufs College in Chicago gehen. Ihr siebzehnter Sommer wird ihr ...

Angeline lebt in einer kleinen Stadt in Wisconsin. Sie ist siebzehn und hat gerade die High School abgeschlossen. Nach dem Sommer wird sie aufs College in Chicago gehen. Ihr siebzehnter Sommer wird ihr aber auf ewig in Erinnerung bleiben, denn sie erlebt in dieser Zeit die zarten Gefühle der ersten Liebe.

Das Buchcover ist sehr schlicht gehalten, es beschränkt sich auf das Wesentliche: Das Mädchen, das uns Leser an ihrem Innenleben teilnehmen lässt. Angie schaut uns an, mit ihrem sanften und verträumten Blick und wir wissen, dass sie Jack ansieht und wir schlüpfen nahtlos in diesen Jungen hinein und sehen sie mit seinen Augen.

Aus Interesse habe ich mir die amerikanischen Ausgaben des Romans angesehen und ich finde es verblüffend wie jedes Cover die Zeit der Herausgabe widerspiegelt. Die deutsche Auflage ist eine perfekte Gratwanderung zwischen modern (minimalistisch!) und nostalgisch, so dass das Buch direkt ins Auge springt und zum Lesen animiert.

Maureen Daly lässt uns auf bezaubernd ehrliche Weise an ihrem Leben teilnehmen. An ihren alltäglichen Arbeiten, ihren Gesprächen mit den Familienmitgliedern und der Zeit, die sie mit Jack verbringt. Mit einer genauen Beobachtungsgabe gesegnet, schildert sie die Natur, die einen großen Einfluss auf ihre Gefühle hat und sie zu Reflexionen inspiriert, die den Leser unwillkürlich bezaubern.

Die zarten und unschuldigen Gefühle, die sie für Jack entwickelt, lassen jede Leserin an ihre eigene erste große Liebe zurückdenken.

Als großer Fan amerikanischer Filme aus den dreißiger, vierziger und fünfziger Jahren, habe ich geradezu wie ein Schwamm alles aufgesogen, was ich an Informationen über diese Zeit mit Hilfe des Romans in Erfahrung bringen konnte. Wie die Familie lebt und ihre Zeit verbringt, welche Art von Zeitvertreib der Jugend im Speziellen und der Familie im Ganzen zur Verfügung steht – und ich muss sagen, es liest sich alles wie einer jener heiteren, idyllisch-schönen Filme über das amerikanische Familienleben: Die Parade des vierten Juli, die kleinen Lokale mit den Musikboxen, Bootsfahrten auf dem See, Picknicken mit der ganzen Familie, die Mutter, die im Garten selbst Angebautes einmacht, der Vater, der jeden Sonntag seinen Wagen blitzblank putzt und der alljährliche Jahrmarkt, der den Höhepunkt des Jahres markiert.

Unaufgeregt, psychologisch stimmig und heiter – ein wunderbares Buch, um in eine Welt einzutauchen, in der alles so ist, wie es sein sollte. Liebe- und respektvoll, nachdenklich und reflektiert, versonnen und verträumt. Ein wahres Wohlfühlbuch für geruhsame, müßige Stunden!

Veröffentlicht am 22.03.2019

Sag dem Abenteuer, du hättest mich mitgenommen

Sag dem Abenteuer, ich komme
0

„Ich reise, weil ich Lust darauf habe. Weil ich mich als Reisende lebendig fühle.“

Eines schönen Tages lässt Lea Rieck alles stehen und bricht zu dem Abenteuer ihres Lebens auf – einer Weltumrundung auf ...

