Ein wunderschöner, berührender, wichtiger Roman!
Dieses war mein erster Roman der Autorin Lilli Beck, von der ich bereits viel Positives hinsichtlich ihres vorherigen Werkes "Glück und Glas" gehört hatte. Meine Erwartungen sind nicht enttäuscht worden ...
Dieses war mein erster Roman der Autorin Lilli Beck, von der ich bereits viel Positives hinsichtlich ihres vorherigen Werkes "Glück und Glas" gehört hatte. Meine Erwartungen sind nicht enttäuscht worden – "Mehr als tausend Worte" ist ein literarisches Meisterwerk, das mich tief bewegt und völlig in den Bann gezogen hat. Auch lange nach dem Lesen des Romans wirkt das Schicksal der fiktiven Familie Landau, stellvertretend für das vieler Juden zur Zeit des Nationalsozialismus, nach – nicht zuletzt aufgrund einer überraschenden Wendung, die der Geschichte eine ganz neue Dimension verleiht.
Berlin, 1938. Die sympathische Hauptfigur Aliza ist siebzehn Jahre jung und erlebt gerade das Hochgefühl der ersten Liebe mit Fabian, einem Deutschen, der sich nicht an ihrer jüdischen Herkunft stört. Zwar nimmt der Hass auf die Juden im Land immer bedrohlichere Außmaße an, aber als Alizas Familie sie für einen Kindertransport nach England anmeldet, wehrt sie sich zunächst mit Händen und Füßen. Ihre Familie – und Fabian – verlassen? Unmöglich! Doch Alizas Eltern sind überzeugt, dass sie ihre Tochter nur auf diesem Weg in Sicherheit bringen können. Und während Aliza sich fortan in einem fremden Land zurechtfinden muss, bricht in ihrer Heimat die Hölle los…
Erzählt wird aus mehreren Perspektiven, sogar aus der eines Antagonisten. Wir erleben, wie Aliza in die englische Kultur eintaucht, während ihre Familie in Deutschland gegen immer härtere Auflagen kämpfen muss. Fabian wird als Soldat in den Krieg eingezogen und bis zum Schluss saß ich auf glühenden Kohlen, ob das junge Paar sich jemals wiedersehen wird. Die Persepktivenwechsel erfolgen stets sehr stimmig; ich hatte beim Lesen nie das Gefühl, abrupt aus dem jeweiligen Handlungsstrang herausgerissen zu werden. Weiterhin hat mir sehr gefallen, dass der Fokus hauptsächlich auf Alizas Sichtweise lag.
Dieser Roman strotzt vor Charakteren, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Manche habe ich bewundert, andere hätte ich am liebsten zum Teufel geschickt – auch das ist eine Kunst: Figuren zu erschaffen, die solch starke Emotionen in den Lesern erzeugen. Bei der Ausarbeitung der Charaktere hat die Autorin viel Wert darauf gelegt, auch die Bösewichte so facettenreich und vielschichtig zu gestalten, dass hin und wieder deren gute Eigenschaften hindurchschimmern und aufzeigen, dass es sich auch bei den Widersachern immer noch um Menschen handelt. Aufgrund dieser realitätsnahen Darstellung obliegt es letztlich den Lesern, sich ein eigenes Urteil zu bilden.
Diese Vielseitigkeit trifft im Grunde auf das gesamte Werk zu; für mich ist es ein historischer (Familien- und) Gesellschaftsroman über das dunkelste Kapitel Europas Geschichte, gespickt mit wundervollen Lichtblicken – Freundschaft, Liebe und Hoffnung.
Der angenehme, sehr bildreiche Schreibstil sowie realistische, glaubwürdige Dialoge machen diesen Roman zu einem absoluten Leseerlebnis. Bemerkenswert ist die intensive Recherche, welche die Autorin zum historischen Hintergrund der Story betrieben hat; zahlreiche Details zum Alltagsleben, die mir (- obwohl ich regelmäßig Bücher zur deutschen Vergangenheit lese -) noch nicht bekannt waren, sind in die Geschichte eingeflochten worden und machen das Schicksal der Figuren umso realer, greifbarer. Auch meine Liebe zur englischen Kultur ist völlig neu entfacht worden.
Fazit: Ein wichtiges Buch zur Vergangenheitsbewältigung, fesselnd und einfühlsam geschrieben und eindrucksvoll intensiv recherchiert. Trotz ernstem Hintergrund überwiegt nicht die Negativität. Bravo!