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Veröffentlicht am 02.06.2019

Eine märchenhafte, skurrile und abenteuerliche Geschichte

Kafka am Strand
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Inhalt und Lesegefühlt:
Erinnert an "Mister Aufziehvogel" von Murakami, startete auch beim Buch "Kafka am Strand" bei mir schon nach wenigen Seiten das wilde Spekulieren und Abwägen und ich liess mich ...

Inhalt und Lesegefühlt:
Erinnert an "Mister Aufziehvogel" von Murakami, startete auch beim Buch "Kafka am Strand" bei mir schon nach wenigen Seiten das wilde Spekulieren und Abwägen und ich liess mich von meiner Fantasie zu den verrückstesten Ideen und Erklärungen hinreissen. Aber was war denn nun alles zu erlesen? Abschliessend kann man es vielleicht gar nicht so genau definieren. Aber ganz kurz gesagt geht es um den 15-jährigen Kafka Tamura, der sich aufmacht, um Antworten auf grosse Fragen in seinem Leben zu finden. Es geht um das Erwachsenwerden, das Entdecken von eigenen Grenzen und Möglichkeiten, um Menschen, die sich immer wieder neu erfinden, um das Sterben und den Tod, verschiedene Zugänge zur Sexualität und der Liebe und darum, wie und als was wir uns definieren. Ebenfalls spielen Katzen (leider tot und lebendig) eine grosse Rolle, sowie Mysterien, unsere Kommunikation, eine grosse Bibliothek, das Lesen an sich, Rätsel, Musik und die Welt, die wir betreten, wenn wir schlafen.
Beim Lesen flog ich nur so durch die Seiten, amüsierte mich köstlich, ekelte mich, litt und fieberte mit und staunte über so viel sprachliche Schönheit, die atmosphärischen Beschreibungen und diese ganz eigene Welt, in der Traum und Wirklichkeit mühelos verschmelzen.

Schreibstil und Handlung:
Von der ersten bis zur letzten Seite war ich gefangen in einem Sog und einer Leichtigkeit, die ich von "Mister Aufziehvogel" nicht kannte. Was war anders? "Mister Aufziehvogel" habe ich nicht in einer Übersetzung von Ursula Gräfe, sondern in einer Übersetzung aus dem Amerikanischen gelesen. Also: wenn möglich, dann lest unbedingt eine Übersetzung der Grossmeisterin Ursula Gräfe, die Murakami direkt aus dem Japanischen ins Deutsche übersetzt hat. Was da nämlich an sprachlicher Möglichkeit entsteht und genutzt wird, kann man sonst gar nicht erfassen.
Schillernd, sehr leicht, wie ein Traumgebilde oder ein Märchen wird eine Geschichte aus verschiedenen Strängen gewoben. Die Geschichte um den klugen und trainierten Kafka Tamura, der sich aufmacht, um eine Prophezeiung zu erfüllen, aber auch die Geschichte um Nakata, der mit Katzen sprechen kann und sich selber als dumm bezeichnet. Es prallen Vergangenheiten und Gegenwarten aufeinander (zeitweilig fühlte ich mich an die Serie "Dark" erinnert) und immer mal wieder berühren die Fäden sich, laufen zusammen und entfernen sich wieder voneinander. In typischer Murakami-Manier werden alltägliche Handlungen bis ins kleinste Detail beschrieben und es werden Figuren immer wieder mit ganz neuen Versionen von aus den Fugen geratenen Welten konfrontiert. Dabei werden die schrägsten Metaphern konstruiert und nach und nach zeigt sich auf, wie alles zusammenhängt oder zusammenhängen könnte...
Zudem lässt sich in diesem skurrilen Roman auch einiges an Gesellschaftskritik finden. Da gibt es Passagen, in denen die Protagonisten (insbesondere Nakata, den ich sehr, sehr, sehr ins Herz geschlossen habe) über die Sinnlosigkeit des Kriegs, über die Liebe, Erinnerungen, das Verzeihen von Fehlern und das persönliche Glück philosophieren und ich habe oft einige Sätze mehrmals gelesen, weil sie einfach so schön waren.