„Ich reise, weil ich Lust darauf habe. Weil ich mich als Reisende lebendig fühle.“

Eines schönen Tages lässt Lea Rieck alles stehen und bricht zu dem Abenteuer ihres Lebens auf – einer Weltumrundung auf dem Motorrad! Und wir, die Leser, dürfen sie auf ihrer abenteuerlichen Reise begleiten. „Das Alleinreisen gibt jedem von uns die Chance, zu sein, wer immer wir sein wollen. Es gibt keine Erwartungen.“

Die Autorin erzählt uns über die Orte, die sie bereist und die sie prägen. Eindringlich beschreibt sie ihre Naturerlebnisse und zeigt uns deutlich wie sehr die Begegnungen auf einer solchen Reise einen Menschen verändern. „Wie kann ich den zu Hause Gebliebenen erklären, dass mein Leben nicht mehr so ist, wie es einmal war, weil ich inzwischen unzählige verschiedene Leben gelebt und wieder aufgegeben habe? Wie kann ich ihnen begreiflich machen, dass all diese Leben so anders waren als das Leben, das ich zuvor mit ihnen zu Hause geteilt habe? Wie kann ich den Schmerz beschreiben, wenn eines dieser Leben plötzlich zu Ende geht?“

Als reines Reiseabenteuerbuch kann man „Sag dem Abenteuer, ich komme“ nicht bezeichnen, es ist so viel mehr als das – es ist nachdenklich und hinterfragend. Lea Rieck lässt uns ganz offen an ihren Erlebnissen und Gedanken teilnehmen, so dass wir nicht nur Zeugen ihres Mutes, ihrer Abenteuerlust und ihres Unternehmergeistes werden, sondern auch ihrer Ängste, ihrer Tränen und ihrer täglichen Zweifel. „Ich weine um alles, was mich berührt. Ich weine um jeden Menschen, den ich zurückgelassen habe, um die guten und um die verlorenen Seelen. Ich weine, weil ich Schönheit nicht konservieren kann und weil ich Schönheit sehen durfte. Ich weine um die Länder, die mich fasziniert haben und in denen ich gerade nicht bin. Ich weine um die Orte, die mich schockiert haben und wo ich niemandem helfen konnte. Ich weine um alles, was ich niemals weitergeben kann. Ich weine um die Vergangenheit und weine um die Zukunft, ich weine um die Ungerechtigkeit der Welt und ihre Güte. Dann weine ich um alle Momente des Glücks. Davon habe ich in den letzten Monaten so viele gesammelt, dass ich sehr lange weinen muss.“

Es sind bewegende Momente, die sie schildert, berührende und kontemplative. Besonders lebhaft sind die vielen bereichernden Gespräche, die sie mit den Menschen führt, denen sie auf ihrem Weg begegnet. Da ist die einsame Familie in Pakistan, der weise Sikh in Indien oder die Frau in Nepal, die nichts besitzt und mit Lea trotzdem ihr letztes Geld teilen möchte. Wer nicht ganz vorurteilsfrei gegenüber einigen Kulturen oder Ländern gewesen ist, der ist es nach der Lektüre von Riecks Sachbuch bestimmt!

Am Ende hat Lea nicht nur die Welt besser kennen und verstehen gelernt, sondern auch sich selbst. „Bin ich plötzlich dieser Mensch geworden, der ich immer sein wollte? Jemand, der fällt, wieder aufsteht und weitermacht, ohne dazwischen an sich selbst zu zweifeln?“

Viele geniale Fotos der Autorin werten das Buch zusätzlich auf. Am Ende findet sich auch eine Liste mit Tipps für eine gelungene Weltreise – alle dringendsten Fragen von A bis Z werden abgedeckt.

Fazit: Ein in doppelter Hinsicht mutiges Buch! Unbedingt lesen!

Veröffentlicht am 13.03.2019

Ein psychologisch tiefgründiger Roman

Worauf wir hoffen
0

„Wie kann man wissen, welche Momente einen Menschen prägen?“

Die junge Fatima Farheen Mirza zeichnet ein tiefschürfendes, detailliertes, psychologisch stimmiges Bild einer indischen Familie muslimischen ...

