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Veröffentlicht am 31.01.2020

Zwischen Holzhammer und Zuckerguß

Das Knistern der Sterne
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Das Buch beginnt, trotz etwas holpriger Sätze, recht vielversprechend. Stella wacht im Zimmer einer Jugendherberge auf und begegnet einem freundlich-geheimnisvollen älteren Mann, der sich Balthasar nennt ...

Das Buch beginnt, trotz etwas holpriger Sätze, recht vielversprechend. Stella wacht im Zimmer einer Jugendherberge auf und begegnet einem freundlich-geheimnisvollen älteren Mann, der sich Balthasar nennt und sie auf eine Kreuzfahrt einlädt. Das hat genug Ungewöhnliches, um neugierig zu machen. Wir erhalten einige Andeutungen, daß Stella in einer Lebenskrise ist und erfahren nach und nach etwas mehr über sie. Das ist unterhaltsam und natürlich möchte man auch wissen, was es mit Balthasar und der Kreuzfahrt auf sich hat. Dieser möchte die Kreuzfahrt nämlich komplett abgeschieden in seiner Kabine verbringen, während Stella die Reise praktisch stellvertretend für ihn erleben und ihm jeden Abend beim Essen Bericht erstatten soll. Das Erzähltempo ist recht flott und es werden mehrere Themen angeschnitten, so daß man sich beim Lesen gut unterhalten fühlt. Irritierend fand ich lediglich Stellas sogenannte "Gabe". Sie muss jemanden nur berühren, um dessen Befinden, Probleme, Gefühle, etc. zu spüren, und zwar erscheinen ihr diese Informationen in Farben, Formen und Klängen. Das ist mir zu abgedreht, störte aber an der Stelle noch nicht weiter. So vergeht das erste Viertel des Buches nicht spektakulär, aber angenehm und macht gespannt auf diese Kreuzfahrt. Bewertungsmäßig hätte ich hier 3, eventuell knappe 4 Sterne vergeben.

Als die Kreuzfahrt beginnt, sinkt das Erzähltempo rapide ab. Wir entdecken mit Stella das Schiff, was zu Beginn noch Spaß macht, weil vieles ihr so ungewohnt ist und sie sich ein wenig fehl am Platz fühlt. Das Schiffsleben ist recht authentisch beschrieben. Stella beschließt nun, an jedem Tag der Reise einem Mitmenschen etwas Gutes zu tun. Das hätte das Potential einer interessanten Rahmenhandlung gehabt, uns unterschiedliche Schicksale nahegebracht und Stella bei ihrer eigenen Lebenskrise geholfen. Allerdings wird dieses Thema nicht wirklich durchgezogen. Stella setzt ihr Vorhaben auf der zweiwöchigen Reise insgesamt gerade mal viermal um und das auch eher nebenbei; man erfährt wenig über die Menschen und kann auch über Stellas Methoden manchmal nur den Kopf schütteln - in einem Fall besteht ihre "Hilfe" darin, den Gegenüber nach Kräften vor Kopf zu stoßen. So tröpfelt die "Gutes tun"-Geschichte ein wenig uninspiriert dahin und verliert sich in langatmigen Beschreibungen des Bordalltags. Stella geht frühstücken, steht an Deck, macht rum, liegt in der Sonne, geht zum Kochkurs, zum Yoga, zum Tanzkurs... dieser Mittelteil des Buches schleppt sich ziemlich und ich konnte hier nie mehr als 20 Seiten am Stück lesen, weil ich mich, ehrlich gesagt, einfach gelangweilt habe.

