Schauplatz dieses eindrucksvollen historischen Romans ist Frankfurt am Main im Jahre 1848. Die Nationalversammlung tagt in der Paulskirche. Soll man die Monarchie abschaffen? Weg mit den alten Zöpfen, weg mit den als Schmarotzern empfundenen Adeligen? Revolution, Aufstand liegt in der Luft.
In diesen unruhigen Zeiten kämpft die Witwe des Buchdruckers Walther Pfaff, Wilhelmine um den Erhalt der Druckerei. Frauen ist es nicht gestattet, eine Firma zu führen. Sie muss sich gegen heiratswillige Gesellen und Konkurrenten wehren und übersieht, dass ein geeigneter Lebens- und Geschäftspartner in unmittelbarer Nähe zu finden ist: Joseph Rütten, der Verleger, der ohnehin heimlich in sie verliebt ist.
Während Wilhelmine sich um ihr finanzielles Auskommen sorgt und kleine und kleinste Aufträge übernimmt, spitzt sich die politische Lage dramatisch zu – es kommt zu Straßenschlachten und ein Delegierter wird ermordet.
"Ist der Fürst erst totgemacht, die Demokratie so richtig lacht" mit solchen Parolen entgleiten die Proteste.
Mitten im revolutionären Chaos befindet sich Wilhelmines beste Freundin Henriette Zobel. Henriette, Gattin eines reichen Verlegers, ist seit Jahren an der Seite der Arbeiterbewegung politisch aktiv. Sie ist schon längst im Fokus der Polizei. Bei der dramatischen Aktion zur Rettung von Henriette kommen sich Joseph und Wilhelmine endlich näher …
Meine Meinung:
Ich kenne einige Bücher, die die dramatischen Ereignisse rund um die Revolution(en) im Jahre 1848 zum Thema haben. Dieser hier ist ausgesprochen gut gelungen. Das Setting rund um den Frankfurter Verlag Rütten & Loening (aus ihm wird später der Aufbau-Verlag), der mit den Einschränkungen durch die Zensur, aber auch mit antisemitischen Anfeindungen kämpft, sowie um die Druckerei der Wilhelmine Pfaff ist perfekt gewählt. In diesem Mikrokosmos rund um Bücher spiegeln sich Verhältnisse Deutschlands bzw. Österreichs wieder. Gedruckt darf nur das werden, was der strengen Zensurbehörde genehm ist, Frauen haben sittsam und möglichst unsichtbar zu sein und dürfen keine Firma leiten. Sozialkritische Töne wechseln sich mit Zweifeln und zarten Frühlingsgefühlen ab.
Die Charaktere sind treffend und authentisch entwickelt. Auf der einen Seite haben wir Wilhelmine, die nach dem Tod ihres Ehemannes Walter beinahe vor dem Nichts steht, weil der Gute das gesamte Vermögen in wertlose Aktien gesteckt hat, und auf der anderen die engagierte und gut situierte Verlegersgattin Henriette Zobel, die buchstäblich „auf die Barrikaden geht“. Zobel ist eine historisch verbürgte Figur, wie wir aus den Anmerkungen im Anhang erfahren.
Die beiden Frauen sind starke Gegensätze und dennoch beste Freundinnen. Das wird sich in der Extremsituation, in die Henriette gerät, noch bewähren.
Herrlich auch die Figur der Haushälterin im Hause Pfaff, die alle Welt nur das „Salzweib“ nennt.
Dann haben wir noch das Dienstmädchen Aurelie im Hause Rütten & Loening, das von Wilhelmines Druckergesellen Johannes schwanger sitzengelassen wird. In dieser Figur ist die ganze Tragik unverheirateter Frauen bzw. Mütter sichtbar: Obwohl ihre Dienstherren sie nicht verstoßen, lehnt sie das Kind ab und ist erleichtert, als sich eine Lösung für das „Problem“ abzeichnet. Ein Ausnahmefall in der damaligen zeit. Für gewöhnlich werden ledige Mütter aus dem Haus gejagt, enden in bitterer Armut bzw. Prostitution und töten mitunter das Kind, sei es durch Vernachlässigung oder ermorden es sogar. Die Männer ziehen sich fast immer mit fadenscheinigen Ausflüchten aus der Affäre. Die übliche Verleumdung, die Frauen hätten einen liederlichen Lebenswandel und würden sich mit jedem einlassen, das Kind sei nicht von ihm etc. etc..
Dann begegnen wir noch Dr. Heinrich Hoffmann, dem „Irrenarzt“, der nicht nur den „Struwwelpeter“ geschrieben hat, sondern hier in dieser Geschichte eine Rolle spielen wird. Oder auch Robert Blum.
Der Schreibstil ist packend und die bildhaften Beschreibungen lassen Frankfurt um 1848 vor den Augen der Leser erstehen. Die historischen Details sind penibel recherchiert. Die Autorin weiß, wie spannende Bücher geschrieben werden.
Fazit:
Ein fesselnder historischer Roman, der uns in die Zeit von 1848 zurückholt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.