Leise Töne
Papaverweg 6Es sind die leisen Töne, die Margarita Kinstner in ihrem Buch „Papaverweg 6“ anschlägt. Das Leben geht seinen Gang in dem Mehrfamilienhaus in Wien, das im Papaverweg 6 gelegen ist. Papaver heißt nichts ...
Es sind die leisen Töne, die Margarita Kinstner in ihrem Buch „Papaverweg 6“ anschlägt. Das Leben geht seinen Gang in dem Mehrfamilienhaus in Wien, das im Papaverweg 6 gelegen ist. Papaver heißt nichts anderes als Mohn, und so steht der Papaverweg für einen vergleichsweise ruhigen Wohnort.
Zehn Wohnungen gibt es in diesem Haus, deren Bewohner man nach und nach kennenlernt. Ganz unterschiedliche Menschen wohnen in dem Haus: von der alleinerziehenden Mutter bis zur Weltreisenden, vom Sozialarbeiter bis zur Öko-Aktivistin. Und gegenüber wohnt Oskar. Oskar, der Alte, der am Fenster sitzt, hinüberschaut und beobachtet, was sich alles in dem Haus abspielt. Oskar, der Alte, der ein Buch führt mit den Namen der Mieter. Vielleicht weil er neugierig ist, vielleicht, weil er sich um seine Mitmenschen Gedanken macht, vielleicht, weil er vergesslich geworden ist.
Oskar ist die heimliche Hauptfigur des Romans. Nicht nur, dass sein Blick aus dem Küchenfenster immer wieder das Haus mit all seinen Bewohnern ins Zentrum rückt, auch sein Leben wird immer mehr entfaltet. Der schmerzliche Tod seiner Frau, die beginnende Demenz und ein Geheimnis, das in der Erde ruht – all das breitet Margarita Kinstner mit ihrem liebevollen Blick auf den Menschen aus.
Es ist nicht der voyeuristische Blick zum Nachbarn, der Thema ist. Dazu passiert im Papaverweg viel zu wenig, als dass das interessant sein könnte. Es ist der Alltag all dieser unterschiedlicher Menschen, den man als Leser irgendwann nicht mehr vermissen möchte. Gerade auch, weil jeden etwas ganz anderes umtreibt.
Margarita Kinstner erzählt unaufgeregt, langsam, präzise. Das ist es, was mir an dem Buch so gut gefallen hat.