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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.05.2019

Weltuntergangsszenario der erschreckenden - weil plausiblen - Art

Der Wal und das Ende der Welt
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Mir lief dieses Buch vor kurzem überall über den Weg, ich las dann auch mal die Inhaltsangabe und befand, dass es bestimmt philosophisch ist, was so gar nicht meins ist. Doch dann bekam ich dieses Buch ...

Mir lief dieses Buch vor kurzem überall über den Weg, ich las dann auch mal die Inhaltsangabe und befand, dass es bestimmt philosophisch ist, was so gar nicht meins ist. Doch dann bekam ich dieses Buch zum Geburtstag geschenkt und hab's dann doch gelesen. Zuerst war ich nur sehr überrascht, worum es eigentlich geht und dann war ich sehr begeistert von dieser Geschichte, die ein Szenarium entwirft das so realistisch ist dass ich mich jetzt ernsthaft frage: sollte ich meinen Vorratskeller nicht besser morgen gleich aufstocken? Oder heute noch?

Ich habe noch nie einen Gedanken daran verschwendet, was passieren würde, wenn unser Versorgungssystem zusammenbricht. Und damit meine ich nicht nur einen kurzzeitigen Internetausfall, oder auch einen Stromausfall für 2 Tage - all das habe ich schon erfolgreich überlebt. Sondern ich rede vom Wegfall von Treibstoff, der im Grunde am Anfang aller Versorgungsketten steht, sei es Flugzeug, LKW oder Schiff. In einem Zeitalter, in dem kaum einer noch Selbstversorger ist, ist man angewiesen darauf, dass Waren des täglichen Bedarfs jederzeit und schnell verfügbar sind. Wie lange kommen wir ohne Nachschub aus? Was passiert, wenn signifikant viele Arbeitskräfte fehlen - vor allem an Schlüsselpositionen?

Genau solch ein Szenario entwirft Ironmonger hier, wo eine Ölkrise und eine Grippeepidemie gleichzeitig dafür sorgen, dass die Menschen panisch werden. Doch genau das sollte man eigentlich vermeiden. Denn Ironmonger erklärt uns, dass die Gesellschaft nicht an einer Grippeepidemie zugrunde gehen würde, sondern an der Angst des Menschen dass er der nächste sein könnte. "Nicht die Krankheit wird uns umbringen. Sondern die Furcht. 1918 brauchten die Menschen sehr lange, um zu verstehen, was da vor sich ging. Sie gingen zur Arbeit. Sie lebten ihr Leben weiter. Diesmal werden wir es alle in den Nachrichten verfolgen. Wir werden zusehen, wie die ersten Opfer sterben. Wie ihre Leichen begraben werden. Wir werden in Panik geraten. Wir werden das tun, was alle tun: uns um uns selbst kümmern. Um unsere Familien. Wir werden Türen und Fenster verschließen, die Kinder im Haus behalten, nicht mehr zur Arbeit gehen. Aber sogar das gibt uns nicht den Rest. Nicht allein. Was uns den Rest geben wird, ist der Verlust einiger weniger, entscheidener Personen. Wichtige Ingenieure in den Kraftwerken. LKW-Fahrer. Arbeiter der Ölraffinerien. Leute, die das Gas von den großen Tankern abladen..." Denn im Gegensatz zur großen Grippe-Pandemie von vor 100 Jahren sind wir heute abhängig von einem komplexen Netzwerk, von langen Lieferketten und dem Import von Waren und Komponenten aus vielen verschiedenen Ländern.

Die entscheidene Frage ist dann, wie die Menschen im Fall einer solchen 'Apokalypse' reagieren werden. Mit Egoismus, sich im Haus verkriechen und seine eigenen Vorräte horten um möglichst lange zu überleben - aber dann eventuell in einer rundherum völlig zerstörten Gesellschaft. Oder mit Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft, Risiko dass das Essen vielleicht nicht so lange reichen wird, aber man gemeinsam vielleicht eine Lösung finden wird wie man Nachschub be- oder erschaffen kann? Diese Frage beantwortet Ironmonger hier in einer toll erzählten Story.
Philosophisch ist das Buch wirklich, aber dabei gleichzeitig auch gut, zum Denken anregend und in der 2. Hälfte sogar spannend!

