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Veröffentlicht am 06.05.2019

Alles dreht sich um Kunst

Schatten der Provence
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Einige Gemälde von Paul Cézanne treten eine Reise von Aix-en-Provence nach Lyon an, da sie dort in einer großen Cézanne-Ausstellung gezeigt werden sollen. Doch es gibt einen Überfall auf den hochgesicherten ...

Einige Gemälde von Paul Cézanne treten eine Reise von Aix-en-Provence nach Lyon an, da sie dort in einer großen Cézanne-Ausstellung gezeigt werden sollen. Doch es gibt einen Überfall auf den hochgesicherten Transport, bei dem ein Polizist und einige der Täter zu Tode kommen und der eine Räuber, der in Haft ist, will nicht reden. Zum Glück gibt es den Pensionär wider Willen Albin Leclerc, der sich gerne gefragt oder auch ungefragt einmischt. Dank seines Rates werden kurz darauf in einem Versteck noch andere gestohlene Gemälde von Henri Matisse entdeckt und obendrein auch noch zwei völlig unbekannte Werke von Cézanne und einen Van Gogh. Caterine Castel und ihr Kollege Alain Theroux stehen mächtig unter Druck, denn Interpol und Europol wollen das Ganze an sich ziehen. Kurz darauf stirbt der Kunstsammler Tournay, dem die Matisse abhandenkamen. Aber es bleibt nicht bei dem einen Toten und auch Albin Leclerc gerät in Gefahr, als er zu tief gräbt.
Für mich ist dies der erste Fall, den ich mit Albin Leclerc lösen durfte, aber ganz bestimmt nicht der letzte. Der Schreibstil ist sehr flüssig zu lesen und humorvoll. Ich mochte die Dialoge, ganz besonders die gedanklichen von Albin und seinem Mops Tyson.
Der Fall spielt weit in die Vergangenheit und schon der Prolog führt uns in das Kriegsjahr 1943, als in Marseille ein ganzer Stadtteil dem Erdboden gleichgemacht und viele Menschendeportiert wurden. Doch was hat das alles mit dem brutalen Überfall auf den Kunsttransport zu tun? Es gibt eine Reihe von Verdächtigen, die alle mit Kunst zu tun haben. Aber wer will da seine Geheimnisse unter allen Umständen bewahren und schreckt auch vor Mord nicht zurück?
Castel und Theroux kommen nicht so recht von der Stelle. Auch wenn Castel anfangs noch bei Albin Rat gesucht hat, so gefällt es ihr überhaupt nicht, dass der immer wieder an den Tatorten auftaucht. Albin versucht sich einzureden, dass er zufrieden ist mir seinem Ruhestand, aber in Wirklichkeit kann er niemanden damit überzeugen.
Es ist von Anfang an spannend und wieviel kriminelle Energie hinter allem steckt, war dann am Ende doch eine Überraschung.
Mir hat dieser Provence-Krimi sehr gut gefallen, der trotz des ernsten Hintergrundes auch humorvoll daherkommt.

Veröffentlicht am 05.05.2019

Eine schöne Fortsetzung

Die Fotografin - Die Zeit der Entscheidung
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Seit einer ganzen Weile betreut Mimi Reventlow, die Wanderfotografin, nun schon ihren kranken Onkel Josef in Laichingen auf der schwäbischen Alb. Es war nicht einfach für sie, doch sie konnte auf die Unterstützung ...

