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Veröffentlicht am 07.06.2019

Not in Scotland anymore...

Alba - Zwischen den Welten
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Eigentlich wollte die Journalistin Catriona Keith nur einen Recherchetrip nach Schottland unternehmen, um über die politische Situation dort zu berichten. Eines Abends begegnet sie im Pub einem mysteriösen ...

Eigentlich wollte die Journalistin Catriona Keith nur einen Recherchetrip nach Schottland unternehmen, um über die politische Situation dort zu berichten. Eines Abends begegnet sie im Pub einem mysteriösen Fremden, den sie zwar anziehend findet, der aber gleichzeitig alle ihre Alarmglocken klingeln lässt. Wie recht ihr Gefühl behalten soll, merkt sie nur wenig später, als sie auf dem Heimweg verfolgt wird. Auf ihrer Flucht verliert sie die Orientierung, fällt in einen Tümpel und als sie wieder auftaucht ist sie nicht mehr in Schottland. Zumindest nicht im Schottland der Menschen. Alba, wie das Land auf der anderen Seite des Tümpels heißt, ist das Reich der Feen. Und der mysteriöse Unbekannte ist niemand geringeres als ein Elfenkrieger, der Catriona eigentlich töten sollte. Bald wird jedoch deutlich, dass der Elfenkrieger wohl eher ein kleineres Problem darstellt.

Schottland und Reisen in andere Welten – ja, das klingt ein bisschen nach Outlander. Allerdings reist Protagonistin Catriona nicht in die Vergangenheit, sondern ins Feenreich und muss dabei schnell feststellen, dass Feen weder klein sind, noch gerne so genannt werden. Mit viel Liebe zur keltischen Mythenwelt, zum Gälischen und Schottischen, erzählt Carina Schnell in “Alba - Zwischen den Welten” eine differenzierte und vielschichtige Geschichte. Sowohl Catrionas Sichtweise als auch die der Feen, die sich selbst als sìthichean bezeichnen, fließen dabei in die Handlung ein, was dazu führt, dass man beide Seiten verstehen kann. Und irgendwie wurde ich beim Lesen das Gefühl nicht los, dass da auch einiges an Potential für Gesellschaftskritik drin steckt.

Der Feenkrieger Carrick ist alleine schon durch die Beschreibung „mysteriöser Unbekannter“ wie geschaffen für einen Love-Interest. Die gegenseitige Anziehung zwischen ihm und Protagonistin Catriona ist zwar ständiger Begleiter des Haupthandlungsstrangs, allerdings gerät dieser nie aus dem Blick oder droht zu Gunsten der Liebesgeschichte in den Hintergrund zu rücken. Ein wenig widersprüchlich dagegen wirkte auf mich die Beziehung von Catriona zu ihrem Verlobten Ben, wobei ich am Ende das Gefühl hatte, dass sie ihn zu ihrem Realitätsanker macht. Denn einerseits möchte sie ihn nicht heiraten, andererseits plant sie zu ihm zurückzukehren. Allerdings gibt das offene Ende der Geschichte noch einmal eine ganz andere Wendung und nimmt ihr somit eine mögliche Vorhersehbarkeit.

Veröffentlicht am 17.04.2019

Wenn du nur lange genug in den Abgrund schaust…

Das Leuchten am Rande des Abgrunds
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…schaut der Abgrund irgendwann zurück.Sam wurde von seiner Freundin und seiner Ersatzfamilie verlassen und als wäre das nicht schon schlimm genung, erfährt er von einer Katastrophe, die unzählige Menschen ...

…schaut der Abgrund irgendwann zurück.Sam wurde von seiner Freundin und seiner Ersatzfamilie verlassen und als wäre das nicht schon schlimm genung, erfährt er von einer Katastrophe, die unzählige Menschen das Leben kosten könnte. Während er einen Plan entwickelt, um die Katatstrophe aufzuhalten, wird er mit seiner Vergangenheit konfrontiert und muss feststellen, dass vieles, dass er für wahr gehalten hat, nicht der Wahrheit entspricht.Parallel dazu kümmert er sich um eine mysteriöse junge Frau, der er das Leben gerettet hat und die an einer seltsamen Krankheit zu leiden scheint. Alexis liebt alte Geschichten und scheint über eine Art kollektives Bewusstsein zu verfügen. Je mehr Sam über sie erfährt, desto erstaunlicher erscheint sie ihm und Sam wird immer bewusster, dass er womöglich nicht einmal sich selbst trauen kann.

