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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.04.2019

Eine lebenslange Trauer und ihr Ende

Der Fall Collini
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Caspar Leinen ist seit wenigen Monaten Anwalt. Ihm wird als Pflichtverteidiger ein Fall übertragen. Als er erfährt, dass das Opfer der Großvater seiner Jugendliebe Johanna ist, den er als Hans Meyer und ...

Caspar Leinen ist seit wenigen Monaten Anwalt. Ihm wird als Pflichtverteidiger ein Fall übertragen. Als er erfährt, dass das Opfer der Großvater seiner Jugendliebe Johanna ist, den er als Hans Meyer und nicht als Jean Baptiste Meyer kannte, will er das Mandat niederlegen. Doch das ist nicht so einfach und so sucht Leinen nach den Gründen für Collinis Tat. Was er entdeckt, verändert alles …

Fast fehlen mir die Worte – dieses Hörspiel ist einfach extrem bewegend. Es fängt recht harmlos an, steigert sich aber sehr schnell durch die Entdeckung, dass Hans Meyer eigentlich Jean Baptiste heißt, wächst sich immer mehr aus und zieht dann immer mehr den Boden unter den Füßen des Lesers/Hörers weg. Was Leinen herausfindet – teils mit Zufällen, die ein bisschen schwach sind für die Klasse der Story – kann niemanden kalt lassen. Die Vorstellung, welche Ungerechtigkeit vielen Opfern zuteilwurde, macht mich wütend und traurig, sprach- und hilflos. Die Tat Collinis ist schlimm, das streite ich nicht ab, doch was andere taten, welche Ungerechtigkeit Collini und seiner Familie widerfahren ist, ist noch schlimmer.

Der Stil ist genial. Hier wird nicht mit der üblichen Art von Spannung gespielt. Man weiß, wer der Täter ist. Man weiß nur nicht, wieso er tat, was er tat. Nur Leinens Neugier, sein unbedingter Wille, herauszufinden, worin die Gründe liegen, seine Nachforschungen, seine „Wegbegleiter“ und die Entdeckungen machen die Wirkung der Story aus. Nur? Es ist große Kunst, die Ereignisse für sich sprechen zu lassen.

Auch wir, die wir die Gnade der späten Geburt erlebt haben, und dennoch nicht die Augen verschlossen haben vor den Gräueln des Zweiten Weltkrieges, informiert sind und alles dafür tun, dass sich das nie wiederholen wird, können noch immer schockiert werden. Denn was Schirach hier zum Thema macht, ist mir so nicht bewusst gewesen und ich denke, das geht nicht wenigen ebenso.

Das Hörspiel ist wunderbar gelungen. Die Teile mit den Textstellen der Schauspieler sind sehr gut gewählt, in allen Belangen, den Stellen selbst und der Masse. Stephan Schad ist ein wunderbarer Sprecher, der die Betonung und Wortmelodie wunderbar setzt.

Mich hat die Story rundum beeindruckt. Sie hinterlässt ein starkes Echo und ich lege jedem nahe, das Buch zu lesen, das Hörspiel oder Hörbuch zu hören oder den Film zu sehen. Aufarbeitung kann nervig sein, aber diese Story ist in meinen Augen wichtig. Fünf Sterne!

Veröffentlicht am 28.04.2019

Seidenhändler, Konstrukteure, Flugmaschinen – Pandolfos Leben

Pandolfo
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Pandolfo entkommt mit knapper Not dem sicheren Tod. Der Seidenhändler Bellapinata findet ihn schwerverletzt und pflegt ihn bei sich zu Hause im Palast gesund. Pandolfo erinnert sich an nichts. Sein neues ...

