Perfekte Spannungsliteratur – undurchsichtig, unheimlich, grandios geschrieben
Das Haus am Rand der KlippenSeit Monaten habe ich dem neuen Roman von Lucy Clarke ent-gegengefiebert, da mich ihr letztes Buch „Die Bucht, die im Mondlicht versank“ so beeindruckt hatte. Ich hoffte, dass ich auch diesmal wieder atemlos ...
Seit Monaten habe ich dem neuen Roman von Lucy Clarke ent-gegengefiebert, da mich ihr letztes Buch „Die Bucht, die im Mondlicht versank“ so beeindruckt hatte. Ich hoffte, dass ich auch diesmal wieder atemlos Seite um Seite lesen würde und das Buch quasi „verschlingen“. Und so war es auch!
Mit „Das Haus am Rand der Klippen“ (OT: You let me in – was ich auch sehr passend finde) hat sie sich wieder selbst übertroffen und einen Spannungsroman der Extraklasse abgeliefert.
Am Beginn der einzelnen Kapitel steht jeweils ein kurzer Schreib-Ratschlag der Autorin und Hauptfigur Elle Fielding. Diese Einleitung bezieht sich darauf, dass Elle in diesem Buch selbst in der schwierigen Situation ist, nach einem gefeierten Debüt-Roman einen guten zweiten Roman zu schreiben. Sie zerbricht fast an dem Spagat zwischen ihrer Selbstdarstellung in den sozialen Medien, als wohlhabende, glückliche, selbstbe-stimmte Autorin, und ihrer Selbstwahrnehmung als unter riesi-gem Druck stehende, verzweifelte Frau mit Angst- und Schlaf-störungen.
In ihre Wahrnehmung schleichen sich immer wieder merkwür-dige Begebenheiten ein. Seit der Trennung von ihrem Mann wohnt sie allein in dem Haus am Rand der Klippen, für dessen Umbau in ein hypermodernes Luxusdomizil sie sich hoffnungslos überschuldet hat. Mittlerweile kann sie der unverbauten, einzigartigen Aussicht von ihrem Schreibzimmer auf das Meer kaum noch etwas abgewinnen. Statt dessen wird sie immer nervöser, als der Abgabetermin für ihr zweites Buch näher rückt und sie in ihrem Haus Spuren entdeckt, von denen sie sich sicher ist, dass jemand sie verfolgt und ihr gut gehütetes Geheimnis aufgedeckt hat.
Lucy Clarkes Schreibstil ist so mitreißend, dass man das Buch in einem Rutsch durchliest. Sie führt den Leser gekonnt auf viele (falsche) Fährten, legt Spuren, führt sie zurück zu eigentlich normalen Erklärungen… lässt den Leser aber auch immer wieder an der Hauptfigur Elle zweifeln. Hat sie die Dinge, die sie beschreibt, wirklich erlebt? Vermengen sich hier vielleicht Realität und Fiktion ihres neuesten Romans? Hat sie tatsächlich einen Stalker, der ihr Böses will? Oder liegen die Wurzeln der Ereignisse – wie der Leser nach und nach in eingeschobenen Rückblenden erfährt – vielleicht viel weiter in der Vergangenheit als gedacht?
Positiv hervorheben möchte ich auch, dass in diesem Buch ein sehr kritischer Blick auf unser Leben mit Social Media geworfen wird. Der Mensch ist gläsern geworden und mit unserer Art, viele Leute via Facebook & Co. teilhaben zu lassen an unserem täglichen Leben, bieten wir auch Angriffsfläche für Personen, die es nicht gut mit uns meinen. Die Eintrittskarte für das Konzert am Folgetag zu posten könnte auch als Einladung verstanden werden - denn alle wissen, dass man an diesem Abend nicht zuhause ist…
Mich hat Lucy Clarke jedenfalls einmal mehr vollkommen ge-fangen genommen mit ihrem Roman. Sie beweist, dass sie mittlerweile zu den Großen der Spannungsliteratur gehört und ich freue mich jetzt schon auf ihren nächsten Coup (sorry Lucy, ich weiß, dass das Druck aufbaut... über Erwartungshaltungen hast du ja in diesem Buch eindrucksvoll geschrieben!). Aber ich freu mich trotzdem drauf!