Veröffentlicht am 16.05.2019

Eine Perle versteckt zwischen unscheinbaren Buchdeckeln

Was man von hier aus sehen kann
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Schon nach den ersten 10 Seiten war ich hin und weg von diesem Buch, von dieser wundervollen Art zu Schreiben.

Meine Lieblingsfigur ist eindeutig der Optiker! Wie er die Lieder simultan übersetzte für ...

Schon nach den ersten 10 Seiten war ich hin und weg von diesem Buch, von dieser wundervollen Art zu Schreiben.

Meine Lieblingsfigur ist eindeutig der Optiker! Wie er die Lieder simultan übersetzte für Luise und Martin (und ich mitraten konnte, welche das gerade waren), wie er immer wieder neu anfing mit einem Brief, um Selma seine Liebe zu gestehen. Das war herrlich witzig zu lesen, und doch so eine große gefühlvolle Sache für ihn. Wie bezeichnend ist es da, dass Selma ihm am Ende des Buches dafür dankt, dass er ihr nie einen davon geschickt hat. "Danke, dass du mir am Ende so viele Anfänge bringst" flüstert sie "und danke, dass du es mir das ganze Leben lang nicht gesagt hast. Wir hätten es sonst vielleicht nicht zusammen verbringen können." Wunderschön ausgedrückt!

Den 1. Teil fand ich richtig toll, und hätte dafür glatte 5 Sterne vergeben. Es weckte so viele Emotionen in mir! Im zweiten Abschnitt wird die Geschichte an sich deutlich schwächer, und daher für mich auch das Buch. Das bessert sich im 3. Teil wieder. Es war schön, wie die Autorin die Zeit vergehen ließ und dies allein damit verdeutlicht wurde, was sich Luise und Frederick 14 Tage zeitversetzt immer schrieben.
Ich bin sehr sehr froh, dass ich dieses Buch von meinem Liebesten geschenkt bekommen habe. Im Geschäft bin ich nämlich zwar auch schon über das Buch gestolpert - aber nur weil mich der Name und der leicht ungewöhnliche Titel an Marina Lewycka erinnerte. Aber das eher unscheinbare Cover und Kurzbeschreibung hat mich dann doch nicht zum Kauf animiert, und so wäre diese Perle beinahe an mir vorübergegangen.

Veröffentlicht am 28.04.2019

Ausgereifte Liebesgeschichte

Samstag
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Es gibt ja derzeit zahlreiche Frauenromane, die gerade mal so die 300 Seiten Grenze knacken. Dafür veröffentlichen viele dieser AutorInnen meist gleich mehrere Romane pro Jahr. Frieda Bergmann setzt definitiv ...