Pandolfo entkommt mit knapper Not dem sicheren Tod. Der Seidenhändler Bellapinata findet ihn schwerverletzt und pflegt ihn bei sich zu Hause im Palast gesund. Pandolfo erinnert sich an nichts. Sein neues Leben ist schön, aber er hätte schon gern die Erinnerung an sein vorheriges Leben zurück. Also begibt er sich auf die Suche. Dabei erlebt er die erstaunlichsten Dinge. Nur langsam dämmert ihm, dass sein Wohltäter auch eine dunklere Seite hat …

Die Story selbst ist kunterbunt und vielseitig. Es wird einfach nie langweilig. Das liegt nicht nur an den Ereignissen, die erstaunlicher nicht sein könnten, sondern auch am Stil von Michael Römling. Er schafft es wunderbar, die Leser in längst vergangene Zeiten zu versetzen, ohne dabei den Lehrmeister zu spielen, sondern liefert eine ordentliche Portion Humor mit. Genug, um unterhaltsam zu sein, aber so gut dosiert, dass es nicht ins Groteske kippt. Man merkt einfach, dass Wissen dahintersteckt und eine große Liebe zu dieser Zeit und vor allem Italien.

Alles, was für den Erfolg eines Buches wichtig ist, ist hier vereint. Es gibt Spannung und Liebe, Veränderung und Fortschritt, aber auch Entspannung und Ruhe. Alles ist so genial gemixt, dass man gar nicht aufhören mag und tief in Pandolfos Zeit und Welt eintaucht. Dass die Geschichte von Pandolfo selbst und noch zusätzlich von einem allwissenden Erzähler erzählt wird, macht das Ganze noch komplexer und dichter. Nur die vielen schwierigen italienischen Namen trüben bei mir ein wenig die Freude an der Geschichte, aber das ist eine persönliche Sache, kein echter Kritikpunkt meinerseits.

Das Ende ist raffiniert und wunderbar gelungen. Und obwohl ich kein riesen Fan historischer Romane bin, bin ich von diesem absolut begeistert. Sicher liegt es an der tollen Mischung aus echter Geschichte, erfundener Personen, Krimi und Liebe, Leben und Erfindung. Aber vor allem am Stil, der so erfrischend und unterhaltsam ist.

Frank Stöckle macht einen großartigen Job als Sprecher. Seine markante Stimme passt perfekt, finde ich. Ich mag ihn auch als Sprecher für Krimis (z.B. Lago Mortale), aber im historischen Bereich gefällt er mir noch mal so gut!

Fazit: Pandolfo hat mich auf Anhieb in seinen Bann gezogen und mich wunderbar unterhalten. Sehr schöne Wendungen und immer wieder überraschende Szenen bilden ein wahres Feuerwerk an Unterhaltung. Ich bin super gut unterhalten worden und gebe die vollen fünf Sterne.

Veröffentlicht am 21.04.2019

Warum sind Leichtathletikbahnen rot?

Hugo präsentiert 300 g unnützes Wissen für Dein Nonsens-Know-how
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Der Youtube-Hype geht recht spurlos an mir vorbei. Ich bin einfach nicht der Typ, der im Internet kleine Filmchen von „Influencern“ sieht. Ich lese ja auch keine Blogs. Ja, da bin ich wohl sehr altmodisch ...

Der Youtube-Hype geht recht spurlos an mir vorbei. Ich bin einfach nicht der Typ, der im Internet kleine Filmchen von „Influencern“ sieht. Ich lese ja auch keine Blogs. Ja, da bin ich wohl sehr altmodisch und der Zeit hinterher. Mag sein. Das wirklich Gute, das solche Seiten hervorbringen, ist unter all dem Schrott so schwer zu finden – aber zum Glück finden es andere für mich. So wie Hugo. Den hat der Heel-Verlag gefunden und ein Buch aus den Fragen und Antworten gemacht, die ihm gestellt und die er beantwortet hat. Wunderbar!

Witzig und informativ, so ausführlich wie nötig und so knapp wie möglich werden Fragen beantwortet, die man als dumm bezeichnen könnte – aber dabei würde man einen Fehler machen. Denn da sind wirklich interessante Informationen zusammengekommen. Und bei so einigen Fragen stellt man sich die Frage, warum man sich selbst darüber bisher eigentlich noch keine Gedanken gemacht hatte. Und am Ende ist man definitiv ein bisschen schlauer – da macht es nicht viel aus, dass man das Wenigste davon im Alltag, dem täglichen Leben, benötigt. Wissen ist eben Macht!