Seit einer ganzen Weile betreut Mimi Reventlow, die Wanderfotografin, nun schon ihren kranken Onkel Josef in Laichingen auf der schwäbischen Alb. Es war nicht einfach für sie, doch sie konnte auf die Unterstützung einiger Dorfbewohner bauen. Dem Webereibesitzer Gehringer ist sie immer noch ein Dorn im Auge, zumal Mimi einiges in Gang setzt, das ihm überhaupt nicht in den Kram passt. Nur die Beziehung zu Hannes, der sich nun Johann nennt, kommt zu Mimis Bedauern nicht von der Stelle.
Ich hatte mich schon sehr auf den zweiten Band dieser Reihe gefreut und wurde auch gleich wieder von der Geschichte gepackt. Es geht nahtlos weiter. Der Schreibstil lässt sich wieder sehr angenehm lesen und lässt die Bewohner und ihr Leben in Laichingen sehr lebendig und authentisch erscheinen.
Die Arbeit der Männer in der Weberei ist hart und auch die Frauen haben viel zu tun mit den Näh- und Stickarbeiten. Daneben müssen sie auch noch schwer arbeiten auf den kargen Böden, um überleben zu können. Trotzdem herrscht bittere Not und Gehringer fordert immer mehr Einsatz. Die Tradition verlangt, dass die Jugendlichen genauso wie ihre Väter und Großväter in der Weberei arbeiten, doch bei den Jungen regt sich Widerstand. Einige wollen ihren Neigungen nachgehen. Die selbstbewusste und selbständige Mimi ist daran nicht ganz unbeteiligt. Sie war immer stolz darauf, dass sie unabhängig durch die Lande ziehen und ihrem Beruf nachgehen konnte, nun aber wächst eine Sehnsucht in ihr nach Gemeinsamkeit. Johann stielt sich immer wieder in ihre Gedanken, aber er hat kaum Zeit, denn er will die Weber überzeugen, sich gegen die ausbeutenden Arbeitsbedingungen zu wehren. Ob sich Mimis Träume wohl erfüllen?
Die Charaktere sind alle sehr individuell und lebendig dargestellt. Alte Bekannte tauchen wieder auf und neue Personen kommen hinzu. Nicht alle sind einem sympathisch und nicht immer kann man ihr Handeln nachvollziehen, aber sie gehören alle zu dieser runden Geschichte dazu und machen sie interessant.
Auch dieses Mal bleiben am Ende Fragen offen und machen neugierig auf den nächsten Band.
Das Buch hat mich gut unterhalten und ich kann es nur empfehlen.

Veröffentlicht am 03.05.2019

Schwer zu ertragen

Der Fetzen
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Als man seinerzeit von dem Terroranschlag auf die Redaktion Charlie Hebdo hörte, war man schockiert, ist aber recht schnell wieder zum Tagesgeschehen übergegangen. Einerseits war da eine Angst vor Terroranschlägen, ...

Als man seinerzeit von dem Terroranschlag auf die Redaktion Charlie Hebdo hörte, war man schockiert, ist aber recht schnell wieder zum Tagesgeschehen übergegangen. Einerseits war da eine Angst vor Terroranschlägen, andererseits wollte man wohl nicht zu sehr darüber nachdenken. Was aber ist mit den Menschen, die betroffen sind? Was ist mit denen, die den Anschlag überlebten, deren Leben aber nie mehr das ist, was es zuvor war?
Philippe Lançon ist ein Betroffener; er hat überlebt. Er musste zusehen, wie seine Kollegen erschossen wurden und er musste erleiden, wie ihm der Unterkiefer zerschossen wird. Mit einem Mal waren viele seiner Pläne nicht mehr möglich. Ein langer Heilungsprozess mit vielen Operationen steht ihm bevor und am Ende hat er zwar ein Leben, aber nicht mehr das, was es zuvor war.
Der Kulturkritiker und Kolumnist Philippe Lançon hat sein Trauma in diesem Buch verarbeitet. Es ist nicht einfach, dieses Buch zu lesen, denn es ist verstörend und macht einen fassungslos. Umso bewundernswerter ist es, wie Philippe Lançon sich zurückgekämpft hat. Dabei berichtet er detailliert und relativ emotionslos darüber, was er erduldet hat und was ihn bewegt hat. Man lernt seine Gedanken zu vielen unterschiedlichen Themen kennen.
Wer das erlebt hat, muss eigentlich wütend sein und darf jammern ob der Qualen, die er ertragen musste. Aber der Autor berichtet sehr sachlich, was ich bewundere.
Es ist ein verstörendes Buch, es macht betroffen und nachdenklich. Es ist ein sehr intensives Buch.

Veröffentlicht am 01.05.2019

Schicksalsland Island

Das Versprechen der Islandschwestern
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Die Eltern der Schwestern Helga und Margarete leben nicht mehr und Helgas Verlobter ist auch im Krieg geblieben. Margarete hält nichts mehr in dem zerstörten Deutschland. Sie überredet im Jahr 1949 ihre ...

