Wer bei diesem Buch eine Anleitung für einen bisher unbekannten Gesellschaftstanz, den man bei der nächsten Ballsaison ausprobieren möchte, vermutet, der könnte eventuell etwas enttäuscht werden. Oder aber er/sie lässt sich stattdessen einfach ein auf diese tragikomische Familiengeschichte der Prischingers (und deren Anhang).
Bis es zum in der Kurzbeschreibung versprochenen Road Trip nach Montenegro kommt, vergeht allerdings schon das halbe Buch. Das macht aber nichts, denn so lernen wir Onkel Willi immerhin noch gut kennen. Ein sehr sympathischer Zeitgenosse, herzensguter Freund, Onkel und Vater, und vor allem der so dringend benötigte Ruhepol zwischen den drei Schwestern, die oftmals aufgeregt wie kopflose Hühner agieren.
Ich konnte mich mit so vielen Dingen in diesem Buch identifizieren. Mit Lorenz' Beschreibung wie man ursprünglich nach einer Aufbewahrung für eine Kuscheldecke sucht und dann schwuppdiwupp 20 andere Artikel im Online-Warenkorb hat (der sich ja nie so voll anfühlt wie einer, den man vor sich herschiebt!) - nur nicht die Aufbewahrungslösung. Oder wie jeder Essensrest in Tupper verpackt wird (und zwar in die passende Schüssel oder Dose bittesehr, auf keinen Fall zu groß, das wäre ja reine Platzverschwendung!). Mirls Wohnung in der Nähe der Paulanerkirche muss in unmittelbarer Nähe meiner 1. + 2. Wohnadresse in Wien gewesen sein, auch ich habe den 4. Bezirk mit dem Kinderwagen vermessen, und bin nicht selten auch in der Wohnung noch weiter mit dem Wagerl rumgefahren. In meiner 1. Wohnung hier waren Badewanne und Waschbecken auch hinter einem Vorhang in der Küche versteckt, weil es zur Bauzeit des Hauses vor über 200 Jahren noch gar keine Badezimmer gegeben hat. Immerhin war bei uns eine Toilette innerhalb der Wohnung nachgerüstet.
Das Buch bietet also reichlich Lokalkolorit, was ich sehr mag, und nebenbei erfährt man auch kleine Details aus der österreichischen Geschichte (Atomkraftwerk Zwentendorf, die Angst nach Tschernobyl vor verseuchtem Essen, diverse Politiker). Auch zahlreiche österreichische Wörter kommen vor, die dem Roman einen regionalen Stempel aufdrücken und mit denen ich vor 17 Jahren noch nichts anzufangen gewusst hätte. Der Kontext hilft dann aber eh bei der Deutung.
Gänzlich unbekannt war mir allerdings das Wort "Manen" aus dem Untertitel. Dabei handelt es sich um die Geister der Toten (in der römischen Mythologie), die besänftigt werden müssen indem man die Toten ehrt und würdig bestattet. Genau das haben dann auch Lorenz und seine 3 Tanten mit Onkel Willi vor, und spielen dabei ein bisschen "Immer Ärger mit Bernie" nach. Diese Szenen aus der heutigen Zeit sind eher humorvoll angehaucht, vor allem wenn die Tanten im Dreierpack auftreten wird es meist sehr amüsant (Brote schmieren im Großmarkt, 'Natürlich haben wir unsere Reisepässe, Lorenz!', Schminkaktion mit den bulgarischen Pflegekräften, Bestechung der Grenzbeamten mit Kuchen).
Diese humoristische Note ist auch nötig, denn Tragisches gibt es in der Vergangenheit der Familie schon genug. Mirl muss den widerlichen Geruch ihres Ehemannes aushalten sowie seine unersättliche Lust auf ihr Popscherl. Hedi führt im Kloster ein unwürdiges Leben, während Wetti unerwünschte Besuche des Tierarztes erdulden muss. Und dann ist da auch noch die Sache mit ihrem kleinen Bruder Nenerl. All das und noch einiges mehr erfährt der Leser in episodenhaft eingestreuten Rückblenden, die in den 50er Jahren beginnen und so ausschnittsweise einen Einblick in das Leben der Prischinger Maderln gewähren.
Die mehrfachen Referenzen zu Bären hat mich an John Irvings "Hotel New Hampshire" erinnert, in dem es ja um eine ähnlich illustre Familie geht (die sogar eine zeitlang in Wien lebt).
Ich würde nicht sagen, dass sich der Schreibstil von Irving und Vea Kaiser sehr ähnelt, aber beide Autoren verbindet ein Hang zu außergewöhnlichen Familiengeschichten gepaart mit einer gewissen (unfreiwilligen) Komik. Und absolut lesenswert sind sie auch beide!