Es finden sich so schöne Fragen (und die Antworten natürlich dazu) wie:
- Wie viele MonChérie muss man essen, um durch den Alkoholtest zu fallen?
- Warum tragen Piraten eigentlich eine Augenklappe?
- Wie viele Sterne hat das Universum?
- Warum haben BIC-Kugelschreiber ein kleines Loch in der Mitte?
- Warum werden harte Kekse weich und umgekehrt?
- Wie heißt McGyver mit Vornamen?
Wer kann die schon ohne Nachzulesen beantworten?

Jede Frage ist mit Grafiken aufgepeppt. So macht das Buch auch optisch riesig Spaß. Und die Antworten kann man sich erstaunlicher Weise viel besser merken, als den Stoff in der Schule! Na, das lässt ja tief blicken!

Mir hat das Buch jedenfalls absolut gut gefallen – deshalb bekommt es auch die vollen fünf Sterne.

Veröffentlicht am 20.04.2019

Mein Lieblingsgespenst gelesen von meinem Lieblingssprecher

Das Gespenst von Canterville
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Sir Simon sorgt seit 300 Jahren im Schloss von Canterville für Angst und Schrecken. Nur der amerikanische Botschafter Otis und seine Familie glauben an solche Märchen nicht. Also kaufen sie kurzerhand ...

Sir Simon sorgt seit 300 Jahren im Schloss von Canterville für Angst und Schrecken. Nur der amerikanische Botschafter Otis und seine Familie glauben an solche Märchen nicht. Also kaufen sie kurzerhand das Anwesen und ziehen ein. Sir Simon kann und will sich das nicht gefallen lassen und zeigt der Familie, was es heißt, sich mit einem Gespenst anzulegen. Doch die frechen Zwillinge finden das spaßig und spielen ihrerseits dem armen Sir Simon so manchen Streich, sodass dieser an den Rand seiner Kräfte kommt. Nur die Tochter Virginia hat ein Herz für Sir Simon und so verläuft die Begegnung von Mensch und Gespenst völlig anders, als Sir Simon das bisher kannte …

Ich liebe diese Erzählung von Oscar Wilde schon seit vielen Jahren. Gelesen, als Film, als Hörbuch – jede Variante gefällt mir sehr. Es fasziniert mich, wie ein Autor vor 130 Jahren die Begegnung der „Alten Welt“ mit der „Neuen Welt“ so herrlich satirisch verarbeitet hat. Schwächen und Stärken beider Seiten kommen meiner Meinung nach sehr schön rüber. Noch dazu ist Mitgefühl ein Thema und „Anderssein“ und das Anerkennen dessen. Miteinander, gegeneinander, Hass, Liebe, Verzeihen, Gnade, Erlösung – so viele Themen so schön verpackt.

Oliver Rohrbeck ist wie geschaffen für dieses Hörbuch. Auch wenn die „Die drei Fragezeichen“ lieber gelesen denn gehört habe, liebe ich seine Synchronstimme in vielen Film- und Serienrollen sehr. Ob als Theo Huxtable oder Richard Fish, als Zeichentrickfigur oder in Hörbüchern, ich mag diese Stimme sehr, denn sie ist wirklich unverkennbar. Dass Rohrbeck die Erzählung mag, hört man aus jedem Satz heraus. Er interpretiert „Das Gespenst von Canterville“ exakt so, wie ich es für mich sehe und liebe. Wie könnte ich also anders, als die vollen fünf Sterne zu geben?

Veröffentlicht am 19.04.2019

Zauberhaft und voller Überraschungen

Die verborgenen Stimmen der Bücher
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Emmet Farmer kämpft mit einer seltsamen Krankheit. Da kommt es seinen Eltern sehr gelegen, dass er bei der Buchbinderin Seredith eine Ausbildung absolvieren soll. Emmet ist aber verwirrt. Bücher wurden ...