„Wie kann man wissen, welche Momente einen Menschen prägen?“

Die junge Fatima Farheen Mirza zeichnet ein tiefschürfendes, detailliertes, psychologisch stimmiges Bild einer indischen Familie muslimischen Glaubens, die in Kalifornien lebt. Sie befasst sich eingehend mit dem Thema Familie, wie die Bindungen zwischen den Familienmitgliedern untereinander sind und was die Familie als Ganzes ausmacht. Auch der Glaube und die muslimische Tradition spielen eine große Rolle – für die einzelnen Figuren in unterschiedlicher Gewichtung sowie für die Autorin selbst, wie man als Leser deutlich spürt.

Zentrum der psychologischen Betrachtung sind vier Figuren. Da sind die Eltern, Rafik und Laila, sowie ihre Kinder Hadia, Huda und Amar. Während Huda eine eher schemenhafte Figur bleibt, da sie vor allem eine romanstrukturimmanete Funktion hat, tauchen wir tief in die Innensicht Lailas, Hadias und Amars ein. So kommt in den ersten drei Teilen des Romans der personale Erzähler abwechselnd aus der Sicht Lailas, Hadias und Amars zum Einsatz. Die Geschichte beginnt mit Hadias Hochzeit und im dritten Teil geht die Zeremonie dort weiter, wo sie im ersten Teil erzählerisch abgebrochen wird. Die Beschreibung der Hochzeit bildet somit einen Rahmen. Den Teil dazwischen füllen scheinbar bunt zusammengewürfelte, nicht chronologische Momentaufnahmen aus dem Leben Amars, Hadias und Lailas, die in irgendeiner Weise bedeutsam sind. Diese Szenen vereinen auf eine ganz besondere Art psychologischen Tiefgang und symbolische Aussagekraft.

Die Autorin geht in ihrer Erzählstrategie sehr geschickt vor, indem der Vater im Dunkeln bleibt. Dabei dreht sich so vieles um ihn. Der Leser erfährt sein Handeln und seine Wirkung nur durch die Augen der anderen. Während seine Töchter Musterschülerinnen und empfänglich für den Glauben der Eltern sind, ist Amar ein Problemkind – er ist schlecht in der Schule und missachtet die Anweisungen seines Vaters. Seine zentrale Charaktereigenschaft ist jedoch seine große Empfindsamkeit, mit der Rafik nichts anzufangen weiß. Die Kluft zwischen ihnen wird immer größer und schließlich kommt es zu dem endgültigen Bruch. Dabei war es niemals sein Vater, der Amars Vertrauen missbrauchte und – mit zum Teil guten Absichten, ja – wider ihn gehandelt hat, nein, es waren Laila und Hadia. Doch deren Loyalität hat Amar nie in Frage gestellt. Im letzten Teil des Romans kommt nur noch er, der Vater, als Ich-Erzähler zu Wort und spricht dabei seinen Sohn, Amar, direkt an. So wird der Kreis geschlossen, und alles, was für den Leser bisher nicht begreifbar gewesen ist, wird ersichtlich.

Es gibt so viele Stellen in dem Roman, an denen man innehalten muss oder so stark berührt ist, dass man nur mit Mühe die Tränen zurückhalten kann. Das unendlich Tragische an der Geschichte ist, dass es trotz so großer Liebe in der Familie zu Missverständnissen, Verletzungen und einem Bruch kommen musste. Und es wird deutlich, dass der Grund, warum Amar gegangen ist, ein anderer war, als der Vater die ganze Zeit über geglaubt hat. »Sag ihm: Komm zurück, wir werden einen Weg finden. [...] Ich habe die falschen Worte gewählt. Ich habe falsch gehandelt. Ich werde warten, bis du bereit bist. Ich werde immer auf dich warten.«

Zurecht wird Mirzas Werk „Worauf wir hoffen“ für seine Reife gelobt. Die Autorin schreibt mit einer Weisheit weit jenseits ihres jungen Alters. Es ist genau, wie Sarah Jessica Parker gesagt hat: „Ich verspreche jedem: Wenn er dieses Buch am Ende zuschlägt, wird er ein anderer sein.“