Als Alisik auf dem alten städtischen Friedhof erwacht, will sie es zunächst nicht wahrhaben, aber schon bald muss sie sich der furchtbaren Realität stellen: Sie ist tot, eine Postmortale, wie die anderen sagen, gefangen zwischen dieser Welt und dem Jenseits. Noch hat sie keine Erinnerungen an ihr früheres Leben, sie ist allerdings entschlossen herauszufinden, wer sie ist und was ihr zugestoßen ist. Dabei begegnet sie dem blinden Ruben, der ebenfalls auf der Suche nach Antworten und der einzige Mensch ist, der sie wahrnehmen kann. Doch wie soll sie ihm nur erklären, wer oder vielmehr was sie eigentlich ist?
Kritik
Alisik - Herbst ist eine sehr gelungene Graphic Novel und der erste Band des gemeinsamen Projekts von Autor Hubertus Rufledt und Illustrator Helge Vogt. Mangels richtigen Höhepunktes und auf Grund des sehr offenen Endes der Handlung handelt es sich spürbar nur um einen Auftakt, der dafür aber sofort Lust auf mehr macht.
Die Geschichte ist insgesamt eher düster und traurig, denn immerhin ist die Protagonistin Alisik bereits tot und es besteht scheinbar keine Hoffnung darauf, dass jemals wieder das Gegenteil der Fall sein wird. Im Grunde wartet sie nur noch darauf zu erfahren, ob sie von Herrn Todt schließlich ins Licht- oder Schattenreich, also in den Himmel oder in die Hölle, geschickt wird. Da sie zunächst keine Erinnerungen mehr an ihr früheres Leben hat und bisher kaum welche zurückgekehrt sind, ist es umso schwieriger für sie diesbezüglich Spekulationen anzustellen. Ferner ist es mehr als verständlich, dass Alisik anfangs überhaupt nicht wahrhaben will, dass sie nicht mehr am Leben ist und alles für einen grausamen Scherz hält.
Hinzu kommt, dass die Zombies gewissen Regeln unterworfen sind und (eigentlich) die ganze Zeit über auf dem Friedhof bleiben müssen. Für Alisik ist das besonders schwer, selbst nachdem sie sich mit ihrem Schicksal abgefunden hat, weil sie wesentlich jünger als die anderen ist und aus einer völlig anderen Zeit stammt. Es gibt unter ihnen also niemanden, mit dem sie wirklich reden kann.
Das ändert sich jedoch als sie Ruben trifft, der durch einen Unfall sein Augenlicht verloren hat, dafür aber im Gegensatz zu anderen Menschen nun in der Lage ist mit den Postmortalen, die er wegen seiner Blindheit vermutlich für gewöhnliche, wenn auch etwas merkwürdige, Leute hält, zu kommunizieren und sich mit ihnen zu unterhalten. Er kann sie zwar nicht sehen, doch zumindest hören. Von ihm erfährt Alisik, dass der Friedhof bald planiert und anschließend ein Einkaufszentrum darauf errichtet werden soll, was für die Zombies zu einem Problem werden könnte. Durch die kurzen Interludien erhält man als Leser dann noch ein paar mehr Details dazu.
Alisik soll Ruben dabei helfen in das Haus des Mannes einzubrechen, der die Schuld an seinem Unfall trägt und seitdem spurlos verschwunden ist. Es scheint sich dabei um denselben Mann zu handeln, dem das Bauunternehmen gehört, welches für die Planierung des Friedhofs zuständig ist.
Im ersten Band merkt man noch nicht allzu viel davon, aber es ist durchaus denkbar, dass sich zwischen Ruben und Alisik im späteren Verlauf bzw. in den folgenden Bänden eine Liebesgeschichte entwickelt.
Die anderen Postmortalen, die zusammen mit Alisik auf dem Friedhof hausen, sind alle sehr unterschiedlich und zudem ganz individuell gestaltet, wodurch sie sich schon optisch gut voneinander abheben. Darüber hinaus hat jeder von ihnen seinen ganz eigenen, interessanten Charakter. Man findet gern mehr über sie heraus und ist erfreut, wenigstens in Bezug auf eine dieser Figur mehr über deren Vergangenheit zu erfahren und warum sie vielleicht nicht in die Lichtwelt kommt.
Trotz der trostlosen Grundstimmung sind mitunter auch lustige Szenen vorhanden, die einen zum Schmunzeln bringen. Besonders schön ist des Weiteren, dass ein realer, deutscher Ort als Schauplatz für die Geschichte gewählt wurde und man anhand der Skyline, beispielsweise dem Fernsehturm, sofort erkennt, wo diese spielt, nämlich in Berlin. Dadurch entsteht eine viel stärkere Bindung zum Geschehen.
Das Ende erreicht man leider viel zu schnell und es bleiben etliche Fragen offen, die dann hoffentlich in den Fortsetzungen beantwortet werden. Man ist sehr gespannt auf den weiteren Verlauf der Handlung und insbesondere auf Alisiks Erinnerungen. Welche Schuld hat sie womöglich auf sich geladen?
Überdies zeichnen natürlich die liebevollen und sehr detailliert gestalteten Illustrationen die Graphic Novel aus, obgleich sie wohl nicht jeden Geschmack treffen werden. Teilweise sind sie etwas gewöhnungsbedürftig, das betrifft zum Beispiel die deutlich abgegrenzten roten Wangen von Alisik oder Rubens finstere Augen, und auf jeden Fall sehr düster, was wiederum hervorragend zur ebenso düsteren Geschichte passt. Die Atmosphäre wird bildlich also sehr gut eingefangen. Die verschiedenen Zeichnungen schaut man sich somit gern an und kann bei genauerer Betrachtung immer wieder etwas Neues entdecken.
Fazit
Alisik - Herbst ist eine sehr gelungene Graphic Novel, die sich gerade auch für Neulinge des Mediums sehr gut eignet. Die Handlung ist interessant und macht Lust auf mehr, während die düsteren Illustrationen die trostlose Atmosphäre unterstreichen. Nach dem Ende dieses ersten Bandes möchte man auf jeden Fall herausfinden, was genau Alisik zugestoßen ist und wo sie nach ihrem Aufenthalt auf dem Friedhof schließlich landen wird.