Wenn man der Schöpfungsgeschichte glaubt, dann wurde die Welt in sieben Tagen erschaffen. Beziehungsweise in sechs Tagen und einem Sonntag. In „Das Leuchten am Rande des Abgrunds“ kehrt Autorin Stella Delaney dieses Prinzip um. Protagonist Sam erfährt ganz zu Anfang, dass er nur sieben Tage Zeit hat, um eine Katastrophe zu verhindern, die das Ende der Welt bedeuten könnte. Die Umkehrung der Schöpfungsgeschichte wenn man so will. Darüber hinaus finden sich im Text immer wieder Anklänge von Hans Christian Andersens Kunstmärchen „Die kleine Meerjungfrau“ und „Frankenstein“ von Mary Shelley. Dier Kernaussagen der beiden Geschichten spielen im Laufe der Handlungsentwicklung eine nicht ganz unwichtige Rolle.

Stella Delaney verdeutlicht in ihrem dystopischen Roman, wie wichtig Hoffnung für den Mensch als Individuum ist. Der Titel „Das Leuchten am Rande des Abgrunds“ beschreibt treffend das Gefühl einer falschen Hoffnung, an die man sich dennoch klammert. Neben dem Thema Hoffnung wird in der Geschichte aber auch immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig es ist Macht und Forschung nicht zu missbrauchen. Ein eindringlicher Roman, der sich auf einer schmalen Linie zwischen Dystopie und Science-Fiction bewegt und immer wieder die Frage nach Ethik und Moral stellt.

Veröffentlicht am 05.04.2019

Für ein selbstbestimmtes Leben

Cainstorm Island – Der Gejagte
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Der siebzehnjährige Emilio lebt auf Cainstorm Island. Einer überbevölkerten, von Armut geprägten Insel, in der Hand von Gangs. Auf der anderen Seite des Meeres befindet sich das Festland: Asaria ist das ...

Der siebzehnjährige Emilio lebt auf Cainstorm Island. Einer überbevölkerten, von Armut geprägten Insel, in der Hand von Gangs. Auf der anderen Seite des Meeres befindet sich das Festland: Asaria ist das genaue Gegenteil. Reich, technologisch ganz weit vorn und in der Hand des Unternehmens Eyevision. Der Name ist Programm, wer bei Eyevision mitmacht, bekommt einen Chip in den Kopf implantiert und sendet jeden Tag eine halbe Stunde lang, die Welt durch seine Augen. Emilio trägt so einen Chip, seine waghalsigen Kletteraktionen kommen beim asarianischen Publikum an, bis er in Notwehr ein Gangmitglied tötet. Von da an ist er nicht nur vor der Gang auf der Flucht, denn Eyevision hat keine Skrupel alles für Zuschauerzahlen zu tun.
Stellenweise merkt man es „Cainstorm Island – Der Gejagte“ an, dass Autorin Marie Golien als Spieleentwicklerin arbeitet. Die rasante Handlung erinnert teilweise an Jump’n’Run Sequenzen aus Action-Adventurespielen. Dazu passend ist das Erzähltempo entsprechend hoch und lässt dem Leser kaum Atempause, nichtsdestotrotz bleibt genug Zeit für die Beschreibung von Emilios Welt und Charakterentwicklungen. Die Handlung ist leicht verständlich und nachvollziehbar, allerdings liegt der Fokus eindeutig auf den Figuren und der Botschaft des Inhalts.
Marie Golien beschreibt in „Cainstorm Island – Der Gejagte“ eine dystopische Welt, in der die negativen Effekte technischer Möglichkeiten und Sensationslust sehr deutlich werden. Zwar ist es in unserer Welt (bisher noch) nicht möglich, Chips in Köpfe zu verpflanzen, die Schaulust ist bei vielen aber durchaus vorhanden und manchmal geht vielleicht auch die Einschätzung, ob etwas real oder gestellt ist, verloren. Insofern greift die Geschichte ein wichtiges Thema auf. Auch wenn die Handlung in einer fiktiven Welt spielt, lassen sich die im Roman beschriebenen technischen Möglichkeiten problemlos in unsere Welt übertragen und regen dadurch gründlich zum Nachdenken an.

Veröffentlicht am 01.04.2019

Brüchige Welt(en)

Die Spiegelreisende 1 - Die Verlobten des Winters
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Eigentlich wäre Ophelia manchmal ganz gerne unsichtbar. Die zurückhaltende und etwas schüchterne junge Frau macht sich nichts aus Mode, versteckt sich gern hinter ihrer Brille und einem Schal, der, nun ...

Eigentlich wäre Ophelia manchmal ganz gerne unsichtbar. Die zurückhaltende und etwas schüchterne junge Frau macht sich nichts aus Mode, versteckt sich gern hinter ihrer Brille und einem Schal, der, nun ja, etwas besonders ist und ein gewisses Eigenleben führt. Allerdings passt er damit gut zu seiner Besitzerin. Auch Ophelia hat besondere Fähigkeiten. Sie kann Gegenstände lesen und durch Spiegel reisen. Auf ihrer Heimatarche Anima führt sie das Familienarchiv, bis man ihr verkündet, dass man sie mit einem jungen Adligen namens Thorn verlobt hat. Der lebt auf der eisigen Arche des Pols, was auch bald Ophelias Heimat sein soll. Ganz abgesehen davon, dass weder Ophelia noch Thorn in Anbetracht der Verlobung in Beifallsstürme ausbrechen, scheinen aber auch noch andere etwas gegen die Ehe zu haben.