Die Eltern der Schwestern Helga und Margarete leben nicht mehr und Helgas Verlobter ist auch im Krieg geblieben. Margarete hält nichts mehr in dem zerstörten Deutschland. Sie überredet im Jahr 1949 ihre ältere Schwester, mit nach Island zu kommen und dort auf einem Bauernhof zu arbeiten. Helga hat schnell Heimweh und Margarete verliebt sich in den Isländer Théo. Was wird die Zeit für die Schwestern bringen?
2017 macht sich Pia mit ihrer pubertierenden Tochter Leonie und ihrer Großmutter Greta nach Island auf, um den Geburtstag von Gretas Schwester Helga zu feiern. Die Schwestern hatten all die Jahre keinen Kontakt mehr. Pia möchte wissen, was vorgefallen ist, aber ihre Oma hält sich bedeckt. Pia verliert ihr Herz an Island und vielleicht auch ein wenig an Ragnar, während Leonie weiterhin Pias Geduld strapaziert und zwischen Greta und Helga viel Unausgesprochenes ist. Warum tun sich die alten Damen so schwer, ihre Konflikte zu besprechen?
Die Geschichte hat mich gleich in ihren Bann gezogen. Obwohl ich frühzeitig ahnte, was für eine Geschichte da zwischen Margarete und Helga steht, blieb es trotzdem spannend. Island hat mich schon immer fasziniert und ich konnte mir durch die gute und bildhafte Beschreibung die raue Landschaft gut vorstellen. Auch die Charaktere sind alle wunderbar und vielschichtig ausgearbeitet.
Es muss schwer gewesen sein für die Schwestern sich in einem fremden Land zurechtzufinden – ohne Sprachkenntnisse und ohne jemals auf einem Bauernhof gearbeitet zu haben. Aber Margarete will dort ankommen, woran aber auch Théo nicht ganz unbeteiligt ist. Doch er ist kann Mann, auf den man sich verlassen kann. Helga kommt mit Trauer im Herzen in dieses Land und möchte schnellstens wieder zurück. Die Schwester haben ein sehr enges Verhältnis und man sollte glauben, dass nichts sie trennen kann.
Pia wird trotz Scheidung immer noch von ihrem Ex kontrolliert und auch Leonie macht es ihr nicht leicht, was aber bei Pubertierenden wohl normal ist. Sie möchte auf Island zur Ruhe kommen, doch die Begegnung mit Ragnar sorgt eher für Unruhe. Ragnar hat auch sein Päckchen zu tragen und muss erst einmal abschließen, bevor er für Neues offen ist.
Es ist ein wunder schöner Roman mit tollen Charakteren und einer ganz besonderen Landschaft.

Veröffentlicht am 01.05.2019

Ein wundervoller Roman

Ein Sommer in Brandham Hall
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Leo Colston findet beim Aufräumen sein „Tagebuch für das Jahr 1900“ und er erinnert sich an den Sommer auf dem Landgut der Eltern seines besten Freundes. Zu dem Zeitpunkt war er zwölf Jahre alt und noch ...

Leo Colston findet beim Aufräumen sein „Tagebuch für das Jahr 1900“ und er erinnert sich an den Sommer auf dem Landgut der Eltern seines besten Freundes. Zu dem Zeitpunkt war er zwölf Jahre alt und noch sehr unbedarft. Nur so konnte er in den Strudel hineingezogen werden, der in einer Katastrophe endete.
„Ein Sommer in Brandham Hall“ erschien bereits im Jahr 1953 unter dem Titel „The Go-Between“ und wird jetzt neu herausgegeben. Der Schreibstil ist wundervoll zu lesen, er ist bildhaft und sehr poetisch.
Die Verlobung von Marian, der Tochter des Hauses, mit Lord Trimingham steht bald bevor, als Leo Liebesbotschaften zwischen Marian und dem Pächter Ted Burgess überbringt. Leo stammt aus ärmlichen Verhältnissen und ihm imponiert die Umgebung in der sein aristokratischer Schulfreund Marcus Maudsley aufwächst. Dabei hat es mich verwundert, wie die beiden so unterschiedlichen Jungen befreundet sein können. Leo möchte die Anerkennung der Familie und lässt sich daher von Marian einspannen. Zunehmend aber fühlt er sich mit seinem Botendienst unwohl. Natürlich bleibt Marians Treiben nicht verborgen und die Katastrophe ist nicht mehr aufzuhalten.
Leo ist nicht mehr richtig Kind, aber auch noch nicht erwachsen. Es ist eine aufregende Zeit, in der er sich selbst noch nicht gefunden hat. Da ist es verständlich, dass die schöne Marian das Chaos von Leos Gefühle noch zusätzlich durcheinanderbringt. Er begreift in seiner Naivität nicht, was da geschieht und dass er getäuscht wird. Die Folgen sind für ihn verheerend.
Die Charaktere sind lebendig und individuell gezeichnet. Nur aus dem Zusammenspiel dieser Personen ist der Verlauf der Geschichte zu erklären.
Mir hat dieser sehr atmosphärische Roman sehr gut gefallen.