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Veröffentlicht am 01.06.2019

Herzerfrischend freche und humorvolle Lektüre, die sich einem ersten Thema dennoch empathisch nähert

Für jede Lösung ein Problem
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Gerri ist 30 Jahre alt, wohnt in einer Einzimmerwohnung und schreibt im Akkord Groschenromane, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Von ihrer Familie wird sie nicht als Autorin anerkannt und gilt als ...

Gerri ist 30 Jahre alt, wohnt in einer Einzimmerwohnung und schreibt im Akkord Groschenromane, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Von ihrer Familie wird sie nicht als Autorin anerkannt und gilt als kinderloser Single als schwarzes Schaf. All ihre Freunde und Bekannten sind inzwischen verheiratet und/ oder haben Kinder, weshalb sich Gerri auch in diesem Kreis außen vor fühlt.
Als der Verlag, für den sie arbeitet, mit einem anderen fusioniert und ihre romantischen Arztromane eingestellt werden, ist die mittels Google-Selbstanalyse neurotisch-depressive Gerri am Ende und beschließt, sich umzubringen. Als Sternzeichen Jungfrau plant sie ihren Selbstmord akribisch, schreibt Abschiedsbriefe, mistet ihre Wohnung aus, reserviert sich ein Hotelzimmer und deckt sich mit den aussortierten Schlaftabletten ihrer Mutter ein. Neu eingekleidet und frisch vom Friseur möchte Gerri in dem Luxushotel einen würdigen Abschied zelebrieren, doch der Abend verläuft ganz und gar unerwartet, als sie mit den Eheproblemen eines befreundeten Paares konfrontiert wird. Am nächsten Morgen ist Gerri immer noch am Leben und kann nicht verhindern, dass ihre Abschiedsbriefe, in denen sie kein Blatt vor den Mund genommen hat, an die Empfänger geraten. Um die Wogen zu glätten, ist Gerri abgelenkt von ihrer Depression und auch ihr Berufs- und Liebesleben entwickelt sich plötzlich in eine ganz andere Richtung.

Der Roman handelt mit dem verzweifelten Suizid von einem ernsten und traurigen Problem, ist aber herzerfrischend frech und humorvoll, gleichzeitig aber empathisch genug geschrieben, um das Thema nicht ins Lächerliche zu ziehen. Gerri ist eine sympathische, unabhängige junge Frau, bei der aber auf einmal alles im Leben schief läuft, sie sich daraufhin so in eine Depression hineinsteigert, dass sie keinen anderen Ausweg mehr sieht, als ihrem Leben ein Ende zu setzen. Auch wenn man als Leser die Gründe für den Selbstmord nicht weiter hinterfragen sollte, da sie objektiv betrachtet etwas fadenscheinig sind, ist die Geschichte wunderbar witzig und (selbst-)ironisch erzählt. Herrlich amüsant sind die Abschiedsbriefe zu lesen, die den Kapiteln vorangestellt sind und mit denen Gerri schonungslos ehrlich mit Freunden, Bekannten und Verwandten abrechnet.

"Für jede Lösung ein Problem" ist eine lebendige Unterhaltungslektüre, die sich einem ernsten Thema auf humorvolle Art und Weise widmet. Sie zeigt, was passiert, wenn einer verunsicherten Frau die Probleme des Alltags über den Kopf wachsen und wie wichtig es dann ist, Halt bei Freunden und der Familie zu finden.

Veröffentlicht am 22.05.2019

Perfekte Mischung aus herzzerreißend tragischen und witzigen Momenten. Hoffnungsvoller und Mut machender Roman.

Hinter den Wolken die Sterne
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Hobbypilot Chip überredet seine Freundin Margaret zu einem Flug in einer kleinen Cessna, um ihr ganz romantisch über den Wolken einen Heiratsantrag zu machen. Margaret willigt selbstverständlich ein und ...

Hobbypilot Chip überredet seine Freundin Margaret zu einem Flug in einer kleinen Cessna, um ihr ganz romantisch über den Wolken einen Heiratsantrag zu machen. Margaret willigt selbstverständlich ein und freut sich auf die gemeinsame Zukunft mit ihrem Verlobten. Doch durch ein Gewitter geraten sie in Turbulenzen und das Flugzeug stürzt ab. Während Chip unverletzt bleibt, landet Margaret schwer verletzt im Krankenhaus und muss sich mühevoll in ihr Leben zurückkämpfen.
Auch nach dem sechswöchigen Klinikaufenthalt und der Physiotherapie durch den mürrischen Pfleger Ian, ist gezeichnet, findet sich nur langsam mit ihrem Schicksal ab und setzt sich Ziele für ein neues, ganz anderes Leben - frei nach dem Motto "Wenn du dir selbst nicht helfen kannst, dann hilf anderen".

