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Nilchen

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.04.2019

Mahnung an die Gesellschaft

Die Mauer
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Dieses Buch zeigt uns wie stark Literatur helfen kann unsere Gesellschaft und die Richtung die wir einschlagen zu verstehen. Vor allem führt es uns durch die Absurdität des Extremen vor Augen was schief ...

Dieses Buch zeigt uns wie stark Literatur helfen kann unsere Gesellschaft und die Richtung die wir einschlagen zu verstehen. Vor allem führt es uns durch die Absurdität des Extremen vor Augen was schief läuft.

John Lanchester tut genau dies in seinem Roman „Die Mauer“. Wir befinden uns in der Zukunft und begleiten Joseph Kavanagh zu seinem 2jährigen Einsatz auf die Mauer.
In diesem dystopischen Zukunftsszenario umgibt England eine Mauer die 10.000km lang ist, 3m hoch und alle 3km einen Wachposten hat als Schutz vor den Anderen draußen.
England schützt sich so nach dem großen Wandel vor Eindringlinge. Der Einsatz als Verteidiger auf der Mauer zerrt an den Kräften und Nerven, denn ein Fehler und man wird selbst zum Opfer und dem Meer übergeben.

Auf sehr beklemmende Weise schafft es John Lanchester im ruhigen Ton diese absurde und so fatale Welt zu erschaffen. Erstklassig verarbeitet er die Themen der Zeit wie den BREXIT, die wachsende Angst gegenüber Unbekanntem, die Sorge um die Flüchtlingsströme.
Gut geschrieben und auch hervorragend übersetzt von Dorothee Merkel, rüttelt es den Leser wach und fordert ihn geradezu zum Handeln auf. In so einer Welt will keiner Leben! Hoffen wir inständig, dass dieses literarische Wachrütteln eine Hilfestellung gibt!

FAZIT: Ein Roman für mehr Menschlichkeit im Umgang miteinander. Ein Hoch auf die gemeinschaftliche Gesellschaft und gegen die Abschottung!

Veröffentlicht am 24.04.2019

Amore, Dolce Vita, Verschwörung und viele Verdächtige!

Jubilate!
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Wo Johanna Alba & Jan Chorin draufsteht, weiß der Leser, da ist gute Unterhaltung drin! Der 5. Papst-Krimi ‚Jubilate!‘ ist wie seine Vorgänger sehr spannend.
Diesmal begleiten wir den Papst auf ein sommerliches ...

Wo Johanna Alba & Jan Chorin draufsteht, weiß der Leser, da ist gute Unterhaltung drin! Der 5. Papst-Krimi ‚Jubilate!‘ ist wie seine Vorgänger sehr spannend.
Diesmal begleiten wir den Papst auf ein sommerliches Schloss in der Nähe seines Sommersitzes Castel Gandolfo. Das Familienvermögen der Santinis, der Contessa Giulia soll vererbt werden, aber unter einer Bedingung – es muss eine Hochzeit geben. Das passt vielleicht nicht allen…
Auch wenn es hier um den 5. Band der Papst-Krimireihe geht, kann man es auch getrost ohne die Lektüre der anderen Bände genießen. Alles was man aus vorherigen Fällen wissen sollte, wird angerissen und die immer wiederkehrenden Personen lernt man ohnehin kennen und lieben.
Und da wären wir auch schon bei einer der Stärken dieses Krimis, denn das Figurenkabinett ist vielfältig und interessant. Hier treffen in der Tat charakterstarke Persönlichkeiten aufeinander. Über einige musste ich laut lachen, andere ringen mir ein Kopfschütteln ab. Wunderbare Charakter-Kollektion.
Was mich auch noch überzeugt, ist das unblutige, schöne Ambiente in dem hier ermittelt wird. Dolce vita muss schon sein bei einem italienischen Krimi!
Apropos unblutig – ein wahrlicher Whodunit. Hier konnte ich ständig mit raten wer denn nun der gesuchte Täter ist und…leider ständig meine Meinung ändern, da die Fährten gut gelegt sind. Da es mehrere Stränge zu verfolgen gibt, wechselt auch oft die Perspektive und die Spannung bleibt hoch. Wo doch jede weitere Erkenntnis weiterbringt.
Durch diesen heimeligen Stil sind diese Papst-Krimis auch für viele Altersklassen zu empfehlen. Ich hätte das sicher auch schon mit 15 gelesen, meiner Mutter wird es gefallen und meiner Oma hätte es auch noch Freude bereitet!
Und lasst es mich ohne spoiler sagen: Ich wäre NIE auf dieses Ende gekommen.
Fazit: Dolce Vita, Amore und natürlich eine spannende Tätersuche – ein gelungener Pageturner für die Ferien!