Es gibt ja derzeit zahlreiche Frauenromane, die gerade mal so die 300 Seiten Grenze knacken. Dafür veröffentlichen viele dieser AutorInnen meist gleich mehrere Romane pro Jahr. Frieda Bergmann setzt definitiv Qualität vor Quantität, und schreibt ihre Bücher lieber in größeren Abständen - dafür sind diese dann auch gleich mal von ordentlichem Umfang und vor allem mit einer vielschichtigen Story versehen, die bei anderen Autorinnen auf mindestens 2 Bände aufgeteilt worden wäre.

~~~Vorsicht: ab hier treten vereinzelte Spoiler von Plotdetails auf!~~~

In "Samstag..." lernen wir Hannah kurz nach einer gescheiterten Beziehung kennen, fiebern ihrer zaghaft erblühende Liebe zu Sam mit, die in einen stürmischen Sommer mündet, und spüren ihre große Enttäuschung dann ebenso schmerzhaft. Anschließend reisen wir mit ihr nach Irland und begegnen dort Collum, der sie wie ein typischer (britischer) Gentleman langsam aber charmant erobert. Und selbst damit ist der Plot noch nicht "voll", doch mehr will ich hier gar nicht verraten.

Wer - so wie ich - Frieda Bergmanns neuesten Roman "Einmal Liebe zum Mitnehmen" schon kennt, weiß wie zumindest eine der Liebesgeschichten ausgehen muss. Das nahm mir etwas die Spannung, zum Glück ließ es aber nicht automatisch auf das Ende schließen. Und ich fühlte mich dennoch die ganze Geschichte über sehr gut unterhalten, was wohl auf den tollen Schreibstil von Bergmann zurückzuführen ist. Mir jedenfalls liegt er offensichtlich.

Die Autorin blieb in beiden Büchern ihrer Charakterisierung von Collum treu, auch hier ist er bereits der reserviert-pragmatische Typ aus gutem Hause, der die Zügel des Lebens fest in der Hand hat und auch für die Frau an seiner Seite gern schon mal Pläne macht. Pläne sind aber augenscheinlich gar nicht Hannahs Welt, so weiß sie Anfang Juli noch gar nicht, ob sie ab Beginn des Herbstsemesters wie geplant wieder in Deutschland sein will oder doch noch in Irland verlängern will. Puuh, dieses Ungewisse wäre ja gar nichts für mich.
Frieda Bergmann schafft es sogar, dass ich zeitweise mal Mitgefühl für die "böse Hexe" dieser Geschichte empfand. Allerdings nur ganz kurz, sobald sie dann eine Dienstreise nach der anderen antritt ohne richtig ihr wenige Monate altes Baby zu sehen, war mein Mitgefühl dann auch schon wieder passé.

Veröffentlicht am 28.03.2019

Psychoanalytische Opferbetrachtung

Liebes Kind
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Ich hab die Kurzbeschreibung nur angelesen, denn ich wollte keinerlei Spoiler haben. War auch die absolut richtige Entscheidung, denn so wurde ich schließlich umso mehr überrascht. Was für mich bei einem ...

Ich hab die Kurzbeschreibung nur angelesen, denn ich wollte keinerlei Spoiler haben. War auch die absolut richtige Entscheidung, denn so wurde ich schließlich umso mehr überrascht. Was für mich bei einem guten Thriller immens wichtig ist.

"Liebes Kind" ist ein Thriller der besonderen Art, denn er beginnt dort, wo die meisten andere Bücher enden. Mit der Flucht aus der Waldhütte. Und danach konzentriert er sich auch nicht auf polizeiliche Ermittlungen, sondern begleitet 3 unmittelbar Betroffene, und wie sie mit der ganzen Situation umgehen. In Rückblenden erfährt der Leser dennoch, wie das Leben in der Hütte so in etwa ablief. Aber der Fokus ist ganz klar auf das seelische (Wohl-)Befinden der Betroffenen. Das ja gar nicht so 'wohl' ist wie man es sich als Außenstehender sicherlich meist denkt. "Jetzt ist ja alles vorbei, alles wieder gut." Für die Opfer aber eben nicht, aus verschiedenen Gründen. Die Kinder kannten nur das Leben in der Hütte, kannten nur diese 2 Erwachsenen dort als Bezugspersonen, die zu ihnen immer liebevoll waren. Nichts davon ist jetzt mehr da, in ihrer vermeintlichen "Freiheit". Hier gelten plötzlich ganz andere Regeln als die, die ihnen eingebläut wurden. Wie sollen sie sich da bloß zurecht finden, wenn nichts mehr vertraut ist...

Aber auch die posttraumatischen Belastungsstörungen bei Erwachsenen, die eine Entführung, Gefangennahme, Erniedrigung, Schläge und sonstige Grausamkeiten ertragen mussten, ist sehr heftig. Das wird von der Autorin hier ziemlich gut dargestellt, und kommt in Büchern eigentlich viel zu selten vor (auch wenn ich vor nicht allzu langer Zeit im "dunklen Garten" von Tana French über eine sehr ähnliche Thematik gelesen habe).

Ich fand die Gefühle und Gedanken aller drei Personen, denen wir als Leser begleiten, sehr gut beschrieben und es fühlte sich für mich authentisch an. Am interessantesten fand ich dabei die Schilderungen von Hannah, aber auch ihre Art und Weise faszinierte mich. Ich habe das Buch in einer Leserunde gelesen, und die Autorin verriet dort, dass sie sich durchaus von Natascha Kampusch inspirieren ließ und dass sie von deren Stärke beim 1. Fernsehinterview direkt nach ihrer Flucht beeindruckt war. Hier in Österreich ist dieser Fall natürlich sehr präsent gewesen, auch ich habe das Interview im ORF damals gesehen und war ebenfalls überrascht davon, wie aus dem 10jährigen entführten Mädchen so eine reife 18jährige geworden ist, die sich stets überlegt und vor allem gut auszudrücken wusste. Und ich habe es auch nie verstanden, wieso Natascha Kampusch dann genau für diese Stärke, die sie zeigte, von vielen plötzlich angefeindet wurde und ihre Opferrolle in Frage gestellt wurde. Aber ich schweife ab...

Ambivalente Gefühlte hatte ich in diesem Buch eigentlich nur gegenüber Jasmin.