Auch der Schreibstil ist gewöhnungsbedürftig. Es gibt hier sehr viele richtig schöne Formulierungen, die herrlich bildhaft sind, manchmal gelungen humorvoll. Es gibt aber auch viele holprige Sätze und auch die ständige Verwendung des Namens "Stella" an Stellen, wo ein "sie" angenehmer gewesen wäre, wirkt unbeholfen. Beispielsatz: "Stella bekam den Zuschlag sofort, und obwohl sie sich trotz der (...) Klientel, die sie dort erwartete, freute, blieb Stella ganz ruhig."
Eine stilistische Schwachstelle waren für mich die täglichen Abendessen, die Stella mit Balthasar in dessen Kabine einnimmt. Diese sind geschrieben wie ein Tonbandprotokoll, also ausschließlich mit wörtlicher Rede. Das ist nicht mein Fall, kann aber angenehm lesbar sein, wenn es gut gemacht ist. Hier ist es für meinen Geschmack nicht gut gemacht. Die Dialoge beinhalten viel Nebensächliches und auf Dauer war es anstrengend, ständig den Austausch über das Essen zu lesen, der in der Art von "Was ist das? Oh Fisch. Den kenne ich nicht." - "Das ist xy-Fisch, der ...." - "Es schmeckt ungewöhnlich, aber gut." (Kein Zitat, sinngemäßes Beispiel). Dialoge in Büchern sollen entweder relevante Informationen vermitteln oder die Handlung voranbringen. Diese Dialoge tun das zum einem Großteil nicht und lesen sich auch nicht sehr flüssig, auch sonst sind die Dialoge insgesamt keine Stärke des Buches.

Ein Lichtblick war Stellas Freundschaft mit dem Jungen Luis. Diese ist eine Art roter Faden, wirkt nicht so sprunghaft wie viele andere Themen, und es gibt hier rührende Momente. Diese Freundschaft ist auch die einzige Beziehung des Buches, die mich überzeugen konnte.

Ich muß zugeben, daß ich ab der Mitte oft abbrechen wollte, insbesondere als Stella dann auch noch anfängt, sich selbst zu finden und die ersten gewollt philosophischen Kalendersprüche auftauchen, Stella eine tiefe Krise innerhalb von zwei Tagen bewältigt. Das zweite Drittel des Buches zog die Wertung auf 3 wackelige Sterne, aber ich hoffe noch auf einen interessanten letzten Teil und mehr Informationen über Balthasar.

Den letzten Teil fand ich aber leider geradezu unangenehm. Dank Stellas "Gabe" hat sie es geschafft, das Leben aller Leute, denen sie geholfen hat, völlig umzukrempeln und alle danken ihr überschwänglich und halten ausführliche Selbstfindungsmonologe mit Stilblüten wie: "Ich fühle mich, als hätte ich längst überflüssigen Ballast abgeworfen. Und wäre jetzt in der Lage, endlich loszufliegen." Eine zuckersüße Begegnung folgt der andern und die Botschaft ist ebenso süßlich: innerhalb von wenigen Tagen kann man alles ändern, wenn man denn nur will und den richtigen Stups bekommt. Da reicht ein Maskenball von wenigen Stunden, um einen Betrüger dazu zu bringen, sein Leben künftig der Hilfe für Suchtkranke zu widmen. Und wer diese einfache Botschaft noch nicht verinnerlicht, seine Persönlichkeit durch Teilnahme an einem Kochkurs nicht innerhalb von zwei Tagen komplett umgekrempelt hat, bekommt von Stella den Rat mit: "Am Ende ihres Lebens bereuen die Menschen nur eins. Das, was sie alles nicht getan haben." Stella fühlt sich beim Verteilen solcher Allgemeinplätze, die manche Leute als Wandtattoo haben, übrigens tatsächlich "weise". Wir lernen dann noch "Es gibt auf Erden keine größere Macht als einen glücklichen Menschen," und ganz am Ende des Buches, als Stella sich aus Büchern "kluge" Sätze heraussucht, werden wir mit diesen Kalendersprüchen geradezu überschüttet. Das war mir alles viel zu gewollt tiefgründig und dabei so simpel. Das in mehreren Zuckergussschichten dick aufgetragene "Alles wird gut und zwar ganz schnell und beim kleinsten Gedankenanstoß" war viel zu viel, zu übertrieben, zu unecht. Nachdem dann auch das Ende hoffnungslos in heile-Welt-Kitsch versank, konnte ich nur noch den Kopf schütteln.