Meine Empfehlung:
"Kafka am Strand" hat mich berührt und begeistert und in eine ganz eigene Welt entführt, auf die man sich einlassen muss, die aber - sobald man die Logik unserer Welt gedanklich ausser Kraft setzt - mit ganz eigenen Regeln und sehr spannenden Ereignissen überzeugen kann. Neben den äusserst detaillierten und stimmungsvollen Beschreibungen von Orten und Gebäuden, sind es vor allem auch die kunstvoll kreierten Figuren, die dieses Buch so lesenswert machen. Von mir gibt es deshalb eine nach wie vor überwältigte Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 28.05.2019

Ein Klassiker, der alle abholen kann

Homo faber
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Inhalt:
Walter Faber, ein Ingenieur aus der Schweiz, sitzt im Flugzeug nach Venezuela, um dort eine Montage zu beaufsichtigen. Er reist im Auftrag der UNESCO und macht sich während des Fluges einige Gedanken ...

Inhalt:
Walter Faber, ein Ingenieur aus der Schweiz, sitzt im Flugzeug nach Venezuela, um dort eine Montage zu beaufsichtigen. Er reist im Auftrag der UNESCO und macht sich während des Fluges einige Gedanken über sich und sein Leben. Aber sein Sitznachbar Herbert Hencke lässt ihm keine Ruhe. Der eigentlich liebenswürdige Mann, ein Deutscher, ist ständig dabei, Faber in ein Gespräch zu verwickeln und stört diesen damit in seinen Gedanken. Doch irgendwann hält es Faber nicht mehr aus und er beginnt, sich auf seinen Gesprächspartner einzulassen. Es stellt sich heraus, dass dieser der Bruder eines Studienfreundes von Faber ist. Und als zwei Motoren der Maschine ausfallen und so den Pilot zu einer Notlandung zwingen, verbringen die beiden Männer ihre Zeit bis zur Rettung aus der Wüste mit einigen Schachpartien. In dieser Zeit des endlos langen Wartens entschliesst sich Faber, seine Reiseroute zu ändern und Herbert Hencke zu begleiten, der seinen Bruder suchen will. Es stellt sich heraus, dass der Bruder, Joachim, die ehemalige Geliebte Fabers geheiratet hat. Als Faber nach New York zurückkehrt, wartet seine Geliebte Ivy, welche ihm den letzten Nerv raubt, auf ihn und so reist Faber so schnell wie möglich mit dem Schiff nach Europa. Unterwegs lernt er die junge und schöne Sabeth kennen und der Kreis aus Verandtschaft, Freundschaft und Vertrauen schliesst sich immer mehr um Faber. Bis er seiner Vergangenheit und seiner Zukunft und somit auch dem Leben eines jeden Menschen ins Auge blicken und sich damit arrangieren muss.

Meine Meinung:
Ich habe Homo faber von einer lieben Freundin ans Herz gelegt bekommen und ich muss sagen, dass mich die Geschichte und vor allem der extrem durchdachte Schreibstil auf höchstem literarischen Niveau begeistert und überzeugt hat. So viel Tiefe, Weisheit und Philosophie wie dieses Buch beinhaltet, kann man fast gar nicht beim ersten Lesen erfassen und trotzdem schien es mir in keiner Weise von oben herab geschrieben oder gar unverständlich. Vielmehr holt es jeden Leser dort ab, wo er sich in seinem Leben gerade befindet.

Meine Empfehlung:
Max Frsich mag einige abschrecken, aber das ist komplett unbegründet. Lasst euch ein auf dieses tolle und nach wie vor sehr aktuelle Buch. Die Sprache hat mich überzeugt, die Handlung war spannend und der Protagonist ist ein Mensch mit Ecken und Kanten, was ihn uns nahbar macht. Auch nach Jahren gerate ich ins Schwärmen, dieses Buch ist wirklich ein Schatz.

Veröffentlicht am 25.05.2019

Ein liebevoll erzählter Sommerroman

Die Katze im Lavendelfeld
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Inhalt:
Auf knapp dreihundert Seiten wird eine Geschichte erzählt, die uns direkt in die Provence katapultiert. Nicht nur lernen wir die leidenschafliche Foodbloggerin Alice kennen, die sich mit ihren ...

Inhalt:
Auf knapp dreihundert Seiten wird eine Geschichte erzählt, die uns direkt in die Provence katapultiert. Nicht nur lernen wir die leidenschafliche Foodbloggerin Alice kennen, die sich mit ihren "Genussberichten" bereits ins Herz zahlreicher Gourmets geschrieben hat, sondern wir erfahren auch einiges aus dem Leben ihrer Mitmenschen. Alice lebt nämlich eingebettet in einen kunterbunt durchmischten und hilfsbereiten Freundeskreis und ist gerade dabei, sich ein neues Zuhause zu suchen, als sich die Umstände plötzlich ändern. Plötzlich sind nicht nur zwei, sondern gleich drei Vierbeiner zu versorgen und Alice muss sich immer intensiver um ihre langsam dement werdende Freundin Jeanine kümmern und im Restaurant ihres guten Freundes Georges aushelfen.

