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Veröffentlicht am 21.08.2017

Das letzte Fest auf Le Pluvier

Töte mich
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Der 68-jährige Graf Henri Neville ist bankrott. Das Familienschloss in den belgischen Ardennen, Le Pluvier, kann er nicht mehr länger halten; aber bevor seine Familie es endgültig verlassen muss, möchte ...

Der 68-jährige Graf Henri Neville ist bankrott. Das Familienschloss in den belgischen Ardennen, Le Pluvier, kann er nicht mehr länger halten; aber bevor seine Familie es endgültig verlassen muss, möchte er noch ein letztes seiner legendären Feste abhalten.
Kurz vor dieser Garden Party aber wird seine Tochter Sérieuse von einer Wahrsagerin im Wald aufgegriffen. Bei dieser Gelegenheit wird im prophezeit, er werde auf der Feier einen seiner Gäste töten – wirklich unerhört.

Viel mehr Details möchte ich nicht nennen, denn das nur 110 Seiten starke Büchlein (großzügig bedruckt) soll noch ein paar Überraschungen offenhalten.
Leider finde ich, dass der Klappentext schon viel zu viel verrät, denn natürlich lässt sich auf so begrenztem Platz nicht wesentlich mehr erzählen – ich fühlte mich sehr an Kurzgeschichten erinnert.

Gut gefallen hat mir hingegen Nothombs Art zu schreiben – nicht anspruchslos, wozu die ein oder andere Anspielung beitragen mag, aber nichtsdestotrotz sehr angenehm und flüssig zu lesen - und der leise, trockene Humor, der gelegentlich trotz des ernsten Problems, mit dem sich Graf Neville herumplagte, durchklang.

Leider war der Fokus etwas anders gesetzt als ich es erwartet hatte: sehr viel Raum wird darauf verwendet, Graf Nevilles Leidenschaft für das Gastgeben, die Fesseln seines Standes und seine Bemühungen, den Schein zu wahren, zu beschreiben.
Wegen des Titels, des Covers und der Inhaltsbeschreibung ging ich davon aus, wesentlicher Bestandteil des Romans wäre Sérieuses Empfindungslosigkeit und ihr Wunsch, getötet zu werden. Allerdings wurden diese Punkte nur am Rande thematisiert, wodurch ihr Handeln eher bizarr und unnachvollziehbar wirkte. Einen wirklichen Einblick in ihre Gedanken- und (Nicht-)Empfindungswelt erhält man nicht.
Auch mit dem Grafen konnte ich nicht so recht warm werden, was aber sicher so beabsichtigt ist – immerhin ist er auch der Einzige, der konsequent beim Nachnamen genannt wird.
Durch diese Erwartungshaltung wurde mein Lesevergnügen leider etwas geschmälert. Wer sich von dem Roman aber nicht erhofft, allzu viel über Sérieuse zu erfahren, wird mit dem kauzigen, in seiner Rolle des Adligen gefangenen Grafen sicher gute Unterhaltung finden.

Veröffentlicht am 16.10.2017

Klamaukige Dystopie

QualityLand
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Deutschland in nicht allzu ferner Zukunft: im mittlerweile zu „QualityLand“ umbenannten Staat wurden alle Bereiche des täglichen Lebens optimiert. Jeder noch so kleine Gedanke oder Handgriff wird von Maschinen ...

Deutschland in nicht allzu ferner Zukunft: im mittlerweile zu „QualityLand“ umbenannten Staat wurden alle Bereiche des täglichen Lebens optimiert. Jeder noch so kleine Gedanke oder Handgriff wird von Maschinen übernommen. Maschinenverschrotter Peter führt ein recht unspektakuläres Leben in QualityCity, bis passiert, was nicht passieren dürfte: eine Drohne liefert ihm ein unerwünschtes Produkt von The Shop, und das, obwohl der beliebteste Versandhändler doch ganz genau weiß, was der Kunde will- besser als dieser selbst!

Umgeben von lauter Kling-Fans habe ich trotz wärmster Empfehlungen bisher keinen der Känguru-Romane gelesen, doch meine Erwartungshaltung war dadurch natürlich riesig.
Auch, aber nicht nur vor diesem Hintergrund konnte mich der Roman leider nicht packen.

Zunächst bereitete der Schreibstil mir kleinere Probleme. Kurze, abgehackte Sätze im Präsens fand ich für einen Roman eher unpassend; es kam mir streckenweise vor, als hätte Kling hier für seine Hörbuch-Fans und nicht für den Leser geschrieben.

Über den Humor lässt sich wohl streiten. Meiner wurde nicht ganz getroffen. Stellenweise wurde ich wirklich gut unterhalten, manche Stellen hingegen waren für mein Empfinden eher bemüht und ein bisschen platt. Vielleicht wäre weniger mehr gewesen.