Am Anfang war noch eine erfrischend freche Note im Buch, dann wurde es belanglos, um dann leider in einer rosa Zuckerwattewolke zu enden. Wer Märchen für Erwachsene mag, wird sich hier vielleicht wohlfühlen, aber ich fühlte mich eher verulkt.

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Veröffentlicht am 10.12.2019

Sehr enttäuschend

Glück am Morgen
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Die im Klappentext erwähnte Thematik des Buches ist ausgesprochen interessant: "Das erste Jahr der jungen Ehe von Annie und Carl ist nicht leicht - ständig fehlt es an Geld, obwohl Carl neben seinem Jurastudium ...

Die im Klappentext erwähnte Thematik des Buches ist ausgesprochen interessant: "Das erste Jahr der jungen Ehe von Annie und Carl ist nicht leicht - ständig fehlt es an Geld, obwohl Carl neben seinem Jurastudium noch mehrere Jobs hat." Ich war gespannt darauf, wie die jungen Leute mit dieser Situation zurechtkommen und freute mich dann auch, als ich beim Lesen festsstellte, daß das Buch Ende der 1920er spielt und hoffentlich Einblicke in das Leben der Zeit gegeben würden.

Leider aber ist die Umsetzung gleich aus mehreren Gründen meines Erachtens völlig mißlungen. Der Hauptgrund ist der ausgesprochen schlechte Schreibstil. Ich konnte es kaum glauben, daß diese Autorin renommierte Preise gewonnen hat, denn das Buch liest sich, als ob es ein Schulmädchen verfaßt hätte. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal ein so schlecht geschriebenes Buch gelesen habe.

Auch bei der Schilderung der Beziehung zwischen Carl und Annie wurde meistens zielsicher am Interessanten vorbei geschrieben. Das Buch beginnt mit ihrer Hochzeit und ich war von der Banalität der Dialoge bereits überrascht, habe es aber über gemächlicher Einführung verbucht. Allerdings ändert sich das Ganze nicht. Annie und Carl führen zum Großteil absolut uninteressante Dialoge, die nicht dadurch besser werden, daß die beiden sich in fast jedem Satz zwanghaft mit Vornamen ansprechen.
Ein Auszug:
"Hast du schon mal so viele Pee-wees gesehen, Carl?"
"Das sind Beanies."
"In Brooklyn heißen die Pee-wees."
"Ich bin aber nicht in Brooklyn."
"Aber trotzdem bist du noch Brooklyner."
"Das müssen ja nicht alle wissen, Annie."
"Das ist jetzt nicht dein Ernst, Carl."
"Ach, wir können sie doch einfach Beanies nennen, Annie."
Das ist keine unrühmliche Ausnahme, sondern Carl und Annie sprechen fast ständig so miteinander. Irgendwann merkt man auch, daß ihre begrenzte Themenauswahl sich immer wiederholt und wir lesen Varianten des Banalen immer und immer wieder.

Die Charaktere sind nicht gut gezeichnet. Annie ist manchmal erschreckend einfältig, an manchen Stellen ist es kaum glaubhaft. Dazu ist sie noch völlig distanzlos und launisch. Das macht die Szenen mit ihr unangenehm zu lesen. Carl ist farblos. Er lernt viel, er arbeitet viel und er wird ab und an etwas grob. Mehr erfahren wir nicht. Was diese beiden aneinander finden, erfahren wir auch nicht, meistens scheinen sie genervt voneinander. Manche Szenen sollen uns vermitteln, wie sehr sie einander lieben, aber man kann es nicht nachempfinden und versteht es auch nicht. Überhaupt ergeben die Beziehungen zwischen den Charakteren nur selten Sinn.