Meine Meinung:
Hermien Stellmacher begleitet mich schon seit vier Jahren. Durch ihr Buch "Cottage mit Kater" (2015) bin ich auf sie aufmerksam geworden und habe vor zwei Jahren auch "Katzenglück und Dolce Vita" (2017) gelesen und geliebt. Auch im vorliegenden Buch ist es der Autorin wieder gelungen, ganz viele Stränge zusammenfliessen und eine sommerliche Stimmung entstehen zu lassen. "Die Katze im Lavendelfeld" hat mich berührt, mit feinsinnigem Humor unterhalten, hungrig gemacht, mich ein paar Tränchen verdrücken lassen und mich am Ende mit einem positiven Gefühl zurückgelassen.

Alle Figuren haben eine Vorgeschichte, die nach und nach in die Handlung einfliesst und Hermien Stellmacher schafft es dabei, sehr einfühlsam mit dem Thema Demenz umzugehen, immer wieder für viele humorvolle Situationen zu sorgen, ganz tiefe Gefühle entstehen zu lassen und immer auch noch das kulinarische Wohl ihrer Figuren im Auge zu behalten. Die Provence ist ausserdem in diesem Buch nicht nur eine (traumhaft schöne) Region und perfekte Kulisse für die Handlung, es ist auch eine Stimmung, eine Lebenseinstellung, die in der Gestalt von Marktbesuchen, Lavendelfeldern, Kräutergärten, gutem Wein und französischer Eleganz in die Geschichte einfliesst und bei mir einen Hauch von Sommer in die trüben Maitage gebracht hat.

Meine Empfehlung:
Von mir gibt es eine sehr, sehr herzliche Leseempfehlung für dieses tiefgründige, berührende aber sehr positive Wohlfühlbuch, das euch in eine sommerliche Provence und mitten in einen liebenswerten Freundeskreis mit einem Herz für Katzen und alte Gebäuden entführt. Schaut, dass ihr für diese Reise unbedingt mit genügend Proviant und dem einen oder anderen Glas Wein ausgerüstet seid.

Veröffentlicht am 14.05.2019

Erzählt mit einer enormen Sprachgewalt

Hundeherz
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Versehentlich wird ein Hundewelpe in der Wildnis zurückgelassen. Getrennt von seiner Mutter und den Menschen hat er kaum eine Chance, den harten Winter zu überstehen. Er schafft es allen Widrigkeiten zum ...

Versehentlich wird ein Hundewelpe in der Wildnis zurückgelassen. Getrennt von seiner Mutter und den Menschen hat er kaum eine Chance, den harten Winter zu überstehen. Er schafft es allen Widrigkeiten zum Trotz, übersteht Kälte, Schmerz, Einsamkeit und Hunger und wird stärker und stärker, bis ein neuer Frühling kommt, der mit seinen warmen Sonnenstrahlen Hoffnung weckt. Der Welpe wächst zum Hund heran, muss einige bittere Erfahrungen machen, aus denen er das Jagen und Töten lernt und schon bald kommt er auch wieder in Kontakt mit einem Menschen.
Mit ans Herz gehenden Worten beschreibt Kerstin Ekman die Natur, das Rascheln von Ästen und Laub, das Flattern von Vogelflügeln und das Pochen kleiner Herzen, die auf dem Waldboden entlanghuschen. Jedes Leben, jede Bewegung wird mit wundervoll passenden Worten beschrieben und so entsteht nach und nach ein grosses Ganzes, in das sich unser kleine Hund einfügt und in dem er bestehen und überleben lernt.

Meine Meinung:
Der erste Satz, der erste Abschnitt, die erste Seite...ich war von Anfang an verliebt in dieses wunderbare Buch, das so direkt - manchmal brutal, manchmal poetisch - vom Leben und Überleben, vom Jagen, vom Töten, von Blut und Kälte erzählt. Beim Lesen der Schilderungen der rauen Natur fühlte ich mich ab und an ein wenig an den "Regenroman" von Karen Duve erinnert, wenn auch "Hundeherz" sogar noch ein wenig mystischer ist.
Auf sehr wenigen Seiten ist mit einer enormen Wucht und sehr berührend die Geschichte eines harten Winters, der in einen warmen Frühling übergeht und dem Gefühl von Einsamkeit, Hunger und der Zugehörigkeit zu anderen Lebewesen erzählt. Innerhalb von kürzester Zeit bin ich durch die Seiten dieses dünnen Büchleins geflogen und habe dabei mitgelitten, gefroren und einfach nur diese bewegende Sprache genossen.