"Hinter den Wolken die Sterne" ist ein warmherziger, authentischer und sehr unterhaltsamer Roman über eine junge Frau, deren Leben durch einen Unfall aus den Fugen gerät und realisieren muss, dass dieses auch nie wieder so wird wie es vorher war.
Margaret ist eine Protagonisten, die mit ihrer offenen und ehrlichen Art wie selbstverständlich Sympathien weckt und in deren Situation sich der Leser ohne Weiteres hineinversetzen kann. Man spürt ihre Verzweiflung, ihre Wut und ihren Selbsthass und wünscht ihr den Mut und die Kraft, zu kämpfen und neu anzufangen. Aber auch die anderen Charaktere wie ihre unkonventionelle ältere Schwester, ihre kämpferische, aber auch unbeholfene Mutter, der verschlossene Physiotherapeut Ian oder der resignierte Chip sind vielschichtig mit Ecken und Kanten gezeichnet, wirken einfach menschlich und lebendig.

Nach dem Unfall spielt sich die Handlung über lange Teile im Krankenhaus ab, ist damit aber keineswegs eintönig, sondern schildert Margarets Klinkalltag sehr unterhaltsam und alle Höhen und Tiefen ihres körperlichen und mentalen Befindens ungeschönt und lebensnah.
Das Buch bietet die perfekte Mischung aus herzzerreißend tragischen und absolut witzigen Momenten, bewegt durch Margarets Krankheitsgeschichte und bekommt durch ein überraschendes Familiengeheimnis noch eine weiteren interessanten Handlungsstrang.
Es ist ein hoffnungsvoller, Mut machender Roman mit überzeugenden, liebevoll gezeichneten Charakteren und einer wunderschön romantischen Liebesgeschichte, die dem Leser das Herz zerreißt. Das Buch ist durchgängig abwechslungsreich und charmant geschrieben, dass ich gar nicht wollte, dass die Geschichte zu Ende geht.

Veröffentlicht am 09.05.2019

Atmosphärisches Familiendrama und spannendes Porträt über eine außergewöhnliche Frau und ihrer Leidenschaft für die Freiheit und das Meer

Martha und das Meer
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Im Alter von zehn Jahren fällt Martha Roberts im Juni 1947 unabsichtlich beim Angeln mit ihrem Vater ins Meer, lernt ab dem nächsten Tag das Schwimmen und fühlt sich seit ihrem ersten Kontakt mit dem Ärmelkanal ...

Im Alter von zehn Jahren fällt Martha Roberts im Juni 1947 unabsichtlich beim Angeln mit ihrem Vater ins Meer, lernt ab dem nächsten Tag das Schwimmen und fühlt sich seit ihrem ersten Kontakt mit dem Ärmelkanal magisch von der See angezogen.
In den 1950er-Jahren heiratet sie John, der ihre Liebe zum Meer toleriert, aber aufgrund ihrer Verpflichtungen als Hausfrau und Mutter wird Martha über zehn Jahre nicht mehr die Möglichkeit haben, zu schwimmen.
Die Sehnsucht nach dem Meer ist jedoch immer vorhanden und scheinbar größer als die Liebe zu John oder ihren Kindern Harriet und Iain, weshalb sie auch die Ehe zu John riskiert, um sich die Freiheit des Schwimmens zu nehmen.

Im Verlauf ihres Lebens wird sie den Ärmelkanal zwischen Dover und Calais daraufhin zehnmal durchschwimmen. Das Meer ist eine Rettung für Martha, eine Flucht vor lästigen Ehepflichten, dem Haushalt und er Verantwortung als Mutter. Aber auch als John dement wird und sie selbst an Krebs erkrankt, findet sie durch das Schwimmen Trost.

"Martha und das Meer" ist ein atmosphärisches Familiendrama, das von 1947 bis 2014 handelt und das Leben von Martha, von ihrer Kindheit mit einer dominanten Mutter und einem scheinbar gleichgültigen Vater, über ihre Liebe und Ehe mit John, der sich als engstirniger Patriarch entpuppte, die Beziehung zu ihren Kindern, die an der Intoleranz von John zu zerbrechen drohte, bis hin zu ihrem Tod im Meer, erzählt.
Die Geschichte wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt und ist komplex durch Zeitsprünge und Rückblenden in die Vergangenheit aufgebaut.