Interessante Aspekte, wie eben Carls finanzielle Nöte oder das gespannte Verhältnis zu den jeweiligen Eltern, werden leider kaum behandelt, stattdessen versinkt die Geschichte größtenteils in Banalitäten. Zudem kommt Carl ein glücklicher Zufall nach dem anderen zu Hilfe und sobald ein wenig Geld im Haus ist, wird es (vor allem von Annie) mit vollen Händen hastig ausgegeben, was der finanziellen Thematik Dringlichkeit und Glaubwürdigkeit nimmt.

Annie, wie gesagt von ausgesprochener Einfältigkeit und dazu mit gerade mal grundlegender Schulbildung, schreibt gerne, insbesondere Theaterstücke. Ihre ersten Versuche sind schmerzhaft schlecht, was verständlich ist - sie konnte es bislang nicht lernen. Nun reicht aber ihr Interesse an der Thematik aus, kostenlose Gasthörerin bei entsprechenden Vorlesungen zu werden und dort braucht sie nur ein paar Monate, um zu den drei Besten der Klasse zu zählen. Das ist völlig unglaubwürdig (auch wenn das Buch wohl autobiographische Züge hat) und wird noch unglaubwürdiger, als wir Annies spätere Schreibversuche zu lesen bekommen und sie immer noch schmerzhaft schlecht sind.

So las ich hier also ein schlecht geschriebenes Buch mit unsympathischen, teils überzeichneten Charakteren, dessen teils interessante Themen entweder unzureichend oder unglaubwürdig behandelt wurden. "Glück am Morgen" ist leider die Enttäuschung des Jahres für mich. Die zwei Sterne gibt es für einige informative Schilderungen von Stadt- und Universitätsleben und für durchblitzende Momente, in denen man von Carls Situation gerührt ist und merkt, daß hier eine gute Geschichte hätte drinstecken können.

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Veröffentlicht am 14.10.2019

Überwiegend nicht plausibel, Erzählweise behäbig und distanziert

Die Hoffnung zwischen den Zeilen
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Der Klappentext hat bei mir hohe Erwartungen an das Buch geweckt. Eine in der Nachkriegszeit spielende Geschichte, die bis in die Kriegszeit zurückgeht und sowohl Deutschland als auch Schweden behandelt ...

Der Klappentext hat bei mir hohe Erwartungen an das Buch geweckt. Eine in der Nachkriegszeit spielende Geschichte, die bis in die Kriegszeit zurückgeht und sowohl Deutschland als auch Schweden behandelt – das klingt vielversprechend. Ich weiß noch recht wenig über Schweden während des Zweiten Weltkrieges und war sehr gespannt, hier mehr zu lernen.

Leider aber wurden meine Erwartungen nicht getroffen. Das Buch wird als Historischer Roman kategorisiert, aber dafür ist recht wenig Historisches drin. Ja, es spielt zur Nachkriegszeit, es gibt einige Rückblicke, einige vereinzelte Informationen mit historischem Inhalt, aber letztlich hätte die Geschichte mit ein paar leicht veränderten Parametern zu jeder Zeit stattfinden können. Nachkriegsatmosphäre kam kaum auf – generell mangelte es an Atmosphäre. Über Schweden im Krieg habe ich so gut wie nichts erfahren (über Deutschland im Krieg ebenfalls nicht).