~~~(Vorsicht - ab hier werden wichtige Details verraten! SPOILER!
Ich kann überhaupt nicht verstehen, wieso sie sich kein bisschen mehr für die Kinder interessiert hat, sobald sie aus der Hütte draußen war. Sie hat sie zwar noch aufgefordert, mit ihr zu kommen. Als sie das aber nicht sofort taten, ist sie alleine losgerannt und hätte die beiden ihrem Schicksal überlassen. Auch nach der Rettung dann hat sie sich nicht nach ihnen erkundigt. Irgendeine Bindung muss sie doch zu ihnen während der 4 Monate dort aufgebaut haben. Und die 2 haben sie immerhin als Mutter angesehen! Aber gut, das war vielleicht ihr Charakter, den die Autorin mit Absicht so angelegt hat.
Doch vom rein logischen Standpunkt her fand ich es nicht schlüssig, dass Jasmin der Polizei nicht verrät, dass das Phantombild nicht den Entführer sondern den Autofahrer zeigt. Sie hatte so große Angst, fühlte sich selbst in ihrer Wohnung unsicher. Und sagt der Polizei dann nicht, dass der Entführer doch noch frei rumläuft? Wieso ist sie nicht wenigstens sofort aus der Wohnung verschwunden, nachdem die Polizei weg war? Wohl wissend, dass jeder leicht ihre Adresse über das Internet heraus finden könnte, so auch der Entführer. Stattdessen legt sie sich schlafen... Aber auch das könnte man ihrer allgemeinen Gemütsverfassung zuschreiben.
Die größte logische Unstimmigkeit war für mich jedoch, wieso der Entführer Jasmin nach dem Autounfall laufen lässt. Wieso ruft er sogar einen Krankenwagen? Hat er keine Angst, aufzufliegen? Dass sie ihn irgendwann identifizieren kann? Und wieso will er jemanden, der ja offensichtlich schon mehrmals 'Ärger' gemacht hat während der Gefangenschaft, der öfter Anfälle hatte und ihm schon einmal nach dem Leben getrachtet hat, wieder als seine Frau haben - statt sich eine neue, andere, passendere zu suchen?
SPOILER ENDE~~~

Trotz dieser 'Anmerkungen' war es ein extrem gutes Buch, das mir noch länger im Gedächtnis bleiben wird. Das Konzept der Geschichte fand ich gut und neuartig. Selbst wo keine imminente Gefahr drohte, wie bei anderen Krimis, war das Buch durchweg spannend weil man als Leser wissen wollte "Wieso? Warum? Wer? Wie (viele)?" Und es kommt alles zu einem schlüssigen Ende.
Ich habe auch lange mit mir gerungen, ob ich 5 oder doch nur 4,5 Sterne vergebe. Ob ich das kreative Konzept der Geschichte mehr honoriere als das bisschen Verbesserungspotential, das ich sehe. Schlussendlich habe ich die Bewertung im Vergleich zu meinen anderen gelesenen Büchern vorgenommen.

Ein letzter Satz zur Printausgabe. Das Cover ist toll gestaltet, mit 'verkohlter' Schrift und Flecken, die sich auch genauso verkohlt anfühlen. Das fällt auf jeden Fall auf und war in der Herstellung sicherlich aufwendig. Großes Lob an den Verlag, dass sie diesen Aufwand dennoch auf sich genommen haben. Doch so toll ich das haptische Erlebnis auch finde - was hat es in diesem Fall mit der Story zu tun?

Veröffentlicht am 08.03.2019

Die Waldviertler Golden Girls

Rückwärtswalzer
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Wer bei diesem Buch eine Anleitung für einen bisher unbekannten Gesellschaftstanz, den man bei der nächsten Ballsaison ausprobieren möchte, vermutet, der könnte eventuell etwas enttäuscht werden. Oder ...

Wer bei diesem Buch eine Anleitung für einen bisher unbekannten Gesellschaftstanz, den man bei der nächsten Ballsaison ausprobieren möchte, vermutet, der könnte eventuell etwas enttäuscht werden. Oder aber er/sie lässt sich stattdessen einfach ein auf diese tragikomische Familiengeschichte der Prischingers (und deren Anhang).