Veröffentlicht am 13.04.2019

Portrait einer kuriosen Wiener Familie!

Rückwärtswalzer
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Vea Kaiser at ist best – sie ist einfach die Meisterin eines bissig lustigen Wiener Zungenschlags, der mit seiner ehrlichen Art seinesgleichen sucht. Herrlich! Sie ist eine Meisterin der Sprache. ‚Rückwärtswalzer‘ ...

Vea Kaiser at ist best – sie ist einfach die Meisterin eines bissig lustigen Wiener Zungenschlags, der mit seiner ehrlichen Art seinesgleichen sucht. Herrlich! Sie ist eine Meisterin der Sprache. ‚Rückwärtswalzer‘ ist Vea Kaiser‘s dritte Roman. Ein Roman der die kuriose Wiener Famillie Prischinger auseinander nimmt und seziert was alles nicht so rund läuft – aber immer auf eine SEHR charmante Art. Da ist beispielsweise der Sprössling des Prischinger, ein armer realitätsferner Schauspieler, der bei weitem über seinen Verhältnissen lebt. Kein Geld für Essen, aber für EUR 40 zur Tante fahren um dort satt zu werden… Und dann diese verschrobenen Tanten! Herrlich! Vea Kaiser hat einfach einen hoch amüsanten Ton, eine herrliche Sprache. Sie spielt mit den Formulierungen (‚Karottoide Haare‘), findet erfrischende Vergleiche zum Schmunzeln (ein Grinsender wird beschrieben: „wie eine der vom Deckenfluter beleuchteten Knackwürste, die über seiner Verkaufstheke am Haken baumeln“ – der Mann ist in der Tat Metzger). Nicht nur die Gegenwart wird beleuchtet, es wird auch die Familiengeschichte aufgearbeiter bis in die 50er Jahre zurück in die Kindheit des Vaters, Sepp.
Fazit: Wer gerne österreichische Literatur liest und schwarzem Humor nicht abgeneigt ist, liegt mit diesem Familienroman richtig!

Veröffentlicht am 05.04.2019

Sehr guter Nachkriegskrimi

Der Hunger der Lebenden (Friederike Matthée ermittelt 2)
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Es geschieht ein grausamer Mord an einer Frau im Bergischen Land außerhalb von Köln im Sommer 1947. Da es eine Tatverdächtige gibt, schickt man Friederike Matthée von der Weiblichen Kriminalpolizei zur ...