Es beginnt noch recht plastisch mit Uli, die in das schwedische Dorf Krokom reist. Es gibt einige Hinweise über die Meinung der Schweden über die Deutschen nach dem Krieg, ein paar Rückblicke Ulis in die Kriegszeit in Hamburg. Das bleibt aber leider kurz, oberflächlich und hinterläßt mehrere offene Fragen. Die beiden Hauptpersonen Uli und Elsa blieben mir das ganze Buch hindurch fremd, Uli wird zudem immer unsympathischer. Die Erzählweise der Autorin ist ausgesprochen distanziert. Das ist auch deshalb unerfreulich, weil es hier um durchaus gravierende Entscheidungen geht, die die Protagonistinnen treffen oder trafen, die uns aber überhaupt nicht plausibel gemacht werden. Das trifft insbesondere auf Elsa zu. Elsa hilft jemandem in einem Maße, das über einen kleinen Gefallen weit hinausgeht und auch für sie durchaus Folgen haben könnte. Dieses im Klappentext erwähnte „Geheimnis“ war mir übrigens schon ziemlich schnell klar, auch weitere Entwicklungen waren vorhersehbar.

Uli taucht also in Krokom auf, weil sie Briefe gefunden hat, die Elsa dem Deutschen Hans (lt Klappentext – im Buch heißt er Johann, bzw Hansi) schrieb, welcher mit Uli „verlobt“ war. Ich setze dies in Anführungsstriche, weil man die Liebe zwischen Uli und Hans zu keinem Zeitpunkt nachvollziehen kann. Für Uli war es eine von mehreren Bettgeschichten und schon deshalb ist es nicht plausibel, daß sie Jahre später wegen dieses Mannes zu Elsa reist. Elsa hat ebenfalls Briefe mit Hans ausgetauscht. Warum? Das erschließt sich dem Leser leider nicht, insbesondere, da sie nur über Landwirtschaft geschrieben zu haben scheint. Somit sind für die Geschichte wesentliche Konstellationen und Motive nicht nachvollziehbar.

Im Klappentext wird erwähnt, daß Uli und Elsa „vorsichtig Freundschaft“ knüpfen. Auch das sah ich nicht. Uli trampelt in Elsas Leben, diese enthüllt der Unbekannten umgehend ihr Geheimnis, was dazu führt, daß Uli Elsa gegenüber mit größter Selbstverständlichkeit die dreistesten Forderungen stellt, Elsa diese – ohne daß der Leser versteht, warum – erfüllt und von Uli genervt ist.

Auch sonst gibt es mehrere Stellen, die nicht plausibel sind, zwei Aspekte würde ich sogar als falsch geschildert einstufen. Der letzte Teil des Buches enthält so viele schlecht durchdachte Aspekte, unglaubhafte Wendungen, praktische Zufälle und ein unrealistisches Ende, daß ich mich ein wenig verulkt fühlte.

Das Buch liest sich leicht, es gibt auch einige gut geschilderte Szenen (hauptsächlich am Anfang). Die Erinnerungen Ulis an frühere Jahre haben durchaus Interessantes, sind auch gut in den Text eingeflochten. Allerdings ist das Erzähltempo insgesamt äußerst behäbig, mit vielen unnötigen Details (besonders bedauerlich, da wichtige Details nicht vorhanden waren und zu viel offen blieb).

So muß ich also leider sagen, daß ich weder inhaltlich noch stilistisch von diesem Buch überzeugt wurde und es mir kein Lesevergnügen bereitete.

Veröffentlicht am 03.06.2019

Zu detailfreudig, kaum spannend

Die Rivalin
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Ich habe leider nicht so sehr auf den Kinderwagen auf dem Titelbild geachtet, sondern mehr auf den Klappentext, sonst hätte ich die thematische Ausrichtung wohl besser erkannt. Der Klappentext ist nämlich ...

Ich habe leider nicht so sehr auf den Kinderwagen auf dem Titelbild geachtet, sondern mehr auf den Klappentext, sonst hätte ich die thematische Ausrichtung wohl besser erkannt. Der Klappentext ist nämlich leider irreführend. Dieser verspricht einen spannenden Psychothriller, bei dem Agatha, „Aushilfskraft in einem Supermarkt und aus ärmlichen Verhältnissen“ „das Leben einer anderen Frau“ möchte, nämlich das von Meghan, „deren Ehemann ein erfolgreicher Fernsehmoderator ist und die sich im Londoner Stadthaus um ihre zwei Kinder kümmert“. Wir lernen zu Beginn Agatha und Meghan auch kennen, in jeweils wechselnden Kapiteln berichten sie in der Ich-Perspektive über ihr Leben. Diese wechselnden Perspektiven, ob mit Perspektiven oder Zeitebenen, begegnen mir momentan in gefühlt jedem Roman.