Es ist ein authentisches Porträt über eine außergewöhnliche Frau, die sich weder von patriarchalischen Strukturen, noch von gesellschaftlichen Konventionen oder der Unzähmbarkeit der Natur aufhalten ließ. In ihrem persönlichen Kampf für Freiheit, gegen Intoleranz und Krankheit findet sie Halt durch das Meer. Das Meer und das Schwimmen sind mehr als nur eine Leidenschaft. Sie werden zu einer Obsession, die Martha über alles stellt und nicht nur Sympathien für ihren Charakter weckt. Gerade dieses Spannungsverhältnis zu ihren Mitmenschen und ihre unkonventionelle Art zu einer Zeit, in der der Mann als Familienoberhaupt das Sagen hatte, faszinieren und machen den Roman neben der bildhaften Beschreibung der Naturgewalt Meer zu einem Leseerlebnis mit Tiefgang im wortwörtlichen und übertragenen Sinn.

Veröffentlicht am 26.04.2019

Herzerwärmende Geschichte über Familie und Mutterschaft und über den Lebensanfang und das Lebensende

Morgen ist heute schon vorbei
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Hattie fühlt sich ein wenig von ihren Freunden im Stich gelassen. Ihr bester Freund Reuben reist durch Europa, um sich selbst zu finden und ihre beste Freundin Kate befindet sich mit ihrer eifersüchtigen ...

Hattie fühlt sich ein wenig von ihren Freunden im Stich gelassen. Ihr bester Freund Reuben reist durch Europa, um sich selbst zu finden und ihre beste Freundin Kate befindet sich mit ihrer eifersüchtigen Freundin Zoe im Urlaub in Edinburgh.
Hatties Sommer wird aber dennoch alles andere als langweilig. Erst stellt sie fest, dass sie schwanger ist und dann lernt sie ihre Großtante Gloria kennen, die Tante ihres verstorbenen Vaters, von deren Existenz sie bisher nichts wusste.
Gloria hat Alzheimer. Während ihrer Erinnerungen noch relativ klar sind, hat sie Probleme sich in der Gegenwart zu orientieren. Als sie erfährt, dass ihre Großnichte schwanger ist, spürt sie die Parallelen ihrer beider Leben. Hattie und Gloria begeben sich sodann auf einen Roadtrip durch England. Gloria, um ihre Erinnerungen weiterzugeben und Hattie, um zu einer Entscheidung zu finden, ob sie das Baby behalten möchte.

"Morgen ist heute schon vorbei" ist ein Jugendbuch, hat allerdings zwei Erzählstränge, die durchaus für erwachsene Leser interessant sind, zumal Hattie für ihr Alter sehr reif ist.
Sie trifft auf Gloria, die zunächst ablehnend und fast schon bösartig wirkt und sich erst für Hattie interessiert, als sie von deren Schwangerschaft erfährt. Die beiden fahren gemeinsam weg und wandeln in den Erinnerungen Glorias. In Rückblenden erfährt man allmählich was die ältere Dame in den 50er-/ 60er-Jahren durchmachen musste. Ihr fällt es nicht leicht, über ihre Vergangenheit zu sprechen, möchte jedoch auch, dass die Geschehnisse nicht in Vergessenheit geraten.
Für den Leser eröffnen sich Parallelen, was die beiden Frauen miteinander verbindet, was vielmehr ist, als die reine Verwandtschaft. Glorias Erlebnisse in ihrer Jugend sind dramatisch und erschütternd und haben ihren weiteren Lebensweg und auch das Verhältnis zu ihrer Familie geprägt, so dass sich auch für Hattie erschließt, warum sie so lange nichts von diesem Teil der Familie wusste.
Hattie schiebt die Entscheidung das Kind betreffend vor sich her, kann die Tatsache der Schwangerschaft nicht wirklich wahrhaben und hat bisher auch nur Gloria und ihrer besten Freundin Kate ihr Geheimnis anvertraut. Auf dem Roadtrip profitiert sie trotz Glorias geistigen Aussetzer von deren Lebenserfahrung und auch für den Leser sind in dem Roman viele kluge Sätze enthalten, die dem Buch Tiefgang verleihen.

"Viele glauben, mutig zu sein bedeutet, sich vor nichts zu fürchten. Aber das stimmt nicht [...] Wie kann man mutig sein, wenn man sich nicht fürchtet? Sich zu fürchten, aber davon nicht aufhalten zu lassen, dass ist wahrer Mut."

"Lass dich nur nicht von der Angst leiten, etwas falsch zu machen [...] Triff eine aktive Entscheidung, in dem Bewusstsein, was immer du wählst, ist das, was sich zu dieser Zeit richtig anfühlt. Du kannst dir keine Gedanken darüber machen, ob du die Dinge in der Zukunft vielleicht anders sehen wirst. Das weißt du nicht."