Ebenfalls habe ich mich an den häufigen Erklärungen gestört. Natürlich ist Peter ziemlich unbedarft, und so kann man ihm – und, oh, wie praktisch, auch dem Leser! – alles Mögliche erläutern. Meist geschieht das auf eine unterhaltsame Art und Weise, dennoch war ich etwas pikiert, wie wenig Kling seinen Lesern manchmal zutraut. Auch mir war nicht alles bekannt, so habe ich mich gefreut, ein paar Dinge dazuzulernen, doch manche Ausführungen wären in meinen Augen nicht nötig gewesen. Immerhin merkt man, dass der Autor großes Interesse mitbringt und sich ausführlich belesen hat.

Der Autor bringt viele gute Ideen zusammen und steuert auch selbst einige interessante Überlegungen bei, doch für sich genommen erfahren wir hier wenig Neues. Wer ein wenig technik- und internetaffin ist, kennt die grundsätzlichen Probleme um Filterblasen, Echokammern, Datenkraken, gläserne Bürger und ähnliche Schattenseiten des modernen Lebens. Immerhin werden diese Aspekte konsequent weitergedacht und taugen doch für ein paar Lacher. Ebenfalls positiv aufgefallen sind mir die zahlreichen Anspielungen und Details, die der Autor gern einstreut.

Gefallen hat mir die Aufmachung des Romans und die Idee, zwei verschiedene Versionen mit unterschiedlichen Zwischenseiten (Werbung und Alltägliches aus QualityLand) herauszugeben.

Wenn man sich keinen bitterbösen, subtilen, augenöffnenden Roman erhofft, sondern auch mit stellenweise klamaukiger, netter Unterhaltung klarkommt, sicher keine schlechte Wahl.
Ein spärlicherer Gebrauch des Zeigefingers wäre für meinen Geschmack aber angenehmer gewesen. Ich persönlich habe aus dieser dystopischen Satire daher nicht viel Nachdenkenswertes mitgenommen, aber immerhin war es eine kurzweilige und im Großen und Ganzen witzige Lektüre.

Veröffentlicht am 24.05.2017

Hielt leider nicht, was es versprach

Der Brief
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Marie führt mit ihrer Freundin Johanna ein ganz normales, glückliches Leben als Journalistin in Hamburg. Ihr Alltag wird jedoch durcheinandergewirbelt, als sie einen Brief von ihrer alten Schulfreundin ...

Marie führt mit ihrer Freundin Johanna ein ganz normales, glückliches Leben als Journalistin in Hamburg. Ihr Alltag wird jedoch durcheinandergewirbelt, als sie einen Brief von ihrer alten Schulfreundin erhält, der an eine andere Version ihrer selbst gerichtet zu sein scheint. Diese Marie leitet gemeinsam mit ihrem Mann Victor eine Galerie in Paris.
Was anfangs noch wie ein Missverständnis wirkt, wird zunehmend mysteriöser, und so beginnt Marie, nachzuforschen.

Die Grundthematik des Romans, so wird auch die Autorin im Klappentext zitiert, dreht sich um die Frage „Was wäre wenn…?“. Wo stünde man, hätte man sich an bestimmten Punkten seines Lebens für einen anderen Abzweig entschieden? Diese häufig aufgegriffene Überlegung behandelt Carolin Hagebölling auf eine recht erfrischende Art und Weise.
Durch den sehr flüssigen, unkomplizierten Schreibstil (in den Dialogen manchmal für meinen Geschmack etwas zu holprig-umgangssprachlich) war das Büchlein schnell gelesen.

Die Figuren wirkten im Großen und Ganzen glaubhaft und sympathisch, auch wenn sie ab und zu knapp am Klischee vorbeischrammten und auf 220 Seiten natürlich wenig Raum bleibt, sich ihnen sonderlich verbunden zu fühlen.

So gut ich den Ausgangspunkt fand, so vorhersehbar wurde es leider; nach dem ersten Anstoß verlief die Geschichte exakt so wie gedacht.
Lediglich das Ende konnte mich überraschen, doch auf eher unbefriedigende Art. Während der Lektüre fragte ich mich immer wieder, wie die Autorin DAS denn nun am Ende erklären würde – die Antwort lautete schlicht und ergreifend: gar nicht. Sicher ist die Botschaft auch ohne eine „große“ rationale Auflösung klar verständlich, darauf gehofft hatte ich dennoch. Die Fragen, die ich mir nach der Leseprobe stellte und die mich so neugierig auf das Buch machten, blieben unbeantwortet.

Veröffentlicht am 26.02.2017

Zwischen Heimat und Neuanfang

Betrunkene Bäume
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Katharina, Abiturientin, ist kürzlich aus der Wohnung ihrer Mutter ausgerissen und weiß nicht so recht, wie ihr weiterer Lebensweg verlaufen soll.
Erich ist jenseits der 80; längst im Ruhestand kann er ...

