Die Geschichte um die 16-jährige Aliza Landau beginnt mit der Reichsprogromnacht am 9.November 1938, in der Alizas Großvater von der Gestapo abgeholt wird. Der Schock in Alizas jüdischer Familie sitzt tief und doch will Alizas Vater das Land nicht verlassen. Tapfer erträgt er mit seiner Familie all die Demütigungen und erduldet, dass er als Arzt nur noch jüdische Patienten behandeln und später gar nicht mehr praktizieren darf. Blockwart Karoschke, der mit seiner Familie im Haus der Landaus zur Miete wohnt, verspricht, die Familie zu schützen. Anfangs gelingt ihm das auch einigermaßen, doch tut er dies nicht aus Nächstenliebe sondern nur aus eigener Profitgier und bringt später sogar das Haus der Landaus mit allen Wertgegenständen in seinen Besitz.
Karoschke war wirklich ein unsympathischer Zeitgenosse, den ich von Anfang an nicht mochte, der aber sicher als Beispiel für viele solcher Typen in dieser Zeit stehen kann.
Aliza ist sehr behütet aufgewachsen und musste sich bisher mit den ernsten Dingen des Lebens nicht auseinandersetzen. Natürlich sieht auch sie all die Repressalien gegen die Juden aber sie ist hauptsächlich verzaubert von ihrer ersten großen Liebe und fiebert nur noch jedem Treffen entgegen. Fabian stammt aus einer Unternehmerfamilie und riskiert viel, wenn er sich mit einer jungen jüdischen Frau trifft. Aber die beiden stehen zu ihrer Liebe und haben Hoffnung, eines Tages heiraten zu können.
Als die Lage immer schlimmer wird, entscheidet Alizas Vater, dass sie mit einem Kindertransport nach Großbritannien gebracht werden soll, damit wenigstens sie in Sicherheit ist. Aliza wehrt sich sehr trotzig dagegen, denn sie will sich nicht von Fabian trennen. Aber auch er rät ihr zu gehen, denn er möchte sie in Sicherheit wissen und hat selbst bereits einen Einberufungsbefehl erhalten, so dass sie sowieso getrennt würden.
Die beiden versprechen sich die Ehe, Fabian schenkt Aliza sogar einen Verlobungsring und klammern sich an die Hoffnung an ein baldiges Kriegsende…
Diese Kindertransporte nach Großbritannien waren für mich im Wesentlichen neu. Es war schon sehr ergreifend, wie viele Kinder, auch sehr kleine, ganz alleine dorthin geschickt wurden. Sie kamen zu ihnen völlig fremden Menschen, die ihnen zwar wohl gesonnen waren und sich nett um die Kinder gekümmert haben. Aber die Kinder verstanden natürlich deren Sprache nicht und haben sich sicher sehr einsam und verlassen gefühlt.
Wir erleben also Aliza, die in London landet und dort von einer jüdischen Familie aufgenommen wird. Dort lernt sie Mizzi kennen, die ebenfalls aus Deuschland geflohen ist, und die beiden werden Freundinnen.
Ich muss sagen, ich war erstaunt, wie unselbständig und teilweise naiv und hilflos Aliza mit ihren 16 Jahren noch war. Ohne Mizzi wäre sie später, als sie die jüdische Familie verlassen müssen, hilflos gewesen. Mizzi versteht es, eine neue Unterkunft und Arbeit zu finden, so dass die beiden sich einigermaßen über Wasser halten können, denn auch in Großbritannien werden sie nun als Nazis beschimpft, da sie Deutsche sind und der Krieg nun auch die Insel erreicht hat.
Alizas Geschichte war sehr bewegend auch wenn ich Aliza nicht in jeder Situation mochte. Es wurde schon klar, dass ihre große Liebe zu Fabian sie durch die schwere Zeit trägt, ihr immer wieder Hoffnung gibt und sie durchhalten lässt, da sie auf das Wiedersehen hofft.
Ich habe oft mit ihr gelitten und gehofft, dass sie und Mizzi es irgendwie schaffen werden. Aber so manche Verhaltensweise von Aliza konnte ich nicht nachvollziehen und fand sie teilweise auch unglaubwürdig.
Vermisst habe ich einen zweiten Handlungsstrang, der Fabians Schicksal aufgezeigt hätte. Aber über ihn und seine Familie erfahren wir bis gegen Ende kaum etwas.
Auch über Alizas Familie gibt es nur wenige Informationen. In einigen wenigen Einschüben erleben wir, wie Karoschke sich mehr und mehr das Eigentum der Familie aneignet und Alizas Eltern und ihr Bruder das Leid aller Juden teilen müssen.
Durch die einseitige Schilderung, nur aus Alizas Sicht, sind für mich auch die ganz großen Emotionen ausgeblieben. Denn nur in wenigen Feldpostbriefen ist noch von der ganz großen Liebe die Rede.
Aliza träumt zwar immer noch von einem Happy End und dem Wiedersehen mit ihrem Fabian, aber sie trifft dann eine Entscheidung, die ich auch nicht ganz verstehen konnte. Sie war zwar zum Besten für alle Beteiligten und bot auch Aliza Vorteile, aber sie veränderte sie auch sehr.
Das Ende hat mir nicht so richtig gefallen, denn es wirkte sehr konstruiert. Einzig Alizas Rückkehr in das zerstörte Berlin und ihr Gang durch die Trümmer an die Orte ihrer Kindheit war sehr bewegend.
Aber ihr Verhalten in Berlin passte so gar nicht zu ihr und auch so einige andere Ereignisse wirkten sehr stark unglaubwürdig, so dass die eigentlich schöne Liebesgeschichte für mich ein bisschen getrübt ist.
Begeistert hat mich aber erneut der schöne, anschauliche und mitreißende Schreibstil, in dem die Autorin diese Geschichte in einer sehr dunklen und traurigen Zeit erzählt. Die historischen Ereignisse bilden einen guten Hintergrund und rufen Ereignisse wach, die nicht vergessen werden sollten. Das ist insgesamt alles gut gelungen, aber für mich war es eher ein jüdisches Familiendrama als eine große Liebesgeschichte. Dazu fehlten mir die großen Gefühle und die Tiefe bei den Hauptfiguren!
Fazit: 4 von 5 Sternen
© fanti2412.blogspot.com