Bis es zum in der Kurzbeschreibung versprochenen Road Trip nach Montenegro kommt, vergeht allerdings schon das halbe Buch. Das macht aber nichts, denn so lernen wir Onkel Willi immerhin noch gut kennen. Ein sehr sympathischer Zeitgenosse, herzensguter Freund, Onkel und Vater, und vor allem der so dringend benötigte Ruhepol zwischen den drei Schwestern, die oftmals aufgeregt wie kopflose Hühner agieren.

Ich konnte mich mit so vielen Dingen in diesem Buch identifizieren. Mit Lorenz' Beschreibung wie man ursprünglich nach einer Aufbewahrung für eine Kuscheldecke sucht und dann schwuppdiwupp 20 andere Artikel im Online-Warenkorb hat (der sich ja nie so voll anfühlt wie einer, den man vor sich herschiebt!) - nur nicht die Aufbewahrungslösung. Oder wie jeder Essensrest in Tupper verpackt wird (und zwar in die passende Schüssel oder Dose bittesehr, auf keinen Fall zu groß, das wäre ja reine Platzverschwendung!). Mirls Wohnung in der Nähe der Paulanerkirche muss in unmittelbarer Nähe meiner 1. + 2. Wohnadresse in Wien gewesen sein, auch ich habe den 4. Bezirk mit dem Kinderwagen vermessen, und bin nicht selten auch in der Wohnung noch weiter mit dem Wagerl rumgefahren. In meiner 1. Wohnung hier waren Badewanne und Waschbecken auch hinter einem Vorhang in der Küche versteckt, weil es zur Bauzeit des Hauses vor über 200 Jahren noch gar keine Badezimmer gegeben hat. Immerhin war bei uns eine Toilette innerhalb der Wohnung nachgerüstet.
Das Buch bietet also reichlich Lokalkolorit, was ich sehr mag, und nebenbei erfährt man auch kleine Details aus der österreichischen Geschichte (Atomkraftwerk Zwentendorf, die Angst nach Tschernobyl vor verseuchtem Essen, diverse Politiker). Auch zahlreiche österreichische Wörter kommen vor, die dem Roman einen regionalen Stempel aufdrücken und mit denen ich vor 17 Jahren noch nichts anzufangen gewusst hätte. Der Kontext hilft dann aber eh bei der Deutung.

Gänzlich unbekannt war mir allerdings das Wort "Manen" aus dem Untertitel. Dabei handelt es sich um die Geister der Toten (in der römischen Mythologie), die besänftigt werden müssen indem man die Toten ehrt und würdig bestattet. Genau das haben dann auch Lorenz und seine 3 Tanten mit Onkel Willi vor, und spielen dabei ein bisschen "Immer Ärger mit Bernie" nach. Diese Szenen aus der heutigen Zeit sind eher humorvoll angehaucht, vor allem wenn die Tanten im Dreierpack auftreten wird es meist sehr amüsant (Brote schmieren im Großmarkt, 'Natürlich haben wir unsere Reisepässe, Lorenz!', Schminkaktion mit den bulgarischen Pflegekräften, Bestechung der Grenzbeamten mit Kuchen).

Diese humoristische Note ist auch nötig, denn Tragisches gibt es in der Vergangenheit der Familie schon genug. Mirl muss den widerlichen Geruch ihres Ehemannes aushalten sowie seine unersättliche Lust auf ihr Popscherl. Hedi führt im Kloster ein unwürdiges Leben, während Wetti unerwünschte Besuche des Tierarztes erdulden muss. Und dann ist da auch noch die Sache mit ihrem kleinen Bruder Nenerl. All das und noch einiges mehr erfährt der Leser in episodenhaft eingestreuten Rückblenden, die in den 50er Jahren beginnen und so ausschnittsweise einen Einblick in das Leben der Prischinger Maderln gewähren.

Die mehrfachen Referenzen zu Bären hat mich an John Irvings "Hotel New Hampshire" erinnert, in dem es ja um eine ähnlich illustre Familie geht (die sogar eine zeitlang in Wien lebt).
Ich würde nicht sagen, dass sich der Schreibstil von Irving und Vea Kaiser sehr ähnelt, aber beide Autoren verbindet ein Hang zu außergewöhnlichen Familiengeschichten gepaart mit einer gewissen (unfreiwilligen) Komik. Und absolut lesenswert sind sie auch beide!