Es geschieht ein grausamer Mord an einer Frau im Bergischen Land außerhalb von Köln im Sommer 1947. Da es eine Tatverdächtige gibt, schickt man Friederike Matthée von der Weiblichen Kriminalpolizei zur Vernehmung dorthin. Die junge Friederike hat ein besonderes Gespür und traut ihrem Gefühl einigen Spuren nachzugehen und stößt auf Unglaubliches.
Dieser Nachkriegs-Krimi ist spannend und liest sich locker weg. Ich fand mich schnell in die Geschichte ein und auch in die äußeren Umstände der Zeit. Beate Sauer hat einen sehr angenehmen Schreibstil. Das historische Setting wird passend beschrieben und hier im Sommer 1947 herrscht noch immer große Not und vor allem Hunger. Daher der Titel der das immer wiederkehrende Motiv des Hungers im Namen trägt: „Der Hunger der Lebenden“. Mir gefiel vor allem das ausgewogene Verhältnis von historischen Elementen und dem Kriminalfall. So erkundet man Köln im britischen Sektor der Nachkriegszeit auf eine spannende Weise.
Wer Fan ist von Frank Goldammer mit seiner Reihe um den Kommissar Max Heller im Nachkriegs-Dresden ist (Der Angstmann bis Roter Rabe), wird auch die Reihe um Friederike Mattée in Köln mögen! Eine weitere Nachkriegs-Krimireihe, die aber einen anderen Blickwinkel auf diese Zeit hat durch die weibliche Perspektive und den britischen Sektor.
Ich kannte den ersten Fall „Echo der Toten“ nicht und ich konnte der Handlung trotzdem folgen was beispielweise die Beziehung zu einem britischen Royal Military Police Officer Richard Davies angeht. Aber natürlich werde ich Band 1 auch noch lesen, da mich „Der Hunger der Lebenden“ überzeugt hat.
Beate Sauer hat es auf meine Liste der Autor*innen geschafft, die ich gerne im Auge behalte und gerne weiteres von ihr lesen werde. Lucky me, dass „Der Hunger der Lebenden“ nicht ihr erstes Buch war!
Fazit: Spannender Nachkriegs-Krimi aus Köln im Sommer 1947 im britischen Sektor. Nicht nur ein unterhaltsamer Krimi sondern auch erhellend über die Nachkriegszeit zu lesen.

Veröffentlicht am 03.04.2019

Eine Frage des Blickwinkels

Worauf wir hoffen
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„Worauf wir hoffen“ ist ein Roman aus der Feder einer Frau die zwischen den Welten aufgewachsen ist. Fatima Farheen Mirza ist in den USA groß geworden und hat das Glück mehr als eine Kultur im Haus zu ...

„Worauf wir hoffen“ ist ein Roman aus der Feder einer Frau die zwischen den Welten aufgewachsen ist. Fatima Farheen Mirza ist in den USA groß geworden und hat das Glück mehr als eine Kultur im Haus zu haben in ihrer Kindheit. Der Vater ist in Hyderabad aufgewachsen und ihre Mutter stammt aus einer britisch-indischen Familie. Und genau in dieses Kulturen-Konglomerat taucht man mit ihr ab. Es ist ein emotionsgeladener Roman, der uns eine muslimische Familie in den USA näher bringt. Sicher ist der große Erfolg in den USA auch diesem Umstand zu danken, denn diese Sichtweise ist sicher noch unterrepräsentiert in der Gegenwartsliteratur. Die Autorin merkte in einem Interview mit dem Guardian an, dass das nicht mal die Intension war sondern ihren Erfahrungen entsprach. Und genau das macht es so lesenswert und gut aus meiner Sicht. Eine echte Innenansicht, von jemanden der weiß worüber er/sie schreibt! Wobei es auch ein Schrei nach Veränderung für eine bessere Gesellschaft ist was die rückständigen Ansichten von traditionell verhafteten Familienmitgliedern angeht. Die wichtige Stellung der Familie über dem individuellen Glück. Die patriarchalischen Strukturen, die Frauen bei der Entfaltung behindern, damit ist das „worauf wir hoffen“ gemeint.
Sprachlich ist auch hervorzuheben, dass Fatima Farheen Mirza Begriffe im Original nutzt und nicht übersetzt wird. Damit verschafft sie mir als Leser einen intimeren Einblick, aber zeigt mir zumindest auch was ich alles nicht kenne. Es ist immer eine Frage des Blickwinkels was das „Andere“ ist. Eine der Stärken dieses Buches.
Die Geschichte nimmt ihren Lauf auf einer Hochzeit. Wir lernen zunächst alle relevanten Familienmitglieder kennen und mehr als das spürt man beim Lesen förmlich die unausgesprochenen Anschuldigungen, die Vorwürfe, die Sorgen und zugleich auch die Freude.
Wunderbar übersetzt ist das Ganze von Sabine Hübner. Auch hier ist es interessant zu wissen, dass der Titel des Originals „A place for us“ heißt, so ganz anders als der deutsche Titel, beides passt.

Fazit: Lesen und bereichern lassen!