Die Coming-of-Age-Geschichte entwickelt sich zwar nur langsam, aber überraschende Wendungen geben dem Roman immer wieder neuen Schwung, so dass bis zum Schluss nicht absehbar ist, wie er letztlich endet.

"Morgen ist heute schon vorbei" ist ein Roman über zwei Frauen unterschiedlicher Generationen, die sich annähern und gegenseitig zu Unterstützern werden. Es ist eine herzerwärmende Geschichte über Familie und Mutterschaft und über den Lebensanfang und das Lebensende.
Durch ein nicht zu perfektes Happy End wird die Geschichte am Ende rund und glaubhaft.

Veröffentlicht am 19.04.2019

Spannender Polit-Thriller mit facettenreichen Charakteren und tagespolitisch aktuellem Thema

Westwall
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Julia Gerloff ist 22 Jahre alt, wohnt in Köln und macht eine Ausbildung zur Kriminalbeamtin. Sie kümmert sich liebevoll um ihren bettlägrigen Vater, der als Aussteiger eine turbulente Vergangenheit hat. ...

Julia Gerloff ist 22 Jahre alt, wohnt in Köln und macht eine Ausbildung zur Kriminalbeamtin. Sie kümmert sich liebevoll um ihren bettlägrigen Vater, der als Aussteiger eine turbulente Vergangenheit hat. Ihre Mutter hat sie nie kennengelernt.
Julia lernt einen jungen Mann kennen, der sich als Nick vorstellt. Nach einer gemeinsamen Nacht entdeckt sie eine entsetzliche Hakenkreuztätowierung, die seinen gesamten Rücken bedeckt und findet heraus, dass er nicht derjenige ist, der er vorgibt zu sein. Weitere Recherchen ergeben, dass er ein breites Vorstrafenregister vorzuweisen hat. Ihr Ausbilder warnt sie, sich weiterhin mit ihm zu treffen und ihr Vater reagiert geradezu panisch, als sie ihm von Nick erzählt.
Es stellt sich heraus, dass Julia nicht zufällig von ihm angesprochen wurde. Die Ereignisse überschlagen sich und als Julia nichts mehr zu verlieren hat, macht sie sich auf die Suche nach der Wahrheit, nicht nur in Bezug auf Nick, sondern auch auf ihre eigene Herkunft.

"Westwall" ist der Titel dieses spannungsgeladenen Romans und bezeichnet die 630 km lange befestigte Westgrenze, die unter Adolf Hitler in den 1930er-Jahren als "Verteidigungsanlage" gebaut wurde. In diesen Wäldern an der Grenze zu Belgien handelt ein Teil des Romans. Dort haust eine Anzahl Jugendlicher, die Anführerin Ira von der Straße geholt hat und deren Perspektivlosigkeit sie ausnutzt, um für den Tag X einen Kampf gegen das System zu entwickeln. Polizei und Verfassungsschutz ermitteln zu dieser Gruppierung, der auch Nick bis vor Kurzem noch angehörte.

Verschiedene Handlungsstränge, die am Anfang etwas undurchsichtig auf den Leser wirken, sind aufwändig konstruiert und laufen raffiniert zusammen. Die Perspektiven wechseln häufig, so dass man von einem Cliffhanger zum nächsten gehetzt wird und unweigerlich weiterlesen muss.

Die Protagonisten sind ohne Ausnahme glaubwürdige, facettenreiche Charaktere. Keiner ist eindimensional nur gut oder böse. Die "Bösen" zeigen ihre menschliche Seite, während die "Guten" auch ihre dunklen Geheimnisse haben.

"Westwall" ist wie der Titel mit Verweis auf den historischen Nationalsozialismus vermuten lässt, ein Polit-Thriller, der sehr zeitgemäß ist und sich mit den Ängsten befasst, die die Menschen aktuell und tagespolitisch bewegen. Er handelt von faschistischem Gedankengut, Verschwörungstheoretikern, von einer Gruppierung am Rande der Gesellschaft, vergleichbar einer extremen Form von Wutbürgern und im Gegensatz dazu nebulöse Behörden, deren Vertretern man nicht unbedingt trauen kann.

Die aufwändige Recherche des Autors erfasst man durch das Detailwissen, das in dem Roman verarbeitet ist. Ich konnte den Thriller kaum aus der Hand legen, habe jeden Handlungsstrang gefesselt verfolgt und dem Ende fasziniert entgegen gefiebert.