In ihrem ersten Band „Die Verlobten des Winters“ der Reihe über die „Die Spiegelreisende“ führt Christelle Dabos sehr geschickt in die Handlung ein. Ophelia ist nicht nur Protagonistin, sondern auch Sympathieträgerin der Handlung und gemeinsam mit ihr kommt man nach und nach hinter die Motive der verschiedenen Hofintrigen am Pol. Dabei macht es die Autorin ihrem Hauptcharakter keinesfalls leicht, sondern erschafft eine Welt, die Ophelia immer wieder vor Probleme stellt, sie mit Rückschlägen konfrontiert und himmelschreienden Ungerechtigkeiten aussetzt. Die Geschichte besticht dabei vor allem durch ihr Konfliktpotenzial. Nicht nur die Archen sind Scherben einer zerbrochenen Welt, auch die Gesellschaft wirkt brüchig. Um zivilisierte Umgangsformen ist, zumindest gegenüber Ophelia, kaum jemand bemüht.

Dadurch, dass die Geschichte personal aus der Sicht von Ophelia erzählt wird, ergreift man als Leser automatisch Partei für sie, auch, weil einem die Handlungsmotive der anderen Charaktere fremd bleiben. Das macht die Geschichte jedoch nicht einseitig. In der Interaktion der Figuren untereinander ergeben sich immer wieder neue Handlungsdynamiken, wodurch die anderen Charaktere miteinbezogen werden. Hinzu kommt Christelle Dabos‘ Schreibstil, der einen vollkommen in die Geschichte eintauchen lässt und den Leser in die Welt der Archen entführt.

Veröffentlicht am 14.03.2019

Reise zu sich selbst

Der Atlas der besonderen Kinder
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Eines vorweg: Jacob Portman ist nicht verrückt, sondern nur besonders. Auch, wenn es seinen Eltern schwerfällt, das einzusehen und sie ihn eine psychiatrische Anstalt bringen wollen. Daraus wird allerdings ...

Eines vorweg: Jacob Portman ist nicht verrückt, sondern nur besonders. Auch, wenn es seinen Eltern schwerfällt, das einzusehen und sie ihn eine psychiatrische Anstalt bringen wollen. Daraus wird allerdings nichts, weil Miss Peregrine und die anderen besonderen Kinder plötzlich bei Jacob auftauchen. Erst einmal davor sicher in eine Psychiatrie gebracht zu werden, hilft Jacob seinen Freunden nicht nur sich in der heutigen, modernen Welt zurechtzufinden, sondern begibt sich auf Spurensuche, um hinter die Geheimnisse seines Großvaters zu kommen. Diese Suche führt ihn auf einen Roadtrip durch Amerika bei dem er schnell feststellen muss, dass nicht nur andere Länder andere Sitten haben, sondern auch andere Zeiten.

Nachdem in den bisherigen Bänden der Fokus eher auf der Vergangenheit lag, spielt „Der Atlas der besonderen Kinder“ zu großen Teilen in der Gegenwart. Hauptcharakter Jacob hat ein sehr persönliches Handlungsmotiv: Die Geheimnisse seines Großvaters zu entschlüsseln, um herauszufinden, wer Abe Portman eigentlich wirklich war. Der Roadtrip auf den Spuren des Großvaters wird für Jacob aber auch zu einer Reise zu sich selbst und man hat den Eindruck, dass er am Ende der Geschichte ein ganzes Stück erwachsener und verantwortungsbewusster geworden ist.

Ransom Riggs schafft auch hier wieder sehr facettenreiche und differenzierte Charaktere. Zu den bereits Bekannten kommen neue hinzu, die wiederum sehr individuell agieren. Stilistisch bleibt er sich treu, sodass der vierte Band, obwohl er Beginn einer neuen Trilogie ist, nahtlos an die anderen anknüpft. Die Erzählstränge werden logisch miteinander verknüpft und auch, wenn die Reise im Mittelpunkt steht, bleibt immer noch genug Raum für Interaktionen der Freunde untereinander und neue Bekanntschaften mit anderen Besonderen. Zwischendurch hat die Geschichte allerdings ein paar Längen, was vermutlich auch dem Roadtrip selbst geschuldet ist. Auf langen Autofahrten kann man auch schon mal im Stau stehen. In der Summe ist der Auftakt zur neuen Trilogie aber sehr gelungen und schürt definitiv die Erwartungen auf die Folgebände.