Agathas Kapitel sind zu Beginn durchaus interessant, denn ihre Fixierung auf Meghan und deren vermeintlich perfektes Leben wird sofort deutlich, ebenso wie recht beunruhigende Aspekte von Agathas Charakter. Man lernt ihre Abgründe in kleinen Häppchen kennen, die sich zu einem dunklen Gesamtbild zusammensetzen – das liest sich gut und interessant. Meghans Kapitel dagegen sind sterbenslangweilig. Sie führt einen – wie sie selbst zugibt – seichten Mama-Blog mit Banalitäten aus ihrem Familienleben, und so wie der Blog lesen sich auch ihre Kapitel. Wer Freude daran hat, zu lesen, welches Kind wann welches Gericht nicht mag, womit wer wann spielte, welche kleinen Zankereien es gab, der wird mit diesen Kapiteln vielleicht mehr anfangen können. Im Klappentext wird erwähnt „Denn beide haben dunkle Geheimnisse, in beider Leben lauern Neid und Gewalt.“ Das ist im Hinblick auf Meghan sehr stark übertrieben.

Da sowohl Agatha wie auch Meghan zu Beginn berichten, schwanger zu sein, häufen sich die Details zu Schwangerschaften, Geburten und ihrem Drumherum ebenfalls. Anzuerkennen ist, daß der Autor, ein Mann in seinen 50ern, die zwei Frauen absolut glaubhaft rüberbringt und sich bestens in sie einfühlen kann. Das war sicher nicht leicht und ist tadellos gelungen. Allerdings war es mir zu detailreich, dazu garniert mit sentimentalen Betrachtungen, die gar nicht mein Fall sind.

Nachdem zumindest Agathas Kapitel zu Anfang die Hoffnung aufrechterhalten, daß es spannend wird, ändert sich auch das bald. Der erste Teil des Buches läuft dann auf /Achtung Spoiler!/ eine Babyentführung hinaus /Spoiler Ende/. Diese Thematik wird in Büchern, genau wie in Stalkerkrimis, letztlich immer sehr ähnlich abgehandelt, weshalb ich diese Art Krimis normalerweise nicht lese. Genau so verläuft es dann auch hier. Der zweite Teil des Buches zieht sich sehr. An manchen Stellen konnte ich fast genau vorhersagen, was gleich passiert, dazu kommen weitere wenig interessante Details. Irgendwann habe ich ganze Absätze nur noch überflogen. Das Buch hat über 500 Seiten – nur wenige Krimis und Thriller können diese Seitenanzahl spannend füllen. „Die Rivalin“ kann es eindeutig nicht. Es kommen noch einige unnötige Zusatzgeschichten und –aspekte dazu, die leider nichts tun, außer die Geschichte noch mehr langzuziehen.

Das Ende war überraschend, aber leider auf eine recht antiklimaktische Art. Hier wurde meines Erachtens viel Potential verschenkt, viel unter endlosen Alltagsdetails vergraben und so war es zumindest für mich kein Lesevergnügen, trotz des vielversprechenden Anfangs.

Veröffentlicht am 29.04.2019

Das war leider nichts - zäh, zäh, zäh

Wie tief ist deine Schuld
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Das Buch beginnt durchaus gelungen - inmitten ihrer häuslichen Familienidylle bekommt Isa eine SMS ihrer ehemaligen Schulfreundin Kate. Ein Hilferuf, gerichtet an Isa und zwei weitere ehemalige Schulfreundinnen, ...

