„Was hatte ich denn erwartet – dass die Wahrheit einfach da sein würde, unübersehbar wie ein riesiges Unkraut zwischen Tulpen, das nur darauf wartete, dass ich es ausriss?“ (aus „Niemalswelt“ von Marisha Pessl)
Nie hätte Beatrice gedacht, dass sie und ihre ehemalige Clique nach dem Tod des gemeinsamen Freundes Jim noch mal wieder zusammenfinden würden. Doch es kommt zu einem Treffen, das für sie alle tödlich endet – für alle bis auf einen. Die fünf stecken nach einem Autounfall in einer Zeitschleife fest, an deren Ende sie abstimmen müssen, wer es als einziger verdient hat, weiterzuleben, eine völlig abstruse Vorstellung für die Gruppe. Nur schwer können sie sich mit ihrem Schicksal arrangieren, doch mit der Zeit tun sich nicht nur die wahren Gesichter der Beteiligten auf, sondern es kommen auch Details zu Jims Tod ans Licht, mit denen niemand gerechnet hätte..
„Niemalswelt“ ist mal wieder ein Buch, das seinen Hype absolut verdient hat. Allein schon das Cover ist ein absoluter Hingucker und wer sich davon noch nicht beeindrucken lässt, ist es hoffentlich spätestens nach dem Lesen des Klappentext. Thematisch erinnert es mich ein wenig an „Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie“, wo die Protagonistin ebenfalls den gleichen Tag wieder und wieder erlebt, und da dieses Buch mir unfassbar gut gefiel und auch nachhaltig im Gedächtnis geblieben ist, wusste ich, dass ich auch dieses lesen muss.
Beatrice, kurz Bee, erzählt die Geschichte aus ihrer Ich-Perspektive und ermöglicht dem Leser damit tiefere Einblicke in ihre Gedanken und Gefühle, die man bei den anderen vier Charakteren leider nicht hatte. Sehr gern hätte ich auch denen mal in den Kopf geschaut, insbesondere Martha, die zum Ende hin noch mal für eine überraschende Wendung sorgt.
Durch die jugendliche, moderne Sprache und anschaulichen Beschreibungen kommt man schnell in das Geschehen rein und fühlt sich zwischen den Charakteren willkommen, sodass ich das Buch bald schon nicht mehr aus der Hand legen wollte.
Die fünf Protagonisten könnten unterschiedlicher kaum sein. Martha ist die rationale, intelligente der Gruppe, Cannon ein einfühlsamer Computer-Hacker, der immer im richtigen Moment das richtige sagt. Whitley ist die verwöhnte Göre der Truppe, die hin und wieder zu katastrophalen Wutausbrüchen neigt, Kipling ist der schräge Paradiesvogel und Beatrice die gute Seele, die zurückhaltende, schüchterne Schwester Bee. Jims Tod hat ihre Einheit erschüttert und auseinandergetrieben, was es zunächst für sie umso schwieriger macht, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Gerade die Abstimmungen der Niemalswelt stellen eine Herausforderung dar, besonders als die Clique sich in der Zeitschleife zu zerstreuen beginnt, allerdings war es extrem spannend zu sehen, wie schnell die zwischenmenschlichen Verhältnisse in solch einer drastischen Situation verändern, aus Freunden Fremde oder vermeintliche Feinde werden. Fronten bilden sich und Bee steht genau dazwischen, hilflos den Launen ihrer Mitgefangenen ausgeliefert.
Was mich aber an diesem Buch so fasziniert hat, waren die zahlreichen Wendungen, die es für mich bis zuletzt nahezu unmöglich gemacht haben, die einzelnen Personen richtig einzuschätzen und abzusehen, wer der Überlebende sein wird. Keiner war so wirklich das, was man von ihm erwartet hat, manchmal war ich regelrecht geschockt von dem, was sich dort offenbart hat.
Mein Fazit:
Ein grandioses Buch! Tolle Idee, starke Umsetzung, vielseitige Charaktere und ungeahnte Wendungen ergeben ein Gesamtbild, wie es kaum besser hätte sein können.