Katharina, Abiturientin, ist kürzlich aus der Wohnung ihrer Mutter ausgerissen und weiß nicht so recht, wie ihr weiterer Lebensweg verlaufen soll.
Erich ist jenseits der 80; längst im Ruhestand kann er sich nicht von seiner Arbeit und seinen geliebten Bäumen trennen.
Als sich die Wege der beiden kreuzen, erkennen sie, dass sie zwei Dinge verbinden: der Wunsch nach einer Bezugsperson, die weder urteilt noch bevormundet, und die Sehnsucht nach einer nahestehenden Person in Sibirien.

Es dauert eine Weile, bis die beiden zueinander finden, und so kamen mir die Kapitel über Katharinas Alltag etwas zu jugendbuchartig und nicht sonderlich innovativ vor.

Teilweise musste ich bei Sprüngen innerhalb eines Kapitels etwas stutzen, weil mir nicht auf den ersten Blick klar wurde, von wem die Rede war - auch die Grenzen zwischen der Gegenwart und Erichs Vergangenheit wurden so etwas verwischt, was ich aber als recht angenehm empfand.
Gern hätte ich mehr über die Geschehnisse in Sibirien erfahren, anhand der Leseprobe und der Kurzbeschreibung hatte ich mir dahingehend etwas mehr erhofft.
Etwas konstruiert schien mir die Schuld, die Erich auf sich geladen haben sollte, schien doch sein Verhältnis zu Wolodja ebenso wie Wolodjas Beziehung zu Dascha nicht sonderlich innig.
Unklar blieb mir auch, weshalb Erich einen Dolmetscher suchte und sich mit Wolodja nicht verständigen konnte: wie sollte er seine Schullaufbahn und ein anschließendes Studium in der DDR ohne den obligatorischen Russischunterricht bewältigt haben?

Ada Dorian schreibt recht entspannt, zwischen all der Melancholie sieht man stets den Schimmer eines Neuanfangs.
Ein ruhiges Buch, das am Rande sogar noch ein paar kleine interessante Fakten vermitteln kann.

Veröffentlicht am 29.04.2019

Die Mauer

Die Mauer
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Der Meeresspiegel steigt, die Ressourcen werden knapp und Großbritannien schützt sich mit einer die komplette Küste umspannenden Mauer gegen die „Anderen“ – Menschen, die hoffen, auf der Insel eine Zuflucht ...

Der Meeresspiegel steigt, die Ressourcen werden knapp und Großbritannien schützt sich mit einer die komplette Küste umspannenden Mauer gegen die „Anderen“ – Menschen, die hoffen, auf der Insel eine Zuflucht zu finden.
Jeder junge Mensch ist zu einem zweijährigen Wachdienst auf dieser Mauer verpflichtet, so auch Kavanagh, der Protagonist des Romans.
Das Leben auf der Mauer ist eintönig. Es ist kalt, die Schichten vergehen nur langsam. Dieses Gefühl kann der Autor sehr eindrücklich vermitteln – so werden die verschiedenen Arten von Kälte im Detail beschrieben und man kann über zwei Seiten miterleben, wie der Protagonist einen Müsliriegel verzehrt, wie oft er kaut und wie er sich nach einem Achtel, der Hälfte, respektive Dreiviertel der Mahlzeit fühlt.
Dabei bedient sich Lanchester sehr kurzer Sätze, was stellenweise etwas anstrengend wird. Ab und zu lässt er leichten Humor durchklingen.
Leider baut der Klappentext große Erwartungen auf, hinter denen das Buch zurück blieb. So wird es als kritisches Werk über Klimawandel, Brexit und Migration angepriesen, während diese Themen höchstens am Rand tangiert werden und vage bleiben. Relevant sind sie nur für den Rahmen der Handlung: Meeresspiegel steigt, daher weniger Platz, daher Mauer zu Abschottung. Wer sich mehr erhofft, wird enttäuscht. Im Mittelpunkt stehen Kavanagh, sein Liebesleben und sein täglicher Dienst – nicht das große Ganze. Die aktuelle politische Situation, die genauen Fehlentscheidungen, die zu der Misere geführt haben – irrelevant.
Dadurch kommt das Buch anfangs immerhin ohne erhobenen Zeigefinger aus, auch wenn die Moral der Geschichte später etwas zu offensichtlich vermittelt wird.
Aber auch Kavanagh ist eine recht blasse Figur, deren Frustration über das Versagen der älteren Generation zwar sehr glaubhaft vermittelt wird, die ansonsten aber eher eindimensional wirkt.

In Anbetracht des Klappentextes für mich also eher eine Mogelpackung, und auch wenn ich diesen ausblende, leider nur zähe Erlebnisse eines konturlosen Erzählers.