Meine Empfehlung:
Ich empfehle euch dieses kleine Büchlein aufgrund der poetischen Sprache und der vielen authentischen Naturschilderungen von Herzen weiter. Ausserdem wird die Beziehung zwischen Mensch und Hund liebevoll und einfühlsam und vor allem sehr respektvoll beschrieben, was mich tief beeindruckt hat.

Veröffentlicht am 26.04.2019

Poetisch, einfühlsam und wunderschön

Die hellen Tage
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Inhalt:
Drei sehr verschiedene Kinder wachsen ganz nahe beieinander auf und werden zu einer Schicksalsgemeinschaft, aus der eine grosse Freundschaft entsteht. Seri und Aja sind beste Freundinnen und wohnen ...

Inhalt:
Drei sehr verschiedene Kinder wachsen ganz nahe beieinander auf und werden zu einer Schicksalsgemeinschaft, aus der eine grosse Freundschaft entsteht. Seri und Aja sind beste Freundinnen und wohnen fast bei Aja zu Hause. Deren Mutter Évi ist im ganzen Ort für ihre bunten Kleider, ihr frohes Gemüt und das schiefe Haus bekannt, in dem sie mit Aja lebt. Und für Seri, welche die ganze Geschichte aus ihrer Perspektive erzählt, is Évi wie eine zweite Mutter, die sich um sie kümmert, wenn ihre Mutter gerade wieder mit sich selbst und dem Verlust ihres Mannes beschäftigt ist. Eines Tages stösst auch Karl, dessen Bruder verschwunden ist, zu den zwei Mädchen. Die drei Kinder verbringen jede freie Minuten zusammen und ihre Mütter finden durch sie zueinander. Sie unterstützen sich gegenseitig dabei, ihren Kindern Freiraum und Halt zu geben und helfen sich auch finanziell über die Runden. Die Kinder werden erwachsen und reisen schliesslich nach Rom, um dort zu studieren und die Welt zu entdecken. Doch was sie finden ist nicht nur die grosse Freiheit, sondern viele Fragen zum Thema Leben und Tod, Liebe, Schuld und Freundschaft.
Diese Geschichte, welche drei so unterschiedliche Kinder durch ihr Leben begleitet, ist wohl nicht in erster Linie eine Geschichte der Kinder, sondern eine Geschichte ihrer Mütter, welche alles dafür geben, Karl und die Mädchen zu reifen und denkenden Menschen zu erziehen und ihnen trotzdem so viel Liebe und Unterstützug mitzugeben, wie sie nur können. Eine Geschichte der Mütter, welche für ihre Kinder ein Leben schaffen wollen, welches aus mehrheitlich hellen Tagen und der Hoffnung auf neue helle Tag besteht.

Meine Meinung:
"Die hellen Tage" hat mich vom ersten Wort an gefesselt. Diese wunderschönen Adjektive, die liebevollen Beschreibungen und die rührenden Geschichten, welche man Aja, Seri und Karl in langen Winternächten erzählt hat, schaffen eine eigene Welt voller Schicksale und Tragödien, welche überstanden und überlebt werden wollen. Da ist Évi, welche mich besoders fasziniert hat, die ein ganzes Jahr lang auf ihren Zigi wartet, dann aufblüht und lebt und die restlichen Monate des Jahres mit Überleben verbringt und deren Träume so unerreichbar und gross scheinen, dass sie sich fast auf das Wesentliche konzentrieren muss. Und Ellen, Karls Mutter, welche ihren Sohn verloren hat und dann plötzlich realisiert, dass es da ja noch einen zweiten Sohn gibt, den sie in ihrem Kummer und ihrer Sorge fast vergessen hat. Oder Seris Mutter, welche ihrem Mann nachtrauert und jahrelang seinen noch vollen Koffer auf ihrem Beifahrersitz spazieren fährt, weil sie es nicht übers Herz bringt, ihn zu öffnen. Dieses Buch ist so schön geschrieben, so real und so traurig und trotzdem von einer grossen Hoffnung auf helle Tage durchzogen und es hat in mir eine unendliche Sehnsucht geweckt nach langen Abenden am Lagerfeuer, Zugreisen nach Rom und durchwachten Nächten.