Emmet Farmer kämpft mit einer seltsamen Krankheit. Da kommt es seinen Eltern sehr gelegen, dass er bei der Buchbinderin Seredith eine Ausbildung absolvieren soll. Emmet ist aber verwirrt. Bücher wurden von seinen Eltern immer geradezu gemieden und Emmet der Zugang verwehrt. Und jetzt soll er gerade diesen Beruf ergreifen? Noch dazu lässt ihn die alte Frau nicht in die Nähe der Bücher. Er hat immer nur mit ihren Kunden zu tun. Als die Buchbinderin stirbt, kommt Emmet schlagartig in größte Gefahr und erahnt, was es mit den Büchern auf sich hat …

Das Buch besteht aus drei Teilen. Ich muss gestehen, dass mir der erste Teil nicht wirklich gefallen hatte und ich erst mitten im zweiten Teil verstand, wie er sich ins Buch einfügt und wie wichtig (und im Nachhinein gut) dieser erste Teil ist. Als Leser/Hörer beginnt man, das Ausmaß zu erahnen und wird emotional sehr stark in die Geschichte eingebunden. Die Ereignisse werden wunderbar geschildert. So kann man nicht nur Emmet und Lucien verstehen, sondern auch Emmets Schwester verstehen. Was sich aber dann insgesamt entwickelt, ist zwar logisch in sich – und damit eigentlich vorhersehbar, auch wenn man es nicht vorher erahnte – aber dennoch unbeschreiblich ergreifend.

Die Krankheit von Emmet erscheint in einem anderen Licht. Auch Seredith lernt man mit anderen Augen zu sehen. Und obwohl sich die Geschichte unerwarteter Weise als eine Liebesgeschichte entpuppt, bin ich keineswegs enttäuscht. Denn bei näherer Betrachtung stecken so viele verschiedene, sich ergänzende Themen in der Story, dass man gebannt dranbleibt. Teils verliert sich Bridget Collins in zu viele Details und übergenaue Beschreibungen, wodurch leichte Längen entstehen, doch am Ende ist man einfach nur bereichert, überwältigt und nachdenklich. Das Buch hallt nach und lässt niemanden unberührt zurück, möchte ich behaupten!

Wer hat nicht irgendwelche Erinnerungen, die er loswerden wollen würde, um unbelastet weiterzuleben? Wer hat noch nicht so starken Liebeskummer erlebt, dass er körperliche Schmerzen dabei spürte? Wer hat noch nicht einen Menschen vorverurteilt, obwohl er nichts, aber auch gar nichts von ihm wusste und nur auf die Optik und Gerüchte gebaut hat? Aber wenn es etwas gäbe, all das zu vergessen – was könnten böse Menschen aus dieser Möglichkeit machen?

Für mich ist „Die verborgenen Stimmen der Bücher“ die Überraschung des Jahres schlechthin. Nicht nur, weil mich ein Buch aus einem Genre, das ich selten und nicht so sehr gern mag, regelrecht gefesselt hat, sondern auch, weil die Autorin eine wunderschöne Idee sehr erfolgreich umgesetzt hat, Spannung aufbauen und halten kann und eine sehr schöne Liebesgeschichte eingewebt hat. Noch dazu wird von ihr im letzten Teil die Geschichte aus Luciens Perspektive erzählt. Ein sehr gut gelungener Kunstgriff.

Trotz meiner anfänglichen Schwierigkeiten mit der Geschichte und den kleinen Längen zwischendurch bin ich insgesamt sehr beeindruckt und begeistert. Deshalb bekommt dieses Werk von mir auch trotz Kritik die vollen fünf Sterne. Das liegt nicht zuletzt auch an Frank Stieren, der einen großartigen Job geleistet hat. Er hat sowohl die Stimmung der Figuren, als auch die Atmosphäre der Story wunderbar transportiert.