Das Buch beginnt durchaus gelungen - inmitten ihrer häuslichen Familienidylle bekommt Isa eine SMS ihrer ehemaligen Schulfreundin Kate. Ein Hilferuf, gerichtet an Isa und zwei weitere ehemalige Schulfreundinnen, die sich alle seit siebzehn Jahren nicht gesehen haben. Alle reisen sofort zu Kate und natürlich ist man als Leser gespannt, was alles dahintersteckt. Wir erfahren die Hintergründe in wechselnden Vergangenheits- und Gegenwartskapiteln. Das macht momentan gefühlt jeder zweite Roman so und das Konzept hat an Originalität sehr verloren, aber deshalb muß es ja nicht schlecht sein. Wenn es gut gemacht ist, lese ich Bücher dieser Art sehr gerne. Das Prinzip klappt hier auch an sich recht gut.

Der Stil war mir von Anfang an etwas zu blumig, an Stellen zu gewollt poetisch, aber durchweg schon gut lesbar. Das Erzähltempo ist ausgesprochen langsam. Zu Beginn funktioniert das noch recht gut, wir müssen immerhin die vier Freundinnen kennenlernen und etwas über ihre Geschichte erfahren. Das erste Viertel des Buches habe ich recht angetan gelesen. Dann aber, als die Grundinformationen bekannt waren, wurde es leider immer zäher. Ruth Ware verliert sich in endlosen Einheiten. Symptomatisch dafür sei hier das Beispiel von Isas Baby geschildert. Isa hat eine sechs Monate alte Tochter, Freya, die für die Geschichte nur marginal relevant ist. Wir erfahren ständig - auch wenn es zu der jeweiligen Szene überhaupt nichts beiträgt, und das tut es so gut wie nie -, wie Freyas Gesichtsausdruck ist, ob Isa sie im rechten oder linken Arm hält, ob Freyas Mund beim Schlafen offen oder geschlossen ist, wie Isa sie aus einem Wagen hebt, wie sie sie von einem Arm in den anderen nimmt usw. Diese Art der unnötigen Informationsvermittlung zu vielen Themen zieht sich durch das ganze Buch, es werden auch die banalsten Unterhaltungen genau geschildert, ebenso Unterhaltungen gleichen Inhaltes mit wechselnden Personen. Bereits Geschehenes, was man also bereits gelesen hat, wird später noch mal zusammen gefaßt. Und nochmal. Und noch einmal.

Zudem neigt Isa zum Grübeln und die Autorin neigt dazu, uns jeden einzelnen Gedanken Isas mitzuteilen, gerne auch wiederholt. Es gibt ganze Kapitel, in denen Isas Gedanken sich im Kreis drehen, die voller Wiederholungen, zähen Gedankengängen und Überflüssigem sind.

Das dunkle Geheimnis, das die vier Freundinnen verbindet, wird uns zu Anfang in Andeutungen mitgeteilt. In vielen, vielen Andeutungen. Die Andeutungen heben die Spannung nicht, weil sie viel zu inflationär eingesetzt werden. Sie gehen einem auf die Nerven und zudem sind die eigentlichen Enthüllungen nicht mehr besonders überraschend, weil man sich das Meiste aus den ganzen Andeutungen schon ziemlich gut zusammenreimen konnte.

Auf Seite 300 fühlte sich das Lesen wie eine unerfreuliche Aufgabe an und ich überschlug die nächsten 100 Seiten (fand übrigens sofort wieder Anschluß, weil eben kaum etwas passiert), um das Ende noch zu lesen. Dabei stellte ich fest, daß mir das "große Geheimnis", die Personen und was aus ihnen wurde, mittlerweile völlig gleichgültig waren, weil die Geschichte längt in Überflüssigem ertrunken war. Ich schloss erleichtert das Buch und löschte den anderen Titel der Autorin von meiner Wunschliste.